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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 24.11.2006
Aktenzeichen: 6 B 2124/06
Rechtsgebiete: LVO, GeschO


Vorschriften:

LVO § 10a Abs. 2 Satz 2
GeschO § 8 Abs. 1
1. Einzelfall einer unzulässigen Einflussnahme von Vorgesetzten im zweistufigen Beurteilungsverfahren auf den Erstbeurteiler mit der Folge, dass dessen Beurteilungsvorschlag nicht mehr unabhängig und weisungsfrei erfolgt ist.

2. Die zum Zwecke der Regelbeurteilung vorgenommene Zusammenfassung der derselben Besoldungsgruppe angehörenden Polizeivollzugsbeamten der I. und II. Säule in einer Vergleichsgruppe ist nicht zu beanstanden.


Tatbestand:

Der Antragsteller wandte sich gegen die Bevorzugung des beigeladenen Mitbewerbers im Zusammenhang mit der Besetzung einer Beförderungsstelle im Bereich der Polizei. Zur Begründung machte er geltend, seine der Auswahlentscheidung zu Grunde gelegte Regelbeurteilung sei fehlerhaft, da der Erstbeurteiler seinen Beurteilungsvorschlag nicht unabhängig und weisungsfrei erstellt habe. Das VG lehnte den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ab. Die dagegen eingelegte Beschwerde hatte Erfolg.

Gründe:

Die Entscheidung des Antragsgegners über die Vergabe des hier im Streit stehenden Beförderungsamtes ist fehlerhaft, denn sie beruht unter anderem auf der dienstlichen Beurteilung des Antragstellers vom 18.1.2006, die den Vorgaben der Beurteilungsrichtlinien im Bereich der Polizei des Landes Nordrhein-Westfalen - BRL - (SMBl. NRW 203034) nicht entspricht und damit selbst fehlerbehaftet ist. Es ist auch nicht ausgeschlossen, dass der Antragsteller nach der Beseitigung des Mangels den Vorzug vor dem Beigeladenen erhalten wird.

Die Beurteilung des Antragstellers widerspricht Nr. 9.1 Abs. 3 Satz 1 BRL, wonach der Erstbeurteiler unabhängig zu beurteilen hat und nicht an Weisungen gebunden ist. Nach Nr. 9.1 Abs. 4 Satz 1 BRL muss er zudem nach eigenen Kenntnissen und Erfahrungen beurteilen, was im vorliegenden Fall nicht geschehen ist.

Der Erstbeurteiler PHK A. hatte laut seiner Stellungnahme vom 20.6.2006 zunächst die Absicht, eine Beurteilung des Antragstellers mit vier Punkten vorzuschlagen. Bevor er seinen Beurteilungsvorschlag erstellte, fand eine Besprechung zwischen den Führungskräften der Polizeiinspektion N. statt, an der auch der Vorgesetzte des Erstbeurteilers EPHK S. beteiligt war. Die Erstbeurteiler nahmen an dieser Besprechung nicht teil. Im Rahmen der Besprechung wurde unter anderem erörtert, wie die Rangfolge der der hier maßgeblichen Vergleichsgruppe angehörenden Beamten der Polizeiinspektion N. zu bilden sei und welches Gesamturteil für den einzelnen Beamten jeweils angemessen erscheine. EPHK S. teilte dem Erstbeurteiler später mit, dass der Antragsteller nach dem Ergebnis dieser Besprechung nur drei Punkte bekommen solle. Der Erstbeurteiler erstellte daraufhin den Beurteilungsvorschlag mit einem Gesamturteil von drei Punkten. In der oben erwähnten Stellungnahme vom 20.6.2006 führt er dazu aus: "Als Erstbeurteiler bin ich gemäß der Beurteilungsrichtlinien zwar in meiner Entscheidung frei. Als Führungskraft fühle ich mich jedoch verpflichtet, dem Urteil der Beurteilerkonferenz zu folgen. Aus diesem Grund wurde er - der Antragsteller - von mir mit der Punktzahl drei beurteilt."

Der Senat bewertet diesen Sachverhalt - anders als das VG - dahingehend, dass der Erstbeurteiler, nachdem ihm das Ergebnis der oben beschriebenen Besprechung mitgeteilt worden war, den Antragsteller nicht mehr unabhängig und weisungsfrei beurteilt hat. Die Weisungsgebundenheit oder -freiheit des Erstbeurteilers ist nicht aus dessen subjektiver Sicht, sondern nach den objektiv gegebenen Umständen zu beurteilen (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 13.12.1999 - 6 A 3599/98 -, DÖD 2000, 161).

