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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 11.12.2006
Aktenzeichen: 7 A 964/05
Rechtsgebiete: BauGB, BauNVO


Vorschriften:

BauGB § 17 Abs. 2
BauGB § 17 Abs. 3
BauGB § 34 Abs. 3
BauNVO § 11
1. Ein Bebauungsplan, der ein Sondergebiet für Fachmärkte mit maximal 3.000 qm Verkaufsfläche "für nicht citytypische Sortimente" ausweist, ist wegen Unbestimmtheit der Festsetzung unwirksam.

2. Zu den Voraussetzungen, unter denen eine Veränderungssperre einem bestimmten Vorhaben wegen einer faktischen Zurückstellung bzw. rechtswidrigen Ablehnung nicht mehr entgegen gehalten werden kann.

3. Zu den Voraussetzungen für das Vorliegen "zentraler Versorgungsbereiche" im Sinne von § 34 Abs. 3 BauGB.

4. Zu den Voraussetzungen, wann "schädliche Auswirkungen" auf zentrale Versorgungsbereiche im Sinne von § 34 Abs. 3 BauGB "zu erwarten" sind.


Tatbestand:

Die Klägerin begehrte die Erteilung einer Baugenehmigung für die teilweise Nutzungsänderung eines Möbelmitnahme-Markts in einen Elektrofachmarkt. Der Beklagte lehnte die Erteilung der Baugenehmigung wegen Unvereinbarkeit des Vorhabens mit dem für den betroffenen Bereich erlassenen Bebauungsplan ab. Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren wies das VG die Klage mit der Begründung ab, der Bebauungsplan sei zwar unwirksam, dem Vorhaben stehe aber nunmehr § 34 Abs. 3 BauGB n. F. entgegen. Die Berufung der Klägerin hatte mit dem Hauptantrag auf Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung der Baugenehmigung keinen Erfolg. Auf den Hilfsantrag der Klägerin stellte das OVG jedoch fest, dass der Beklagten bis zum Inkrafttreten von § 34 Abs. 3 BauGB n. F. verpflichtet war, die beantragte Baugenehmigung zu erteilen.

Gründe:

Die zulässige Berufung ist nur mit dem zweiten Hilfsantrag begründet.

Das VG hat die Klage mit dem Hauptantrag auf Erteilung einer Baugenehmigung zu Recht abgewiesen, weil das Vorhaben der Klägerin bauplanungsrechtlich unzulässig ist.

Das Vorhaben soll zwar im Geltungsbereich des - qualifizierten - Bebauungsplans Nr. 175 der Stadt errichtet werden. Gleichwohl richtet sich seine bauplanungsrechtliche Beurteilung nicht nach § 30 Abs. 1 BauGB, sondern nach § 34 BauGB, weil dieser Bebauungsplan ungültig ist.

Die Festsetzungen des Bebauungsplans zur zulässigen Art der baulichen Nutzung in den ausgewiesenen Sondergebieten leiden an einem - unabhängig von Rügen nach den §§ 214, 215 BauGB - beachtlichen Mangel. Soweit Nr. 3 dieser Festsetzungen in den Sondergebieten nur Fachmärkte mit insgesamt maximal 3.000 qm Verkaufsfläche "für nicht citytypische Sortimente" zulässt, ist diese Regelung unbestimmt. Dies führt, wie das VG zutreffend erkannt hat, zugleich zur Ungültigkeit des Bebauungsplans in seiner Gesamtheit.

Der Plangeber wollte mit dem Begriff "citytypisch" für die zulässigen Fachmärkte ersichtlich solche Sortimente ausschließen, die gemeinhin als "zentrenrelevant" oder "zentrentypisch" angesehen werden, nämlich Sortimente, die vornehmlich in den Versorgungszentren der Innenstädte angeboten werden (sollen). Eine Legaldefinition dafür, welche Sortimente in diesem Sinne "citytypisch" oder "zentrenrelevant" sind, gibt es jedoch nicht, so dass sich der Inhalt dieses Begriffs nicht etwa bereits aus sich heraus erschließt.

Vgl. OVG NRW, Urteile vom 3.6.2002 - 7a D 92/99.NE -, BRS 65 Nr. 38 und vom 9.10.2003 - 10a D 55/01.NE -, JURIS, zu "zentrenrelevanten" Sortimenten; OVG NRW, Urteil vom 9.10.2003 - 10a D 76/01.NE -, BRS 66 Nr. 39, zu "innenstadtbedeutsamen" Sortimenten.

Auch sonst lässt sich im vorliegenden Fall der nähere Inhalt dieses Begriffs nicht feststellen.

Zwar kann bei der Festsetzung von zulässigen Sortimenten des Einzelhandels ein Rückgriff auf Listen in Einzelhandelserlassen oder sonstige Orientierungshilfen unbedenklich sein, soweit dadurch bestimmte Arten von Anlagen im Sinne des § 1 Abs. 9 BauNVO zutreffend gekennzeichnet werden.

Vgl.: BVerwG, Beschluss vom 4.10.2001 - 4 BN 45.01 -, BRS 64 Nr. 28.

Nichts anderes, nämlich das Erfordernis einer hinreichenden Bestimmtheit, gilt auch dann, wenn - wie hier - im Rahmen der Ausweisung eines sonstigen Sondergebiets im Sinne von § 11 BauNVO die zulässige Art der Nutzung festgesetzt wird. Zwar liegt bei der Ausweisung von Sondergebieten die Definitionsmacht darüber, welche Anlagen zulässig oder ausnahmsweise zulassungsfähig sind, bei der Gemeinde, so dass diese über die Möglichkeiten hinaus, die etwa § 1 Abs. 9 BauNVO bei der Feindifferenzierung von den in den §§ 4 bis 9 BauNVO bezeichneten Baugebieten eröffnet, näher konkretisieren und zu diesem Zweck die Merkmale bestimmen kann, die ihr am besten geeignet erscheinen, um das von ihr verfolgte Planziel zu erreichen.

Vgl.: BVerwG, Urteil vom 28.2.2002 - 4 CN 5.01 -, BRS 65 Nr. 67.

Auch das entbindet die Gemeinde jedoch nicht von der Pflicht, die im Sondergebiet zulässigen Arten von Nutzungen so hinreichend bestimmt festzulegen, dass die Normadressaten - sei es auch erst im Wege der Auslegung der Festsetzung - im Einzelfall feststellen können, ob eine bestimmte Nutzung zulässig ist oder nicht.

Eine solche hinreichende Bestimmtheit des hier gewählten Begriffs "citytypisch" ergibt sich jedoch auch dann nicht, wenn man zu seiner näheren Eingrenzung auf den für das Land Nordrhein-Westfalen (noch) einschlägigen Einzelhandelserlass 1996 - Runderlass vom 7.5.1996 (MBl. NRW. S. 922) - zurückgreift. (wird ausgeführt).

