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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 18.02.2008
Aktenzeichen: 6 B 33/08
Rechtsgebiete: VwGO, EglG, BRRG, LPVG NRW, LBG NRW


Vorschriften:

VwGO § 123
VwGO § 123 Abs. 1
VwGO § 146 Abs. 4 Satz 6
EglG § 2
EglG § 3
EglG § 4
EglG § 4 Abs. 1
EglG § 5
EglG §§ 9 ff.
EglG § 9 Abs. 1 Satz 1
EglG § 9 Abs. 3
EglG § 9 Abs. 3 Satz 1
EglG §§ 11 bis 21
EglG § 12 Abs. 2
EglG § 23 Abs. 2
EglG § 23 Abs. 9
BRRG § 126 Abs. 3 Nr. 3
BRRG § 128
LPVG NRW § 66 Abs. 8
LBG NRW § 28
LBG NRW § 29
1. Ein Beamter kann vorläufigen Rechtsschutz gegen den durch das Gesetz zur Eingliederung der Versorgungsämter in die allgemeine Verwaltung des Landes NRW (Art. 1 des Zweiten Gesetzes zur Straffung der Behördenstruktur in NRW vom 30.10.2007, GVBl NRW, 482, - Eingliederungsgesetz -) vorgesehenen Übergang auf die dort bestimmten neuen Aufgabenträger der Versorgungsverwaltung nur im Wege der einstweiligen Anordnung erlangen.

2. Es ist geboten, aufgrund einer Folgenabwägung zu entscheiden, wenn die sich in der Hauptsache stellenden Rechtsfragen im Rahmen eines Eilverfahrens nicht in der Weise vertieft werden können, dass eine zuverlässige Beurteilung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache gewährleistet ist.


Tatbestand:

Der Antragsteller begehrte vorläufigen Rechtsschutz gegenüber den Regelungen des nordrhein-westfälischen Eingliederungsgesetzes, nach denen er kraft Gesetzes vom Versorgungsamt B. auf den Antragsgegner zu 2. als neuen Dienstherrn übergehen soll. Das VG stellte im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig fest, dass der Antragsteller nicht mit Wirkung vom 1.1.2008 auf den Antragsgegner zu 2. übergehe. Das Eingliederungsgesetz bewirke keinen gesetzlichen Übergang, weil der vom Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen erstellte Zuordnungsplan nicht in das Eingliederungsgesetz einbezogen sei. Die gegen die Entscheidung eingelegte Beschwerde des Antragsgegners zu 1. hatte Erfolg. Die Beschwerde des Antragsgegners zu 2. blieb erfolglos.

Gründe:

Auf die Beschwerde des Antragsgegners zu 1. ist die einstweilige Anordnung des VG unter Einschluss der gegenüber dem Antragsgegner zu 2. ergangenen Feststellung aufzuheben. Über das Antragsbegehren kann beiden Antragsgegnern gegenüber nur einheitlich entschieden werden. Dementsprechend ist der Antragsgegner zu 1. berechtigt, die Feststellung des VG aus eigenem Recht und uneingeschränkt anzufechten.

Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO liegen nicht vor. Der Antragsteller hat nicht glaubhaft gemacht, dass der Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderlich ist, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder dass die einstweilige Anordnung aus anderen Gründen nötig erscheint.

Der Senat entscheidet auf Grund einer Folgenabwägung. Dabei bleibt ungeklärt, ob das in der Hauptsache zu verfolgende Klagebegehren des Antragstellers, nämlich festzustellen, dass er nicht kraft Gesetzes am 1.1.2008 auf den Antragsgegner zu 2. als neuen Dienstherrn übergegangen ist, voraussichtlich Erfolg haben wird oder nicht. Eine solche Vorgehensweise ist geboten, wenn die sich in der Hauptsache stellenden Rechtsfragen im Rahmen des Eilverfahrens nicht in der Weise vertiefend behandelt werden können, dass eine zuverlässige Beurteilung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache möglich erscheint (vgl. BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 25.7.1996 - 1 BvR 640/96 -, ZBR 1996, 334, vom 27.5.1998 - 2 BvR 378/98 -, NVwZ-RR 1999, 217, und vom 12.5.2005 - 1 BvR 569/05 -, NVwZ 2005, 927). Das ist hier der Fall.

