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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 02.05.2005
Aktenzeichen: 6 B 594/05
Rechtsgebiete:


Vorschriften:

-
Den Submerkmalen in dienstlichen Beurteilungen gemäß den Beurteilungsrichtlinien im Bereich der Polizei des Landes Nordrhein-Westfalen vom 25.1.1996 (BRL), MBl. NW. 1996, 278, kommt für den Qualifikationsvergleich bei einer Stellenbesetzung grundsätzlich keine Aussagekraft mehr zu, wenn der Endbeurteiler von dem Beurteilungsvorschlag des Erstbeurteilers in den zugehörigen Hauptmerkmalen und im Gesamturteil abweicht und zu erkennen gibt, dass er die Bewertung der Submerkmale durch den Erstbeurteiler nicht teilt (im Anschluss an OVG NRW, Urteil vom 29.8.2001 - 6 A 2967/00 -, DÖD 2001, 310 = RiA 2002, 92, sowie Beschlüsse vom 12.5.2004 - 6 B 189/04 - und 10.9.2004 - 6 B 1584/04 -).

Der Beurteiler darf zwar eine längere beanstandungsfreie "Standzeit" in dem zuletzt ausgeübten Amt als solche positiv würdigen (Nr. 6 Halbsatz 2 BRL). Das darf jedoch nicht als Korrektur einer an sich besseren oder schlechteren Einschätzung des Leistungsstands fehlverstanden werden.


Tatbestand:

Der Antragsteller erstrebte einstweiligen Rechtsschutz dagegen, dass der Dienstherr eine der Kreispolizeibehörde X zugewiesene Planstelle der Besoldungsgruppe A 12 BBesO nicht mit ihm, sondern mit dem Beigeladenen (ebenfalls Polizeihauptkommissar der Besoldungsgruppe A 11 BBesO) besetzen wollte. Das VG untersagte dem Dienstherrn als Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig, die Beförderungsstelle mit einem Konkurrenten des Antragstellers zu besetzen: Außer einem Anordnungsgrund sei auch ein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. In dem Gesamturteil der aktuellen dienstlichen Regelbeurteilungen habe der Beigeladene zwar ein besseres Ergebnis ("Die Leistung und Befähigung ... übertreffen die Anforderungen" - 4 Punkte -) als der Antragsteller ("Die Leistung und Befähigung ... entsprechen voll den Anforderungen" - 3 Punkte -) erzielt. Die Beurteilung des Antragstellers und somit auch die Auswahlentscheidung seien jedoch mit überwiegender Wahrscheinlichkeit rechtswidrig. Das dem Antragsteller erteilte Gesamturteil von 3 Punkten (Vorschlag des Erstbeurteilers: "Die Leistung und Befähigung ... übertreffen die Anforderungen im besonderem Maße" - 5 Punkte -) stehe in unlösbarem Widerspruch dazu, dass bei den vom Endbeurteiler mit 3 Punkten bewerteten Hauptmerkmalen "Leistungsverhalten" und "Leistungsergebnis" (Vorschlag des Erstbeurteilers jeweils: 5 Punkte) die zugehörigen Submerkmale (gemäß dem Vorschlag des Erstbeurteilers) durchgängig mit 5 Punkten bewertet worden seien. Zudem spreche viel dafür, dass Hilfskriterien richtlinienwidrig bei der Festlegung des Gesamturteils in der Beurteilung des Antragstellers eine Rolle gespielt hätten.

Die Beschwerde des Antragsgegners blieb ohne Erfolg.

Gründe:

Der Antragsgegner hat nicht dargelegt, dass das VG einen Anordnungsanspruch hätte verneinen müssen. Die bei der Beförderungsentscheidung herangezogene aktuelle dienstliche Regelbeurteilung des Antragstellers entspricht nach der in Verfahren der vorliegenden Art vorzunehmenden summarischen Prüfung nicht den zu stellenden Anforderungen.