Diese Unbestimmtheit der Festsetzung zur Art der Nutzung hinsichtlich der Fachmärkte führt zugleich zur Ungültigkeit des gesamten Bebauungsplans. (wird ausgeführt).

Der hiernach wegen der Ungültigkeit des Bebauungsplans und der Lage des Vorhabens in einem im Zusammenhang bebauten Ortsteil gemäß § 34 BauGB zu beurteilenden planungsrechtlichen Zulässigkeit steht - unabhängig von den Voraussetzungen der genannten Vorschrift - nicht bereits die zwischenzeitlich erlassene Veränderungssperre entgegen. Diese Veränderungssperre ist entgegen der Auffassung der Klägerin zwar wirksam, sie kann dem strittigen Vorhaben jedoch wegen Zeitablaufs nicht (mehr) entgegen gehalten werden.

Gemäß § 14 Abs. 1 BauGB kann die Gemeinde, wenn ein Beschluss über die Aufstellung eines Bebauungsplans gefasst ist, zur Sicherung der Planung für den künftigen Planbereich eine Veränderungssperre beschließen. Diese Voraussetzung liegt hier vor. (wird ausgeführt).

Die nach alledem wirksame Veränderungssperre kann dem strittigen Vorhaben gleichwohl nicht entgegen gehalten werden. Auf die - zulässige - Dauer einer Veränderungssperre ist gegenüber den jeweiligen Vorhaben nicht nur gemäß § 17 Abs. 1 Satz 2 BauGB der Zeitraum anzurechnen, der seit der ersten Zurückstellung des Baugesuchs nach § 15 Abs. 1 BauGB abgelaufen ist. Vielmehr sind auch faktische Zurückstellungen anzurechnen. Insoweit kann der Zeitraum, der - nach angemessener, mit § 75 VwGO abzustimmender (und im Baurecht wohl häufig drei Monate unvermeidbar überschreitender) Frist - dadurch vergeht, dass ein Genehmigungsantrag nicht hinreichend zügig bearbeitet, sonstwie verzögert oder rechtswidrig abgelehnt wird, nicht anders behandelt werden als es § 17 Abs. 1 Satz 2 BauGB für eine förmliche Zurückstellung anordnet.

Vgl. bereits: BVerwG, Urteil vom 11.11.1970 - 4 C 79.68 -, BRS 23 Nr. 88.

Daraus folgt, dass unter den Voraussetzungen des § 17 Abs. 1 Satz 2 BauGB eine - für andere noch geltende - Veränderungssperre demjenigen gegenüber keine Wirkung entfaltet, den sie bei Berücksichtigung der anzurechnenden Zeit mit einer zeitlich zu lang ausgedehnten Sperre belegen würde.

Vgl.: BVerwG, Urteil vom 10.9.1976 - 4 C 39.74 -, BRS 30 Nr. 76 (S. 145).

Gemessen an diesen Maßstäben ist der Zeitraum einer - möglichen - Sperrwirkung der Veränderungssperre im Hinblick auf das hier in Rede stehende Vorhaben schon längst verstrichen.

Das strittige Vorhaben wurde mit dem am 23.12.1999 bei der Bauaufsichtsbehörde eingegangenen Bauantrag zur Genehmigung gestellt. Auch wenn man eine die Zeit von drei Monaten deutlich überschreitende Bearbeitungszeit in Rechnung stellt und beispielsweise von einer solchen von bis zu einem Jahr ausgeht, sind zwischenzeitlich knapp 6 Jahre verstrichen. Für einen solch langen Zeitraum scheidet hier eine zulässige Sperrwirkung der Veränderungssperre aus. (wird ausgeführt).

Steht dem Vorhaben hiernach die - wirksame - Veränderungssperre nicht entgegen, ergibt die Prüfung nach § 34 BauGB, dass das Vorhaben zwar die Voraussetzungen des § 34 Abs. 1 BauGB bzw. § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 7 BauNVO erfüllt, seiner baurechtlichen Genehmigung jedoch § 34 Abs. 3 BauGB n.F. entgegen steht.

Ob sich die bauplanungsrechtliche Beurteilung hier nach § 34 Abs. 1 BauGB oder, wie das VG angenommen hat, nach § 34 Abs. 2 BauGB in Verbindung mit § 7 BauNVO richtet, kann letztlich dahinstehen, da das Vorhaben die Voraussetzungen sowohl der einen als auch der anderen Alternative erfüllt. (wird ausgeführt).

Dass sich das Vorhaben im Übrigen - d.h. hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung, der Bauweise und der überbaubaren Grundstücksfläche - in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt, unterliegt keinem Streit und ist offensichtlich zu bejahen. Gleichwohl erweist sich das Vorhaben als bauplanungsrechtlich unzulässig, weil es jedenfalls mit den Regelungen des hier anzuwendenden § 34 Abs. 3 BauGB n.F. nicht vereinbar ist.

Die genannte Vorschrift ist mit Inkrafttreten des Europarechtanpassungsgesetzes Bau (BGBl. I S. 1359) zum 20.7.2004 in das Baugesetzbuch aufgenommen worden. Nach ihr dürfen von Vorhaben nach [§ 34] Absatz 1 oder 2 keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein. Die Neuregelung setzt mithin voraus, dass das Vorhaben an sich nach § 34 Abs. 1 oder 2 BauGB zuzulassen wäre. Sie legt nach der Intention des Gesetzgebers eine "weitere Zulassungsvoraussetzung" für Vorhaben im nicht beplanten Innenbereich fest und soll "nachteilige Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden verhindern".

So ausdrücklich die Amtliche Begründung zum Regierungsentwurf des EAG Bau in BT-Drs 15/2250, S. 54.

Voraussetzung für eine Anwendung von § 34 Abs. 3 BauGB ist zunächst, dass das betreffende Vorhaben überhaupt Auswirkungen auf "zentrale Versorgungsbereiche" haben kann. Das trifft hier zu.

Ob ein "zentraler Versorgungsbereich" vorliegt, ist nicht anders als beispielsweise die Beurteilung, ob ein "im Zusammenhang bebauter Ortsteil" im Sinne von § 34 Abs. 1 BauGB vorliegt, eine Rechtsfrage und keine Tatsache, die einer Beweiserhebung durch ein Sachverständigengutachten zugänglich ist. Der hierauf bezogene, von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat gestellte Beweisantrag war daher abzulehnen.

