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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 16.03.2004
Aktenzeichen: 6 A 4402/02
Rechtsgebiete: VO zu SchFG


Vorschriften:

GG Art 3 Abs 1
VO § 3 zu § 5 SchFG
VO § 2 zu § 5 SchFG
1. Die Bandbreitenregelung des § 3 VO zu § 5 SchFG, die bei unterschiedlicher zeitlicher Inanspruchnahme von Lehrern eine Unter- bzw. Überschreitung der wöchentlichen Pflichtstundenzahl im Einzelfall ermöglicht, steht mit höherrangigem Recht in Einklang.

2. Über den Antrag eines (Korrekturfach-)Lehrers auf Reduzierung der Pflichtstundenzahl (hier: eines Lehrers an einem Gymnasium mit den Fächern Englisch und Französisch) ist auf der Grundlage dieser Regelung und in dem dort vorgesehenen Verfahren zu entscheiden; eine prinzipielle Nichtanwendung der Vorschrift ist rechtswidrig.

3. Zu den insoweit zu beachtenden Maßgaben und den dabei bestehenden Entscheidungsspielräumen.


Tatbestand:

Der Kläger, ein im Gymnasium eingesetzter Oberstudienrat mit den Fächern Englisch und Französisch, beantragte die Reduzierung seiner wöchentlichen Pflichtstundenzahl, weil seine Arbeitszeit die für Beamte des beklagten Landes festgelegte Arbeitszeit von 38,5 Stunden pro Woche deutlich übersteige. Auch sei das beklagte Land aufgrund der Fürsorgepflicht und im Hinblick auf die Gleichbehandlung mit solchen Gymnasiallehrern, bei denen aufgrund ihrer Unterrichtsfächer der Arbeitsaufwand durch Korrekturen entfalle, verpflichtet, seine wöchentliche Unterrichtsverpflichtung angemessen herabzusetzen. Widerspruch und Klage gegen den Ablehnungsbescheid blieben erfolglos. Die Berufung führte zu einem Teilerfolg.

Gründe:

1.) Die Klage ist als Verpflichtungsklage statthaft. Das VG hat dies daraus hergeleitet, dass die durch Rechtsverordnung (§ 2 Abs. 1 Satz 1 VO zu § 5 SchFG i.d.F. der Bekanntmachung vom 22.4.2002, GV. NRW. S. 148) festgelegte Anzahl der Pflichtstunden mindestens zu Beginn jeden Schuljahres für jeden Lehrer einer Konkretisierung im Wege der Einzelfallentscheidung bedürfe. Diese stelle einen Verwaltungsakt dar, den der betroffene Lehrer u.a. mit der Verpflichtungsklage angreifen könne. Ob dies zutrifft, erscheint nicht unzweifelhaft, kann aber dahinstehen. Immerhin legt die genannte Vorschrift die Pflichtstundenzahl der Lehrer unmittelbar verbindlich fest und wird von daher für den Regelfall keiner Umsetzung mehr bedürfen. Im hier vorliegenden Streitfall hatte aber der Kläger einen individuellen Antrag auf Reduzierung seiner Pflichtstundenzahl gestellt, über den das beklagte Land durch Verwaltungsakt entscheiden musste und tatsächlich auch entschieden hat.

2.) Die Klage ist mit dem im Berufungsverfahren allein verfolgten erstinstanzlichen Hauptantrag teilweise begründet. Der Kläger hat zwar keinen Anspruch auf Reduzierung seines Unterrichtsdeputats um (mindestens) zwei Unterrichtsstunden; das beklagte Land ist aber verpflichtet, über seinen Antrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.

