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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 06.05.2005
Aktenzeichen: 7 B 2752/04
Rechtsgebiete: BauNVO, BauGB, 26. BImSchV


Vorschriften:

BauNVO § 3
BauNVO § 14 Abs. 1 Satz 2
BauNVO § 14 Abs. 2 Satz 2
BauGB § 31 Abs. 1
26. BImSchV
1. Zur Eigenschaft von Mobilfunkstationen (hier: Basisstation des UMTS-Netzes) als fernmeldetechnische Nebenanlagen im Sinne von § 14 Abs. 2 Satz 2 BauNVO.

2. Fernmeldetechnische Nebenanlagen können in allen Baugebieten - auch reinen Wohngebieten - als Ausnahme zugelassen werden.

3. Die Versagung einer Ausnahme kommt nur aus städtebaulichen Gründen in Betracht.


Tatbestand:

Die Antragsteller wandten sich gegen die Errichtung einer Basisstation für das UMTS-Netz auf der an ihr Wohnhaus angrenzenden Doppelhaushälfte. Das VG gab ihrem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz statt. Die Beschwerden der Antragsgegnerin und des beigeladenen Mobilfunkbetreibers hatten beim OVG Erfolg.

Gründe:

Die im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotene Interessenabwägung geht zu Lasten der Antragsteller aus. Zwar dürfte der der Beigeladenen erteilte Befreiungsbescheid, der allein Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist, rechtswidrig sein. Nachbarliche Abwehrrechte gegen die strittige Mobilfunkanlage können die Antragsteller nach der im vorliegenden Verfahren nur möglichen und gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage hieraus jedoch nicht herleiten.

Allerdings spricht alles dafür, dass das VG die strittige Mobilfunkanlage zu Recht als fernmeldetechnische Nebenanlage im Sinne von § 14 Abs. 2 Satz 2 BauNVO angesehen hat. Eine solche liegt vor, wenn die in Rede stehende Anlage bezogen auf das gesamte infrastrukturelle Versorgungsnetz eine untergeordnete Funktion hat, mithin von ihrer Funktion und Bedeutung her nicht so gewichtig ist, dass sie als eigenständig und damit Hauptnutzung anzusehen ist.

Vgl.: Nds. OVG, Beschluss vom 6.12.2004 - 1 ME 256/04 -, JURIS = ÖffBauR 2005, 34; Hess. VGH, Urteil vom 6.12.2004 - 9 UE 2582/03 -, ZfBR 2005, 278 (280); König/Roeser/Stock, BauNVO, 2. Aufl. 2003, § 14 RdNrn. 30/35.

Diese Voraussetzung dürfte bei der strittigen Anlage zu bejahen sein.

Es handelt sich bei der von der Beigeladenen bereits errichteten Anlage um eine sog. Basisstation (Node B) für das im Aufbau befindliche UMTS-Netz. In diesem Netz ist jede Basisstation der Kern einer Mobilfunkzelle, wobei innerhalb der Reichweite der Antenne der Basisstation Kontakt des Nutzers zum Mobilfunknetz besteht. Dabei sind alle Mobilfunknetze im Gegensatz zur Festnetztelefonie dadurch gekennzeichnet, dass durch die kabellose Verbindung zum nächstgelegenen Antennenstandort (der jeweiligen Basisstation) die Möglichkeit besteht, sich frei und ohne Unterbrechung der Verbindung bewegen zu können. Demgemäß müssen beim Verlassen einer Mobilfunkzelle die Verbindungen an die angrenzende Nachbarfunkzelle - für den Teilnehmer unbemerkt - übergeben werden (sog. "Handover"). Während in den bisherigen GSM-Netzen des Mobilfunks dies als "Hard-Handover" in der Form erfolgt, dass die eine Verbindung zur zunächst genutzten Basisstation getrennt und sodann die Verbindung zur nächsten Basisstation aktiviert, mithin "hart" umgeschaltet wird, ist das im Aufbau befindliche UMTS-Netz durch "Soft-Handover" gekennzeichnet. Der Nutzer steht mit den Netz zumeist nicht nur über eine Verbindung mit der nächstgelegenen Basisstation in Kontakt, sondern ist zudem gleichzeitig mit einer oder sogar zwei Nachbarzellen verbunden. Hierdurch soll auch in schwierigem Gelände oder in Städten eine gute Qualität der Verbindung und Erreichbarkeit garantiert und zugleich gesichert werden, dass bei plötzlichem Verlust des Kontaktes zu einer Basisstation die Verbindung weiter besteht. Bei mobilen Nutzern wird hiernach, schon lange bevor diese den Bereich der Zelle einer Basisstation verlassen, eine weitere Verbindung zu einer für sie qualitativ akzeptablen Nachbarzelle hergestellt und erst nach einiger Zeit und evtl. schon nach tiefem Vordringen in die Nachbarzelle die Verbindung zu der vorhergehenden Basisstation getrennt.