"Zentrale Versorgungsbereiche" sind räumlich abgrenzbare Bereiche einer Gemeinde, denen auf Grund vorhandener Einzelhandelsnutzungen - häufig ergänzt durch diverse Dienstleistungen und gastronomische Angebote - eine bestimmte Versorgungsfunktion für die Gemeinde zukommt. Ein "Versorgungsbereich" setzt mithin vorhandene Nutzungen voraus, die für die Versorgung der Einwohner der Gemeinde - ggf. auch nur eines Teiles des Gemeindegebiets - insbesondere mit Waren aller Art von Bedeutung sind. Dabei kann, wie noch näher anzusprechen ist, im vorliegenden Verfahren letztlich offen bleiben, ob ein bei Zulassungsentscheidungen nach § 34 Abs. 3 BauGB beachtlicher zentraler Versorgungsbereich nur dann zu bejahen ist, wenn ihm auf Grund tatsächlich vorhandener Einzelhandelsbetriebe eine bestimmte, ggf. durch gemeindliche Planungen gestützte, Versorgungsfunktion zukommt, oder ob ein solcher Versorgungsbereich auch schon dann vorliegt, wenn in dem betreffenden Bereich jedenfalls nach den planerischen Zielvorstellungen der Gemeinde solche Einzelhandelsnutzungen (verstärkt) angesiedelt werden sollen.

"Zentral" sind Versorgungsbereiche nicht nur dann, wenn sie nach Lage, Art und Zweckbestimmung der gemeindeweiten bzw. übergemeindlichen Versorgung dienen.

In diesem Sinne etwa: Uechtritz "Die Neuregelungen zur standortgerechten Steuerung des Einzelhandels", DVBl. 2006, 799 (802); ähnlich: Gatawis "Die Neuregelung des § 34 III Baugesetzbuch (BauGB)", NVwZ 2006, 272 (274) sowie Berkemann in "Erstkommentierungen zum BauGB 2004", 2005, RdNr. 17 zu § 34 BauGB; auch nach OVG NRW, Urteil vom 22.3.2006 - 21 A 1849/04 - soll die Nahversorgung nicht Schutzgut des § 34 Abs. 3 BauGB sein.

Vielmehr können auch Bereiche für die Grund- oder Nahversorgung zentrale Versorgungsbereiche im Sinne von § 34 Abs. 3 BauGB sein.

Das Adjektiv "zentral" ist nicht etwa rein geografisch in dem Sinne zu verstehen, dass es sich um einen räumlich im Zentrum der jeweiligen Gemeinde gelegenen Bereich handeln muss, es hat vielmehr eine funktionale Bedeutung. Der Zusatz "zentral" geht über die Bedeutung des Wortteils Versorgungs"bereich" hinaus, so dass eine bloße Agglomeration von Einzelhandelsnutzungen in einem räumlich abgrenzbaren Bereich diesen allein noch nicht zu einem "zentralen" Versorgungsbereich macht. Dem Bereich muss vielmehr die Bedeutung eines Zentrums für die Versorgung zukommen. Dies ist zu bejahen, wenn die Gesamtheit der auf eine Versorgung der Bevölkerung ausgerichteten baulichen Nutzungen in dem betreffenden Bereich auf Grund der Zuordnung dieser Nutzungen innerhalb des räumlichen Bereichs und auf Grund ihrer verkehrsmäßigen Erschließung und verkehrlichen Anbindung die Funktion eines Zentrums mit einem bestimmten Einzugsbereich hat, nämlich die Versorgung des gesamten Gemeindegebiets oder eines Teilbereichs mit einem auf den Einzugsbereich abgestimmten Spektrum an Waren des kurz-, mittel- oder langfristigen Bedarfs funktionsgerecht sicherzustellen.

Vgl.: Söfker in Ernst/Zinkahn/ Bielenberg, Kommentar zum BauGB, Stand März 2006, RdNr. 85 zu § 34.

Dabei kommen durchaus unterschiedliche Typen von zentralen Versorgungsbereichen in Betracht.

Eine nähere Umschreibung unterschiedlicher zentraler Versorgungsbereiche hat das BVerwG ausdrücklich offen gelassen in seinem Beschluss vom 20.11.2006 - 4 B 50.06 - (S. 4 des Beschlussabdrucks), der dem Senat zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung noch nicht bekannt war.

Je nach ihrer konkreten Versorgungsfunktion können sie auf einen engeren oder einen mehr oder weniger weiten Bereich einwirken und dessen Versorgung dienen sowie dabei einen umfassenderen oder nur eingeschränkten Versorgungsbedarf abdecken. Hiervon ausgehend können als "zentrale Versorgungsbereiche" angesehen werden:

- Innenstadtzentren, die einen größeren Einzugsbereich, in der Regel das gesamte Stadtgebiet und ggf. sogar darüber hinaus ein weiteres Umland, versorgen und in denen regelmäßig ein breites Spektrum von Waren für den lang-, mittel- und kurzfristigen Bedarf angeboten wird,

- Nebenzentren, die einen mittleren Einzugsbereich, zumeist bestimmte Bezirke größerer Städte, versorgen und in denen regelmäßig ein zumindest breiteres Spektrum von Waren für den mittel- und kurzfristigen, ggf. auch den langfristigen Bedarf angeboten wird, sowie

- Grund- und Nahversorgungszentren, die einen kleineren Einzugsbereich, in der Regel nur bestimmte Quartiere größerer Städte bzw. gesamte kleinere Orte, versorgen und in denen regelmäßig vorwiegend Waren für den kurzfristigen Bedarf und ggf. auch für Teilbereiche des mittelfristigen Bedarfs, angeboten werden.

In diesem Sinne auch: Söfker in Ernst/Zinkahn/ Bielenberg, Kommentar zum BauGB, Stand März 2006, RdNr. 85 zu § 34; Janning "Der Ausschluß des zentrenschädigenden Einzelhandels im unbeplanten Innenbereich", BauR 2005, 1723 (1725).

Dabei spricht viel dafür, dass ein als zentraler Versorgungsbereich zu qualifizierendes Grund- oder Nahversorgungszentrum voraussetzt, dass mehrere Einzelhandelsbetriebe mit sich ergänzenden und/oder konkurrierenden Warenangeboten vorhanden sind, weil anderenfalls der von § 34 Abs. 3 BauGB beabsichtigte Schutz zentraler Versorgungsbereiche der Sache nach auf einen individuellen Schutz einzelner Betriebe vor der Ansiedlung von Konkurrenz in seinem Einzugsbereich hinausliefe. Einer abschließenden Prüfung dieser Frage bedarf es im vorliegenden Fall jedoch nicht, denn um Auswirkungen auf ein Grund- oder Nahversorgungszentrum geht es hier nicht.