a) Maßgeblich für die Beurteilung des Klagebegehrens sind die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat. Das im Streitfall einschlägige materielle Recht enthält keinen Anhaltspunkt, der eine Abweichung von diesem Grundsatz rechtfertigen könnte. Demgemäß ist als Rechtsgrundlage für das Begehren des Klägers vorrangig § 3 VO zu § 5 SchFG in der heute geltenden Fassung der Bekanntmachung vom 22.4.2002, GV. NRW. S. 148, zuletzt geändert durch Art. 6 des Änderungsgesetzes vom 17.12.2003, GV. NRW. S. 814, in Betracht zu ziehen. Dass die Vorschrift im Zeitpunkt der Antragstellung vom 17.8.1999 noch nicht in Kraft war, ist ohne Bedeutung. Sie hat folgenden Wortlaut:

"Pflichtstunden-Bandbreite"

(1) Eine unterschiedliche zeitliche Inanspruchnahme von Lehrerinnen und Lehrern durch besondere schulische Aufgaben und besondere unterrichtliche Belastungen soll in der Schule ausgeglichen werden. Soweit dies im Einzelnen erforderlich ist und die besonderen Belastungen sich nicht aus dem Inhalt des Amtes ergeben, können die in § 2 Abs. 1 genannten Werte unterschritten oder um bis zu drei Pflichtstunden überschritten werden. Die Abweichungen müssen sich in der Schule insgesamt ausgleichen. Die Verteilung der Anrechnungsstunden nach § 2 Abs. 5 ist zu berücksichtigen.

(2) Über Grundsätze für die Festlegung der individuellen Pflichtstundenzahl entscheidet die Lehrerkonferenz auf Vorschlag der Schulleiterin oder des Schulleiters. Die Entscheidung im Einzelnen trifft die Schulleiterin oder der Schulleiter.

b) Verfassungsrechtliche Bedenken, insbesondere in Hinsicht auf den Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG), bestehen gegen diese Regelung nicht. Sie geht freilich davon aus, dass § 2 Abs. 1 Satz 1 VO zu § 5 SchFG für den Regelfall die Arbeitszeit der Lehrer in nicht zu beanstandender Weise festlegt und lediglich unter den besonderen Voraussetzungen des Absatzes 1 Sätze 1 bis 4 eine Abweichung hiervon geboten ist. Gegen diesen Ausgangspunkt ist aus Rechtsgründen nichts einzuwenden. Der Senat hat mit Beschluss vom 14.7.2003 - 6 A 2040/01 -

Rechtsprechungsdatenbank NRWE: www.justiz.

nrw.de/RB/nrwe/index.html; juris; ebenso Beschluss des Senats vom 4. 7.2003 - 6 A 2419/00 - zur Pflichtstundenerhöhung für Lehrer an Gesamtschulen

entschieden, dass die allgemeine Regelung über die Pflichtstundenzahl sowie deren Erhöhung für Lehrer an Gymnasien von 23,5 auf 24,5 zum Schuljahr 1997/98 (vgl. § 3 VO zu § 5 SchFG a.F.) rechtmäßig sind. Hierzu hat er ausgeführt:

"Nach der ständigen Rechtsprechung des BVerwG ist geklärt, dass die Pflichtstundenregelung für Lehrer und für einzelne Lehrergruppen in die allgemeine beamtenrechtliche Arbeitszeitregelung eingebettet ist. Sie trägt dem besonderen Umstand Rechnung, dass die Arbeitszeit der Lehrer nur zu einem Teil, nämlich hinsichtlich der eigentlichen Unterrichtsstunden, exakt messbar ist, während die Arbeitszeit im Übrigen entsprechend den pädagogischen Aufgaben des Lehrers wegen der erforderlichen Unterrichtsvorbereitung, der Korrekturen, Elternbesprechungen, Konferenzen und dergleichen nicht im Einzelnen in messbarer und überprüfbarer Form bestimmt werden kann. Vielmehr ist insoweit nur eine - grob pauschalierende - Schätzung möglich. In diesem Rahmen konkretisiert der Dienstherr durch die Pflichtstundenregelung die für Lehrer geltende durchschnittliche Wochenarbeitszeit.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 14.12.1989 - 2 NB 2.89 -, RiA 1990, S. 194 f.; Beschluss vom 29.1.1992 - 2 B 5.92 -; grundlegend Urteil vom 15.6.1971 - 2 C 17.70 -, BVerwGE 38, S. 191 ff.