In der Hauptsache wird insbesondere zu prüfen sein, ob das Eingliederungsgesetz (Art. 1 des Zweiten Gesetzes zur Straffung der Behördenstruktur in NRW vom 30.10.2007, GVBl NRW, 482), dessen § 9 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 12 Abs. 2 nach dem Willen des Gesetzgebers einen Übergang des Antragstellers auf den Antragsgegner zu 2. als neuen Dienstherrn bewirkt haben soll, mit höherrangigem Recht vereinbar ist. Eine solche Prüfung erfordert nach derzeitiger Einschätzung eine - dem Hauptsacheverfahren vorbehaltene - eingehende Befassung mit den folgenden Fragen:

Der Befugnis des Landesgesetzgebers, den Übergang der Beamten der Versorgungsämter auf die im Eingliederungsgesetz näher bezeichneten kommunalen Körperschaften gesetzlich zu bestimmen, könnte § 128 BRRG entgegenstehen. Diese Vorschrift regelt den Übertritt und die Übernahme von Beamten bei der Umbildung von Körperschaften und in den Fällen, in denen Aufgaben von einer Körperschaft auf eine oder mehrere andere Körperschaften übergehen. Ob, wie der Antragsgegner zu 1. meint, ein Fall des Art. 125a Abs. 1 GG vorliegt, § 128 BRRG durch landesrechtliche Vorschriften ersetzt werden kann und durch das Eingliederungsgesetz ersetzt worden ist, bedarf der näheren Untersuchung. Voraussetzung dafür ist, dass eine Vorschrift mit dem Inhalt des § 128 BRRG nach den grundgesetzlichen Regelungen über die Gesetzgebungskompetenz heute nicht mehr als Bundesgesetz erlassen werden könnte. Dies lässt sich nicht ohne eine vertiefte Auseinandersetzung mit Art. 74 Abs. 1 Nr. 27 GG beantworten, der dem Bund die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz zur Regelung der Statusrechte und -pflichten der Beamten der Länder überträgt. Was Statusrechte und -pflichten im Sinne dieser Norm sind und ob die von § 128 BRRG geregelten Sachverhalte hierunter fallen, ist bislang nicht abschließend geklärt. Bejaht man eine fortbestehende Gesetzgebungskompetenz des Bundes, ist das Land nur in den engen Grenzen des Art. 125b Abs. 1 GG zur Gesetzgebung befugt. Unter dieser Voraussetzung wäre zu klären, ob § 128 BRRG Raum für die durch das Eingliederungsgesetz getroffenen Regelungen lässt.

Soweit danach noch von Bedeutung, bedarf es weiter der Prüfung, ob die §§ 9 ff. Eingliederungsgesetz, die den gesetzlichen Übergang der Beamten auf die kommunalen Körperschaften regeln, dem aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) folgenden Bestimmtheitsgebot genügen. Danach müssen gesetzliche Tatbestände so präzise formuliert sein, dass ein Normadressat, weil die Folgen für ihn vorhersehbar und berechenbar sind, sein Handeln darauf einrichten kann (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 7.7.1971 - 1 BvR 775/66 -, BVerfGE 31, 255, und vom 27.11.1990 - 1 BvR 402/87 -, BVerfGE 83, 130).

Ob die §§ 9 ff. Eingliederungsgesetz den Übergang der Beamten hinreichend präzise regeln, ist nicht unzweifelhaft, weil sich in der überwiegenden Zahl der erfassten Fälle dem Gesetzestext nicht unmittelbar entnehmen lässt, welche Beamten auf welche Körperschaften übergehen. Das gilt vor allem für die Gruppe von Beamten, zu der auch der Antragsteller zählt, die bei den Versorgungsämtern Aufgaben nach den §§ 2 bis 5 Eingliederungsgesetz wahrgenommen haben.

§ 9 Abs. 1 Satz 1 Eingliederungsgesetz sieht vor, dass in diesen Fällen der gesetzliche Übergang "nach Maßgabe der Absätze 3 und 4 und der §§ 11 bis 21" erfolgt. Aus den §§ 11 bis 21 Eingliederungsgesetz ergibt sich aber nicht eindeutig, welche Beamten auf die kommunalen Körperschaften übergehen. Die Beamten sollen nur auf die Körperschaften übergehen, "soweit es für die Aufgabenerfüllung erforderlich ist". Das wirft die Frage auf, welche Beamten von dem Übergang ausgenommen sein sollen. Für die Beamten, die bei den Versorgungsämtern Aufgaben nach den §§ 2 und 5 Eingliederungsgesetz wahrgenommen haben, ist zudem fraglich, auf welche kommunale Körperschaft sie übergehen, weil lediglich der "anteilige" Übergang auf - verschiedene - neue Aufgabenträger geregelt wird.