Das vorstehende Verständnis des Begriffs "zentraler Versorgungsbereich" wird bestätigt durch die Entstehungsgeschichte des Europarechtanpassungsgesetzes Bau sowie die weiteren aktuellen Aktivitäten des Gesetzgebers, soweit sie sich auf den Schutz und die Förderung "zentraler Versorgungsbereiche" beziehen.

Die Neuregelung des § 34 Abs. 3 BauGB geht zurück auf Vorschläge der Unabhängigen Expertenkommission, die in dem Bericht "Novellierung des Baugesetzbuchs" vom August 2002, herausgegeben vom Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, wiedergegeben sind. ...

Die Vorschläge der unabhängigen Expertenkommission hat der Gesetzgeber aufgegriffen und sowohl § 2 Abs. 2 BauGB geändert als auch - statt einer Änderung nur des § 34 Abs. 1 BauGB - den neuen § 34 Abs. 3 in das BauGB eingefügt. Dies legt es nahe, dass der Gesetzgeber bei Erlass des Europarechtanpassungsgesetzes Bau - mit der Unabhängigen Expertenkommission - davon ausgegangen ist, dass "zentrale Versorgungsbereiche" gerade nicht nur die Haupt- bzw. Innenstadtzentren der Gemeinden sein sollen. So ist in der Amtlichen Begründung des Regierungsentwurfs zum Europarechtanpassungsgesetzes Bau (BT-Drs. 15/2250) zur Neufassung des § 2 Abs. 2 BauGB (S. 41) ausgeführt, in der vorgeschlagenen Regelung würden "die Auswirkungen auf die zentralen Versorgungsbereiche - auch in ihren unterschiedlichen Stufen - der Gemeinden genannt".

Präzisiert wird das Verständnis des Gesetzgebers durch die aktuellen Überlegungen zur Novellierung des Baugesetzbuches durch das "Gesetz zur Erleichterung von Planungsvorhaben für die Innenentwicklung der Städte", das der Deutsche Bundestag am 9.11.2006 beschlossen hat. In diesem Gesetzentwurf ist vorgesehen, § 9 BauGB durch einen neuen Absatz 2a zu ergänzen. Hiernach sollen die Gemeinden für im Zusammenhang bebaute Ortsteile "zur Erhaltung oder Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche" Festsetzungen über die Zulässigkeit, Unzulässigkeit bzw. ausnahmsweise Zulässigkeit bestimmter Arten der nach § 34 Abs. 1 oder 2 BauGB zulässigen baulichen Nutzungen treffen können. Zu den hier wiederum erwähnten "zentralen Versorgungsbereichen" heißt es in der Amtlichen Begründung zum Regierungsentwurf des Gesetzes zur Erleichterung von Planungsvorhaben für die Innenentwicklung der Städte (BT-Drs. 16/2496, S. 11):

"Der Begriff 'Zentraler Versorgungsbereich' umfasst Versorgungsbereiche unterschiedlicher Stufen, also insbesondere Innenstadtzentren vor allem in Städten mit größerem Einzugsbereich, Nebenzentren in Stadtteilen sowie Grund- und Nahversorgungszentren in Stadt- und Ortsteilen und nichtstädtischen Gemeinden."

Dafür, dass demselben Begriff in den bereits durch das Europarechtanpassungsgesetz Bau in das Baugesetzbuch eingefügten Regelungen des § 2 Abs. 2 und § 34 Abs. 3 BauGB ein anderes Verständnis der Aussage "Versorgungsbereiche unterschiedlicher Stufen" zugrunde liegen sollte, liegt kein Anhalt vor.

Wie die nach alledem von § 34 Abs. 3 BauGB erfassten unterschiedlichen Kategorien "zentraler Versorgungsbereiche" zu ermitteln sind, bedarf weiterer Betrachtung. Insoweit ging der Gesetzgeber davon aus, der Charakter eines bestimmten Bereichs als zentraler Versorgungsbereich könne sowohl aus konkreten Planungen als auch aus den vorhandenen örtlichen Gegebenheiten ablesbar sein. So heißt es in der Amtlichen Begründung zum Regierungsentwurf des Europarechtanpassungsgesetzes Bau (BT-Drs 15/2250, S. 54) ausdrücklich:

"Zentrale Versorgungsbereiche ergeben sich insbesondere aus planerischen Festlegungen, namentlich aus Darstellungen und Festsetzungen in den Bauleitplänen oder aus Festlegungen in den Raumordnungsplänen; sie können sich aber auch aus sonstigen planungsrechtlich nicht verbindlichen raumordnerischen und städtebaulichen Konzeptionen ergeben, nicht zuletzt auch aus nachvollziehbar eindeutigen tatsächlichen Verhältnissen."

Dass dieser Sicht uneingeschränkt zu folgen ist - in diesem Sinne etwa: Söfker in Ernst/Zinkahn/ Bielenberg, Kommentar zum BauGB, Stand März 2006, RdNr. 85 zu § 34; Janning "Der Ausschluß des zentrenschädigenden Einzelhandels im unbeplanten Innenbereich", BauR 2005, 1723 (1725) - erscheint nicht von vornherein bedenkenfrei. Namentlich bedarf näherer Prüfung, ob § 34 Abs. 3 BauGB insbesondere mit Blick auf die im Anwendungsbereich von § 34 BauGB gegebene unmittelbar eigentumsgestaltende Wirkung auch solche erst noch zu entwickelnden zentralen Versorgungsbereiche schützen kann, deren Festlegung durch bloße informelle gemeindliche Planungen, etwa im Rahmen eines gemeindlichen Einzelhandelskonzeptes, erfolgt ist.

Kritisch etwa: Berkemann in "Erstkommentierungen zum BauGB 2004", 2005, RdNrn. 16 ff. zu § 34 BauGB; Rauber "Zur verfassungskonformen Anwendung von § 34 Abs. 3 BauGB in der Fassung des EAG Bau 2004", VR 2005, 379 (380); Reidt "Die Genehmigung von großflächigen Einzelhandelsvorhaben - die rechtliche Bedeutung des neuen § 34 Abs. 3 BauGB", UPR 2005, 241 (242); Uechtritz "Die Neuregelungen zur standortgerechten Steuerung des Einzelhandels", DVBl. 2006, 799 (803).

Einer abschließenden Erörterung der damit zusammenhängenden Fragen bedarf es im vorliegenden Fall jedoch nicht, weil hier bereits aus den unstreitig gegebenen tatsächlichen Verhältnissen abzuleiten ist, dass das strittige Vorhaben der Klägerin Auswirkungen auf einen "zentralen Versorgungsbereich" haben kann.