Wie das BVerwG weiter ausgeführt hat, muss bei dieser groben Schätzung die den Lehrern abverlangte Arbeitsleistung unter Berücksichtigung der jährlichen Gesamtarbeitszeit im Rahmen der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit der übrigen Beamten bleiben.

Vgl. etwa Beschluss vom 14.12.1989 - 2 NB 2.89 -, a.a.O., S. 195 (dort zur 40-Stunden-Woche). Der rechtliche Ansatz des BVerwG enthält zwei keineswegs selbstverständliche Prämissen, die sich nicht nachteilig, sondern allein zu Gunsten der Lehrer auswirken können: Zum einen ist damit die rechtliche Forderung verbunden, die Arbeitszeit der Lehrer dürfe die wöchentliche Arbeitszeit der übrigen Beamten (derzeit 38,5-Stunden-Woche, vgl. § 78 Abs. 1 Satz 1 LBG NRW, § 2 Abs. 1 Satz 1 ArbZV NRW) im Großen und Ganzen nicht überschreiten.

Anders noch BVerwG, Urteil vom 15.6.1971 - 2 C 17.70 -, a.a.O., S. 197: Der verfassungsrechtliche Gleichheitssatz verbiete nicht, die Pflichtstundenzahl der Lehrer abweichend von der allgemeinen Arbeitszeitregelung für Beamte festzusetzen, soweit dies durch sachliche Erwägungen gerechtfertigt sei.

Zum anderen liegt der genannten Rechtsprechung die tatsächliche Annahme zugrunde, dass eine Arbeitszeit von 38,5 Stunden pro Woche unter den gegenwärtigen Verhältnissen eine Obergrenze darstellt, die im Allgemeinen nicht überschritten wird. Ob dies zutrifft, erscheint dem Senat indessen durchaus fragwürdig. Betrachtet man wesentliche Bereiche des höheren, aber auch Teile des gehobenen Dienstes, also die Laufbahngruppen, denen auch die Lehrer zugeordnet sind, so entspricht es der Lebenserfahrung, dass die regelmäßige Wochenarbeitszeit nicht selten von einer nennenswerten Anzahl der Beamten überschritten wird. Dem muss für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits aber nicht weiter nachgegangen werden. Zu Gunsten der Lehrer und damit auch des Klägers dieses Verfahrens geht der Senat bei den weiteren Überlegungen von dem rechtlichen und tatsächlichen Ansatz des BVerwG aus:

Für die Beantwortung der Frage, ob die verlangte Arbeitsleistung über den danach definierten Rahmen hinausgeht, kommt es nicht auf die Ansicht der Lehrer selbst darüber an, welcher Zeitaufwand zur Bewältigung ihrer Aufgaben notwendig und zweckmäßig ist. Entscheidend ist vielmehr die durch den Dienstherrn geforderte Arbeitsleistung. Er allein bestimmt, welcher Zeitaufwand zur Bewältigung der Aufgaben notwendig und zweckmäßig ist.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 29.11.1979 - 2 C 40.77 -, BVerwGE 59, S. 142 (147); BVerwG, Beschluss vom 14.12.1989 - 2 NB 2.89 -, a.a.O., S. 195.

Dabei unterliegt es dem Gestaltungsspielraum des Dienstherrn, wie er das Verhältnis zwischen der Arbeitszeit für die Erledigung der Unterrichtsverpflichtung und derjenigen für die Erledigung der sonstigen Arbeiten eines Lehrers einschätzt. Der Dienstherr bestimmt somit, welche Anforderungen - insbesondere in zeitlicher, aber letztlich auch qualitativer Hinsicht - an die Vor- und Nachbereitung, Korrekturen, Elternbesprechungen, den Konferenzaufwand und den übrigen außerunterrichtlichen Arbeitsaufwand zu stellen sind. Diese Einschätzung des Dienstherrn ist nur in sehr engen Grenzen gerichtlich nachprüfbar. Sie darf nicht offensichtlich fehlsam, insbesondere nicht willkürlich sein.

