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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 18.02.2008
Aktenzeichen: 6 B 147/08
Rechtsgebiete: EglG


Vorschriften:

EglG § 9 Abs. 3
1. Ein Beamter kann vorläufigen Rechtsschutz gegen den durch das Gesetz zur Eingliederung der Versorgungsämter in die allgemeine Verwaltung des Landes NRW (Art. 1 des Zweiten Gesetzes zur Straffung der Behördenstruktur in NRW vom 30.10.2007, GVBl NRW, 482 - Eingliederungsgesetz -) vorgesehenen Übergang auf die dort bestimmten neuen Aufgabenträger der Versorgungsverwaltung nur im Wege der einstweiligen Anordnung erlangen.

2. Der Zuordnungsplan, durch den nach § 9 Abs. 3 Eingliederungsgesetz der Personalübergang vorbereitet wird, ist kein Verwaltungsakt.


Tatbestand:

Die Antragstellerin begehrte vorläufigen Rechtsschutz gegenüber den Regelungen des Gesetzes zur Eingliederung der Versorgungsämter in die allgemeine Verwaltung des Landes Nordrhein-Westfalen (Eingliederungsgesetz), nach denen sie kraft Gesetzes vom Versorgungsamt D. auf die Beigeladene als neuen Dienstherrn übergehen soll. Das VG sah den vom Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen erstellten Zuordnungsplan, der dem Eingliederungsgesetz zufolge den Personalübergang lediglich vorbereiten sollte, als Verwaltungsakt an und stellte fest, dass die von der Antragstellerin gegen diesen Zuordnungsplan erhobene Klage aufschiebende Wirkung habe. Die gegen die Entscheidung eingelegte Beschwerde des Antragsgegners hatte Erfolg.

Gründe:

Der auf Feststellung der aufschiebenden Wirkung der beim VG erhobenen Klage 13 K 6316/07 gegen die Zuordnung der Antragstellerin zur Beigeladenen gerichtete Antrag ist unzulässig. Er ist nicht statthaft, da die Feststellung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsmittels in analoger Anwendung des § 80 Abs. 5 VwGO nur in Betracht kommt, wenn in der Hauptsache ein Verwaltungsakt angefochten wird (vgl. § 80 Abs. 1 VwGO). Der in der Hauptsache in Streit stehende Dienstherrenwechsel ist jedoch nicht durch Verwaltungsakt geregelt. Die Auffassung des VG, der durch das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen (MAGS) erstellte Zuordnungsplan und die darin enthaltene auf die Antragstellerin bezogene Zuordnungsentscheidung seien bei verfassungskonformer Auslegung des Gesetzes zur Eingliederung der Versorgungsämter in die allgemeine Verwaltung des Landes NRW (Art. 1 des Zweiten Gesetzes zur Straffung der Behördenstruktur in NRW vom 30.10.2007, GVBl NRW, 482 - Eingliederungsgesetz -) als Verwaltungsakt anzusehen, der den Übergang der Antragstellerin auf die Beigeladene als neuen Dienstherrn bewirke, teilt der Senat nicht.

Der Zuordnungsplan ist nicht auf die einen Verwaltungsakt gemäß § 35 Satz 1 VwVfG NRW kennzeichnende unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet. Eine solche unmittelbare Rechtswirkung kommt einer Maßnahme nur dann zu, wenn sie entweder subjektive Rechte des von ihr Betroffenen begründet, ändert, aufhebt oder verbindlich feststellt, oder durch sie die Begründung, Änderung, Aufhebung oder Feststellung solcher Rechte verbindlich abgelehnt wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 19.7.1984 - 3 C 12/83 -, BVerwGE 69, 374).

Eine Maßnahme ist auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen "gerichtet", wenn ihr ihrem objektiven Sinngehalt nach eine solche Zweckbestimmung innewohnt. Die Außenwirkung darf mithin nicht nur tatsächliche Folge der Maßnahme sein. Entscheidend ist insoweit allerdings nicht der innere Wille der Behörde, sondern der Inhalt der Erklärung, wie er unter Berücksichtigung des Empfängerhorizontes verstanden werden kann (vgl. Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 6. Auflage, § 35 Rdn. 85).

