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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 25.05.2007
Aktenzeichen: 6 B 366/07
Rechtsgebiete: SchulG NRW


Vorschriften:

SchulG NRW § 59 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2
Soweit sich ein Fehler der Auswahlentscheidung bei der Besetzung von Beförderungsstellen auf das Auswahlergebnis nicht ausgewirkt hat, wird das Recht des unterlegenen Mitbewerbers auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung über seinen Beförderungsantrag nicht verletzt.

Beurteilungen durch den schulfachlichen Dezernenten der Bezirksregierung sind mit denen des nach § 59 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 SchulG 2006 neuerdings zuständigen Schulleiters vergleichbar, wenn sie auf denselben Beurteilungsrichtlinien beruhen.


Tatbestand:

Der Dienstherr wählte aus fast 200 Anträgen auf Beförderung von Lehrern an Realschulen schematisch zunächst nach der Qualifikation und dann nach dem Hilfskriterium des allgemeinen Dienstalters aus. Die Bewerbung einer im Beamtenverhältnis stehenden Lehrerin war nach diesen Kriterien nicht erfolgreich. Sie wandte gegen die Auswahl ein, die dienstlichen Beurteilungen von drei der aufgrund ihrer besseren Qualifikation ausgewählten Konkurrenten seien älter als drei Jahre und daher nicht mehr aktuell genug. Im Übrigen seien die der Auswahlentscheidung zugrunde liegenden dienstlichen Beurteilungen insgesamt nicht vergleichbar, weil sie zum Teil vom schulfachlichen Dezernenten der Bezirksregierung und zum Teil vom Schulleiter des jeweiligen Bewerbers erstellt worden seien. Das VG folgte dem und erließ eine entsprechende einstweilige Anordnung. Die vom Dienstherrn erhobene Beschwerde hatte Erfolg.

Gründe:

Die Antragstellerin hat einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht (§§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO).

Ob der Antragsgegner die dienstlichen Beurteilungen dreier erfolgreicher Beigeladener seiner Auswahlentscheidung zugrunde legen durfte, obwohl deren Beurteilungen zu diesem Zeitpunkt älter als drei Jahre waren, muss der Senat nicht entscheiden. Selbst wenn der Antragsgegner gegen das Aktualitätsgebot verstoßen hat, ist dieser Fehler für das Auswahlergebnis im Hinblick auf die Antragstellerin nicht kausal gewesen und sie hierdurch nicht in ihrem Recht auf ermessensfehlerfreie Auswahlentscheidung verletzt.

Der Antragsgegner hat sich bei seiner Auswahlentscheidung zunächst nach der Qualifikation und bei einem Qualifikationsgleichstand nach dem Hilfskriterium der abgeleisteten Dienstzeit im Sinne von § 11 LVO NRW gerichtet. Diese Auswahlkriterien sind bedenkenfrei und werden von den Beteiligten auch nicht in Frage gestellt.

Wenn man zugunsten der Antragstellerin annimmt, dass die genannten Beigeladenen, die besser als die Antragstellerin beurteilt waren, bei einer hinreichend aktuellen Beurteilung schlechter qualifiziert gewesen wären als die Antragstellerin, hätte der Antragsgegner drei weitere Beförderungsstellen nach dem Hilfskriterium der abgeleisteten Dienstzeit vergeben.

Aus den Verwaltungsakten ergibt sich, dass mindestens vier Bewerber, die mit dem gleichen Ergebnis wie die Antragstellerin in hinreichend aktuellen Beurteilungen bewertet worden sind, eine höhere Dienstzeit als sie aufweisen und daher vor ihr zum Zuge gekommen wären.

Die Auswahlentscheidung ist auch nicht deshalb fehlerhaft, weil die ihr zugrunde gelegten dienstlichen Beurteilungen teilweise vom schulfachlichen Dezernenten der Bezirksregierung und teilweise vom jeweiligen Schulleiter erstellt worden sind.

Die dienstliche Beurteilung soll den Vergleich mehrerer Beamter miteinander ermöglichen und zu einer objektiven und gerechten Bewertung des einzelnen Beamten führen. Dies verlangt die größtmögliche Vergleichbarkeit der erhobenen Daten. Die Beurteilungsmaßstäbe müssen gleich sein und gleich angewendet werden.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 18.7.2001 - 2 C 41.00 -, ZBR 2002, 211.

Die Einhaltung dieser Anforderungen wird in erster Linie durch verbindliche Beurteilungsrichtlinien sichergestellt. Einheitliche Beurteilungsrichtlinien geben allgemein geltende Beurteilungsmaßstäbe vor und sichern - jedenfalls im Grundsatz - deren gleichmäßige Anwendung. Ob die Beurteilungen vom selben Amtswalter oder von Inhabern gleicher Funktionen erstellt worden sind, ist demgegenüber für die Vergleichbarkeit regelmäßig nicht entscheidend, wenn die Beurteilungsrichtlinien nichts anderes vorsehen.

Vgl. OVG NRW Beschlüsse vom 27.10.2004 - 6 B 2026/04 -, vom 19.4.2004 - 6 B 71/04 - und vom 18.10.2004 - 6 B 1706/04 -.

Vielfach stehen Beamte in Konkurrenz um ein Beförderungsamt, die von unterschiedlichen Beurteilern in unterschiedlichen Funktionen bewertet worden sind. Das ist jedoch für die Vergleichbarkeit der Beurteilungen unschädlich, wenn alle auf der Grundlage gleicher Beurteilungsmaßstäbe erstellt worden sind. Die Beurteilungsrichtlinien dienen gerade dem Zweck, trotz verschiedener Beurteiler vergleichbare Bewertungen zu erhalten.