Ob dies der Fall ist, hängt freilich von einer nicht nur rechtlichen, sondern auch tatsächlichen Würdigung und Abwägung der für die Entscheidung des Dienstherrn maßgebenden Umstände ab.

BVerwG, Beschluss vom 29.1.1992 - 2 B 5.92 -.

Dabei ist wiederum zu beachten, dass die Arbeitsbelastung der Lehrer in besonderem Maße von einer Vielzahl von Imponderabilien beeinflusst wird. Abgesehen von subjektiven Faktoren wie der persönlichen Befähigung und Berufs- und Lebenserfahrung sowie selbst gestellten Anforderungen jedes einzelnen Lehrers wirken sich auch andere Faktoren nachhaltig aus, beispielsweise eine Verminderung der Klassenstärken oder Änderungen bei Anrechnungs-, Ermäßigungs- oder Entlastungsstunden und dergleichen. Gerade weil auch solche subjektiven oder kaum messbaren Parameter das Ausmaß der Arbeitsbelastung mit bestimmen, kann nicht auf die Selbsteinschätzung der Lehrerschaft abgestellt werden.

Vor diesem Hintergrund teilt der Senat die in der Rechtsprechung wiederholt geäußerten Bedenken, ohne weiteres solchen Arbeitszeitgutachten zu folgen, die sich in weitgehendem Maße Methoden wie der Selbstaufschreibung der Lehrer bedienen.

Jüngst etwa OVG Saarl., Urteil vom 13.1.2003 - 1 N 2/02 - juris, auch zu dem Gutachten der Unternehmensberatung Mummert und Partner; vgl. ferner Hess. VGH, Urteil vom 8.8.2000 - 1 N 4694/96 -, ESVGH 50, 297 ff., sowie Urteil vom 22.8.2000 - 1 N 2320/96 -, ZTR 2000, 577 ff.; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 11.8.1998 - 4 S 1411/97 -, juris.

Die hierin liegenden Unsicherheiten zeigen sich schon in dem von der Unternehmensberatung Mummert und Partner in ihrem Arbeitszeitgutachten tabellarisch zusammengestellten Zahlenwerk (vgl. Tabelle 11 des Untersuchungsberichtes Bd. I, S. 71). Die Spannbreite liegt danach für Gymnasien - bei einer durchschnittlichen Jahresarbeitszeit von 1.900 Stunden - zwischen 930 (Minimum) und 3.562 Stunden/Jahr (Maximum). Die sogenannte "Standardabweichung" (bei 67 % der befragten Lehrer) in dieser Schulform liegt bei immerhin 309 Stunden pro Jahr. Deshalb kann das von der Antragsschrift angeführte Gutachten von vornherein nur viel weniger ins Gewicht fallen als die Bewertung, die der Dienstherr über den Standard der außerunterrichtlichen Tätigkeit der Lehrer trifft bzw. konkret getroffen hat.

Unter Berücksichtigung dieses - sehr eingeschränkten - Prüfungsmaßstabes bestehen keine Anhaltspunkte für eine offensichtlich fehlerhafte oder gar willkürliche Einschätzung und Bewertung der außerunterrichtlichen Arbeitszeit der an Gymnasien tätigen Lehrer durch das beklagte Land. Die Festlegung des Standards ist insoweit, wie bereits ausgeführt, allein Sache des Dienstherrn. Seine dahingehende Entscheidung mag rechtspolitisch angreifbar sein. Rechtlich fassbare Mängel der aufgezeigten Art lassen sich indessen dem Antragsvorbringen des Klägers jedenfalls nicht entnehmen. Es sei hinzugefügt, dass sie für den Senat auch aus sonstigen Umständen nicht erkennbar sind. Im Gegenteil zeigen die Berechnungen der zitierten obergerichtlichen Rechtsprechung,