Das lässt sich allerdings nicht daraus herleiten, die Bewertung der Hauptmerkmale "Leistungsverhalten" und "Leistungsergebnis" durch den Endbeurteiler (jeweils 3 Punkte) sei nicht plausibel, weil sie im Widerspruch dazu stehe, dass die dem zugrunde liegenden Submerkmale durchgängig mit 5 Punkten, also um zwei Notenstufen besser, benotet worden seien. Der Endbeurteiler hat die (vom Erstbeurteiler mit 5 Punkten vorgeschlagene) Bewertung der beiden Hauptmerkmale auf 3 Punkte abgesenkt, die diesem Vorschlag des Erstbeurteilers zugrunde liegende Benotung der Submerkmale jedoch unverändert gelassen. Das führt nicht ohne weiteres zu einer die Plausibilität der Beurteilung berührenden Diskrepanz. Die Submerkmale werden vom Endbeurteiler, wenn er - wie hier - in Anwendung der Nr. 9.2 BRL zu einer anderen Bewertung der Hauptmerkmale und des Gesamturteils gelangt, im allgemeinen nicht entsprechend geändert (Nr. 9.2 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 2 BRL). Zwar muss der Endbeurteiler die Vorschläge des Erstbeurteilers zur Bewertung der Submerkmale nicht unkommentiert hinnehmen. Vielmehr verantwortet er die dienstliche Beurteilung insgesamt und hat es in der Hand, die Abweichungen - soweit möglich- vertretbar zu begründen. Das schließt die Befugnis ein, die Benotung der Submerkmale ausdrücklich zu ändern.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 29.8.2001 - 6 A 2967/00 -, DÖD 2001, 310 = RiA 2002, 92 .

Hierzu kann vor allem Anlass bei solchen Abweichungen bestehen, die ihren Grund im individuellen Leistungs- und Befähigungsprofil des Beurteilten haben. Die Auflösung tatsächlicher oder vermeintlicher Widersprüche in die eine oder die andere Richtung ist aber auch in anderer Weise möglich. Insbesondere bei Abweichungen aus Gründen des allgemeinen, d. h. einzelfallübergreifenden Quervergleichs kommen dafür auch die Abweichungsbegründungen in den dienstlichen Beurteilungen und/oder ergänzende Erläuterungen des Endbeurteilers im Wider-spruchs- bzw. Gerichtsverfahren in Frage.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 29.8.2001, a. a. O.

Einer ausdrücklichen Änderung zu positiv gefasster Bewertungen der Submerkmale bedarf es dann nicht. Es genügt stattdessen, dass der Endbeurteiler sich von diesen Bewertungen - ausdrücklich oder stillschweigend - distanziert.

Ausgehend hiervon hat der Senat für den Fall einer Diskrepanz zwischen (vom Endbeurteiler ungünstiger bewerteten) Hauptmerkmalen und (dabei unverändert gelassenen) Submerkmalen entschieden, dass letztere ihre Aussagekraft verlieren und schon deshalb für den Qualifikationsvergleich im Rahmen eines Auswahlverfahrens anlässlich einer Stellenbesetzung unergiebig sein können. In einem solchen Fall bleiben die Vorschläge des Erstbeurteilers zu den Submerkmalen zwar als solche in der dienstlichen Beurteilung aufgeführt. Sie haben aber, soweit die Beurteilung (des Endbeurteilers) von dem Vorschlag des Erstbeurteilers zu den Hauptmerkmalen und zu dem Gesamturteil abweicht, dazu keinen hinreichenden Bezug mehr und scheiden als zusätzliche Erkenntnisquelle aus.

Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 12.5.2004 - 6 B 189/04 - und vom 10.9.2004 - 6 B 1584/04 -.

Unter diesen Voraussetzungen steht auch die Plausibilität der Beurteilung außer Frage: Sind die Submerkmale ohne Bedeutung, ist zugleich eine vermeintliche Widersprüchlichkeit im Verhältnis zu Hauptmerkmalen und Gesamturteil ausgeräumt.