Der Zuordnungsplan ist nicht in diesem Sinne dazu bestimmt, den Übergang der betroffenen Beamten auf die dort bezeichneten Körperschaften und Behörden verbindlich zu regeln. Eine solche Bestimmung ist dem Zuordnungsplan weder von dem Gesetzgeber oder von dem MAGS, das den Zuordnungsplan gemäß § 9 Abs. 3 Eingliederungsgesetz zu erstellen hat, zugedacht noch kann der Zuordnungsplan aus der Sicht der betroffenen Beamten so verstanden werden.

Das Eingliederungsgesetz bestimmt, dass die Beamten den auf die neuen Aufgabenträger übergehenden Aufgaben kraft gesetzlicher Anordnung folgen. Sowohl der Wortlaut des § 9 Abs. 3 Eingliederungsgesetz als auch die zugehörige Gesetzesbegründung (LT-Drs. 14/4342, S. 27) lassen keine Zweifel am Willen des Gesetzgebers, dass der Zuordnungsplan nur Teil des dem gesetzlichen Übergang der Beamten vorgelagerten verwaltungsinternen Auswahlverfahrens sein soll.

Nach § 9 Abs. 3 Eingliederungsgesetz bereitet das MAGS den Personalübergang nach den Absätzen 1 und 2 der Vorschrift - also den Übergang kraft Gesetzes - auf der Grundlage eines von ihm erstellten Zuordnungsplans lediglich vor. Es trifft damit keine konstitutive Entscheidung über den Personalübergang. Rechtsgrund für den Personalübergang ist nicht der Zuordnungsplan, sondern das Gesetz selbst.

Auch die Gesetzesbegründung zu § 9 Abs. 3 Eingliederungsgesetz differenziert zwischen dem "Auswahlverfahren" und "der gesetzlichen Maßnahme der Personalüberleitung" und betont damit den unselbstständigen Charakter des Auswahlverfahrens, in dessen Rahmen der Zuordnungsplan erstellt wird, gegenüber der eigentlichen Maßnahme des Übergangs. Die in der Gesetzesbegründung enthaltene Formulierung, wonach das MAGS noch vor Übertragung der jeweiligen Aufgabe "entscheidet", welche Beamten zu welchen neuen Aufgabenträgern und welche in das Landesamt für Personaleinsatzmanagement übergeleitet werden, ändert an dem vorbeschriebenen Verständnis der Gesetzesbegründung nichts. Soweit der Begriff "entscheidet" nicht ohnehin untechnisch gemeint ist, fehlt ihm jedenfalls für die Bestimmung des Rechtscharakters des Zuordnungsplans jede Aussagekraft. Seine Verwendung ist vor dem Hintergrund der ersten Fassung des Gesetzentwurfs zu sehen, die noch "personalrechtliche Einzelmaßnahmen" vorsah. Nach § 9 Abs. 3 dieses Gesetzesentwurfs sollte eine entsprechende "Entscheidung über die personalrechtlichen Einzelmaßnahmen" durch das MAGS ergehen.

Der Zuordnungsplan kann auch aus Sicht der betroffenen Beamten nicht so verstanden werden, dass er ihren Übergang auf die neuen Aufgabenträger unmittelbar bewirken soll. Schon seine äußere Form lässt nicht auf einen Verwaltungsakt schließen. Es fehlt beispielsweise eine Rechtsmittelbelehrung, die regelmäßig ein Indiz für die Annahme einer verbindlichen Regelung ist. Der Zuordnungsplan enthält außerdem keinen verfügenden oder feststellenden Ausspruch, sondern lediglich eine Auflistung, aus der die Verteilung aller betroffenen Beamten auf die für sie jeweils vorgesehenen Körperschaften und Behörden hervorgeht. Als eine konstitutive Entscheidung über den Übergang des einzelnen Beamten auf einen anderen Dienstherrn erscheint der Zuordnungsplan aus Sicht des Beamten auch deshalb nicht, weil er keine Regelung bezüglich des Zeitpunkts enthält, zu dem der Übergang erfolgen soll.

Darüber hinaus spricht vor allem die Art der "Bekanntgabe" gegen das Vorliegen einer unmittelbaren Regelung. Aus Sicht der Beamten konnte es sich hierbei nur um eine Information über den Verfahrensstand handeln. Denn der Zuordnungsplan wurde den Beamten nicht zielgerichtet durch das MAGS als die ihn erstellende Behörde bekannt gegeben. Soweit überhaupt eine Übermittlung des Plans erfolgte, wurde sie durch die Beschäftigungsbehörde veranlasst. Die Beamten erhielten den Zuordnungsplan regelmäßig als Anhang zu einem formlosen Schreiben ihrer Beschäftigungsbehörde, in dem sie über den für sie "vorgesehenen" Einsatzort informiert wurden.