vgl. zusätzlich OVG Rh.-Pf., Urteil vom 13.9.1996 - 2 A 12980/95.OVG -, Schütz, ES/BI 2.4 Nr. 39,

die auf die Relation zwischen reiner Unterrichtszeit und dem Aufwand für Vor- und Nachbereitung abstellt, dass bei einer Unterrichtsverpflichtung in dem hier streitigen Umfang für die außerunterrichtliche Tätigkeit mindestens ebenso viel Arbeitszeit verbleibt. Hieraus wird ohne weiteres sichtbar, dass von einer offensichtlich fehlerhaften oder willkürlichen Bewertung durch den Dienstherrn nicht die Rede sein kann."

Diese Ausführung gelten erst recht für das seit dem 1.2.2004 gültige Unterrichtsdeputat von 25,5 Stunden. Im Zusammenhang mit dieser Pflichtstundenerhöhung ist die wöchentliche Arbeitszeit der sonstigen Landesbeamten mit Wirkung vom 1.1.2004 um 2,5 Stunden auf nunmehr 41 Stunden erhöht worden (vgl. § 78 Abs. 1 Satz 1 LBG i.d.F. des Art. 1 Nr. 15a des Änderungsgesetzes vom 17.12.2003, GV. NRW. S. 814). Damit verbleibt den Lehrern nunmehr von der zur Verfügung stehenden Arbeitszeit ein größerer Anteil als bislang für ihre außerunterrichtlichen Tätigkeiten. Eine Ungleichbehandlung von Lehrern im Verhältnis zu sonstigen Landesbeamten kann daher nach wie vor nicht festgestellt werden.

Auch sonst ist gegen die vom Verordnungsgeber neu geschaffene Bandbreitenregelung aufgrund höherrangigen Rechts nichts einzuwenden. Die vom VG im Anschluss an die Rechtsprechung des BVerwG problematisierte Frage, ob der Verordnungsgeber aus Rechtsgründen verpflichtet war, der unterschiedlichen Belastung der Lehrer durch eine Pflichtstundendifferenzierung Rechnung zu tragen, oder es auch bei der grundsätzlich einheitlichen Festlegung der Pflichtstunden für alle Lehrer hätte belassen können, stellt sich nicht mehr. Allenfalls aufgeworfen ist nur noch die Frage, ob der Verordnungsgeber über die in § 3 VO zu § 5 SchFG getroffene Regelung hätte hinausgehen und die unterschiedlichen Pflichtstundendeputate der Lehrer selbst hätte festlegen müssen. Die dahingehenden Vorstellungen des Klägers sind wegen der Vielgestaltigkeit der regelungsbedürftigen Fälle, auf die das beklagte Land zu Recht hingewiesen hat, jedoch abwegig. Dass der hamburgische Verordnungsgeber trotz der damit verbundenen Schwierigkeiten diesen Weg beschritten hat, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Mit der hamburgischen Verordnung über die Arbeitszeit der Lehrerinnen und Lehrer an staatlichen Schulen vom 1.7.2003, HmbGVBl. S. 197,

- vgl. dazu auch den Bericht der 2. Hamburger Lehrerarbeitszeitkommission vom 17.2.2003, veröffentlicht unter: http://fhh.hamburg.de/ stadt/ Aktuell/behoerden/bildung-sport/daten-und-fakten/lehrer-arbeitszeit-modell/ -

ist die bis dahin auch in Hamburg geltende Pflichtstundenregelung zum Schuljahr 2003/2004 durch ein Regelwerk ersetzt worden, bei dem die zur Erteilung einer Unterrichtsstunde insgesamt aufzuwendende Zeit durch Faktoren bestimmt wird, die je nach Schulform, Jahrgangsstufe und Unterrichtsfach unterschiedlich hoch angesetzt werden (vgl. § 4 Abs. 2 der Verordnung). Eine solche Gewichtung von Unterrichtsfächern ist nur eine Möglichkeit, um die Mehrbelastung bestimmter Lehrer, darunter die der Korrekturfachlehrer, zu erfassen. Der Verordnungsgeber ist nicht verpflichtet, eine solche Lösung zu wählen.