Vgl. zu alledem S. 22 ff. der vom Bayerischen Staatsministerium für Landesentwicklung und Umweltfragen im Juni 2003 herausgegebenen "Grundinformation zur neuen Mobilfunkgeneration UMTS", im Internet als PDF-Datei abrufbar unter www.stmugv.bayern.de/de/elektrosmog/umts.pdf.

Angesichts dieser Funktion der einzelnen Basisstationen im hier allein betrachteten UMTS-Netz, das sich hinsichtlich der Netzkonzeption - wie dargelegt - nur teilweise von anderen Mobilnetzen unterscheidet, spricht alles dafür, dass die jeweilige Basisstation jedenfalls als fernmeldetechnische Nebenanlage im Sinne von § 14 Abs. 2 Satz 2 BauNVO zu qualifizieren ist. Dies gilt jedenfalls dann, wenn - wie im vorliegenden Fall - die Basisstation nur die Antenne einer solchen Mobilfunkzelle bildet, die im Gesamtnetz als sog. Mikrozelle fungiert, von denen etliche tausend Zellen das UMTS-Netz bilden.

Zur Unterscheidung zwischen Makro-, Mikro- und Pikozellen des UMTS-Netzes vgl. S. 9 und zum Bedarf an UMTS-Basisstationen allein in Bayern vgl. S. 10 der bereits angesprochenen "Grundinformation zur neuen Mobilfunkgeneration UMTS".

Eine solche Funktion hat die strittige Basisstation mit einer Reichweite von wenigen hundert Metern bis zu ca. 2 Kilometern, wobei die Größe der von ihr gebildeten Mikrozelle nicht statisch festliegt, sondern jeweils von der aktuell gegenwärtigen Lastsituation abhängt.

Zu diesem Phänomen des sog. "Cell-Breathing" vgl. S. 25 der bereits angesprochenen "Grundinformation zur neuen Mobilfunkgeneration UMTS".

Insoweit ist eine einzelne Basisstation kein unverzichtbarer Bestandteil des Mobilfunknetzes. Zum einen hat sie ohne die anderen existierenden Basisstationen keine Funktion. Zum anderen bliebe das Mobilfunknetz als solches auch bei hinweggedachter einzelner Basisstationen funktionsfähig. Der einzelnen Basisstation kommt nur eine Hilfsfunktion zu, die der eines Telefonverteilerkastens einschließlich der von diesem zu den Nutzern führenden Leitungen entspricht.

Vgl. auch: Hess. VGH, Urteil vom 6.12.2004 - 9 UE 2582/03 -, a.a.O., unter Bezugnahme auf OVG Hamburg, Beschluss vom 8.12.2003 - 2 Bs 439/03 -, NordÖR 2004, 110 = JURIS.

Für fernmeldetechnische Nebenanlagen im Sinne von § 14 Abs. 2 Satz 2 BauNVO kommt es ferner nicht darauf an, dass sie wie Nebenanlagen im Sinne von § 14 Abs. 1 BauNVO - vgl. hierzu grundlegend: BVerwG, Urteil vom 28.4.2004 - 4 C 10.03 -, BauR 2004, 1567 = NVwZ 2004, 1244, sowie Urteil vom 28.4.2004 - 4 C 12.03 - JURIS - nicht nur in ihrer Funktion, sondern auch räumlich-gegenständlich dem primären Nutzungszweck der in dem Baugebiet gelegenen Grundstücke sowie der diesem Nutzungszweck entsprechenden Bebauung dienend zugeordnet und untergeordnet sind. § 14 Abs. 2 Satz 2 BauNVO fordert mit der Verweisung auf Satz 1 der genannten Vorschrift lediglich, dass die fernmeldetechnische Nebenanlage "der Versorgung der Baugebiete" dient, mithin - wie insbesondere aus dem Plural "Baugebiete" folgt - nicht allein des Gebiets, in dem sich die betreffende Nebenanlage befindet.

