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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 09.01.2008
Aktenzeichen: 6 B 1763/07
Rechtsgebiete: VwGO, ZPO, DSG NRW, LBG NRW, LVOPol NRW, VwVfG NRW


Vorschriften:

VwGO § 123 Abs. 3
VwGO § 146 Abs. 4 Satz 6
ZPO § 920
DSG NRW § 4 Abs. 1 Satz 2 ff.
DSG NRW § 13 Abs. 2 Satz 1 lit. b
LBG NRW § 7 Abs. 1
LBG NRW § 7 Abs. 2
LVOPol NRW § 3 Abs. 1 Nr. 1
LVOPol NRW § 3 Abs. 1 Nr. 2
LVOPol NRW § 11 Abs. 1 Nr. 1
VwVfG NRW § 38
Eine auf die Einstellung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf gerichtete einstweilige Anordnung beinhaltet eine Vorwegnahme der Hauptsache.

Verweigert ein Bewerber für den gehobenen Polizeivollzugsdienst seine Einwilligung in die Erhebung polizeilicher Auskünfte, die der Dienstherr für die Beurteilung der charakterlichen Eignung benötigt, stellt es keine Überschreitung des dem Dienstherrn bei der Bewerberauswahl zustehenden Ermessens dar, wenn er schon aus diesem Grund die Einstellung ablehnt.


Tatbestand:

Der Antragsteller begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung seine vorläufige Einstellung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf für die Ausbildung für den gehobenen Polizeivollzugsdienst. Nach erfolgreicher Absolvierung der Auswahltests teilte der Antragsgegner dem Antragsteller mit Schreiben vom 27.4.2007 mit, dass er - vorbehaltlich der gesundheitlichen Eignung und keines nachträglichen Bekanntwerdens anderer entgegenstehender Gründe - beabsichtige ihn einzustellen. Am selben Tag unterzeichnete der Antragsteller eine nicht mit einem Hinweis auf ihre Freiwilligkeit und Widerruflichkeit versehene Einwilligungserklärung in die Einholung einer polizeilichen Auskunft bei der für ihn zuständigen Polizeidienststelle. Dabei wurde bekannt, dass er in den letzten vier Jahren vor seiner Bewerbung im Dezember 2006 dreimal strafrechtlich in Erscheinung getreten war und bei den Taten unter - teilweise erheblichem - Alkoholeinfluss gestanden hatte. Sämtliche Verfahren waren - zuletzt gegen Anordnung von Freizeitarbeit - eingestellt worden. Im März 2005 wurde er nochmals von der Polizei in erheblich alkoholisiertem Zustand angetroffen. Nach Auswertung der polizeilichen Auskunft teilte der Antragsgegner dem Antragsteller mit, dass seine Bewerbung nicht weiter berücksichtigt werden könne. Das VG lehnte den Erlass einer einstweiligen Anordnung ab. Die dagegen eingelegte Beschwerde hatte keinen Erfolg.

Gründe:

Aus den in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründen, auf deren Prüfung sich der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu beschränken hat, ergibt sich nicht, dass das VG dem erstinstanzlich gestellten Antrag durch Erlass einer einstweiligen Anordnung hätte stattgeben müssen.

Der Antragsteller hat auch im Beschwerdeverfahren weder einen Anordnungsgrund noch einen Anordnungsanspruch gemäß § 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit § 920 ZPO glaubhaft gemacht.

Das VG ist zu Recht davon ausgegangen, dass die begehrte Einstellung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf für die Ausbildung für den gehobenen Polizeivollzugsdienst eine Vorwegnahme der Hauptsache beinhaltet. Mit der Einstellung wird - entgegen dem Sinn und Zweck der grundsätzlich nur der Sicherung, nicht aber auch der Befriedigung des geltend gemachten Rechts dienenden einstweiligen Anordnung - der in der Hauptsache verfolgte Anspruch weitgehend erfüllt. Dass der Antragsteller lediglich die "vorläufige" Einstellung beantragt, ändert daran nichts. Unabhängig davon, dass die vorläufige Begründung eines Beamtenverhältnisses rechtlich unzulässig ist, würde mit der Einstellung dem Hauptsacheantrag - jedenfalls zeitlich befristet - entsprochen.

Dass die Voraussetzungen für eine ausnahmsweise Durchbrechung des Grundsatzes des Verbots der Vorwegnahme der Hauptsache gegeben sind, ist auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens nicht ersichtlich. Der Antragsteller hat nicht aufgezeigt, dass er - neben einer unzumutbaren Belastung ohne den Erlass der einstweiligen Anordnung - im Hauptsacheverfahren voraussichtlich obsiegen würde.

Vgl. zu den Voraussetzungen OVG NRW, Beschluss vom 8.11.1996 - 6 B 2904/96 - und Beschluss vom 3.8.1999 - 6 B 759/99 -, NWVBl. 2000, 27.

Damit fehlt es zugleich auch an der für den Erfolg des vorliegenden Rechtsschutzbegehrens erforderlichen Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruches.

Dass die vom Antragsgegner angenommenen charakterlichen Mängel die für eine Einstellung in das Beamtenverhältnis, hier in den gehobenen Polizeivollzugsdienst, erforderliche Eignung in Zweifel ziehen, stellt der Antragsteller mit der Beschwerde nicht substantiiert in Frage. Der Einwand, dass die Vorfälle mehrere Jahre zurücklägen, trägt im Übrigen schon deshalb nicht, weil die alkoholisierte Teilnahme des Antragstellers am Straßenverkehr (2,07 0/00), die Gegenstand des Strafverfahrens - 13 Ds 139 Js 742/05 - 195/05 - war, im Zeitpunkt seiner Bewerbung im Dezember 2006 weniger als zwei Jahre zurücklag und er im März 2005 nochmals mit einem Blutalkoholwert von 2,00 0/00 angetroffen worden ist.