Dass die allen Beurteilungen zugrunde liegenden Richtlinien für die dienstliche Beurteilung der Lehrkräfte sowie der Leiterinnen und Leiter an öffentlichen Schulen und Studienseminaren vom 2.1.2003 (ABl. NRW S. 7, - BRL 2003 -) ungleichmäßig angewendet worden sind, ist nicht ersichtlich. Die Antragstellerin äußert lediglich die Vermutung, sie sei im Vergleich zu schlecht bewertet worden, weil sie noch vom schulfachlichen Dezernenten und nicht von ihrer Schulleiterin beurteilt worden sei. Dem ist der Antragsgegner mit der Beschwerde entgegengetreten. Anhaltspunkte, welche die Vermutung der Antragstellerin stützen könnten, finden sich weder in ihrem Vortrag noch sonst in den Akten. Es gibt auch keinen Erfahrungssatz, wonach das Urteil eines bezirksweit tätigen Aufsichtsbeamten, der den Beamten nicht aus dem täglichen Dienst kennt, stets schlechter ausfällt als das eines Vorgesetzten, der mit dem Beamten alltäglich umgeht.

Das Beurteilungsverfahren hat sich zwar durch die Übertragung der Beurteilungskompetenz auf den Schulleiter (§ 59 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 SchulG i.d.F. des 2. Schulrechtsänderungsgesetzes) geändert. Die mit der Zuständigkeitsveränderung zwangsläufig einhergehende Verfahrensanpassung fällt jedoch so geringfügig aus, dass sie die Vergleichbarkeit der Beurteilungen nicht beeinträchtigt.

Insbesondere ist die Einstufigkeit des Beurteilungsverfahrens beibehalten worden. Auch vor der Rechtsänderung lag bei Bewerbungen um ein erstes Beförderungsamt die Zuständigkeit für die Beurteilung nur bei einer Person, nämlich bei dem schulfachlichen Schulaufsichtsbeamten (Nr. 2.2 BRL 2003). Der Schulleiter lieferte zwar mit seinem Leistungsbericht eine wesentliche Beurteilungsgrundlage. Da ihm ein Gesamturteil jedoch verwehrt blieb (Nr. 2.3 BRL 2003) und der Leistungsbericht ein rechtlich unselbständiger Beurteilungsbeitrag war, handelte es sich nicht um ein mehrstufiges Beurteilungssystem. Das 2. Schulrechtsänderungsgesetz tauscht innerhalb dieses einstufigen Verfahrens lediglich den Beurteiler aus. Der Wegfall des Leistungsberichts stellt nur die hieraus folgende Konsequenz im Verwaltungsverfahren dar. Eine inhaltliche Einbuße ist damit nicht verbunden, weil dem für den früheren Leistungsbericht verantwortlichen Funktionsträger nunmehr die Beurteilung insgesamt übertragen ist.

Der Grundsatz der Chancengleichheit verlangt nicht, Übergangsregelungen für alle zum Stichtag laufenden Auswahlverfahren vorzusehen. Stichtagsregelungen wie die Übertragung der Beurteilungskompetenz auf den Schulleiter zum 1.8.2006 sind vielmehr verfassungsrechtlich grundsätzlich zulässig. Dem Gesetzgeber ist es durch Art. 3 Abs. 1 Satz 1 GG nicht verwehrt, zur Regelung bestimmter Lebenssachverhalte Stichtage einzuführen, obwohl jeder Stichtag unvermeidlich gewisse Härten mit sich bringt. Voraussetzung ist allerdings, dass sich die Einführung des Stichtags überhaupt und die Wahl des Zeitpunkts am gegebenen Sachverhalt orientieren und damit sachlich vertretbar sind.

Vgl. BVerfG in ständiger Rechtsprechung, zuletzt Beschluss vom 27.2.2007 - 1 BvL 10/00 - unter Hinweis auf BVerfG, Urteil vom 23.11.1999 - 1 BvF 1/94 -, BVerfGE 101, 239 (270).

Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Die Einführung eines Stichtages bietet sich bei dem zeitabschnittsweise in Schuljahre gegliederten Schulbetrieb ohne Weiteres an. Der 1.8.2006 ist zudem sachgerecht gewählt, weil er sich am Beginn des neuen Schuljahres orientiert und gleichsam das natürliche Datum für Änderungen im Schulbereich darstellt. Da zu diesem Zeitpunkt verschiedene Aufgaben des Dienstvorgesetzten auf den Schulleiter übergingen, war es nicht sachwidrig, für die Erstellung dienstlicher Beurteilungen keine Sonderregelung zu schaffen.

Der Gesetzgeber hat zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des 2. Schulrechtsänderungsgesetzes laufende Bewerbungsverfahren um ein erstes Beförderungsamt bewusst dem neuen Recht unterstellt. Er hat das ihm zukommende Ermessen bei der Regelung der Verwaltungsorganisation durch Art. 7 Abs. 6 ("Übergangsvorschriften") dieses Gesetzes dahingehend ausgeübt, dass lediglich laufende Besetzungsverfahren für Schulleiterstellen nach altem Recht fortgeführt werden, für andere Stellen aber sogleich das neue Recht gelten soll. Im Bereich der dienstlichen Beurteilungen werden damit in nicht zu beanstandender Weise Hauptanliegen des Änderungsgesetzes ohne Verzug umgesetzt, welche u. a. darin liegen, Schulleitungen zu stärken, Schulaufsichtsbeamte zu entlasten und das Verwaltungsverfahren zu straffen.

Vgl. LT-Drs. 14/1572 S. 96.

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