Vgl. auch Hess. VGH, Beschluss vom 8. August 2000 - 1 N 4694/96 -, NVwZ-RR 2002, 278 (280); OVG Rh.-Pf., Urteil vom 13.9.1996, a.a.O., jeweils zum Ausgleich einer Korrekturbelastung durch individuelle Entlastungen im Einzelfall.

Dies gilt um so mehr, als auch die in Hamburg geltende Regelung trotz ihrer zahlreichen Varianten nicht ohne eine einzelfallbezogene Ausnahmevorschrift auskommt. In § 4 Abs. 2 Satz 2 der Verordnung wird dem Schulleiter nämlich die Entscheidung überlassen, von den Ergebnissen der allgemeinen Regeln in Sonderfällen abzuweichen.

c) Der Kläger hat Anspruch darauf, dass über seinen Antrag auf Reduzierung seines Unterrichtsdeputats um zwei Pflichtstunden eine neue fehlerfreie Entscheidung getroffen wird; denn die im vorliegenden Verfahren aufrecht erhaltene Weigerung des beklagten Landes, seinem Antrag zu entsprechen, ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Mangels Spruchreife kommt ein strikter Rechtsanspruch auf Reduzierung des Unterrichtsdeputats nicht in Betracht.

aa) § 3 VO zu § 5 SchFG ist auf den vom Kläger verfolgten Anspruch im Ausgangspunkt anwendbar. Nach der Vorschrift soll eine "unterschiedliche zeitliche Inanspruchnahme" u. a. durch "besondere unterrichtliche Belastungen" ausgeglichen werden. Entgegen den vom VG geäußerten Zweifeln unterfällt auch der vom Kläger ins Feld geführte Korrekturaufwand dem Begriff der besonderen unterrichtlichen Belastung. Dieser Begriff muss nicht notwendig im Sinne eines Gegensatzes zu außerunterrichtlichem (Korrektur)Aufwand verstanden werden. Er lässt sich auch fachbezogen definieren und erfasst dann ohne Weiteres die Unterschiede in der Belastung etwa eines Englischlehrers im Verhältnis zu einem Sportlehrer. In diesem Sinne ist der Begriff auch gemeint; die Entstehungsgeschichte ist eindeutig: Mit der Vorschrift hat der Verordnungsgeber der lang anhaltenden Diskussion über die unterschiedliche, insbesondere vom jeweiligen Unterrichtsfach abhängige Belastung der Lehrer Rechnung getragen. Das ergibt sich u.a. aus dem Eckpunktepapier vom 6.6.2001 (Bl. 44 ff. der Akten),

vgl. auch "Weiterentwicklung der Lehrerarbeitszeit - Konsequenzen aus dem Gutachten zur Arbeitszeit der Lehrerinnen und Lehrer", http://www.bildungsportal.nrw.de/BP/ Schule/lehrer/Lehrerarbeitszeit/Eckpunktepapier.html, in dem die (damalige) Ministerin für Schule, Wissenschaft und Forschung des Landes NRW in Übereinstimmung mit einem Großteil der Lehrerverbände vereinbart hat, "Unterschiede in der zeitlichen Belastung von Lehrerinnen und Lehrern, die das Arbeitszeitgutachten als einen Hauptkritikpunkt aufzeigt, abzubauen", "mehr Zeitgerechtigkeit nicht durch zusätzliche zentrale Vorgaben", sondern durch "größere Entscheidungs- und Planungszuständigkeit bei der Aufgabenverteilung in der einzelnen Schule zu schaffen" und "den Schulen Gestaltungsspielräume und Flexibilität auch beim Einsatz der Lehrerarbeitszeit und der Verteilung schulischer Aufgaben einzuräumen". Darauf hat auch das beklagte Land in der Berufungserwiderung zutreffend hingewiesen.

