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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 17.05.2002
Aktenzeichen: 7 B 665/02
Rechtsgebiete: VwGO, BauGB


Vorschriften:

VwGO § 146 Abs. 4 Satz 3
VwGO § 146 Abs. 4 Satz 1
VwGO § 146 Abs. 4 Satz 6
BauGB § 35 Abs. 1 Nr. 1
BauGB § 35 Abs. 3 Nr. 3
Ist in die Prognose, ob der Betrieb einer Windenergieanlage unzumutbare Lärmimmissionen erwarten lässt, ein unzureichender Sicherheitszuschlag für Prognoseunsicherheiten und Serienstreuung eingestellt, führt dies allein dann (noch) nicht zum Erfolg des Nachbarwiderspruchs, wenn durch geeignete Auflagen zur Baugenehmigung (hier: Bestimmung einer Obergrenze für den immissionsrelevanten Schallleistungspegel der Windenergieanlage) für den Nachbarn unzumutbare Lärmimmissionen ausgeschlossen werden können.

Der Betrieb einer Windenergieanlage ist gegenüber einem landwirtschaftlichen Pferdezuchtbetrieb nicht bereits dann rücksichtslos, wenn Reaktionen der gehaltenen Pferde auf Immissionen der Windenergieanlage nicht ausgeschlossen werden können.


Gründe:

Aus den mit dem Schriftsatz vom 22.4.2002 dargelegten Gründen, auf deren Prüfung die Entscheidung des Senats gemäß § 146 Abs. 4 Sätze 1 und 6 VwGO beschränkt ist, ergibt sich nicht, dass die den Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 7.2.2001 zur Errichtung einer Windenergieanlage (Nordex N 43/600 kW) den Antragsteller schützende Vorschriften des - hier nur in Rede stehenden - Bauplanungsrechts verletzt.

Der Antragsteller behauptet, es entspräche seit Jahren der Rechtsprechung der Bausenate des OVG NRW, die Genehmigung für eine Windenergieanlage dürfe nur erteilt werden, wenn drei Prüfberichte der zu genehmigenden Windenergieanlage, ein Prognosegutachten eines unabhängigen Sachverständigen und Darlegungen zu den "Aufschlägen" erfolgt seien, soweit sie berücksichtigt seien oder nicht. Der Antragsteller irrt über die Anforderungen an die Genehmigung einer Windenergieanlage, die mit Rücksicht auf nachbarliche Abwehrrechte zu prüfen sind. Ob der Betrieb einer Windenergieanlage unzumutbare Lärmimmissionen erwarten lässt, kann auf den Nachbarwiderspruch nur nach Maßgabe des Einzelfalls beurteilt werden. Entscheidend ist nicht die Zahl vorliegender Referenzmessungen, sondern die Wahrscheinlichkeit des Ausmaßes der zu erwartenden Lärmbelastung des Nachbarn. Der Nachbar ist nicht schon dann in eigenen Rechten betroffen, wenn die Lärmimmissionen einer Windenergieanlage beispielsweise nur auf Grundlage eines Prüfberichts (statt der vom Antragsteller für erforderlich gehaltenen drei Prüfberichte) prognostiziert worden sind, der maßgebende Immissionsort jedoch derart weit von der Windenergieanlage entfernt ist, dass dort eine unzumutbare Lärmbelastung nicht zu befürchten ist, vgl. aus der jüngsten Rechtsprechung etwa OVG NRW, Beschluss vom 19.2.2002 - 7 B 109/02 - (auf einer Referenzmessung einer typgleichen Anlage beruhende konkrete Schallimmissionsprognose), oder die Einhaltung der hinzunehmenden Lärmbelastung jedenfalls durch geeignete Auflagen sichergestellt werden kann.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19.2.2002 - 7 B 109/02 -; Beschluss vom 26.4.2002 - 10 B 43/02 -.

Der Antragsteller führt weiter aus, "die Investoren (bekämen) trotz nicht eingehaltener Voraussetzungen hinsichtlich des immissionsrechtlichen Verfahrens Genehmigungen mit dem ... Hinweis, der prognostizierte Wert ... sei nachträglich zu messen und im Übrigen seien bei einer Messung im Rahmen der Überprüfung der Baugenehmigungsvoraussetzungen gemäß TA-Lärm sowieso 3 dB abzuziehen ... Das sei nicht der Fall." Der Antragsteller verweist auf eine Entscheidung des BVerwG (wohl das Urteil vom 16.5.2001 - 7 C 16.00 -, NVwZ 2001, 1167). Weshalb es auf die vom Antragsteller aufgeworfene Frage für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der von ihm angefochtenen Baugenehmigung vom 7.2.2001 ankommen sollte, legt der Antragsteller jedoch nicht dar. Insbesondere bestimmt die Auflage BA 003 der Baugenehmigung (mit der der Beigeladenen spätestens bei der Bauzustandsbesichtigung der Nachweis auferlegt ist, dass der festgelegte immissionsrelevante Schallleistungspegel eingehalten wird) nicht, es sei ein Messabschlag von 3 dB (A) bei der geforderten Messung (alternativ den geforderten schalltechnischen Gutachten) zugunsten des Anlagenbetreibers zu berücksichtigen.