Vgl. König/Roeser/Stock, a.a.O., § 14 RdNr. 31; Bielenberg, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauNVO, Stand: November 1995, § 14 RdNr. 27.

Dass eine solche dienende Funktion hier vorliegt, unterliegt keinem Zweifel.

Ob sich im Einzelfall bei Mobilfunkstationen auch die Frage ihrer Qualifizierung als Nebenanlage im Sinne von § 14 Abs. 1 BauNVO stellen kann, bedarf im vorliegenden Fall keiner Erörterung.

Nicht unproblematisch erscheint, ob bei der Beurteilung einer konkreten Anlage als fernmeldetechnische Nebenanlage im Sinne von § 14 Abs. 2 Satz 2 BauNVO im Hinblick auf den Begriff "Neben"anlage zumindest darauf abzustellen ist, dass das betreffende Objekt den Hauptanlagen im Gebiet nicht gleichwertig erscheinen oder diese gar optisch verdrängen darf.

So: Hess. VGH, Urteil vom 6.12.2004 - 9 UE 2582/03 -, a.a.O., m.w.N.

Zwar hat der Verordnungsgeber bei der Ergänzung des § 14 Abs. 2 BauNVO durch die 4. Verordnung zur Änderung der Baunutzungsverordnung vom 23.1.1990 (BGBl. I S. 127) ausdrücklich nur Baukörper wie "Kabinen für Fernsehumsetzer und Breitbandverteilungsanlagen sowie kleinere eingeschossige Fernmeldegebäude" benannt.

Vgl. die amtliche Begründung zur Novellierung der BauNVO in BR-Drs. 354/89 S. 57.

Daraus lässt sich jedoch nicht ohne weiteres der Schluss ziehen, die Eigenschaft einer konkreten Anlage als "fernmeldetechnische" Nebenanlage hänge auch davon ab, welche Dimension diese Anlage im Verhältnis zu der in ihrer Umgebung konkret vorhandenen sonstigen baugebietskonformen Bebauung mit Hauptnutzungen hat. Diese Bebauung kann - je nach der individuellen Struktur des jeweiligen Baugebiets - auch dann, wenn es sich um ein reines oder allgemeines Wohngebiet handelt, mehr oder weniger unterschiedlich oder gar diffus sein, so dass häufig nicht feststellbar ist, welchen baulichen Anlagen die fernmeldetechnische Nebenanlage in angesprochenen Sinne "gleichwertig" sein muss. Demgegenüber spricht alles dafür, die Dimensionen der konkreten Anlage bei der Beurteilung, ob eine fernmeldetechnische Nebenanlage vorliegt, allenfalls dann in den Blick zu nehmen, wenn diese Anlage sich durch ein außergewöhnliches Erscheinungsbild auszeichnet. So kann es bedenklich erscheinen, ein Fernmeldedienstgebäude mit einer Sendefunkanlage, dessen Antennenanlage eine Höhe von 50 m erreicht, noch als fernmeldetechnische Nebenanlage im Sinne von § 14 Abs. 2 Satz 2 BauNVO anzusehen.

In diesem Sinne für ein Mischgebiet: BayVGH, Beschluss vom 8.7.1997 - 14 B 93.3102 -, BRS 59 Nr. 181.