Unbedenklich wäre all das, wenn der Gesetzgeber mit diesen Vorschriften nur die rechtlichen Grundlagen für in jedem Einzelfall zu erlassende Übernahmeverfügungen hätte bereitstellen wollen. Das aber ist nicht der Fall; bezweckt ist nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut ein Übergang "kraft Gesetzes" (§ 9 Abs. 1 Satz 1 Eingliederungsgesetz).

Die in dieser Vorschrift in Bezug genommenen Absätze 3 und 4 beantworten die vorgenannten Fragen ebenfalls nicht. Allerdings sieht § 9 Abs. 3 Eingliederungsgesetz vor, dass der Personalübergang auf der Grundlage eines Zuordnungsplans vorbereitet wird. Ein solcher Zuordnungsplan ist vom Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales (MAGS) erstellt worden und lag zum Zeitpunkt des Aufgabenübergangs am 1.1.2008 vor. In diesem Zuordnungsplan wurden die einzelnen Beamten namentlich auf bestimmte Aufgabenträger verteilt. Sieht man den Zuordnungsplan als Konkretisierung des Gesetzestextes, stand im Zeitpunkt des Aufgabenübergangs fest, welcher Beamte auf welche Körperschaft übergehen sollte. Dass der Zuordnungsplan alle Bedenken gegen die Bestimmtheit des Eingliederungsgesetzes auszuräumen vermag, ist damit aber nicht gesagt. Das VG hat in dem angefochtenen Beschluss insoweit angenommen, das Eingliederungsgesetz stelle nicht sicher, dass der Zuordnungsplan den Betroffenen zugänglich sei. Die Zugänglichkeit sei nur dann in zumutbarer Weise gewährleistet, wenn die verweisende Norm nicht nur die in Bezug genommene Regelung nach Gegenstand und Datum ausreichend kennzeichne, sondern auch die genaue Fundstelle oder Bezugsquelle angebe. Diesen Anforderungen genüge § 9 Abs. 3 Satz 1 Eingliederungsgesetz nicht. Die Bedenken des VG sind nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen.

Nicht zweifelsfrei ist in diesem Zusammenhang außerdem, ob eine Maßnahme der Verwaltung in der gewählten Form in eine gesetzliche Regelung einbezogen werden und dadurch deren Inhalt mit festlegen darf. Als problematisch erscheint es, dass der Gesetzgeber einerseits der Verwaltung die Zuordnungen der Beamten im Einzelfall überlässt, er andererseits diese Entscheidungen aber gleichzeitig durch Einbindung des Zuordnungsplans in das Eingliederungsgesetz in den Rang eines formellen Gesetzes erhebt.

Wird unterstellt, dass die Einbindung des Zuordnungsplans in das Eingliederungsgesetz verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist, könnte dessen ungeachtet der in Bezug genommene Zuordnungsplan seinerseits an Fehlern leiden, die es möglicherweise ausschließen, ihn als wirksame Grundlage für den Personalübergang am 1.1.2008 anzusehen. Ein solcher Fehler des Zuordnungsplans könnte, was das VG Münster in seinem Beschluss vom 21.12.2007 - 4 L 684/07 - angenommen hat, darin liegen, dass er ohne die erforderliche Zustimmung des Hauptpersonalrats für den Geschäftsbereich des MAGS zustande gekommen ist.

Nimmt man an, dass dies zutrifft, ist damit noch nicht geklärt, ob der Zuordnungsplan möglicherweise als vorläufige Regelung gemäß § 66 Abs. 8 LPVG NRW rechtlich verbindlich war und aus diesem Grund wirksam in Bezug genommen werden konnte.

Die nach allem vorzunehmende Folgenabwägung ergibt, dass die begehrte einstweilige Anordnung nicht ergehen kann. Die Nachteile, die sich für den Antragsteller ergäben, wenn sich im Hauptsacheverfahren herausstellen sollte, dass die gesetzliche Regelung unwirksam und er deshalb nicht in den Dienst des Antragsgegners zu 2. übergetreten ist, überwiegen nicht die Nachteile, die der Erlass einer einstweiligen Anordnung bei einem Unterliegen des Antragstellers im Hauptsacheverfahren mit sich brächte.