Der Zuordnungsplan ist entgegen der Auffassung des VG auch auf der Grundlage einer verfassungskonformen Auslegung der den Übergang der Beamten regelnden Vorschriften des Eingliederungsgesetzes nicht als Verwaltungsakt einzuordnen. Selbst wenn sich § 9 Abs. 1 und 3 Eingliederungsgesetz - entgegen dem Gesetzeswortlaut und dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers (vgl. zu dahingehenden Bedenken etwa BVerfG, Beschluss vom 19.9.2007 - 2 BvF 3/02 -, ZBR 2007, 381) - dahin auslegen ließe, dass er keinen gesetzlichen Übergang der jeweiligen Beamten vorsehe, sondern lediglich eine Ermächtigungsgrundlage zum Erlass von Einzelentscheidungen für den Übergang der Beamten zum neuen Dienstherrn schaffe, bliebe jedenfalls die Rechtsnatur des Zuordnungsplans hiervon unberührt. Der auf der Grundlage der verfassungskonformen Auslegung des § 9 Abs. 1 und 3 Eingliederungsgesetz als Ermächtigungsgrundlage für "die in dem Zuordnungsplan zusammengefassten Einzelentscheidungen" angestellten Überlegung des VG, dem Zuordnungsplan komme "bei einem derartigen Verständnis der Norm unmittelbare Rechtswirkung" zu, schließt sich der Senat nicht an. Denn auf diese Weise wird die verfassungskonforme Auslegung der Norm auf die - nach Auffassung des VG - ihrer Umsetzung dienende Verwaltungsmaßnahme erstreckt. Ob eine Maßnahme der Verwaltung die nach § 35 VwVfG für die Annahme eines Verwaltungsaktes erforderliche unmittelbare Rechtswirkung nach Außen entfaltet, beurteilt sich aber zunächst nach ihrer in der tatsächlichen Ausgestaltung zum Ausdruck kommenden wahren Rechtsnatur. Diese ist bei dem Zuordnungsplan eindeutig und damit weiterer Auslegung nicht zugänglich. Es ist vor diesem Hintergrund nicht möglich, dem Zuordnungsplan Rechtswirkungen zuzuschreiben, die ihm in Wirklichkeit fehlen und für eine Umsetzung des verfassungskonform als "Ermächtigungsgrundlage" ausgelegten § 9 Abs. 1 und 3 Eingliederungsgesetz unentbehrlich wären.

Nach allem geht der Senat bei summarischer Prüfung davon aus, dass die Antragstellerin in der Hauptsache ihr Begehren nicht durch Anfechtung des Zuordnungsplans und einer darin enthaltenen Einzelentscheidung, sondern im Wege der Feststellungsklage wird verfolgen müssen, mit der das Bestehen oder Nichtbestehen eines Dienstverhältnisses zum bisherigen und/oder zum vom Eingliederungsgesetz bestimmten neuen Dienstherren zu klären sein wird. Dementsprechend wäre vorläufiger Rechtsschutz über § 123 Abs. 1 VwGO zu suchen.

Eine Auslegung oder Umdeutung des erstinstanzlich gestellten Antrags in einen Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO kommt nicht in Betracht. Dafür lässt schon sein eindeutiger Wortlaut keinen Raum. Das Feststellungsbegehren analog § 80 Abs. 5 VwGO bietet zudem keine Anhaltspunkte dafür, welcher Antrag mit einer einstweiligen Anordnung verfolgt werden sollte. Einer Auslegung oder Umdeutung stünde hiervon unabhängig aber auch § 146 Abs. 4 VwGO entgegen. Danach ist der Prüfungsrahmen im Beschwerdeverfahren grundsätzlich auf denjenigen der erstinstanzlichen Entscheidung beschränkt. Diese Vorschrift stellt nicht nur für im Beschwerdeverfahren erklärte Antragsänderungen, sondern auch für die Auslegung eines erstinstanzlich gestellten Antrags durch das Beschwerdegericht eine Grenze dar (vgl. hierzu - für den Fall der Antragsänderung durch den Beschwerdeführer - OVG NRW, Beschluss vom 25.7.2002 - 18 B 1136/02 -, NVwZ-RR 2003, 72, OVG Hamburg, Beschluss vom 22.8.2003 - 4 Bs 278/03 -, NVwZ-RR 2004, 621).