Einer abschließenden Entscheidung dieser Frage bedarf es im vorliegenden Fall jedoch nicht, weil von einer solchen außergewöhnlichen Anlage hier keine Rede sein kann. Der insgesamt knapp 10 m hohe Mast der strittigen Anlage soll im Dachbereich der an das Wohnhaus der Antragsteller unmittelbar angrenzenden Doppelhaushälfte verankert werden, die - wie die andere Doppelhaushälfte der Antragsteller - eine Firsthöhe von ca. 8 m aufweist. Dabei soll der über die Dacheindeckung hinausreichende sichtbare Teil des Mastes eine Höhe von insgesamt 7,60 m haben. Im oberen Bereich des Mastes, an dem entlang Kabel zu dem im rückwärtigen Bereich des Grundstücks im Freien aufzustellenden Technikraum (Höhe ca. 2 m; Breite ca. 2,70 m; Tiefe deutlich unter 1 m) geführt werden, sollen drei D1-Antennen angebracht werden, die insgesamt einen 1,30 m hohen nahezu kreisförmigen Bereich mit einem Durchmesser von rd. 0,5 m bilden. Angesichts dieser Dimensionen besteht bei der hier nur möglichen summarischen Prüfung kein Zweifel, dass die strittige Anlage auch mit Blick auf die in der Umgebung tatsächlich vorhandenen Hauptnutzungen noch als "Neben"anlage erscheint. Ob sie als solche unter Berücksichtigung der genannten Dimensionen an ihrem konkreten Standort zulässig ist, ist im Nachfolgenden im Hinblick auf die Voraussetzungen für die Zulassung einer Ausnahme nach § 14 Abs. 2 Satz 2 BauNVO noch zu erörtern.

Spricht hiernach alles dafür, die strittige Anlage als eine fernmeldetechnische Nebenanlage im Sinne von § 14 Abs. 2 Satz 2 BauNVO anzusehen, ist für die vom Antragsgegner erteilte Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB allerdings kein Raum. Die Anlage liegt unstreitig in einem faktischen reinen Wohngebiet. Auch in einem solchen kann sie gemäß § 14 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Satz 1 BauNVO als Ausnahme gemäß § 31 Abs. 1 BauGB zugelassen werden. Mit der Aufnahme der fernmeldetechnischen Nebenanlagen in den Katalog der nach der genannten Vorschrift zulässigen Ausnahmen hat der Verordnungsgeber der BauNVO auch den Grundeigentümern in reinen Wohngebieten zugemutet, die Errichtung solcher Anlagen in ihrer Nachbarschaft ausnahmsweise hinzunehmen. Der besonderen Voraussetzungen für die Erteilung einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB - vgl. hierzu: BVerwG, Beschluss vom 5.3.1999 - 4 B 5.99 -, BRS 62 Nr. 99 - bedarf es für die materielle Zulässigkeit von fernmeldetechnischen Nebenanlagen hiernach nicht. Anderes mag dann gelten, wenn die konkrete Mobilfunkstation auf Grund ihrer speziellen Netzfunktion über die Bedeutung einer bloßen Nebenanlage hinausgeht, wofür im vorliegenden Fall - wie dargelegt - jedoch nichts ersichtlich ist.

Aus dem Umstand, dass die strittige Befreiung vom Antragsgegner zu Unrecht erteilt sein dürfte, folgt jedoch noch nicht, dass den Antragstellern bereits deswegen ein nachbarliches Abwehrrecht gegen die ersichtlich von einer Baugenehmigung freigestellte Mobilfunkstation - vgl. § 65 Abs. 1 Nr. 18 BauO NRW; diese Freistellung von "Sendeanlagen einschließlich der Masten mit einer Höhe bis zu 10,0 m" erfasst neben dem eigentlichen Antennenmast mit Leitungen auch den im Garten des Nachbargrundstücks der Antragsteller im Freien errichteten Technikraum als Bestandteil der Sendeanlage - zusteht. Ein solches scheidet regelmäßig aus, wenn die materielle Legalität der betreffenden Anlage ohne weiteres durch die - hier während des Beschwerdeverfahrens auch erfolgte - Erteilung der erforderlichen Ausnahme nach § 31 Abs. 1 BauGB ohne Verstoß gegen subjektive Rechte des betreffenden Nachbarn herbeigeführt werden kann. Dies ist im vorliegenden Verfahren bei der hier nur möglichen und gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage hinreichend wahrscheinlich. Es sind keine durchgreifenden Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die erforderliche Ausnahme nicht erteilt werden kann und der zwischenzeitlich erteilte Ausnahmebescheid vom 24.1.2005 deshalb rechtlichen Bedenken unterliegt.

Zutreffend weisen die Beschwerdeführer darauf hin, dass die Versagung einer gesetzlich vorgesehenen Ausnahme nach § 31 Abs. 1 BauGB, auch wenn ihre Erteilung im Ermessen der Behörde steht, nur aus städtebaulichen Gründen in Betracht kommt.