Das Vorbringen des Antragstellers, die im Rahmen der Einholung einer polizeilichen Auskunft bei der für ihn zuständigen Polizeibehörde gewonnenen Informationen dürften aufgrund eines schwerwiegenden Verfahrensverstoßes nicht verwertet werden und könnten demnach die charakterliche Eignung nicht in Abrede stellen, kann dem vorliegenden Rechtsschutzbegehren ebenfalls nicht zum Erfolg verhelfen.

Es spricht zwar Vieles dafür, dass die im Wege der polizeilichen Auskunft gewonnenen Erkenntnisse nicht verwertet werden dürfen, weil es an einer wirksamen Einwilligung im Sinne von § 13 Abs. 2 Satz 1 lit. b) DSG NRW in Verbindung mit § 4 Abs. 1 Satz 2 ff. DSG NRW fehlt. Das hat aber weder einen Anspruch des Antragstellers auf Einstellung zur Folge noch ist es wahrscheinlich, dass der Antragsgegner bei einer Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts den Antragsteller einstellen wird.

Ziel des Antragstellers ist es, so gestellt werden, als sei die polizeiliche Auskunft - mangels wirksamer Einwilligung - nicht eingeholt worden. Das hat allerdings zur Folge, dass es dem Antragsgegner - nicht anders als im Fall einer verweigerten Einwilligung - nicht möglich ist, die Eignung des Bewerbers, die nach Art. 33 Abs. 2 GG, § 7 Abs. 1 und 2 LBG NRW, § 11 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1 Nr. 1 und 2 LVOPol NRW Voraussetzung für die Einstellung ist, in dem von ihm für nötig befundenen Umfang zu prüfen. In einem solchen Fall stellt es keine Überschreitung des dem Antragsgegner bei der Bewerberauswahl zustehenden Ermessens dar, wenn er bei einer Verweigerung der Einwilligung in die Erhebung der erforderlichen Daten schon aus diesem Grund die Einstellung ablehnt. Denn dem Laufbahnbewerber obliegt es, im Rahmen des Zumutbaren daran mitzuwirken, dass die für das in Aussicht genommene Dienstverhältnis wesentlichen Eignungsvoraussetzungen ermittelt werden können.

Vgl. dazu auch VerfGH Berlin, Beschluss vom 17.12.1997 - 2/96 -; OVG M.-V., Beschluss vom 23.4.1998 - 2 M 168/97 -, DÖD 1999, 43.

Es bestehen auch keine Bedenken, dass der Antragsgegner zu diesem Zweck regelmäßig auf polizeiliche Auskünfte zurückgreift. Insbesondere werden die durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gezogenen Grenzen dadurch nicht überschritten. Der Antragsgegner verweist insoweit zu Recht darauf, dass der Polizeivollzugsdienst ein "sicherheitsempfindlicher Bereich" sei, der hohe Ansprüche an die charakterliche Eignung stelle. Dass die bei der Einholung solcher Auskünfte zu Tage tretenden Erkenntnisse keiner Eintragung in das Bundeszentralregister unterliegen, steht dabei deren Berücksichtigung nicht entgegen. Vielmehr kann ein Bewerber auch dann die erhöhten Anforderungen an die charakterliche Eignung für den Polizeivollzugsdienst nicht erfüllen, wenn diese Schwelle nicht erreicht ist.

Vgl. dazu auch BGH, Beschlüsse vom 10.3.1997 - NotZ 19/96 -, DNotZ 1997, 891, und - NotZ 22/96 -, DNotZ 1997, 894; BayVGH, Urteil vom 16.6.1993 - 3 B 92.2995 -.

Der Berücksichtigung der durch polizeiliche Auskünfte gewonnenen Erkenntnisse steht schließlich nicht entgegen, dass die charakterliche Eignung auch bereits Gegenstand der vom Antragsteller erfolgreich durchlaufenen Auswahltests war. Denn auch mit einem umfangreichen Testprogramm kann stets nur ein Ausschnitt der Gesamtpersönlichkeit abgebildet werden, weshalb der Rückgriff auf weitere Informationen nicht ausgeschlossen ist.

Aus dem Schreiben des Antragsgegners vom 27.4.2007 kann der Antragsteller ebenfalls keinen Einstellungsanspruch herleiten. Es enthält keine verbindliche Zusicherung im Sinne des § 38 VwVfG NRW, die eine Einstellung des Antragstellers zur Folge haben müsste. Denn das als "Annahmebescheinigung" bezeichnete Schreiben, das noch vor der Prüfung der gesundheitlichen Eignung und der Einholung der polizeilichen Auskünfte übersandt worden ist, diente demnach im Wesentlichen der Mitteilung des Verfahrensstandes nach der Absolvierung des Auswahl(test)-verfahrens. Es stand ferner ausdrücklich unter dem Vorbehalt, dass nachträglich keine Ablehnungsgründe bekannt würden. Zudem wurde darauf hingewiesen, dass die "entscheidende Einstellungszusage" noch ergehen werde.

Ende der Entscheidung

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