Der Kläger selbst hält allerdings die - für sein Begehren günstige - Regelung in § 3 VO zu § 5 SchFG für nicht anwendbar. Er meint, sie bringe nur "Unruhe, Unfrieden und Unzufriedenheit in die Lehrerschaft" und hält den Verordnungsgeber selbst zu einer Differenzierung der Pflichtstundendeputate für verpflichtet. Das rechtfertigt keine andere Entscheidung. Der Kläger vermag durch den Klageantrag zwar sein sachliches Begehren zu begrenzen, kann aber nicht über die normativen Grundlagen verfügen, an denen dieses Begehren rechtlich zu messen ist. Im Übrigen treffen seine Einwände nicht zu. Sie bewegen sich auf einer bloß rechtspolitischen Ebene und haben - wie ausgeführt - auch keine Grundlage in höherrangigem Recht.

Die Regelung umfasst auch von ihrer Rechtsfolge her den streitgegenständlichen Anspruch: Die allgemeinen Pflichtstundendeputate können "unterschritten oder um bis zu drei Pflichtstunden überschritten werden" (Absatz 1 Satz 2); der Kläger beansprucht eine Unterschreitung um mindestens zwei Pflichtstunden.

bb) Die Feststellung der Schulleitung, ob und in welchem Umfang die Voraussetzungen des § 3 VO zu § 5 SchFG im Einzelfall vorliegen, ist nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbar. Die Beurteilung der Frage, ob eine bestimmte Tätigkeit als "besondere schulische Aufgabe" oder - wie hier von Interesse - als "besondere unterrichtliche Belastung" einzustufen ist, die über die Belastung anderer Lehrer hinausgeht, setzt eine Bewertung dieser Tätigkeit - nach Ermittlung und unter Würdigung zahlreicher Faktoren - voraus. Sie kann letztlich nur von mit der konkreten Situation vertrauten Entscheidungsträgern und unter Einbeziehung der Betroffenen selbst vorgenommen werden. Liegen danach die Voraussetzungen für eine Entlastung vor, ist die Schulleitung nicht ohne weiteres verpflichtet, die Pflichtstundenzahl des betroffenen Lehrers zu reduzieren. Noch weniger besteht eine Verpflichtung zu einer Reduzierung in einem bestimmten Umfang. Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Vorschrift und deren Rechtsfolge sind nicht im Sinne eines strikten Rechtsanwendungsbefehls miteinander verknüpft. Die Entscheidung über den Belastungsausgleich liegt vielmehr im Ermessen der für den Dienstherrn handelnden Stellen. Das verdeutlichen die in Absatz 1 Sätze 1 und 2 verwendeten Wörter "soll" bzw. "können". Bei der Ermessensausübung können zahlreiche Aspekte entscheidungstragend werden, die teils in den besonderen Verhältnissen der jeweiligen Schule, teils in allgemeinen, d.h. in allen Schulen zu beachtenden Grenzen angelegt sind. Mit Bezug auf den letztgenannten Aspekt ist hervorzuheben, dass der Belastungsausgleich nicht über das hinausgehen darf, was "im Einzelnen erforderlich" ist (Absatz 1 Satz 2 der Vorschrift). Die Pflichtstundenunter- und -überschreitungen müssen sich überdies "in der Schule insgesamt ausgleichen" (Absatz 1 Satz 3 der Vorschrift). Das beruht auf schulrechtlichen und finanzpolitischen Erwägungen, die im - mitbetroffenen - Interesse der Allgemeinheit nicht vernachlässigt werden können: Weder darf der Belastungsausgleich zu einer ernsthaften Beeinträchtigung der Unterrichtsversorgung noch zu einer zusätzlichen finanziellen Belastung des Landeshaushalts führen. Dementsprechend wäre die Annahme verfehlt, die Entlastung etwa der Korrekturfachlehrer müsse mit einer Stellenvermehrung einhergehen.

