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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 13.10.2009
Aktenzeichen: 6 B 1232/09
Rechtsgebiete: GG


Vorschriften:

GG Art. 33 Abs. 2
Auch Bewerbern um einen bloßen Dienstposten steht ein Anspruch auf beurteilungs- und ermessensfehlerfreie Entscheidung über ihre Bewerbung um den zu besetzenden Dienstposten (Bewerbungsverfahrensanspruch) zu, wenn sich der Diensther für ein Auswahlverfahren nach den Vorgaben des Art. 33 Abs. 2 GG entschieden hat.

Zur Dokumentation der Auswahlerwägungen, wenn neben dienstlichen Beurteilungen auch Auswahlgespräche zur Entscheidungsgrundlage gemacht werden.


Tatbestand:

Die Antragstellerin steht als Konrektorin im Dienst des beklagten Landes. Sie bewarb sich auf eine von der Bezirksregierung B. ausgeschriebene Abordnungsstelle als Qualitätsprüferin. Nach Durchführung von Auswahlgesprächen mit den Bewerbern traf der Antragsgegner eine Auswahlentscheidung zugunsten des Beigeladenen. Den Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel, die Abordnungsstelle vorläufig nicht mit dem Beigeladenen zu besetzen, lehnte das VG ab. Die hiergegen eingelegte Beschwerde hatte Erfolg.

Gründe:

Ein Anordnungsgrund scheitert nicht daran, dass es im Streitfall nur um die Konkurrenz um einen Dienstposten geht, der sich weder für die Antragstellerin noch für den Beigeladenen als Beförderungsdienstposten darstellt. Zwar kann die Übertragung des Dienstpostens wieder rückgängig gemacht werden, wenn sich im Hauptsacheverfahren die Rechtswidrigkeit der Auswahlentscheidung herausstellen sollte. Der Antragstellerin droht ein wesentlicher Nachteil jedoch aufgrund des Umstandes, dass der Beigeladene durch die - obligatorische - Teilnahme an der sechsmonatigen modularen Qualifizierung, deren erfolgreiche Absolvierung Voraussetzung für den weiteren Einsatz auf dem streitigen Dienstposten ist, einen so erheblichen Eignungsvorsprung erlangen kann, dass bei einer gegebenenfalls vorzunehmenden erneuten Auswahl allein aus diesem Grunde eine Entscheidung zugunsten der Antragstellerin mit den hier anzuwendenden Grundsätzen der Bestenauslese möglicherweise nicht mehr zu vereinbaren wäre.

Die Antragstellerin hat auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht, der in der sich aus dem Tenor ergebenden Form zu sichern ist. Die Entscheidung des Antragsgegners, den streitigen Dienstposten mit dem Beigeladenen zu besetzen, ist rechtswidrig. Die schriftliche Niederlegung der dieser Entscheidung zugrundeliegenden wesentlichen Auswahlerwägungen genügt nicht den Anforderungen, die nach der Rechtsprechung des BVerfG an die insoweit bestehende Dokumentationspflicht des Dienstherrn zu stellen sind.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 9.7.2007 - 2 BvR 206/07 -, NVwZ 2007, 1178.

Die Verpflichtung zur Dokumentation besteht auch für Entscheidungen, die Konkurrenzverhältnisse hinsichtlich der Übertragung bloßer Dienstposten betreffen, wenn sich der Dienstherr im Rahmen des ihm zustehenden Organisationsermessens - wie hier - verbindlich darauf festgelegt hat, den Dienstposten auf der Grundlage eines Auswahlverfahrens nach den Vorgaben des Art. 33 Abs. 2 GG zu besetzen.

Entschließt sich der Dienstherr, ein Auswahlverfahren mit dem Ziel der Bestenauslese einzuleiten, so beschränkt er mit dieser Entscheidung seine Organisationsfreiheit und ist aufgrund der hierdurch eingetretenen Selbstbindung gehalten, die nachfolgende Auswahl auch dann an den Maßstäben des Leistungsgrundsatzes zu messen, wenn die konkrete Maßnahme nicht mit einer Statusveränderung verbunden ist und daher von dem Amtsbegriff des Art. 33 Abs. 2 GG nicht erfasst wird.

Vgl. BVerwG, Urteile vom 21.7.2007 - 2 A 6.06 -, juris, und vom 25.11.2004 - 2 C 17.03 -, ZBR 2005, 244, sowie Beschluss vom 20.8.2003 - 1 WB 23.03 -, RiA 2004, 35; OVG NRW, Beschluss vom 28.1.2002 - 6 B 1275/01 -.

Dies gilt unabhängig davon, ob in das Auswahlverfahren ausschließlich Umsetzungs-, Abordnungs- und Versetzungsbewerber einbezogen sind oder ob eine Konkurrenz mit Beförderungsbewerbern besteht und insoweit gegebenenfalls auch Gründe der Gleichbehandlung eine gleichmäßige Anwendung der Auswahlkriterien gebieten können.

Damit steht - wenn sich der Dienstherr für ein Auswahlverfahren nach den Vorgaben des Art. 33 Abs. 2 GG entschieden hat - auch den Bewerbern um einen bloßen Dienstposten ein Anspruch auf beurteilungs- und ermessensfehlerfreie Entscheidung über ihre Bewerbung um den zu besetzenden Dienstposten (Bewerbungsverfahrensanspruch) zu mit der Folge, dass die genannten Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts zur verfahrensbegleitenden Absicherung der Einhaltung der Maßstäbe des Art. 33 Abs. 2 GG auch in Fällen der vorliegenden Art zur Anwendung gelangen.