Nach den dem Senat vorliegenden Karten und sonstigen Unterlagen lässt sich ohne weiteres feststellen, dass jedenfalls in der Innenstadt von W. ein "zentraler Versorgungsbereich" vorhanden ist. Dieser gehört zur erstgenannten der drei angeführten Kategorien zentraler Versorgungsbereiche, denn er ist als Innenstadtzentrum mit einem größeren Einzugsbereich zu qualifizieren, in dem ein breites Spektrum von Waren für den lang-, mittel- und kurzfristigen Bedarf angeboten wird. (wird ausgeführt).

Wie dieser zentrale Versorgungsbereich räumlich abzugrenzen ist, beurteilt sich nach den konkreten örtlichen Gegebenheiten. Dass in dem Gutachten 1997 eine bestimmte räumliche Abgrenzung des "städtebaulich integrierten Versorgungszentrums" Innenstadt vorgeschlagen wurde, ist demgegenüber nicht maßgeblich. Zwar mögen planerische Festlegungen der Gemeinde, namentlich von den zuständigen Gremien beschlossene gemeindliche Einzelhandelskonzepte mit einer räumlich und funktional bestimmten Festlegung einzelner Zentren, geeignet sein, für die in der Gemeinde bei weiteren Planungen - etwa nach § 1 Abs. 6 Nr. 11 BauGB - zu berücksichtigenden zentralen Versorgungsbereiche ihre konkrete Funktion und exakte räumliche Abgrenzung festzulegen. Ein solches, auf den Vorschlägen des Gutachtens 1997 aufbauendes Einzelhandelskonzept der Stadt W. liegt jedoch - unabhängig von der hier nicht entscheidungserheblichen Frage, ob und inwieweit solchen Konzepten im Anwendungsbereich des § 34 Abs. 3 BauGB überhaupt rechtlich relevante Bedeutung zukommt - nicht vor.

Aus den hiernach maßgeblichen örtlichen Gegebenheiten ist die exakte räumliche Abgrenzung des zentralen Versorgungsbereichs der Innenstadt W. allerdings nicht in jeder Hinsicht eindeutig abzuleiten. Einer exakten Grenzziehung bedarf es im vorliegenden Verfahren jedoch nicht, weil das Baugrundstück in jedem Fall nicht mehr dem zentralen Versorgungsbereich der Innenstadt W. zuzuordnen ist, wie zwischen den Beteiligten nach der Erörterung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat auch außer Streit steht. (wird ausgeführt).

Schließlich sind auch die weiteren Voraussetzungen des § 34 Abs. 3 BauGB erfüllt, dass von dem Vorhaben der Klägerin "schädliche Auswirkungen" auf den vorgenannten zentralen Versorgungsbereich der Innenstadt W. "zu erwarten" sind.

Auch insoweit geht es nicht um die Ermittlung von Tatsachen, die ggf. einer Beweiserhebung durch Sachverständigengutachten zugänglich sind, sondern um die vom Gericht vorzunehmende rechtliche Beurteilung, ob ein bestimmter Sachverhalt die Merkmale der Rechtsbegriffe "schädliche Auswirkungen" und "zu erwarten" erfüllt. Der von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat gestellte Beweisantrag war daher auch zu diesem Punkt abzulehnen.

Mit dem Begriff "schädliche" Auswirkungen hat der Gesetzgeber eine Formulierung gewählt, die ihrem Wortlaut nach über bloße Auswirkungen hinausgeht. Diese Auswirkungen müssen, um "schädlich" sein zu können, auf den betreffenden Versorgungsbereich negativ einwirken. Dies ist namentlich dann der Fall, wenn sie seine Funktionsfähigkeit beachtlich beeinträchtigen.

In diesem Sinne auch: Söfker in Ernst/Zinkahn/ Bielenberg, Kommentar zum BauGB, Stand März 2006, RdNr. 86 zu § 34.

Bei der Frage, wo die Schwelle der im dargelegten Sinne beachtlichen Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit anzusetzen ist, kann die vom Gesetzgeber beabsichtigte Zielrichtung des § 34 Abs. 3 BauGB nicht unberücksichtigt bleiben. Dem Gesetzgeber kam es mit der Einfügung des neuen Absatzes 3 in § 34 BauGB maßgeblich darauf an, der höchstrichterlichen Rechtsprechung entgegenzuwirken, dass bei Zulassungsentscheidungen nach § 34 BauGB über die nähere Umgebung hinausgehende Fernwirkungen namentlich im Sinne von § 11 Abs. 3 Satz 2 BauNVO keine Bedeutung haben. Dabei soll die der Neuregelung zukommende Schutzfunktion für zentrale Versorgungsbereiche allerdings auch andere Vorhaben als großflächige Einzelhandelsbetriebe erfassen, sich mithin nicht auf den Anwendungsbereich des § 11 Abs. 3 BauNVO beschränken.

Vgl. hierzu im Einzelnen die Amtliche Begründung zum Regierungsentwurf des Europarechtanpassungsgesetzes Bau in BT-Drs. 15/2250, S. 54.

Damit ist die Zulassungsfähigkeit von Vorhaben, von denen schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche im Sinne von § 34 Abs. 3 BauGB zu erwarten sind, der Sache nach der Zielsetzung des § 11 Abs. 3 BauNVO jedenfalls angenähert, ohne dass jedoch das Regelungssystem des § 11 Abs. 3 BauNVO - namentlich die Vermutungsregel des Satzes 3 der genannten Vorschrift - uneingeschränkt übernommen wurde.

Vgl.: Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg, Kommentar zum BauGB, Stand März 2006, RdNr. 86b zu § 34; weitergehend hinsichtlich der Übertragbarkeit der Grundsätze des § 11 Abs. 3 BauNVO, namentlich der Vermutungsregel des Satzes 3, hingegen Janning, "Der Ausschluß des zentrenschädigenden Einzelhandels im unbeplanten Innenbereich", BauR 2005, 1723 (1725 ff.), sowie Reidt, "Die Genehmigung von großflächigen Einzelhandelsvorhaben - die rechtliche Bedeutung des neuen § 34 Abs. 3 BauGB", UPR 2005, 241 (246).

Entscheidend ist hiernach, dass nach § 34 Abs. 3 BauGB im nicht beplanten Innenbereich solche Vorhaben nicht zulassungsfähig sind, die wegen der von ihnen ausgehenden, über die nähere Umgebung im Sinne von § 34 BauGB hinausreichenden (Fern-)Wirkungen beachtliche Funktionsstörungen in bestimmten zentralen Versorgungsbereichen erwarten lassen. Dies trifft für den hier interessierenden Fall, dass es um Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche im Gebiet der Standortgemeinde des betreffenden Vorhabens geht, jedenfalls dann zu, wenn

- das Vorhaben außerhalb eines zentralen Versorgungsbereichs angesiedelt werden soll,

- sein Warenangebot gerade (auch) solche Sortimente umfasst, die zu den für die gegebene Versorgungsfunktion des betreffenden zentralen Versorgungsbereichs typischen Sortimenten gehören und

- das Vorhaben nach seiner konkreten Lage und Ausgestaltung erwarten lässt, dass die Funktionsfähigkeit des betroffenen zentralen Versorgungsbereichs insbesondere durch zu erwartende Kaufkraftabflüsse in beachtlichem Ausmaß beeinträchtigt und damit gestört wird.