Vgl.: VGH Bad.-Württ., Urteil vom 19.11.2003 - 5 S 2726/02 -, BRS 66 Nr. 75; Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Stand: Februar 1999, § 31 RdNr. 26. Bauordnungsrechtliche Aspekte, namentlich der Gesichtspunkt einer verunstaltenden Wirkung im Sinne von § 12 Abs. 1 und 2 der hier einschlägigen BauO NRW, können die Versagung einer Ausnahme nach § 31 Abs. 1 BauGB mithin nicht rechtfertigen. Dementsprechend ist in der bereits angesprochen Amtlichen Begründung zur Novellierung der Baunutzungsverordnung durch Einfügung des neuen Satzes 2 in § 14 Abs. 2 BauNVO - vgl. BR-Drs. 354/89, S. 57 - ausdrücklich ausgeführt:

"Im Rahmen der Ermessensentscheidung finden - wie bei den übrigen Nebenanlagen nach § 14 Abs. 2 auch - die städtebaulichen Erfordernisse, wie z.B. die Einpassung in die Gebietsstruktur, Vermeidung einer Beeinträchtigung des Ortsbilds und der historischen Struktur, Berücksichtigung."

Des Weiteren bleibt für die Ausübung negativen Ermessens bei der Entscheidung über eine Ausnahme wenig Raum, wenn die Voraussetzungen für ihre Erteilung gegeben sind.

Zur vergleichbaren Situation bei Befreiungen nach § 31 Abs. 2 BauGB vgl.: BVerwG, Urteil vom 19.9.2002 - 4 C 13.01 -, BRS 65 Nr. 74 (S. 369).

Liegen konkret keine städtebaulichen Gründe für eine Versagung der Ausnahme vor, bei deren Prüfung auch die jeweilige spezielle örtliche Situation von Bedeutung ist, dürfte die Ausnahme daher regelmäßig zu erteilen sein.

Bei der Entscheidung über die Erteilung einer Ausnahme nach § 31 Abs. 1 BauGB können des Weiteren die auch die Bauaufsichtsbehörden bindenden normativen Vorgaben nicht vernachlässigt werden. Dazu gehören im hier interessierenden Bereich der Telekommunikation insbesondere die von der Beigeladenen zu Recht betonten verfassungsrechtlichen Vorgaben des Art. 87 f Abs. 1 GG. Hiernach gewährleistet der Bund nach Maßgabe eines zustimmungspflichtigen Bundesgesetzes im Bereich des Postwesens und der Telekommunikation "flächendeckend angemessene und ausreichende Dienstleistungen".

Zur Bedeutung dieser verfassungsrechtlichen Vorgabe im Rahmen der - im vorliegenden Verfahren allerdings nicht einschlägigen - Erteilung einer Befreiung vgl. auch: OVG Rh.-Pf., Urteil vom 7.8.2003 - 1 A 10196/03 -, JURIS = ZfBR 2004, 184 (nur Leitsatz).

Dies bedeutet, wie der Senat klarstellend anmerkt, allerdings nicht, dass den Betreibern der Mobilfunknetze damit gleichsam ein Freibrief erteilt worden ist, die konkrete Konzeption und Ausgestaltung ihres Netzes, die aufwändiger rechnergesteuerter Analysen und Simulationen bedarf, - vgl. hierzu S. 8 der bereits angesprochenen "Grundinformation zur neuen Mobilfunkgeneration UMTS" -, ausschließlich an einer Optimierung funktechnischer und betriebswirtschaftlicher Gesichtspunkte auszurichten. Dies gilt auch im Hinblick auf eine eventuelle Koordination bei der Ausgestaltung mehrerer unabhängig voneinander betriebener Netze unterschiedlicher Betreiber, namentlich wenn bei einer unkoordinierten (isolierten) Ausgestaltung der jeweiligen Netze in bestimmten Bereichen die Gefahr besteht, dass diese gleichsam mit einem "Antennenwald" überzogen werden. Die Netzbetreiber haben mithin nicht etwa generell einen Anspruch darauf, Netzelemente wie Basisstationen stets an den von ihnen individuell als zweckmäßig und - auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten - sinnvoll erscheinenden Standorten zu errichten. Eine Umdeutung der "Kann-Vorschrift" des § 31 Abs. 1 BauGB in eine "Muss-Vorschrift", wie die Beigeladene im Beschwerdeverfahren wohl vorträgt, ist auch verfassungsrechtlich nicht geboten.