Erginge die einstweilige Anordnung, hätte der Antragsteller bei dem Antragsgegner zu 2. keinen Dienst zu leisten. Das hätte zur Folge, dass die auf den Antragsgegner zu 2. nach § 4 Abs. 1 Eingliederungsgesetz übergegangenen Aufgaben insoweit nicht erfüllt würden, bis Ersatz für den Antragsteller gefunden wäre. Darüber hinaus drohten finanzielle Schäden zu Lasten der Allgemeinheit. Der Antragsteller würde - unter Umständen bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache - alimentiert, ohne dass er beschäftigt werden könnte. Ein Einsatz auf dem bisherigen Arbeitsplatz käme schon deshalb nicht in Betracht, weil dieser nach Auflösung des Versorgungsamtes B. nicht mehr vorhanden ist. Ob der Antragsteller möglicherweise, etwa im Wege der Abordnung, bei anderen Dienstherren eingesetzt werden könnte, hängt von ungewissen Faktoren ab, insbesondere dem konkreten Bedarf und dem Einverständnis der anderen Dienstherren. Zudem läge darin nur eine weitere Maßnahme zur Abmilderung der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Anordnung, so dass die Möglichkeit eines anderweitigen Einsatzes für die Folgenabwägung nur von sekundärer Bedeutung ist. Da eine unterbliebene Arbeitsleistung nicht nachgeholt werden kann, könnte der entstandene Schaden bei einem Obsiegen der Antragsgegner in der Hauptsache nachträglich nicht mehr ausgeglichen werden. Zudem müsste der Antragsgegner zu 2. für den Antragsteller wohl eine Ersatzkraft einstellen, weil der Aufgabenzuwachs aufgrund des Eingliederungsgesetzes ihm keine andere Wahl ließe.

Diese Folgen gewinnen mit Blick darauf, dass es sich bei der Zuordnungsentscheidung nicht um eine nur auf den Antragsteller bezogene individuelle Personalmaßnahme handelt, sondern sämtliche Beamte der nordrhein-westfälischen Versorgungsverwaltung von der Organisationsmaßnahme betroffen sind, zusätzliches Gewicht. Eine beträchtliche Zahl von Beamten geht bereits derzeit im Wege des Eilrechtsschutzes gegen den Dienstherrenwechsel nach dem Eingliederungsgesetz vor. Würden alle oder ein wesentlicher Teil für die Aufgaben der Versorgungsverwaltung nicht mehr zur Verfügung stehen, so wäre das öffentliche Interesse an einer funktionsfähigen Versorgungsverwaltung in besonderem Maße gefährdet.

Demgegenüber entstehen dem Antragsteller bei Ablehnung seines Begehrens auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes keine gewichtigen Nachteile. Die Folgenabwägung könnte nur dann zu seinen Gunsten ausgehen, wenn es für ihn eine besondere Härte bedeuten würde, sich bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache so behandeln zu lassen, als sei er auf den Antragsgegner zu 2. übergegangen. Dieser Maßstab ist anzulegen, weil die durch das Eingliederungsgesetz zum 1.1.2008 bewirkten organisatorischen Veränderungen, nämlich die Verlagerung der Verwaltungsaufgaben, ein besonderes öffentliches Interesse an dem sofortigen Übertritt auch des Antragstellers auf den Antragsgegner zu 2. begründen. Dem kann der Antragsteller persönliche Belange nur ausnahmsweise entgegenhalten.

Ein Ausfluss des Beamtenverhältnisses ist es, dass der Beamte seine privaten Interessen dem öffentlichen Interesse an einer ordnungsgemäßen Aufgabenerfüllung grundsätzlich unterzuordnen hat und insoweit auch persönliche Beeinträchtigungen, die sich aus organisatorischen Änderungen ergeben, in einem gewissen Maße hinnehmen muss. Ausgehend davon wird den persönlichen Belangen des Beamten beispielsweise im Anwendungsbereich des § 126 Abs. 3 Nr. 3 BRRG nur ausnahmsweise der Vorrang im vorläufigen Rechtsschutz eingeräumt. Der Beamte kann in diesen Fällen bei offenem Ausgang der Hauptsache die sofortige Vollziehung der angefochtenen Maßnahme nur verhindern, wenn sie für ihn besonders schwerwiegende Nachteile mit sich bringt. Aus der in § 126 Abs. 3 Nr. 3 BRRG zum Ausdruck kommenden gesetzgeberischen Wertung wird hergeleitet, dass bei Versetzungen und Abordnungen generell dem besonderen öffentlichen Vollzugsinteresse der Vorrang eingeräumt ist. Ein entsprechender Maßstab muss bei einer im Rahmen des § 123 VwGO anzustellenden Folgenabwägung gelten, wenn das besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Umsetzung einer durch gesetzliche Regelung angeordneten beamtenrechtlichen Organisationsmaßnahme positiv festgestellt werden kann.

Das ist aufgrund der durch das Eingliederungsgesetz zum 1.1.2008 angeordneten und inzwischen umgesetzten organisatorischen Veränderungen in der nordrhein-westfälischen Versorgungsverwaltung der Fall. Die bislang von den Versorgungsämtern wahrgenommenen Aufgaben sind nach Maßgabe des Eingliederungsgesetzes auf die neuen Aufgabenträger übergegangen. Die Sicherstellung der Aufgabenwahrnehmung setzt deshalb auch den sofortigen Übergang des Personals voraus.