Die Mitteilung an den Erstbeurteiler, der Antragsteller solle nur drei Punkte erhalten, stellt sich objektiv als eine Einflussnahme dar, die, selbst wenn sie nicht die Intensität einer Weisung angenommen haben sollte, jedenfalls die Unabhängigkeit des Erstbeurteilers wesentlich tangiert hat und bei diesem den Eindruck entstehen lassen musste, die Endbeurteilung stehe letztlich fest. Dementsprechend hat sich der Erstbeurteiler "verpflichtet" gefühlt, dem ihm mitgeteilten Urteil zu folgen und dem Teilnehmerkreis der besagten Besprechung als "Beurteilerkonferenz" eine Autorität zugemessen, die ihm nicht zukam. Soweit das VG angenommen hat, der Erstbeurteiler habe mit seiner Stellungnahme zum Ausdruck bringen wollen, dass er sich den auf einer breiteren Grundlage gewonnenen Erkenntnissen der Führungsebene der Polizeiinspektion N. nicht verschlossen habe, sondern bereit gewesen sei, den von ihm angelegten Maßstab im Interesse der Gleichbehandlung der Beamten der Vergleichsgruppe zu revidieren, gibt es für diese Annahme keinerlei tatsächliche Anhaltspunkte. In der Stellungnahme ist die Frage des anzulegenden Maßstabes gar nicht angesprochen. Es spricht vielmehr alles dafür, dass der Erstbeurteiler seine eigenen Kenntnisse und Erfahrungen zurückgestellt und das von der Führungsebene der Polizeiinspektion N. als angemessen angesehene Gesamturteil im Falle des Antragstellers schlicht übernommen hat.

Dass die Einflussnahme auf den Erstbeurteiler hier von Vorgesetzten ausgegangen ist, die nicht zugleich Endbeurteiler sind, ist für die Unzulässigkeit der Einflussnahme und die daraus abzuleitende Rechtsfolge ohne Belang. Zwar soll die Bestimmung über die Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit des Erstbeurteilers in erster Linie Beeinflussungen durch den Endbeurteiler entgegenwirken (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 13.12.1999 - 6 A 3593/98 -, ZBR 2001, 338), doch kann auch von einem Vorgesetzten, der nicht Endbeurteiler ist, in unzulässiger Weise Einfluss auf die Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit des Erstbeurteilers genommen werden. Verdeutlicht ein Vorgesetzter eine bestimmte Erwartungshaltung, kann dies nach dem objektiven Erklärungsgehalt seiner Äußerungen und in Abhängigkeit von den weiteren Fallumständen auf eine Einflussnahme hinauslaufen, die einer Weisung gleichkommt (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 27.4.2001 - 6 A 4754/00 -, NVwZ-RR 2002, 58).

Zur Vermeidung künftiger Rechtsstreitigkeiten sieht sich der Senat veranlasst klarzustellen, dass auf der Grundlage der in den Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage keine weiteren Mängel der Beurteilung erkennbar sind.

Zwar erfüllt die Beurteilung selbst nicht die Anforderungen der Nr. 8.1 Abs. 2 BRL, wonach bei einer dritten Beurteilung im selben statusrechtlichen Amt im Einzelnen zu begründen ist, warum sich die Lebens- und Diensterfahrung des zu beurteilenden Beamten nicht positiv auf sein Leistungsbild ausgewirkt haben, doch hat der Antragsgegner die unzureichende Begründung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zulässigerweise ergänzt. Das VG hat zu Recht angenommen, dass diese ergänzenden Ausführungen in der im Hauptsacheverfahren vorgelegten Klageerwiderung den Begründungsanforderungen der Nr. 8.1 Abs. 2 BRL genügen und den ursprünglich gegebenen Beurteilungsmangel geheilt haben. Es ist unschädlich, dass die ergänzenden Ausführungen nicht unmittelbar vom Endbeurteiler stammen. Sie erklären die ausgebliebene positive Leistungsentwicklung des Antragstellers mit maßgeblichen Veränderungen bei der Zusammensetzung der fraglichen Vergleichsgruppe und einer dadurch gesteigerten Leistungsdichte innerhalb dieser Gruppe, die die Leistung des Antragstellers bei relativer Betrachtung gegenüber der vorangegangenen Regelbeurteilung als unverändert erscheinen lasse. Der Senat hegt keine Zweifel daran, dass die Ausführungen in der Klageerwiderung den Erwägungen entsprechen, die den Endbeurteiler zu der umstrittenen Beurteilung veranlasst haben, denn sie erläutern letztlich nur den darin enthaltenen Begründungsansatz, in dem es heißt: "Ein noch positiveres Ergebnis ist unter Berücksichtigung des anzulegenden Maßstabes und der Leistungsdichte in der Vergleichsgruppe nicht zu erkennen."