Ausgehend von all dem kann eine gerichtliche Kontrolle der Entscheidung über den Belastungsausgleich nur in engen Grenzen stattfinden. Die auf der Tatbestandsseite eröffneten Einschätzungsprärogativen namentlich in der Feststellung "unterschiedlicher zeitlicher Inanspruchnahme" von Lehrern und das auf der Rechtsfolgenseite bestehende Ermessen lassen im Wesentlichen nur die Prüfung zu, ob die Entscheidung von einem zutreffenden Normverständnis einschließlich der zugehörigen Begrifflichkeiten ausgeht, auf einer richtig festgestellten Tatsachengrundlage beruht, allgemein geltende Rechtsgrundsätze beachtet, sachfremde Erwägungen vermeidet und mit dem Willkürverbot in Einklang steht.

Angesichts dieser engen Grenzen für den Rechtsschutz im Einzelfall gewinnt die Einhaltung der Verfahrensregeln besondere Bedeutung. Die Entscheidung über den Belastungsausgleich ist nur dann rechtens, wenn sie in dem gem. § 3 Abs. 2 VO zu § 5 SchFG vorgesehenen Verfahren herbeigeführt worden ist. Hierzu gehören - in dieser Reihenfolge - ein Vorschlag des Schulleiters, die Entscheidung der Lehrerkonferenz über die Aufstellung von Grundsätzen und schließlich die Entscheidung im Einzelfall, die wiederum dem Schulleiter obliegt (vgl. Absatz 2 Satz 2 der Vorschrift). Eine praxisgerechte Handhabung dieses Verfahrens wird dabei in der Regel nur zum Schuljahresbeginn - in Ausnahmefällen zum Halbjahresbeginn - stattfinden können. Anderenfalls wäre ein nicht zu vertretender Verwaltungsaufwand zu erwarten, der gemessen an dem erreichbaren Zugewinn an Einzelfallgerechtigkeit unverhältnis wäre.

cc) Im Falle des Klägers hat seine - für das beklagte Land handelnde - Schule von § 3 VO zu § 5 SchFG bislang keinen Gebrauch gemacht. Auch wenn die Lehrerkonferenz - wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat - auf Vorschlag des Lehrerrats die Anwendung der Bandbreitenregelung abgelehnt haben sollte, ist damit das in der Vorschrift geregelte Verfahren nicht eingehalten worden. Es fehlt bereits an einer Entscheidung über den klägerischen Antrag durch den Schulleiter. Im Übrigen ist der Beschluss der Lehrerkonferenz nicht auf Vorschlag des Schulleiters ergangen. Auch entspricht er inhaltlich nicht den Anforderungen des Absatzes 1, weil die Bandbreitenregelung aus grundsätzlichen Erwägungen abgelehnt worden ist. Diese Erwägungen stehen - legt man den Vorschlag des Lehrerrats zugrunde - überdies auch sonst in allen Punkten im Widerspruch mit den oben näher dargelegten Maßgaben der Vorschrift.

Aufgrund dessen hat der Kläger einen Anspruch darauf, dass über seinen Pflichtstundenermäßigungsantrag auf der Grundlage des in § 3 VO zu § 5 SchFG niedergelegten Verfahrens und nach Maßgabe der dort aufgestellten Grundsätze entschieden wird. Ein darüber hinausgehender strikter Rechtsanspruch, wie er mit der Klage verfolgt wird, besteht hingegen nicht. Für eine Verengung der Beurteilungsspielräume und für eine Ermessensreduzierung auf Null sind keine Anhaltspunkte gegeben.



Ende der Entscheidung

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