Dem Antragsteller ist es auch vor dem Hintergrund seiner persönlichen Lebensverhältnisse zumutbar, den im Eingliederungsgesetz bestimmten Dienstherrenwechsel vorläufig gegen sich gelten zu lassen. Besonders schwerwiegende Nachteile in Bezug auf seine Besoldungs-, Beihilfe- oder Versorgungsansprüche sind angesichts der Regelungen des § 23 Abs. 2 und 9 Eingliederungsgesetz nicht zu erwarten. Der Antragsteller hat auch nicht glaubhaft gemacht, dass es ihm nicht zuzumuten ist, seinen Dienstpflichten bei dem Antragsgegner zu 2. bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache nachzukommen. Er führt lediglich den täglichen Weg zu seinem neuen Arbeitsplatz in M. ins Feld. Insoweit liegt die Schwelle dessen, was einem Beamten noch zugemutet werden kann, jedoch vergleichsweise hoch. Insbesondere Beamte im Dienst des Landes müssen im Hinblick auf die §§ 28, 29 LBG NRW damit rechnen, dass sich ihr Dienstort verändert. Realisiert sich dieses Risiko für den Beamten, muss er persönliche Härten grundsätzlich in Kauf nehmen oder ihnen im Rahmen des Zumutbaren durch Veränderungen seiner privaten Lebensumstände begegnen. Die tägliche Bewältigung der hier in Rede stehenden Strecke zwischen Wohnort und Arbeitsplatz kann von dem Antragsteller danach jedenfalls für die Dauer des Hauptsacheverfahrens verlangt werden. Selbst wenn die dafür aufzuwendende Fahrtzeit bis zu zwei Stunden pro Strecke in Anspruch nehmen sollte, bedeutet das für sich genommen keine besondere Härte. Sonstige Härten, die sich im Zusammenhang mit der Verlängerung des Weges zwischen Wohnort und Arbeitsplatz ergeben könnten, sind nicht ersichtlich. Auch unzumutbare finanzielle Aufwendungen sind insoweit nicht zu befürchten, zumal der Antragsteller ausweislich der Ausführungen des Antragsgegners zu 1. in der Beschwerdebegründung Trennungsentschädigung erhalten wird.

Soweit der Antragsteller vorträgt, die Zuordnung im Einzelfall führe zu einem sozialen Ungleichgewicht, kann dies im Rahmen der Folgenabwägung keine Berücksichtigung finden. Gegenstand der Folgenabwägung ist nicht die Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Zuordnungsplans, sondern nur die Ermittlung und Gewichtung der den Antragsteller individuell treffenden Nachteile. Ebenfalls nicht von Belang ist die von dem Antragsteller angeführte verpasste Chance einer Beförderung in ein Amt nach A 12 BBesO. Der Antragsteller weist selbst darauf hin, dass dies nicht Folge seines Übergangs, sondern bereits Folge der - hier nicht in Streit stehenden - Auflösung des Versorgungsamts B. war.

Die Beschwerde des Antragsgegners zu 2. bleibt erfolglos. Nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO prüft das OVG im Beschwerdeverfahren nur die dargelegten Gründe, die hier keine Veranlassung geben, den angefochtenen Beschluss des VG zu ändern. Zentrales Argument der Beschwerdebegründung des Antragsgegners zu 2. ist die Behauptung, der Eilantrag sei zu Unrecht gegen ihn gerichtet, weil er weder im Zeitpunkt der Erstellung des Zuordnungsplans Dienstherr des Antragstellers gewesen sei noch verantwortlich daran mitgewirkt habe. Diese Argumentation stellt die erstinstanzliche Entscheidung nicht in Frage. Dem Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes liegt keine beamtenrechtliche Maßnahme des Antragsgegners zu 1. zugrunde mit der Folge, dass nur dieser als (ehemaliger) Dienstherr der richtige Antragsgegner wäre. Der Antragsteller wehrt sich vielmehr gegen den im Eingliederungsgesetz vorgesehenen gesetzlichen Übergang. Der Antragsteller hat ein schutzwürdiges Interesse daran, das in der Hauptsache zu verfolgende Feststellungsbegehren und damit auch den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen den im Eingliederungsgesetz bestimmten neuen Dienstherrn zu richten, zumal dieser nach dem Gesetz berechtigt wäre, vom Antragsteller die Erfüllung seiner Dienstpflichten am neuen Dienstort zu verlangen.

Ende der Entscheidung

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