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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 25.01.2006
Aktenzeichen: 6s E 1083/03.S
Rechtsgebiete: BauKaG NRW


Vorschriften:

BauKaG NRW a. F. § 15 Abs. 3 Satz 1
BauKaG NRW n. F. § 22 Abs. 3 Satz 1
Ein von einem Architekten begangenes außerberufliches Fehlverhalten stellt, auch wenn es den Tatbestand eines Strafgesetzes erfüllt, nicht ohne weiteres eine Berufspflichtverletzung dar. Eine Berufspflichtverletzung ist in der Regel aber bei vorsätzlich begangenen schwerwiegenden Straftaten, die mit einer Freiheitsstrafe geahndet worden sind, anzunehmen.
Tatbestand:

Der Beschuldigte ist Architekt und Mitglied der Architektenkammer. Er war früher selbstständig tätig. Mittlerweile arbeitet er als angestellter Architekt. Durch rechtskräftiges Urteil des Landgerichts A. wurde der Beschuldigte wegen versuchter räuberischer Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Nach Verbüßung von zwei Dritteln der gegen ihn verhängten Freiheitsstrafe und Festsetzung einer Bewährungszeit von drei Jahren wurde er aus der Strafhaft entlassen. Nach vorheriger Anhörung des Beschuldigten beantragte die Antragstellerin die Eröffnung des berufsgerichtlichen Verfahrens gegen ihn; die räuberische Erpressung begründe den Verdacht der Berufspflichtverletzung nach § 15 Abs. 1 BauKaG NRW vom 15.12.1992, GV. NRW. S. 534 (BauKaG a. F.), i.V.m. §§ 249, 253, 255, 22, 69, 69a StGB; ferner bestehe der Verdacht der Berufspflichtverletzung nach § 15 Abs. 3 BauKaG NRW a. F., da das Verhalten des Beschuldigten dem Ansehen des Berufsstandes in erheblichem Maße geschadet habe. Das Berufsgericht lehnte die Eröffnung des berufsgerichtlichen Verfahrens ab. Die hiergegen erhobene Beschwerde der Antragstellerin hatte Erfolg.

Gründe:

Das berufsgerichtliche Verfahren ist zu eröffnen, weil der Beschuldigte durch das ihm zur Last gelegte Verhalten einer Berufspflichtverletzung gemäß § 15 Abs. 3 Satz 1 BauKaG NRW a. F. bzw. § 22 Abs. 3 Satz 1 BauKaG NRW vom 16.12.2003, GV. NRW. S. 786 (BauKaG n. F.), hinreichend verdächtig ist.

Nach diesen Vorschriften stellt ein außerhalb des Berufs liegendes Verhalten eine Berufspflichtverletzung dar, wenn es nach den Umständen des Einzelfalles in besonderem Maße geeignet ist, Achtung und Vertrauen in einer für die Ausübung der Berufstätigkeit oder für das Ansehen des Berufsstands bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen.

Zunächst handelt es sich bei dem dem Beschuldigten zur Last gelegten Verhalten, von dem auch der Senat gemäß § 62 Abs. 3 BauKaG NRW n. F. als feststehend ausgeht, um ein außerhalb des Berufs liegendes Verhalten. Denn seine Tat steht in keinem Zusammenhang mit seiner Berufsausübung als Architekt. Dass diese Tat durch eine im Wesentlichen beruflich bedingte finanzielle Notlage motiviert war, ist insoweit nicht ausreichend.

Weiterhin ist auch eine Berufspflichtverletzung im Sinne des § 15 Abs. 3 Satz 1 BauKaG NRW a. F. bzw. § 22 Abs. 3 Satz 1 BauKaG NRW n. F. anzunehmen. Die genannten Vorschriften gehen auf die inhaltsgleiche Regelung des § 14a Abs. 2 ArchG NRW vom 4.12.1969, GV. NRW. S. 888, zurück.

Vgl. Amtliche Begründung zu § 15 BauKaG NRW a. F., LT-Drs. 11/3784, S. 99, und Amtliche Begründung zu § 22 BauKaG NRW n. F., LT-Drs. 13/3532, S. 94.