Vgl.: Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, a.a.O.

Konkret können bei der Entscheidung über die Erteilung von Ausnahmen, wie noch anzusprechen ist, neben objektiv-rechtlichen städtebaulichen Aspekten auch Gesichtspunkte des Nachbarschutzes insbesondere im Rahmen des Gebots der Rücksichtnahme nach § 15 BauNVO - vgl. hierzu: BVerwG, Urteil vom 5.8.1983 - 4 C 96.79 -, BRS 40 Nr. 4, und Urteil vom 19.9.1986 - 4 C 8.84 -, BRS 46 Nr. 173 - nicht vernachlässigt werden.

Gemessen an diesen Maßstäben liegt hier bei summarischer Prüfung allerdings kein Anhalt dafür vor, dass der Beigeladenen für die strittige Anlage keine Ausnahme nach § 31 Abs. 1 BauGB erteilt werden könnte, der zwischenzeitlich ergangene Ausnahmebescheid vom 24.1.2005, der nicht unmittelbar Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist, mithin ersichtlich gleichfalls rechtswidrig wäre.

In städtebaulicher Hinsicht gilt auch für die Erteilung von Ausnahmen nach § 14 Abs. 2 Satz 2 BauNVO der generell für Ausnahmen geltende Grundsatz, dass Nutzungen, die nach der allgemeinen Wertentscheidung des Verordnungsgebers in bestimmten Baugebieten ausnahmsweise zugelassen werden können, konkret dann nicht zulässig sind, wenn sie den Gebietscharakter des betreffenden Baugebiets gefährden und damit gebietsunverträglich sind. Das ist insbesondere der Fall, wenn das Vorhaben - bezogen auf den Gebietscharakter des betreffenden Baugebiets - aufgrund seiner typischen Nutzungsweise störend wirkt. Dies trifft für Wohngebiete namentlich dann zu, wenn die betreffende Anlage "Unruhe" in das Gebiet bringt und regelhaft erhebliche Auswirkungen auf die im betreffenden Baugebiet erstrebte gebietsbezogene Wohnruhe hat.

Vgl. zur ausnahmsweisen Zulässigkeit von Anlagen für Verwaltungen in allgemeinen Wohngebieten: BVerwG, Urteil vom 21.3.2002 - 4 C 1.02 -, BRS 65 Nr. 63.

Hierfür liegt im vorliegenden Fall der Errichtung einer Basisstation des künftigen UMTS-Netzes in einem faktischen reinen Wohngebiet allerdings kein konkreter Anhalt vor.

Auch wenn eine Basisstation des Mobilfunknetzes einer regelmäßigen Wartung bedarf und in Störfällen von dem erforderlichen Personal für Reparaturarbeiten angefahren werden muss, können die damit verbundenen, "Unruhe" erzeugenden Fahrvorgänge und sonstigen Aktivitäten nicht als in einem reinen Wohngebiet "gebietsunverträglich" angesehen werden. Sie unterscheiden sich nicht grundlegend von dem, was auch bei einer Wohnnutzung gelegentlich an Wartungs- und Reparaturarbeiten an technischen Einrichtungen (z.B. Heizungsanlagen, Solaranlagen u.a.m.) anfällt. Störungen durch sonstige Immissionen scheiden - abgesehen von den gesondert noch anzusprechenden Immissionen durch Strahlungen - ersichtlich von vornherein aus. Schließlich können auch optische Auswirkungen durch die konkrete Gestaltung der Anlage nicht als Störung in dem hier in Rede stehenden Kontext gewertet werden. Dem Bauplanungsrecht unterfallen die optisch relevanten gestalterischen Wirkungen bestimmter baulicher Anlagen nur insoweit, als sie in Beziehung zu dem - nachfolgend noch anzusprechenden - städtebaulichen Kriterium des Ortsbilds im Sinne von § 1 Abs. 5 Satz 2 Nr. 4 (jetzt: § 1 Abs. 6 Nr. 5) bzw. § 34 Abs. 1 Satz 2 BauGB stehen.

Vgl.: OVG NRW, Beschluss vom 9.1.2004 - 7 B 2482/03 -, BauR 2004, 792 = NVwZ-RR 2004, 481.