Dabei kommt es hinsichtlich des letztgenannten Kriteriums der beachtlichen Funktionsstörung nicht maßgeblich auf die im vorliegenden Verfahren - in Anlehnung an die bisherige Diskussion in der einschlägigen Fachliteratur zu § 34 Abs. 3 BauGB - in den Vordergrund gestellten prognostizierten Umsatzumverteilungen an. Richtig ist, dass § 34 Abs. 3 BauGB mit dem Tatbestandsmerkmal "zu erwarten sein" auf eine prognostische Sicht abstellt.

In diesem Sinne auch: Söfker in Ernst/Zinkahn/ Bielenberg, Kommentar zum BauGB, Stand März 2006, RdNr. 86f zu § 34.

Die voraussichtlichen Umsatzumverteilungen als solche sind jedoch kein maßgebliches Kriterium für die mit dem Begriff "schädliche Auswirkungen" erfassten Funktionsstörungen. Auch bei § 34 Abs. 3 BauGB ist - nicht anders als sonst im Baurecht - primär auf baurechtlich relevante und vom Baurecht erfasste Vorhabensmerkmale abzustellen, die durch die für das Vorhaben zu erteilende Baugenehmigung auch gesteuert werden können. Hierzu gehört bei Einzelhandelsnutzungen neben dem Warenangebot insbesondere die Verkaufsfläche. Diese ist maßgebendes Kriterium für die Abgrenzung zwischen großflächigen und nicht großflächigen Einzelhandelsbetrieben.

Vgl. hierzu zuletzt: BVerwG, Urteil vom 24.11.2005 - 4 C 10.04 -, BauR 2006, 39 = NVwZ 2006, 452.

Auch die Vermutungsregel des § 11 Abs. 3 Sätze 3 und 4 BauNVO knüpft hinsichtlich der Frage des Vorliegens relevanter Fernwirkungen, auf Grund derer großflächige Einzelhandelsbetriebe nur in Kerngebieten oder für sie festgesetzten Sondergebieten zulässig sind, ihrem Wortlaut nach zwar an die Geschossfläche des Vorhabens, damit aber auch an die hierin enthaltene Verkaufsfläche an. Der Systematik dieser Vorschrift liegt nämlich die Annahme zugrunde, dass - jedenfalls nach den bei Festlegung der Vermutungsgrenze von 1.200 qm Geschossfläche maßgeblichen Erkenntnissen - eine solche Geschossfläche ungefähr einer Verkaufsfläche von 800 qm entsprach.

Vgl. hierzu: BVerwG, Beschluss vom 22.7.2004 - 4 B 29.04 -, BRS 67 Nr. 76.

Schließlich ist die Verkaufsfläche generell primärer Maßstab für die Beurteilung der städtebaulichen Wirkung von Einzelhandelsbetrieben. Diese werden vor allem durch die Größe der Verkaufsfläche bestimmt. Namentlich werden ihre Attraktivität und damit die in § 11 Abs. 3 BauNVO näher umschriebenen Auswirkungen nicht von der Größe der Anlage bestimmt, die sich in der Geschossfläche widerspiegelt, sondern - soweit es um das Merkmal der Fläche geht - eher von derjenigen Fläche beeinflusst, auf der Waren präsentiert und gekauft werden können.

Vgl. hierzu: BVerwG, Urteil vom 24.11.2005 - 4 C 10.04 -, BauR 2006, 639 = NVwZ 2006, 452.

Die konkret zu erwartenden Umsatzumverteilungen hängen demgegenüber von verschiedenen, baurechtlich nicht beeinflussbaren Faktoren der individuellen Betriebsgestaltung und ihrer Auswirkungen auf ein wiederum durch individuelle Besonderheiten anderer Betriebe geprägtes Marktgeschehen ab.

Schon die zu erwartenden Umsätze als solche lassen sich nur bedingt einigermaßen verlässlich greifen. Zwar lässt sich für viele Branchen nach allgemeiner Erfahrung durchaus feststellen, mit welchen ungefähren Größenordnungen des Umsatzes in der Regel je Quadratmeter Verkaufsfläche zu rechnen ist. Wie die Erörterung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat gezeigt hat, gibt es jedoch beachtliche Bandbreiten. So hat der Mitarbeiter der für die Klägerin tätig gewordenen Beratungsgesellschaft für die hier interessierende Branche des Elektrofachhandels ausdrücklich bestätigt, dass die "normale" Flächenproduktivität bei 4.500 bis 5.000 Euro je Quadratmeter Verkaufsfläche liegt. Andererseits werden am Markt auch Unternehmen tätig, die - wie das aktuell von der Klägerin zur Ansiedlung vorgesehene Unternehmen - eine deutlich höhere Flächenproduktivität von bis zu 7.000 Euro je Quadratmeter Verkaufsfläche erzielen. Zwar lässt sich dem bei einer prognostischen Betrachtung der zu erwartenden Umsätze und ihrer voraussichtlichen Umverteilungen dadurch Rechnung tragen, dass ggf. in einer "worst case"-Betrachtung von der Ansiedlung eines solchen besonders "leistungsfähigen" Betriebs ausgegangen wird. Ob dies gerechtfertigt ist, hängt jedoch von Faktoren ab, die bei der baurechtlichen Beurteilung der Zulassungsfähigkeit von Vorhaben rechtlich irrelevant sind. Eine Baugenehmigung wird nicht für einen konkreten Betreiber des Vorhabens erteilt, sondern für einen abstrakt umschriebenen Betrieb. Mit der Baugenehmigung kann nicht die betreiberabhängige Produktivität des jeweiligen Vorhabens gesteuert werden. Dementsprechend begehrt die Klägerin hier auch nicht eine Baugenehmigung für das Unternehmen, sondern für einen betreiberunabhängigen Elektrofachmarkt mit einem lediglich abstrakt umschriebenen Sortiment.