§ 14a ArchG NRW wurde im Jahre 1989 durch das Vierte Gesetz zur Änderung des ArchG NRW vom 10.1.1989, GV. NRW. S. 44, in das Architektengesetz NRW eingefügt. Mit dieser Vorschrift fand, wie zuvor schon in anderen Bereichen des Berufsrechts, eine Veränderung in der disziplinarischen Wertung außerberuflichen Verhaltens Eingang in die berufsrechtlichen Regelungen für Architekten. Dieser Anschauungswandel ist zuvor auch schon im Gesetz zur Neuordnung des Bundesdisziplinarrechts vom 20.7.1967, BGBl. I S. 725, zum Ausdruck gekommen.

Vgl. in diesem Zusammenhang OVG NRW, Urteil vom 3.3.1976 - ZA 1/71 -, NJW 1976, 2317; BayObLG, Beschluss vom 22.7.1981 - LBG-Ä-1/81 -, DAR 1981, 394.

Ziel der gesetzgeberischen Neuregelung des außerdienstlichen Dienstvergehens im Jahre 1967 war es, der veränderten Stellung des Beamten in der Gesellschaft, die schon damals durch wachsende Toleranz gegenüber dem außerdienstlichen Verhalten geprägt war, Rechnung zu tragen.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 30.8.2000 - BVerwG 1 D 37.99 -, BVerwGE 112, 19.

Ausgehend hiervon und unter Berücksichtigung dessen, dass sich der genannte gesellschaftliche Wandlungsprozess seither fortgesetzt hat, folgt hieraus in Bezug auf die Verletzung von Berufspflichten eines Architekten, dass ein außerberufliches Fehlverhalten, auch wenn es den Tatbestand eines Strafgesetzes erfüllt, nicht ohne weiteres eine Berufspflichtverletzung darstellt. Die Bejahung einer Berufspflichtverletzung kann allerdings dann gerechtfertigt sein, wenn das außerberufliche Fehlverhalten einen Bezug zu den dem Architekten obliegenden Berufspflichten aufweist. Entsprechendes ist in der Regel auch bei vorsätzlich begangenen schwerwiegenden Straftaten, die mit einer Freiheitsstrafe geahndet worden sind, anzunehmen.

Vgl. in diesem Zusammenhang BVerwG, Urteil vom 30.8.2000 - BVerwG 1 D 37.99 -, a .a. O.

In derartigen Straftaten kommt eine mangelnde Gesetzestreue in einem solch hohen Maß zum Ausdruck, dass auch die Bereitschaft des Betroffenen in Frage gestellt ist, den ihm obliegenden Berufspflichten nachzukommen. Eine derartige Straftat ist vorliegend gegeben. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob diese Tat geeignet ist, einen bedeutsamen Ansehens- und Vertrauensverlust in Bezug auf den gesamten Berufsstand der Architekten hervorzurufen. Jedenfalls ist die Straftat des Beschuldigten geeignet, die Achtung und das Vertrauen in seine Berufsausübung in erheblichem Maß zu beeinträchtigen. Das ergibt sich zunächst aus der Schwere der Tat. Sie drückt sich u.a. in der strafrechtlichen Wertung als Verbrechen aus und wird durch die verhängte mehrjährige Freiheitsstrafe weiter verdeutlicht. Darüber hinaus fällt ins Gewicht, dass der Beschuldigte Vermögensinteressen der geschädigten Firma in einer so bedenkenlosen Weise verletzen wollte, dass die Befürchtung nahe liegt, er könnte es auch an der Bereitschaft zu einem korrekten Umgang mit den finanziellen Belangen seiner beruflichen Auftraggeber fehlen lassen.

Eine andere Beurteilung folgt auch nicht daraus, dass aus der Presseberichterstattung über das Strafverfahren nicht ersichtlich wurde, dass es sich bei dem Beschuldigten um einen Architekten handelt. Denn maßgeblich ist insoweit, ob das Verhalten als solches geeignet ist, die für die Annahme einer Berufspflichtverletzung erforderliche Ansehens- und Vertrauensbeeinträchtigung hervorzurufen. Die Presseberichterstattung über ein derartiges Verhalten, ist, wie auch weitere Umstände, insoweit allenfalls ergänzend heranzuziehen. Denn andernfalls hinge es von der Art dieser Berichterstattung ab, ob ein außerhalb des Berufs liegendes Fehlverhalten als Berufspflichtverletzung zu qualifizieren wäre oder nicht. Aus den bereits genannten Gründen ist vorliegend aber davon auszugehen, dass das hier in Rede stehende Verhalten des Beschuldigten aufgrund seiner Schwere geeignet ist, einen erheblichen Ansehens- und Vertrauensschaden hervorzurufen.

Ende der Entscheidung

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