Auch die Zusammensetzung der für den Antragsteller maßgeblichen Vergleichsgruppe aus Polizeibeamten der I. und II. Säule, die derselben Besoldungsgruppe angehören, ist nicht zu beanstanden. Gemäß § 10a Abs. 2 Satz 2 LVO wird die Zugehörigkeit zu einer Vergleichsgruppe grundsätzlich nach der Besoldungsgruppe des jeweils zu beurteilenden Beamten oder nach der Funktionsebene bestimmt, der der Beamte zugeordnet ist. Dementsprechend sieht Nr. 8.2.1 BRL vor, dass in erster Linie Beamte derselben Laufbahn und derselben Besoldungsgruppe eine Vergleichsgruppe bilden. Ausnahmsweise können auch Beamte verschiedener Laufbahnen mit derselben Besoldungsgruppe oder Angehörige derselben Funktionsebene in einer Vergleichsgruppe zusammengefasst werden. Verfährt der Dienstherr nach diesen Vorschriften, wird sichergestellt, dass die Leistungsbewertungen der zu beurteilenden und in einem späteren Stellenbesetzungsverfahren möglicherweise konkurrierenden Beamten vergleichbar sind. Die Vergleichbarkeit der Leistungsbewertungen ist am ehesten gewährleistet, wenn - was hier mangels gegenteiliger Anhaltspunkte anzunehmen ist - die Vergleichsgruppe aus Beamten desselben Statusamtes besteht. Die Einwände der Beschwerde gegen die Vergleichbarkeit der Beamten der I. und II. Säule trotz Zugehörigkeit dieser Beamten zur selben Laufbahn, zum selben Laufbahnabschnitt und zur selben Besoldungsgruppe überzeugen nicht. Weder ihre unterschiedliche Vorbildung noch die Unterschiede im Hinblick auf das jeweils erreichbare Endamt sind ausschlaggebend. Maßgeblich ist vielmehr, dass die Beamten der I. Säule für den Laufbahnabschnitt II geeignet und jedenfalls bis zur Besoldungsgruppe A 11 BBesO den Beamten der II. Säule, die die zweite Fachprüfung abgelegt haben, laufbahnrechtlich gleichgestellt sind. Zudem bestehen im Bereich der hier in Rede stehenden Besoldungsgruppe für die Beamten beider Säulen grundsätzlich dieselben Verwendungsmöglichkeiten. Soweit den Beamten der II. Säule darüber hinaus im Einzelfall Führungsaufgaben übertragen werden können, ändert dies an der grundsätzlichen Vergleichbarkeit nichts. Dass der Senat in der Vergangenheit die früher übliche Bildung von jeweils eigenständigen Vergleichsgruppen für die derselben Besoldungsgruppe angehörenden Beamten der I. und II. Säule als nicht sachwidrig beurteilt hat (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 26.7.2004 - 6 B 1229/04 -), schließt nicht aus, dass die nunmehrige Zusammenfassung dieser Beamten in einer Vergleichsgruppe aus den oben genannten Gründen ebenfalls als sachgerecht angesehen wird, zumal dem Dienstherrn bei der Bewertung der Homogenität einer Vergleichsgruppe ein Beurteilungsspielraum zusteht.

Dass nicht der Polizeipräsident, sondern der Leiter der Abteilung Verwaltung und Logistik als Endbeurteiler die Beurteilung des Antragstellers verfasst und unterzeichnet hat, begegnet - wie das VG zutreffend ausgeführt hat - keinen Bedenken. § 8 Abs. 1 der Geschäftsordnung für die Kreispolizeibehörden des Landes Nordrhein-Westfalen (MBl. NRW 2004, S. 962), auf den sich die Beschwerde zur Stützung ihrer gegenteiligen Auffassung beruft, regelt die Vertretung in Fällen der Abwesenheit oder Verhinderung des Behördenleiters, steht aber einer Nr. 9.3 BRL entsprechenden Delegation von Aufgaben, die im Bereich des Polizeipräsidiums D. nachgewiesenermaßen erfolgt ist, nicht entgegen.

Ende der Entscheidung

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