Noch deutlicher wird der Einfluss von baurechtlich nicht relevanten und auch nicht steuerbaren Kriterien, wenn es um die voraussichtlichen Umverteilungen von Umsätzen geht. Insoweit liegt auf der Hand, dass bei der im Einzugsbereich eines zentralen Versorgungsbereichs vorgesehenen Ansiedlung eines Unternehmens, das gerade in diesem Versorgungsbereich angebotene Waren vertreibt, regelmäßig mit dem Abzug von Kaufkraft aus eben diesem Versorgungsbereich zu rechnen ist. In der gegebenen wirtschaftlichen Situation in der Bundesrepublik Deutschland können neue Einzelhandelsbetriebe regelmäßig nur dann existieren, wenn sie von anderen bereits vorhandenen Betrieben Kunden und damit Kaufkraft abziehen. Die Kaufkraft ist - namentlich in Zeiten eines relativ geringen wirtschaftlichen Wachstums - nicht beliebig vermehrbar, auch wenn innerhalb der verschiedenen Sektoren des Einzelhandels selbstverständlich gewisse Verschiebungen des Umsatzes auftreten können, etwa wenn neue Produkte auf den Markt kommen, die in besonderem Maß nachgefragt werden. In welchem Ausmaß ein Unternehmen auf die bestehende Markt- und damit auch Versorgungssituation einwirkt, hängt wiederum von vielen Faktoren der individuellen Betriebsgestaltung ab. Hierzu gehören insbesondere die Preisgestaltung, die Attraktivität des Warenangebots und seiner Präsentation sowie das - mehr oder weniger aggressive - Werbeverhalten wie andere betriebsspezifische Faktoren mehr. Diese sind allesamt baurechtlich nicht relevant und damit kein geeignetes Kriterium für die bauplanungsrechtliche Beurteilung von Vorhaben.

Wie fragwürdig der gleichwohl unternommene Versuch ist, objektive Aussagen über voraussichtliche Umsatzumverteilungen zu machen, zeigt im Übrigen gerade die im vorliegenden Verfahren angestellte und in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat eingehend erörterte Untersuchung. (wird ausgeführt).

Ausgehend von der nach alledem primär maßgeblichen Anknüpfung an die konkrete Verkaufsfläche des jeweils in Rede stehenden Vorhabens ist für das hier näher zu betrachtende Kriterium, ob Funktionsstörungen zu erwarten sind, in erster Linie ausschlaggebend, welche Verkaufsfläche der jeweils in Rede stehende Betrieb im Vergleich zu der gesamten Verkaufsfläche derselben Branche in dem zentralen Versorgungsbereich hat, auf den er nach den bereits genannten Kriterien einwirkt. Auch wenn die Neuregelung des § 34 Abs. 3 BauGB - wie dargelegt - an § 11 Abs. 3 BauNVO angelehnt ist, lässt sich ein Anknüpfen an eine absolute Größe der Verkaufsfläche, wie es der Vermutungsregel des § 11 Abs. 3 Satz 3 BauNVO mit ihrem Anknüpfen an eine absolute Größe der Geschossfläche zugrunde liegt, nicht auf § 34 Abs. 3 BauGB übertragen. Denn die Erwartung beachtlicher Funktionsstörungen zentraler Versorgungsbereiche wird auch maßgeblich davon bestimmt wird, um welchen Typ von Versorgungsbereich mit welcher Größe und Versorgungsfunktion es sich handelt. Hiervon ausgehend ist jedenfalls für den hier in Rede stehenden Fall der Auswirkungen auf einen in der Realität bereits vorhandenen zentralen Versorgungsbereich maßgeblich an die relative Größe der Verkaufsfläche des Vorhabens im Vergleich zu der Verkaufsfläche abzustellen, die im beeinträchtigten Versorgungsbereich bereits vorhanden ist.

Insoweit lässt sich allerdings kein generell maßgeblicher Prozentsatz feststellen, bei dessen Unterschreiten stets von nicht schädlichen Auswirkungen auszugehen ist und dessen Überschreiten stets zur Folge hat, dass solche Auswirkungen zu verneinen sind. Welcher Prozentsatz im genannten Sinne beachtliche Funktionsstörungen erwarten lässt, hängt auch von verschiedenen weiteren objektiv feststellbaren Faktoren ab. Hierzu zählt namentlich der Abstand zwischen dem betrachteten Vorhaben und dem betroffenen zentralen Versorgungsbereich. Im Einzelfall kann auch die konkrete städtebauliche Situation des betreffenden Versorgungsbereichs von Belang sein, etwa wenn er wegen bereits bestehender Leerstände in besonderem Maß empfindlich ist gegenüber Kaufkraftabflüssen oder wenn der außerhalb des zentralen Versorgungsbereichs anzusiedelnde Einzelhandelsbetrieb gerade auf solche Sortimente abzielt, die im zentralen Versorgungsbereich von einem "Magnetbetrieb" angeboten werden, dessen unbeeinträchtigter Fortbestand maßgebliche Bedeutung für die weitere Funktionsfähigkeit eben dieses zentralen Versorgungsbereichs hat.

Gleichwohl ist in Anlehnung an das System des § 11 Abs. 3 BauNVO mit seiner in Satz 3 enthaltenen Vermutungsregel davon auszugehen, dass es einen bestimmten Prozentsatz des Anteils der branchenspezifischen Verkaufsfläche im vorhandenen Versorgungsbereich gibt, bei dessen Überschreiten im Sinne einer - widerlegbaren - Vermutung angenommen werden kann, dass das betreffende Vorhaben schädliche Auswirkungen erwarten lässt. Es wäre dann Sache des Vorhabenträgers, objektive baurechtlich relevante Aspekte anzuführen und ggf. nachzuweisen, die diese Vermutung widerlegen. Einer abschließenden Entscheidung, welche Größe dieser für die widerlegbare Vermutung maßgebliche Prozentsatz hat, bedarf es im vorliegenden Fall jedoch nicht, weil hier zur Überzeugung des Senats feststeht, dass solche Auswirkungen zu erwarten sind.

Angesichts dessen kann auch dahinstehen, wann "schädliche Auswirkungen" im Sinne von § 34 Abs. 3 BauGB bei negativen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in anderen Gemeinden zu erwarten sind, und ob "schädliche Auswirkungen" im Sinne von § 34 Abs. 3 BauGB auch in anderen Fallgestaltungen zu erwarten sind, etwa wenn es um die Zulassung anderer Nutzungen als Einzelhandelsbetriebe geht, die die Funktionsfähigkeit des zentralen Versorgungsbereichs beeinträchtigen können.

Zu Letzterem vgl.: Söfker in Ernst/Zinkahn/ Bielenberg, Kommentar zum BauGB, Stand März 2006, RdNr. 86e zu § 34.

