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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 05.06.2003
Aktenzeichen: 6 A 4750/01
Rechtsgebiete: GG, VwGO


Vorschriften:

GG Art. 19 Abs. 4
VwGO § 70
VwGO § 58 Abs. 2
VwGO § 60
Die Klage eines Hochschulprofessors auf Verpflichtung des Dienstherrn zur Neubescheidung einer Bewerbung um ein höherwertiges Amt erledigt sich mit der Ernennung eines Konkurrenten jedenfalls dann, wenn der Bewerber die Ernennung unanfechtbar werden lässt.

Ob dem obiter dictum des BVerwG zur Anfechtbarkeit der Ernennung des Mitbewerbers (Urteil vom 13.9.2001 - 2 C 39.00 -, ZBR 2002, 178) zu folgen ist, bleibt offen.

Zur Verneinung des Interesses an der Feststellung, dass die Auswahl des Mitbewerbers rechtswidrig gewesen sei, nachdem ein Kollegialgericht die Auswahlentscheidung als rechtlich einwandfrei beurteilt hat.


Tatbestand:

Der Kläger war Inhaber einer C 3-Professur an einer Universität des beklagten Landes. Er erstrebte mit der Klage eine Verpflichtung des Beklagten, über seine erfolglose Bewerbung um eine C 4-Professur an derselben Universität unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Hilfsweise begehrte er die Feststellung, dass der Ablehnungsbescheid des Ministeriums für Wissenschaft und Forschung rechtswidrig gewesen sei. Sein damaliger Konkurrent erhielt die Professur, nachdem ein Antrag des Klägers, die Stellenbesetzung durch eine gerichtliche einstweilige Anordnung vorläufig zu verhindern, ohne Erfolg geblieben war.

Das VG wies die Klage ab: Mit dem Hauptantrag sei sie unzulässig; die Bewerbung des Klägers habe sich mit der Besetzung der Professur nach der ständigen Rechtsprechung des BVerwG erledigt. Das sei nach der Rechtsprechung des BVerfG mit der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG vereinbar. Mit dem Hilfsantrag sei die Klage als Fortsetzungsfeststellungsklage wegen des vom Kläger angekündigten Amtshaftungsprozesses zulässig, aber nicht begründet, weil die zugunsten des Mitbewerbers des Klägers getroffene Auswahlentscheidung keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegne.

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung blieb ohne Erfolg.

Gründe:

Mit der vom Kläger unter Hinweis auf die Ausführungen des BVerwG im Urteil vom 13.9.2001 - 2 C 39.00 -, ZBR 2002, 178 = RiA 2003, 33, es sei möglicherweise nicht mehr daran festzuhalten, dass sich der um eine Beförderungsauswahl geführte Rechtsstreit durch die Ernennung eines Mitbewerbers erledige, aufgeworfenen Frage, ob sich das Rechtsmittel eines Bewerbers gegen die Auswahlentscheidung zur Besetzung einer offenen Planstelle dadurch erledige, dass ein anderer Bewerber unter Einweisung in die ausgeschriebene Planstelle durch Ernennung dasjenige statusrechtliche Amt erhalte, dem die ausgeschriebene Stelle zugeordnet sei, ist eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht aufgezeigt. Für die Entscheidung im Berufungsverfahren käme es auf diese Frage nicht an:

Das BVerwG hat sein vorerwähntes obiter dictum mit der Überlegung gerechtfertigt, zwar möge der Dienstherr gehindert sein, eine von dem unterlegenen Mitbewerber angefochtene Ernennung zurückzunehmen, wenn die beamtenrechtlichen Voraussetzungen dafür nicht gegeben seien. Das schließe aber ihre Anfechtung durch den unterlegenen Mitbewerber ebenso wenig aus wie ihre gerichtliche Überprüfung. Es erscheine mit Art. 19 Abs. 4 GG schwer vereinbar, einem Beamten den Rechtsschutz mit der Begründung zu versagen, sein Anspruch auf eine rechtsfehlerfreie Auswahlentscheidung sei durch den Vollzug der getroffenen, diese Grundsätze möglicherweise verletzenden Auswahlentscheidung untergegangen.

Dieser Ansatz weicht von der bisherigen Rechtsprechung des BVerwG und des Senats, vgl. z. B. dessen Urteil vom 11.8.1994 - 6 A 1849/93 - , m.w.N., die wiederholt auch die Billigung des BVerfG gefunden hat, vgl. zuletzt Beschlüsse vom 9.7.2002 - 2 BvQ 25/02 -, ZBR 2002, 395, und vom 24.9.2002 - 2 BvR 857/02 -, ZBR 2002, 427, in der Tat grundsätzlich ab. Ob ihm trotz der daran geübten Kritik zu folgen sein wird, vgl. Schnellenbach, ZBR 2002, 180 ff; Lemhöfer, ZBR 2003, 14 ff; OVG NRW, Beschluss vom 12.5.2003 - 1 A 1759/02 -; zustimmend hingegen:

Battis, NJW 2002, 1085 (1089), sowie Brinktrine, RiA 2003, 15 (17); vgl. auch Landau/Christ, NJW 2003, 1648 (1649),

braucht der Senat im vorliegenden Rechtsstreit nicht zu entscheiden. Folgt man dem BVerwG, muss der unterlegene Mitbewerber, um eine Erledigung seines Verpflichtungs- bzw. Neubescheidungsantrags zu vermeiden, auch die Ernennung des erfolgreichen Konkurrenten mit Widerspruch und Anfechtungsklage angreifen. Unterbleibt dies, so kann die Ernennung nur noch unter den engen Voraussetzungen der beamtenrechtlichen Rücknahmegründe aufgehoben werden. Sind diese - wie im vorliegenden Fall - nicht anwendbar, wird dem Verpflichtungs- bzw. Neubescheidungsantrag nach wie vor mit der Ernennung des Konkurrenten die Grundlage entzogen.

Vgl. Lemhöfer, a. a. O., S. 14 (15f.), sowie Schnellenbach, a. a. O., S. 180 (182), zu einer künftigen Rechtsschutzgewährung auf neuer Basis.

Das gilt jedenfalls dann, wenn die Ernennung nach Ablauf der Rechtsbehelfsfristen unanfechtbar geworden ist.

So verhält es sich hier: Der Kläger hat sich darauf beschränkt, den ihm erteilten Ablehnungsbescheid mit Widerspruch und Klage anzugreifen. Der Ernennung des Konkurrenten hat er nicht widersprochen. Nach Ablauf der hierfür eröffneten Fristen (§ 70, § 58 Abs. 2, § 60 VwGO) ist dafür auch kein Raum mehr.

Bezüglich des hilfsweise gestellten Klageantrages fehlt es ebenfalls an einem Zulassungsgrund. Der Hilfsantrag ist mangels eines berechtigten Interesses des Klägers an der Durchführung der Fortsetzungsfeststellungsklage unzulässig geworden, nachdem das VG unter Mitwirkung von u.a. drei Berufsrichtern die Personalentscheidung als rechtlich einwandfrei bezeichnet hat. Die vom Kläger beabsichtigte Amtshaftungsklage wegen der vermeintlichen Rechtswidrigkeit der Personalentscheidung ist nunmehr als aussichtslos anzusehen. Unter diesen Umständen scheidet eine Zulassung der Berufung anhand der vom Kläger insoweit geltend gemachten Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 und 5 VwGO unabhängig von den insoweit im Einzelnen vorgebrachten Argumenten aus.

Voraussetzung für einen Schadensersatzanspruch ist, dass der Dienstherr bei der Personalentscheidung rechtswidrig und schuldhaft gehandelt hat. Das rechtswidrige Verhalten muss bei dem übergangenen Bewerber einen Schaden adäquat verursacht haben. Dafür ist die Feststellung Voraussetzung, dass der Dienstherr in rechtmäßiger Weise voraussichtlich den Bewerber (den Kläger) hätte ernennen müssen.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 16.10.1991 - 2 B 115.91 -, ZBR 1992, 106.

Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht gegeben, weil es jedenfalls an einem für die Begründung einer Schadensersatzpflicht erforderlichen Verschulden fehlt. Denn in Gestalt des erstinstanzlichen Urteils liegt die Entscheidung eines Kollegialgerichts vor, mit dem die Entscheidung des Dienstherrn, den Kläger nicht zum C 4-Professor zu berufen, für rechtmäßig erklärt worden ist. Diese Beurteilung durch ein Kollegialgericht schließt die Feststellung aus, dass die für den Dienstherrn tätig gewordenen Bediensteten insoweit schuldhaft gehandelt haben.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 25.8.1988 - 2 C 62.85 -, Schütz, Beamtenrecht des Bundes und der Länder, ES/A II 1.4 Nr. 22; OVG NRW, Urteil vom 18.1.1994 - 6 A 704/92 -, m.w.N.

Besondere Gesichtspunkte, die gleichwohl die Annahme eines Verschuldens auf Seiten des beklagten Landes als möglich erscheinen lassen könnten, vgl. in diesem Zusammenhang BVerwG, Urteil vom 25.8.1988 - 2 C 62.85 -, a.a.O., sind nicht ersichtlich.

Dem Kläger ist nicht darin zu folgen, die oben genannte Regel greife nicht ein, weil das VG mit seinen Ausführungen, die notwendige Anhörung der Hochschule sei erfolgt, das Verhalten der Bediensteten des Beklagten aus Gründen gebilligt habe, die diese selbst nicht erwogen hätten. Die vom Kläger damit für sich in Anspruch genommene Ausnahme gilt nach der Rechtssprechung des BGH in Fällen, in denen das Gericht das Vorgehen des Dienstherrn lediglich mehr oder minder "zufällig" im Ergebnis billigt, obwohl das Gericht eine Rechtsfrage, die bei dem Vorgehen des Dienstherrn entscheidend war, anders beurteilt.

Vgl. die vom Kläger angeführten Urteile vom 11.6.1981 - III ZR 34/80 -, DVBl 1981, 825, und vom 23.9.1993 - III ZR 54/92 -, NVwZ 1994, 405, betreffend Rechtsstreitigkeiten auf dem Gebiet des Baurechts.