Die von dem Vorhaben ausgehende Strahlenbelastung, die von den Antragstellern in den Vordergrund ihrer Einwände gegen das strittige Vorhaben gestellt wird, rechtfertigt es nicht, die Erteilung einer Ausnahme zu versagen. Insoweit entspricht es bundesweit gefestigter Rechtsprechung, dass bei Einhaltung der Grenzwerte der 26. BImSchV nicht davon ausgegangen werden kann, dass die menschliche Gesundheit - auch und gerade der in der Nachbarschaft von Mobilfunkanlagen Wohnenden - völlig unzureichend geschützt wäre.

Vgl.: BVerfG, Beschlüsse vom 28.2.2002 - 1 BvR 1676/01 -, BRS 65 Nr. 178, und vom 8.12.2004 - 1 BvR 1238/04 -, NVwZ-RR 2005, 227; ebenso: BGH, Urteil vom 13.2.2004 - V ZR 217/03 -, NVwZ 2004, 1019 = BauR 2005, 74, OVG NRW, Urteil vom 8.10.2003 - 7 A 1397/02 -, BRS 66 Nr. 92, und Beschluss vom 25.2.2003 - 10 B 2417/02 -, BRS 66 Nr. 89, u.a.m.

Der Vortrag der Antragsteller gibt keinen Anlass zu einer anderweitigen Wertung. Insoweit ist zu ihren Ausführungen, die Sicherheitsabstände lägen "unstreitig im Bereich des Wohngebäudes der Antragssteller", lediglich anzumerken, dass die nach der 26. BImSchV erforderlichen Sicherheitsabstände der strittigen Anlage nach der von der Beigeladenen vorgelegten Standortbescheinigung der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post sich weit oberhalb des Firstes des Doppelhauses befinden, dessen eine Hälfte im Eigentum der Antragsteller steht und auf dessen anderer Hälfte die strittige Anlage errichtet ist.

Im Hinblick auf das optische Erscheinungsbild der strittigen Anlage, das durch das dem Senat vorgelegte Lichtbildmaterial anschaulich verdeutlicht wird, mag durchaus die Wertung angezeigt sein, der im hier gegebenen Umfeld auffällig in Erscheinung tretende Antennenmast mit seiner sichtbaren Höhe von 7,60 m wirke mit Rücksicht auf die geringe Größe des zur Hälfte den Antragstellern gehörenden Doppelhauses mit seiner Firsthöhe von lediglich 8 m "deplaziert" und "überdimensioniert".

So zu einer vergleichbaren Fallkonstellation: Nds. OVG, Beschluss vom 6.12.2004 - 1 ME 256/04 -, a.a.O.

Unter den hier ausschließlich relevanten städtebaulichen Kriterien lässt sich aus diesen optischen Wirkungen der Anlage ein Grund für die Versagung einer Ausnahme nach Aktenlage jedoch gleichfalls nicht herleiten.

Soweit eine Beeinträchtigung des Ortsbilds in Betracht zu ziehen ist, kommt es nicht, wie etwa nach den bauordnungsrechtlichen Vorschriften, die sich auf die Gestaltung des jeweiligen Bauwerks beziehen, darauf an, dass das Bauwerk selbst nicht "unschön" sein und auch nicht seine Umgebung durch "Unschönheit" stören soll. Maßgeblich für eine unter dem in städtebaulicher Hinsicht bauplanungsrechtlich relevanten Kriterium der Ortsbildbeeinträchtigung ist vielmehr das Erscheinungsbild eines größeren Bereichs der Gemeinde und die Frage, ob das Vorhaben sich in diese weite Umgebung einpasst.

Vgl.: BVerwG, Urteil vom 11.5.2000 - 4 C 14.98 -, BRS 63 Nr. 105.