Dass hier schädliche Auswirkungen zu erwarten sind, ergibt sich aus folgendem:

Das strittige Vorhaben soll, wie dargelegt, außerhalb des zentralen Versorgungsbereichs der Innenstadt W. errichtet werden. Sein von der Klägerin vorgesehenes Sortiment umfasst mit den Waren Elektrogroß- und -kleingeräte, Rundfunkgeräte, Hifi, Fernseher, Kameras, Tonträger, Videofilme und Computer gerade solche Warengruppen, die in diesem zentralen Versorgungsbereich der Innenstadt unstreitig in gewichtigem Umfang, nämlich von mehreren Einzelhandelsbetrieben mit insgesamt gut 3.000 qm Verkaufsfläche angeboten werden. Das Sortiment zielt damit gerade auf die Kundschaft ab, deren Versorgung der zentrale Versorgungsbereich der Innenstadt W. dient. Die vorgesehene neue Verkaufsfläche beträgt mit rd. 2.250 qm immerhin 75 % der im Versorgungsbereich bereits vorhandenen Gesamt-Verkaufsfläche des Bereichs Elektro / Foto von gut 3.000 qm. Diese gehören zu dem auch von dem Gutachter der Klägerin als "Magnetbetrieb" bezeichneten Unternehmen X. sowie zu zwei weiteren Elektrofachhandelsgeschäften mit jeweils rd. 400 qm Verkaufsfläche. Auch soll das Vorhaben mit einem angestrebten Umsatz von knapp 14 Mio. Euro immerhin rd. 60 % des im Versorgungsbereich bereits getätigten Umsatzes von rd. 23 Mio. Euro erzielen. Bei diesen Größenordnungen ist hier ohne weiteres davon ausgehen, dass die Auswirkungen auf den zentralen Versorgungsbereich der Innenstadt W. als beachtliche Funktionsstörungen und damit schädliche Auswirkungen im Sinne von § 34 Abs. 3 BauGB zu qualifizieren sind. Dies gilt umso mehr, als das Vorhaben zwar außerhalb des zentralen Versorgungsbereichs der Innenstadt W. angesiedelt werden soll, aber doch in einer so dichten Nähe zu ihm, dass es ersichtlich weitgehend auf eben die Kundschaft abzielt, deren Versorgung der zentrale Versorgungsbereich dient.

Der Annahme "schädlicher Auswirkungen" steht auch nicht etwa entgegen, dass der von der Klägerin vorgesehene Standort des strittigen Vorhabens seinerseits einem zentralen Versorgungsbereich der hier beeinträchtigten Kategorie im Gebiet der Stadt W. zuzuordnen wäre.

Zwar soll das strittige Vorhaben in einem Bereich errichtet werden, in dem bereits zwei großflächige Einzelhandelsbetriebe - Möbelmarkt sowie Bau- und Heimwerkermarkt mit Gartencenter - und zwei weitere kleinere, nicht großflächige Fachmärkte - Getränke, Tierfutter - vorhanden sind. Daraus folgt jedoch nicht, dass dieser Bereich gleichfalls als Innenstadtzentrum im dargelegten Sinne zu qualifizieren wäre. Hierfür fehlt es bereits an dem erforderlichen breiten Spektrum des Warenangebots für den lang-, mittel- und kurzfristigen Bedarf. Der Bereich ist ein klassischer Fachmarktbereich, der lediglich ein begrenztes Spektrum von Waren anbietet. Ihm fehlt damit die für ein Innenstadtzentrum im dargelegten Sinne gebotene weit umfassende, nicht nur sektorale Versorgungsfunktion. Dass die dort vorhandenen Betriebe wegen ihrer beachtlichen Größe auf einen weiten Einzugsbereich einwirken, ist demgegenüber unerheblich.

Sind nach alledem die Voraussetzungen des § 34 Abs. 3 BauGB zu bejahen, kann im vorliegenden Fall schließlich auch dahinstehen, wer das Vorliegen der nach dem bereits angesprochenen Willen des Gesetzgebers als "weitere Zulassungsvoraussetzung" normierten Voraussetzungen darzulegen und im Streitfall ggf. nachzuweisen hat.

Für eine Darlegungs- und Beweislast des Bauherren: Einführungserlass zum Europarechtanpassungsgesetz Bau vom 30.1.2005 (MBl. NRW. S. 342/SMBL. NRW. 2311); für eine Darlegungs- und Beweislast der Genehmigungsbehörde hingegen: Berkemann in "Erstkommentierungen zum BauGB 2004", 2005, RdNr. 28 zu § 34 BauGB; Uechtritz, "Die Neuregelungen zur standortgerechten Steuerung des Einzelhandels", DVBl. 2006, 799 (809); modifizierend: Gatawis, "Die Neuregelung des § 34 III Baugesetzbuch (BauGB)", NVwZ 2006, 272 (277); Janning, "Der Ausschluß des zentrenschädigenden Einzelhandels im unbeplanten Innenbereich", BauR 2005, 1723 (1728); Reidt, "Die Genehmigung von großflächigen Einzelhandelsvorhaben - die rechtliche Bedeutung des neuen § 34 Abs. 3 BauGB", UPR 2005, 241 (246).

Wie der nach alledem unbegründete Hauptantrag auf Erteilung einer Baugenehmigung ist auch der erste Hilfsantrag auf Erteilung eines planungsrechtlichen Bauvorbescheids nicht begründet, weil das zur Genehmigung gestellte Vorhaben aus den dargelegten Gründen jedenfalls wegen Verstoßes gegen § 34 Abs. 3 BauGB bauplanungsrechtlich unzulässig ist.

Die Berufung ist mit dem zweiten Hilfsantrag jedoch begründet. Die Klägerin hatte bis zum Inkrafttreten des Europarechtanpassungsgesetzes Bau am 20.7.2004 - mithin bis zum 19.7.2004 - einen Anspruch auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung.

Das strittige Vorhaben war bis zu diesem Zeitpunkt bauplanungsrechtlich zulässig. Es war wegen der von Anfang an gegebenen Ungültigkeit des Bebauungsplans Nr. 175 bauplanungsrechtlich nach § 34 BauGB zu beurteilen; die dem Vorhaben nunmehr entgegen gehaltene Veränderungssperre war seinerzeit noch nicht erlassen. Aus dem Vorstehenden folgt ferner, dass das Vorhaben sowohl bei einer Beurteilung nach § 34 Abs. 1 BauGB als auch bei einer - allerdings nicht ganz zweifelsfreien - Beurteilung nach § 34 Abs. 2 BauGB in Verbindung mit § 7 BauNVO bauplanungsrechtlich zulässig war. Einer Genehmigungserteilung bis zum 19.7.2004 standen auch keine bauordnungsrechtlichen Hinderungsgründe entgegen. (wird ausgeführt).

Ende der Entscheidung

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