Der Antragsteller meint, zum von einem Gutachter ermittelten Schallleistungspegel von 103,6 dB (A) seien verschiedene Zuschläge zu addieren. "Üblich" seien Zuschläge von 2 dB (A) für Serienstreuung zuzüglich eines Zuschlags für Messunsicherheit bzw. Prognoseunsicherheit, der "erfahrungsgemäß" bei 0,2 bis 2 dB (A) liege. Selbst wenn mit dem schalltechnischen Bericht des Gutachters. von einem Zuschlag für Prognoseunsicherheit von 1,7 dB (A) ausgegangen werde, ergebe sich mit einem Zuschlag von insgesamt 3,7 dB (A) eine Überschreitung der zulässigen Lärm-immissionswerte von höchstens 45 dB (A). Die Behauptung des Antragstellers, für Prognoseunsicherheiten und Serienstreuung seien der Schallprognose üblicherweise bzw. erfahrungsgemäß 3,7 dB (A) zuzurechnen, ist jedoch nicht gesichert.

Vgl. etwa die Bewertung in dem der Entscheidung des OVG NRW vom 26.4.2002 - 10 B 43/02 - zugrunde liegenden Sachverhalt; dort wurde ein Sicherheitszuschlag von insgesamt 2,5 dB (A) vom Gutachter berücksichtigt (Seite 8 des Beschlussabdrucks).

Hierauf kommt es jedoch nicht einmal an. Durch die Auflage BA 003 zur Baugenehmigung ist der immissionsrelevante Schallleistungspegel der Windenergieanlage auf 103,6 dB (A) begrenzt. Es ergeben sich aus dem Beschwerdevorbringen keine Anhaltspunkte für die Annahme, dieser Schallleistungspegel könne nicht eingehalten werden. Dessen ungeachtet haben in die Prognose eingestellte Sicherheitszuschläge im Übrigen die Bedeutung, das Risiko gewisser nicht zu vermeidender Abweichungen der jeweiligen Windenergieanlage von der Referenzanlage (und ihrer Vermessung) zu erfassen. Aufgrund der Auflage BA 003 zur Baugenehmigung liegt das Risiko, dass die tatsächlich errichtete Windenergieanlage den erwarteten Schallleistungspegel nicht einhält, letztlich bei den Beigeladenen, ohne dass sich hieraus für den Antragsteller ein Nachteil ergeben würde. Darüber hinaus ist für das Wohnhaus des Antragstellers ein Lärmpegel von 41,4 dB (A) prognostiziert worden, der um 3,6 dB (A) unter dem vom Antragsteller hinzunehmenden Beurteilungspegel und damit deutlich auf der sicheren Seite liegt.

Der Antragsteller behauptet schließlich, Lärm- und Schattenwurf der Windenergieanlage würden seinen Pferdezuchtbetrieb erheblich beeinträchtigen, weshalb die Baugenehmigung zu seinem Nachteil rechtswidrig sei. Nach der im Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nur möglichen summarischen Prüfung vermag der Senat auf Grundlage des Vortrags des Antragstellers und des aktenkundigen Sachverhalts derartige Beeinträchtigungen des Pferdezuchtbetriebs des Antragstellers nicht zu erkennen, die die Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung vom 7.2.2001 begründen könnten.

Der Senat legt seiner Entscheidung einen Pferdezuchtbetrieb zugrunde, der vom Antragsteller wie folgt beschrieben wird: Er führe einen als landwirtschaftlichen Betrieb gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB privilegierten Pferdezuchtbetrieb. Die Zucht stütze sich auf sog. englische Vollblüter, die sensibelste Vollblutrasse. Pro Mutterstute ermittele sich ein Flächenbedarf von 1 ha. Der Betrieb erstrecke sich auf 120 ha Weidefläche. Davon stünden ca. 10 ha im Eigentum des Gestüts, alle anderen Flächen seien langfristig angepachtet. Von den 120 ha Weideland befänden sich 10 ha (davon 2 ha Eigenland) in unmittelbarer Umgebung der Windenergieanlage. 30 ha der Weideflächen seien etwa 600 m, der Rest ca. 1.000 m von der Windenergieanlage entfernt. Die der Windenergieanlage nahe liegenden 10 ha Weideflächen hätten zu ihr einen Abstand von 50 m bis maximal 500 m. Sie seien von besonderer Bedeutung für das Gestüt, denn sie grenzten an den Isolier- und Abfohlstall für Auslandsstuten, der vor vier Jahren als Teil eines Bauernhofs angekauft worden sei. Außerhalb der Decksaison umfasse der Pferdebestand ca. 120 Pferde (eigene Mutterstuten, Deckhengste, Jährlinge, sonstige Nachzucht).Während der sich von Januar bis Juni erstreckenden Decksaison würden rund 200 Pferde (davon ca. 120 Mutterstuten) auf dem Gestüt gehalten. Der während der Decksaison erhöhte Pferdebestand ergebe sich aus Stuten, die zur Bedeckung zum Gestüt gebracht würden. Gerade Stuten aus dem Ausland (Irland, England und Italien) würden bis zum Abfohlen in dem genannten Stall gehalten und danach zum ca. 500 m entfernten Hauptgestüt verbracht. Diese Stuten würden zumeist in den Monaten Dezember bis Februar angeliefert und im Spätsommer oder Herbst wieder abgeholt. Ein wesentlicher Teil der Einnahmen des Gestüts bestehe aus dem Entgelt für die Unterbringung der Gaststuten. In letzter Zeit seien immer mehr Stuten zum Hof gekommen, die von dem internationalen Spitzenhengst B. gedeckt werden sollten. Es würde einen enormen wirtschaftlichen Schaden bedeuten, wenn das Gestüt nicht vor allem die rund 80 auswärtigen Stuten zur Bedeckung durch den Hengst B. aufnehmen könne.

