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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 03.04.2009
Aktenzeichen: 6 B 36/09
Rechtsgebiete: VwGO, LBG NRW


Vorschriften:

VwGO § 80 Abs. 5
LBG NRW § 63 Abs. 1 Satz 1
Die sexuellen Aktivitäten eines Beamten sagen grundsätzlich nichts über seine charakterliche Eignung aus und sind für das Beamtenverhältnis nur dann von Belang, wenn der Beamte dadurch Strafgesetze verletzt, die öffentliche Ordnung stört oder er sein Sexualleben in einer Form öffentlich macht, die geeignet ist, den Dienstbetrieb zu beeinträchtigen oder das Ansehen des Dienstherrn herabzusetzen.
Tatbestand:

Der Antragsteller ist Lehrer an einem Berufskolleg im Dienst des Landes. Der Antragsgegner untersagte ihm wegen seiner außerschulischen sexuellen Aktivitäten und seines Verhaltens an der Schule unter Anordnung der sofortigen Vollziehung die Führung seiner Dienstgeschäfte und leitete ein Disziplinarverfahren gegen ihn ein. Das VG lehnte den Antrag des Antragstellers auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der gegen die Verbotsverfügung erhobenen Klage ab. Die dagegen eingelegte Beschwerde hatte Erfolg.

Gründe:

Die Untersagung der Führung der Dienstgeschäfte vom 11.8.2008 stellt sich bei der in den Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung als offensichtlich rechtswidrig dar, sodass die im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung zu Gunsten des Antragstellers ausfällt.

Nach § 63 Abs. 1 Satz 1 LBG NRW kann einem Beamten aus zwingenden dienstlichen Gründen die Führung seiner Dienstgeschäfte verboten werden.

Derartige zwingende dienstliche Gründe ergeben sich aus der Begründung der Verbotsverfügung nicht.

Selbst wenn der Antragsteller - wie es dort heißt - gegen die aus dem öffentlichen Dienst- und Treueverhältnis ergebende Pflicht verstoßen haben sollte, sich innerhalb und außerhalb des Dienstes achtungs- und vertrauenswürdig zu verhalten, ist damit der zusätzlich erforderliche zwingende dienstliche Grund für ein Verbot der Amtsführung noch nicht dargetan.

Überdies reichen die mitgeteilten Sachverhalte, an die der Vorwurf anknüpft, als Tatsachengrundlage für eine derart pauschale Wertung nicht aus. (Wird ausgeführt).

Die Ausführungen zum Sexualleben des Antragstellers sollen offenbar belegen, dass es nicht mehr vertretbar ist, ihn seine Aufgaben auch nur vorübergehend wahrnehmen zu lassen.

Dieser Schluss trifft nicht zu. Der Dienstherr hat die Privatsphäre des Beamten zu achten. Dies gilt auch und insbesondere für den höchstpersönlichen Bereich des Sexuallebens. Welche sexuelle Ausrichtung der Beamte hat, welche Formen der Sexualität er bevorzugt, ob er sexuell besonders aktiv ist, welchen Stellenwert er der Sexualität in seinem Leben einräumt, ob er ständig wechselnde und wie viele Sexualpartner er hat, wie er es mit der partnerschaftlichen Treue hält oder ob er seine sexuellen Bedürfnisse bei Prostituierten befriedigt, sagt nichts über die charakterliche Eignung als Beamter aus und ist für das Beamtenverhältnis nur dann von Belang, wenn der Beamte durch seine sexuellen Aktivitäten Strafgesetze verletzt, die öffentliche Ordnung stört oder er sein Sexualleben in einer Form öffentlich macht, die geeignet ist, den Dienstbetrieb zu beeinträchtigen oder das Ansehen des Dienstherrn herabzusetzen. Außerhalb dessen ist kein Raum für dienstliche Maßnahmen. Erhält der Dienstherr - wie hier durch Denunziation der früheren Lebensgefährtin des Antragstellers - zufällig Kenntnis von sexuellen Aktivitäten des Beamten, die andere als unmoralisch oder abstoßend empfinden, ist dies allein kein Grund, um dienstrechtlich gegen den Beamten vorzugehen.

Soweit die Bezirksregierung in ihrer Verfügung einem Lehrer, der "sexsüchtig" ist, Prostituierte aufsucht, Sex-Partys veranstaltet sowie Vorlieben für "bestimmte Sexualpraktiken" hat und diese auch auslebt, "gravierende Persönlichkeitsmängel" anlastet und vorwirft, "das Vertrauen in seine Zuverlässigkeit und moralische Integrität von Grund auf" zu zerstören, ist diesem moralisierenden Urteil nicht zu folgen.

Dass der Antragsteller im Rahmen seiner sexuellen Aktivitäten Strafgesetze verletzt beziehungsweise die öffentliche Ordnung oder den Dienstbetrieb gestört hat, lässt sich der Verfügung nicht entnehmen. Es sind auch keine Anhaltspunkte dafür mitgeteilt, wonach er Schülern Anschauungen vermittelt haben könnte, die dem gesellschaftlichen Konsens von Sitte und Moral widersprechen.

Der Umstand, dass gegen den Antragsteller ein Ermittlungsverfahren wegen des Sichverschaffens beziehungsweise des Besitzes von Kinderpornografie läuft, vermag die Rechtmäßigkeit des Verbots der Führung der Dienstgeschäfte schon deshalb nicht zu begründen, weil die Bezirksregierung die in ihrem Ermessen stehende Verbotsverfügung nicht auf diesen Umstand gestützt und ihn auch im gerichtlichen Verfahren nicht in ihre Überlegungen einbezogen hat.

Ein solcher Vorwurf hat nach dem Inhalt der Akten auch keine hinreichende Grundlage. Er ergibt sich allein aus den Anschuldigungen der ehemaligen Lebensgefährtin des Antragstellers, Frau Z., die allem Anschein nach in dem Scheitern ihrer gemeinsamen Beziehung wurzeln. Frau Z. überzieht den Antragsteller mit einer Vielzahl diffuser und unterschwelliger Verdächtigungen wie dem sexuellen Missbrauch der eigenen Kinder, der Zuhälterei sowie des Drogen- und Alkoholmissbrauchs. Bei ihrem Bemühen, dem Antragsteller zu schaden, geht sie bis an die Grenzen des strafrechtlich Vertretbaren, die möglicherweise sogar überschritten sind. (Wird ausgeführt).

Der Verdächtigung des Antragstellers, sich Kinderpornografie verschafft beziehungsweise diese besessen zu haben, ist angesichts der vorstehend beschriebenen Umstände kein Gewicht beizumessen, zumal Frau Z. ihre diesbezüglichen Aussagen ständig variiert und gesteigert hat, sodass ihre Glaubwürdigkeit auch deshalb ernstlich zweifelhaft ist. (Wird ausgeführt).

Ende der Entscheidung

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