Bezogen hierauf ist nach Aktenlage - abgesehen davon, dass die Antragsteller aus einer eventuellen Beeinträchtigung des Ortsbilds ohnehin keine nachbarlichen Abwehrrechte herleiten könnten - nichts für eine relevante Beeinträchtigung erkennbar. Dabei ist zum einen zu berücksichtigen, dass die strittige Antennenanlage, mag sie bei isolierter Betrachtung im Kontext mit dem Doppelhaus, auf dem sie errichtet ist, auch deplatziert wirken, ersichtlich keinen hinreichend negativen Einfluss auf das in den Blick zu nehmende großräumige Erscheinungsbild des hier betroffenen Ortsteils hat. Des weiteren kann nicht vernachlässigt werden, dass auch in reinen Wohngebieten der hier in Rede stehenden Struktur technische Anlagen, die in der jeweiligen Dachlandschaft optisch auffällig in Erscheinung treten, zunehmend zum "Ausstattungsstandard" gehören. Hierzu zählen etwa (häufig auch mehrfach angebrachte) schüsselförmige Satellitenantennen für den Empfang von Rundfunk- und Fernsehprogrammen sowie die inzwischen auch auf älteren Bauten immer mehr angelegten großflächigen und dementsprechend auffällig in das Blickfeld tretenden Anlagen zur Nutzung von Solarenergie. Ob und unter welchen Voraussetzungen eine andere Wertung dann in Betracht kommt, wenn etwa durch den Aufbau mehrerer unabhängiger Mobilfunknetze oder eine sonstige Häufung von Sendeanlagen die bereits angesprochene Gefahr des Entstehens eines "Antennenwalds" besteht, bedarf aus Anlass des vorliegenden Verfahrens keiner weiteren Erörterung.

Die Versagung einer Ausnahme kommt hier ersichtlich auch nicht deshalb in Betracht, weil durch die ausnahmsweise Zulassung der strittigen Anlage der Gebietscharakter des hier betroffenen faktischen reinen Wohngebiets verfälscht würde, indem das Regel-Ausnahme-Verhältnis in eine Schieflage gebracht würde.

Vgl.: Roeser, in: Berliner Kommentar zum BauGB, 3. Aufl., Stand: Juli 2004, RdNr. 7 zu § 31; Reidt, in: Gelzer/Bracher/Reidt, Bauplanungsrecht, 7. Aufl. 2004, RdNrn. 1262 und 1698.

Von einer Massierung von Mobilfunkmasten und vergleichbaren Sendeanlagen, die als gewerbliche Nutzungen das hier betroffene Wohngebiet deutlich (mit) prägen, kann keine Rede sein. Ebenso wenig hat die hier strittige Anlage ein so prägendes städtebauliches Gewicht, dass sie im dargelegten Sinne den Gebietscharakter des faktischen reinen Wohngebiets verfälschen würde.

Schließlich ist auch sonst nichts dafür erkennbar, dass die strittige Anlage unter städtebaulich relevanten Aspekten den Antragstellern gegenüber rücksichtslos sein könnte. Dies gilt namentlich auch für den Aspekt einer erdrückenden Wirkung. Zwar ist anerkannt, dass im Einzelfall bauliche Anlagen, selbst wenn sie - wie die strittige Anlage - die bauordnungsrechtlichen Abstandvorschriften nicht verletzen, rücksichtslos sein und deshalb bauplanungsrechtlich begründete Abwehrrechte auslösen können.

Vgl. etwa zu einem 18 m hohen ausfahrbaren Stahlgittermast mit Antenne eines Funkamateurs, der praktisch "über den Köpfen" der sich unmittelbar daneben aufhaltenden Nachbarn errichtet worden ist: OVG NRW, Urteil vom 27.7.2000 - 7 A 3558/96 -, BRS 63 Nr. 148.

Für eine solche Fallgestaltung ist hier angesichts des Umstands, dass die strittige Anlage auf dem Dach der dem Wohnhaus der Antragsteller benachbarten Doppelhaushälfte errichtet und deutlich vom freien Aufenthaltsbereich des Grundstücks der Antragsteller abgerückt ist, jedoch nichts ersichtlich.

Spricht hiernach alles dafür, dass die strittige Anlage als fernmeldetechnische Nebenanlage im Sinne von § 14 Abs. 2 Satz 2 BauNVO durch die - zwischenzeitlich auch erfolgte - Erteilung einer Ausnahme ohne Verletzung von Rechten der Antragsteller legalisiert werden kann, besteht kein Anlass, die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen den ersichtlich zu Unrecht erteilten Befreiungsbescheid des Antragsgegners anzuordnen. Bei dieser Sachlage ist auch kein Raum für die von den Antragstellern im Beschwerdeverfahren erstmals begehrte Anordnung von Maßnahmen zur Sicherung ihrer Rechte.

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