So verhält es sich auch im vorliegenden Streitfall. Der Endbeurteiler hat sich weder ausdrücklich noch sinngemäß die Bewertung der Submerkmale durch den Endbeurteiler zu eigen gemacht. Im Gegenteil hat er jedenfalls im gerichtlichen Beschwerdeverfahren, damit noch rechtzeitig, erklärt, er sei nach dem Beurteilungssystem nicht berechtigt, die vom Erstbeurteiler vorgeschlagenen Submerkmale abzusenken. Diese im Einklang mit den Erläuterungen des Innenministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen zu den BRL, Stand 1.3.1999, S. 119, stehende Einschätzung ist nach der vorstehend wiedergegebenen Rechtsprechung des Senats zwar rechtsirrig. Sie beinhaltet aber sinngemäß die Erklärung, dass der Endbeurteiler die Benotung der Submerkmale durch den Erstbeurteiler in der Sache nicht geteilt und sie als obsolet betrachtet hat. Damit steht die Schlüssigkeit der dienstlichen Beurteilung des Antragstellers jedenfalls inzwischen außer Frage.

Ein zur Rechtswidrigkeit der Beurteilung des Antragstellers führender Umstand liegt jedoch darin, dass gemäß der in der Beurteilung gegebenen Begründung (Nr. 9.2 Abs. 2 Satz 2 BRL) die Absenkung der Bewertung der Hauptmerkmale und des Gesamturteils auch auf dem Bestreben beruhte, u.a. "unter besonderer Beachtung der erst relativ kurzen Verweildauer (des Antragstellers) im statusrechtlichen Amt" die Richtsätze (Nr. 8.2.2 BRL) einzuhalten. Wie das VG zutreffend ausgeführt hat, macht dies deutlich, dass für den Endbeurteiler bei der Absenkung des Gesamturteils nicht in erster Linie der leistungsmäßige Quervergleich, sondern vielmehr ausschlaggebend war, dass sich der Antragsteller erst gut zwei Jahre in seinem gegenwärtigen statusrechtlichen Amt befand. Das gilt jedenfalls unter Berücksichtigung der Ausführungen des Antragsgegners im erstinstanzlichen Verfahren, nach dem Vergleich der Beurteilungsergebnisse "und unter Hinzuziehung der Hilfskriterien `Verweildauer im statusrechtlichen Amt` und `Datum der II. Fachprüfung`" sei der Beigeladene dem Antragsteller bei der Beförderungsauswahl vorgezogen worden. Auf den - zutreffenden - Hinweis des VG, dies stehe im Widerspruch zu dem Vorbringen des Antragsgegners, der Beigeladene sei wegen seiner besseren Qualifikation ausgewählt worden, geht die Beschwerde nicht ein. Hiernach muss angenommen werden, dass die Absenkung des vom Erstbeurteiler vorgeschlagenen Gesamturteils und zweier Hauptmerkmale um zwei Notenstufen nicht maßgeblich auf dem Vergleich der Qualifikation des Antragstellers mit der der anderen Beamten seiner Vergleichsgruppe, sondern entscheidend darauf beruht, dass bereits zur Bewertung des aktuellen Leistungsstandes Hilfskriterien (die erst bei einer Beförderungsauswahl zwischen im Wesentlichen gleich gut beurteilten Beamten Platz greifen) herangezogen wurden.

Zwar ist im Hinblick auf Nr. 6 Halbsatz 2 BRL ("... in der Regel ist anzunehmen, dass sich Diensterfahrung positiv auf das Leistungsbild auswirkt.") nichts dagegen einzuwenden, dass der Beurteiler eine längere beanstandungsfreie "Standzeit" in dem zuletzt ausgeübten Amt als solche positiv würdigt, vgl. OVG NRW, Urteil vom 13.2.2001 - 6 A 2966/00 -.

Die "Standzeit" hat dabei jedoch nur eine Bedeutung als Indiz für den Leistungsstand. Sie darf hingegen nicht als Korrektiv einer an sich besseren oder schlechteren Einschätzung des Leistungsstands fehlverstanden werden.

Um eine Fallgestaltung dieser Art handelt es sich hier. Nach den obigen Ausführungen ist anzunehmen, dass der Endbeurteiler - systemwidrig - die Hilfskriterien "Verweildauer im statusrechtlichen Amt" und "Datum der II. Fachprüfung" in den qualifikationsmäßigen Quervergleich mit einbezogen hat.

Ende der Entscheidung

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