Hiervon ausgehend ist die streitige Auswahlentscheidung nicht hinreichend dokumentiert. Das Schreiben der Bezirksregierung B. vom 22.6.2009, mit dem diese die Antragstellerin vom Ausgang des Auswahlverfahrens in Kenntnis gesetzt hat, ist im Hinblick auf die maßgeblichen Auswahlerwägungen nichtssagend. Darin heißt es lediglich, dass die Stelle "aufgrund der Ergebnisse der dienstlichen Beurteilungen und der im MSW durchgeführten Vorstellungsgespräche" dem Beigeladenen übertragen werden soll. Eine solche Mitteilung ist nicht geeignet, den unterlegenen Bewerber in die Lage zu versetzen, sachgerecht darüber zu befinden, ob er die Entscheidung des Dienstherrn hinnehmen soll oder ob Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen den Anspruch auf faire und chancengleiche Behandlung seiner Bewerbung bestehen und er daher gerichtlichen Eilrechtsschutz in Anspruch nehmen will. Aus ihr geht weder hervor, was unter "Ergebnisse der dienstlichen Beurteilung" zu verstehen ist, noch inwieweit die Beurteilungen bei der Auswahlentscheidung überhaupt Bedeutung erlangt haben.

Die Auswahlerwägungen finden sich auch in den Verwaltungsvorgängen über das Stellenbesetzungsverfahren nicht. Diese enthalten insoweit allein ein Schreiben des MSW vom 17.6.2009, mit dem dieses die Bezirksregierung B. davon in Kenntnis setzt, dass die Auswahlkommission einvernehmlich zu dem Ergebnis gelangt sei, die Antragstellerin sei für die spezifischen Aufgaben einer Qualitätsprüferin nicht geeignet.

Soweit die Antragsgegnerin im gerichtlichen Verfahren zwei als Entwurf gekennzeichnete Vermerke des Leiters des Referats StB 6 (Qualitätsanalyse an Schulen) über die u. a. mit der Antragstellerin und dem Beigeladenen geführten Auswahlgespräche vorgelegt hat, sind auch damit die wesentlichen Auswahlerwägungen nicht dargelegt. Insbesondere bleibt im Unklaren, ob der Dienstherr sich den in den Entwürfen niedergelegten Erwägungen uneingeschränkt angeschlossen und ihnen überdies eine für die Auswahl ausschlaggebende Bedeutung beigemessen hat. Sofern die Ausführungen des Antragsgegners im Schriftsatz vom 28.7.2009 dahin zu verstehen sein sollen, dass der Inhalt der Entwürfe die alleinige Entscheidungsgrundlage darstellte, steht dieses Vorbringen weder mit den Ausführungen in dem an die Antragstellerin gerichteten ablehnenden Bescheid vom 22.6.2009 noch mit dem Inhalt des Schreibens des MSW vom 17.6.2009 über die Auswahl des Beigeladenen in Übereinstimmung, wonach die Ergebnisse der überdies eigens zu diesem Zweck erstellten dienstlichen Beurteilungen für die Entscheidung (mit-)bestimmend gewesen sein sollen.

Die danach verbleibenden Unklarheiten sind um so bedeutsamer, als ein alleiniges Abstellen auf das Ergebnis der Auswahlgespräche mit den Anforderungen, denen eine am Grundsatz der Bestenauslese orientierte Auswahlentscheidung genügen muss, nicht ohne weiteres vereinbar wäre. Die Bewertung der Eignung und Befähigung eines Bewerbers ist dabei regelmäßig auf der Grundlage hinreichend aktueller dienstlicher Beurteilungen vorzunehmen. Dem durch ein Auswahlgespräch vermittelten Eindruck kann daneben zwar eine beschränkte Aussagekraft zukommen. Derartige Gespräche können jedoch nach der bisherigen Rechtsprechung grundsätzlich nur der Abrundung des sich aus dienstlichen Beurteilungen oder vergleichbaren Leistungsnachweisen ergebenden Bildes dienen.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 12.12.2005 - 6 B 1845/05 -, m. w. N.

Ausgehend davon bestand Anlass, das Ergebnis der Auswahlgespräche in Relation zu den dienstlichen Beurteilungen der Mitbewerber zu setzen und die hierzu angestellten Erwägungen in einer nachvollziehbaren Weise zu dokumentieren. Dabei hätte auch auf die Besonderheit eingegangen werden können, dass der Antragstellerin trotz ihrer Spitzenbeurteilung ("Die Leistungen übertreffen die Anforderungen in besonderem Maße") und im Widerspruch zu dem Verwendungsvorschlag ihrer dienstlichen Beurteilung ("Einsatz als Qualitätsprüferin an der Bezirksregierung") nunmehr die Eignung für den angestrebten Dienstposten gänzlich abgesprochen werden sollte. Auch hätte in diesem Zusammenhang dargelegt werden können, ob und gegebenenfalls welche Bedeutung dem in der Stellenausschreibung enthaltenen Eignungs- und Befähigungsprofil, das von den Feststellungen in der Beurteilung nur teilweise abgedeckt wird, möglicherweise beigemessen worden ist.

Ende der Entscheidung

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