Eine solche Fallgestaltung liegt hier nicht vor. Insbesondere ist eine Divergenz zwischen den vom Beklagten aufgestellten Erwägungen und denjenigen des VG nicht feststellbar. Die vermeintliche Unterlassung der gebotenen Anhörung hat der Beklagte im Verwaltungsverfahren nicht mit besonderen Erwägungen gerechtfertigt, die Gegenstand der gerichtlichen Kontrolle hätten sein können; solche Erwägungen waren auch nicht aus Rechtsgründen veranlasst. Die gerichtliche Prüfung war deshalb notwendigerweise auf die Rechtmäßigkeit des behördlichen Vorgehens als solches begrenzt. Hierzu hat das VG sich mit seiner Hilfserwägung, die Anhörung der Hochschule sei jedenfalls nachgeholt worden, geäußert und das Vorgehen des Beklagten eindeutig gebilligt. Dass diese Beurteilung handgreiflich falsch wäre und deshalb ein für das Schadensersatzbegehren beachtliches Verschulden der Bediensteten des Beklagten nicht ausschließen würde, kann nicht angenommen werden.

Eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass von einem Beamten eine bessere Rechtseinsicht als von einem mit mehreren Rechtskundigen besetzten Kollegialgericht nicht erwartet werden kann, ist auch nicht unter dem Blickwinkel eines gegenüber der Amtspflicht des Beamten reduzierten Prüfungsmaßstabs des Gerichts zu rechtfertigen.

Vgl. dazu BGH, Urteil vom 16.10.1997 - III ZR 23/96 -, NJW 1998, 751.

Das VG hat - anders als in dem vom Kläger durchgeführten Verfahren betreffend den Erlass einer einstweiligen Anordnung - keinen in diesem Sinne reduzierten Prüfungsmaßstab angelegt. Wie das VG zutreffend u. a. unter Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 9.5.1985 - 2 C 16.83 -, DVBl. 1985, 1233; vgl. auch Bay. VGH, Beschluss vom 27.5.1998 - 7 ZE 98.714 -, DVBl. 1998, 1354, ausgeführt hat, stand die zum Nachteil des Klägers ausgegangene Personalent-scheidung im - verwaltungsgerichtlich nur eingeschränkt nach Maßgabe des § 114 Satz 1 VwGO überprüfbaren - Ermessen des Dienstherrn. Wenn das VG unter Beachtung dessen (ohne eigene Ermessenserwägungen, die ihm auch zwangsläufig verwehrt waren) die Personalentscheidung für rechtlich einwandfrei gehalten hat, lässt das eine Reduzierung des Prüfungsmaßstabs in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht nicht erkennen. Anders als das Landgericht in dem vom BGH mit Urteil vom 16.10.1997 entschiedenen Fall hat das VG - von seinem zutreffenden Ausgangspunkt folgerichtig - erkannt, dass die Entscheidung rechtmäßig gewesen sei.

Schließlich trifft die Auffassung des Klägers nicht zu, das VG sei von einem anderen, zudem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen als der Beklagte; deshalb sei ein Verschulden auf Seiten des Beklagten trotz der Bewertung des VG nicht auszuschließen.

Vgl. in diesem Zusammenhang BGH, Urteile vom 19.1.1989 - III ZR 243/87 -, NJW 1989, 1924, und vom 1.7.1993 - III ZR 36/92 -, NJW 1993, 3065.

Der Kläger beruft sich darauf, das VG habe im Rahmen seiner Prüfung der Rechtmäßigkeit der Personalentscheidung das Ministerium nicht für verpflichtet gehalten, dem Strukturkonzept des Fachbereichs uneingeschränkt zu folgen und seine Absicht einer innovativen Profilierung aufzugeben; es habe dabei u. a. darauf abgehoben, dass die Tätigkeit des erfolgreichen Mitbewerbers an der Universität ungeachtet einer möglichen anderweitigen Schwerpunktsetzung einen synergetischen Effekt habe erwarten lassen. Diesen Synergieeffekt habe er, der Kläger, in erster Instanz jedoch ausdrücklich verneint. Bei der Beurteilung, ob ein Synergieeffekt zu erwarten war, dürfte es sich zunächst um eine reine Wertung in Form einer Prognose gehandelt haben; unterschiedliche Sachverhaltsannahmen im Sinne der vorgenannten Rechtsprechung des BGH liegen schon deswegen schwerlich vor. Jedenfalls hat das VG die Feststellung zu möglichen Synergieeffekten erkennbar nicht selbst getroffen. Es hat vielmehr die diesbezüglichen Erwägungen des Beklagten als in dessen Einschätzungsprärogative fallend aufgegriffen (was der Kläger als "reduzierten Prüfungsmaßstab" ansieht) und unter dem Aspekt möglicher Ermessensfehler des Dienstherrn abgehandelt. Eine Divergenz im vom VG zugrunde gelegten "Sachverhalt" im Vergleich zu der seitens des Beklagten bei der Personalentscheidung angenommenen Tatsachengrundlage liegt folglich nicht vor.

Ende der Entscheidung

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