Da im Rahmen eines Antrags nach § 123 Abs. 1 VwGO jedenfalls ein anderer Streitgegenstand zur Entscheidung gestellt würde, als derjenige, über den das VG befunden hat, wäre eine Auslegung oder Umdeutung des gestellten Antrags auch insoweit unzulässig. Ob es zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes ausnahmsweise geboten sein kann, im Beschwerdeverfahren über einen geänderten Streitgegenstand zu befinden, braucht hier nicht entschieden zu werden, weil es der Antragstellerin unbenommen bleibt, beim VG den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO zu beantragen.

Allerdings hätte ein entsprechender Antrag der Antragstellerin - etwa mit dem Ziel, festzustellen, dass sie vorläufig nicht verpflichtet sei, bei dem Beigeladenen Dienst zu leisten -, nach Lage der Akten in der Sache wohl keinen Erfolg. Denn die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung liegen nicht vor.

Der Senat hätte aufgrund einer Folgenabwägung zu entscheiden, das heißt, ohne zu klären, ob das in der Hauptsache zu verfolgende Klagebegehren der Antragstellerin, nämlich festzustellen, dass sie nicht kraft Gesetzes am 1.1.2008 auf die Beigeladene als neuen Dienstherren übergegangen ist, voraussichtlich Erfolg haben würde oder nicht (vgl. Beschluss des Senats vom heutigen Tage - 6 B 33/08 -).

Diese Folgenabwägung ginge zu Lasten der Antragstellerin aus. Die Nachteile, die sich für sie ergäben, wenn sich ihr Übergang auf die Beigeladene im Hauptsacheverfahren als unwirksam herausstellte, blieben hinter den Nachteilen für die Allgemeinheit zurück, die der Erlass einer einstweiligen Anordnung bei einem Unterliegen der Antragstellerin im Hauptsacheverfahren mit sich brächte.

Erginge die einstweilige Anordnung, wäre die ordnungsgemäße Erfüllung der auf die Beigeladene übergegangenen Aufgaben gefährdet. Darüber hinaus drohten mit Blick darauf, dass die Antragstellerin einerseits bei ihrem neuen Dienstherrn nicht eingesetzt werden könnte und ihr anderweitiger Einsatz nicht gesichert wäre, sie aber andererseits fortlaufend alimentiert werden müsste, finanzielle Schäden. Diesen öffentlichen Belangen könnte die Antragstellerin nur Nachteile entgegenhalten, die es unzumutbar erscheinen ließen, sie bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache so zu behandeln, als sei sie auf die Beigeladene übergegangen (vgl. zu dem insoweit anzulegenden Maßstab sowie zu den betroffenen öffentlichen Belangen Senatsbeschluss vom heutigen Tage - 6 B 33/08 -).

Solche Nachteile ergeben sich für die Antragstellerin indessen nicht. Besonders schwerwiegende Nachteile in Bezug auf ihre Besoldungs-, Beihilfe- oder Versorgungsansprüche sind angesichts der Regelungen des § 23 Abs. 2 und 9 Eingliederungsgesetz nicht zu erwarten. Die Antragstellerin hat auch nicht glaubhaft dargelegt, dass es ihr aus besonderen Gründen, die in ihren persönlichen Verhältnissen angesiedelt sind, nicht zuzumuten ist, ihren Dienstpflichten bei der Beigeladenen bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache nachzukommen. Schließlich macht sie ohne Erfolg geltend, ihre amtsangemessene Beschäftigung bei der Beigeladenen sei nicht sichergestellt. Unabhängig davon, dass der Antragsgegner diesem Vorbringen substantiiert entgegengetreten ist, kann darin kein unzumutbarer Nachteil gesehen werden. Selbst wenn die Antragstellerin bei der Beigeladenen zunächst nicht amtsangemessen beschäftigt werden könnte, wäre ihr die Wahrnehmung unterwertiger Aufgaben für einen Übergangszeitraum zumutbar. Im Übrigen stünde der Antragstellerin ein Anspruch auf amtsangemessene Beschäftigung gegen die Beigeladene zu, den sie - auch vor einer Hauptsacheentscheidung über die Wirksamkeit des Dienstherrenwechsels - rechtlich verfolgen könnte.

Ende der Entscheidung

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