Auch unter Berücksichtigung dieser Gegebenheiten ergibt sich gegenüber dem genehmigten Vorhaben kein nachbarlicher Abwehranspruch. Allerdings kann einem im bauplanungsrechtlichen Außenbereich gelegenen privilegierten landwirtschaftlichen Betrieb im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB ein Abwehranspruch gegen ein anderes Vorhaben zustehen. Auch kann ein auf hinreichender eigener Futtergrundlage geführter Pferdezuchtbetrieb ein landwirtschaftlicher Betrieb sein.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 19.4.1985 - 4 C 13.82 -, BRS 44 Nr. 79; Urteil vom 10.5.1985 - 4 C 9.84 -, BRS 44 Nr. 81.

Von einem solchen landwirtschaftlichen Betrieb des Antragstellers geht der Senat für das vorliegende Verfahren auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes zugunsten des Antragstellers auf Grundlage seiner oben mitgeteilten Angaben einmal aus, obwohl sich aus dem Begriff des landwirtschaftlichen Betriebs das Kriterium ergibt, dass dem Landwirt für die Ertragserzielung erforderliche Flächen auf Dauer zur Verfügung stehen müssen und diese Voraussetzung angesichts des vom Antragsteller vorgetragenen Umstands, nur 1/12 der benötigten Betriebsflächen stünden in seinem Eigentum, nicht von vornherein offensichtlich gegeben ist.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 3.2.1989 - 4 B 14.89 -,BRS 49 Nr. 92; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 7.11.1994 - 8 S 976/94 -, AgrarR 1995, 383 = NuR 1995, 355.

Einem im bauplanungsrechtlichen Außenbereich privilegierten Vorhaben steht ein baurechtlicher Abwehranspruch jedoch nur nach Maßgabe des in § 35 Abs. 3 Nr. 3 BauGB enthaltenen Rücksichtnahmegebots zu.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 28.7.1999 - 4 B 38.99 -, NVwZ 2000, 552 = BRS 62 Nr. 189.

Das Vorhaben des Beigeladenen ist dem Betrieb des Antragstellers gegenüber auf Grundlage des mit der Beschwerde dargelegten und des aktenkundigen Sachverhalts nicht rücksichtslos.

Welche Anforderungen an das nachbarschützende Gebot der Rücksichtnahme zu stellen sind, beurteilt sich nach Maßgabe der jeweiligen Umstände des Einzelfalls. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung derer ist, denen die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zugute kommt, um so mehr kann an Rücksichtnahme verlangt werden. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, um so weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Bei diesem Ansatz kommt es für die sachgerechte Beurteilung des Einzelfalls wesentlich auf eine Abwägung zwischen dem an, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmepflichtigen nach Lage der Dinge zuzumuten ist. Dabei muss allerdings demjenigen, der sein eigenes Grundstück in einer sonst zulässigen Weise baulich nutzen will, insofern ein Vorrang zugestanden werden, als er berechtigte Interessen nicht deshalb zurückzustellen braucht, um gleichwertige fremde Interessen zu schonen. Bei der Bemessung dessen, was dem durch ein Vorhaben Belästigten zugemutet werden kann, bietet sich eine Anlehnung an die Begriffsbestimmungen des Bundes-immissionsschutzgesetzes an. Dieses Gesetz verlangt von dem Betreiber emittierender Anlagen, mögen diese Anlagen immissionsschutzrechtlich genehmigungspflichtig sein oder nicht, dass vermeidbare schädliche Umwelteinwirkungen unterbleiben.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 25.2.1977 - IV C 22.75 -, BRS 32 Nr. 155.

Aus den mit der Beschwerde dargelegten Umständen ergeben sich bereits keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass der Betrieb der Windenergieanlage zu dem Antragsteller nicht zumutbaren Umwelteinwirkungen führen würde.

Der Antragsteller behauptet, "der Gutachter ... (sei) zu dem eindeutigen Schluss der Unvereinbarkeit der Windanlage mit dem Betrieb gekommen.". Ein Gutachten ist jedoch nicht eingeholt worden. Aus den vom Antragsteller vorgelegten Unterlagen ergibt sich der von ihm gezogene Schluss durchaus nicht "eindeutig". Der Senat geht zugunsten des Antragstellers einmal davon aus, dass den Darlegungsanforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO dadurch genügt ist, dass der Antragsteller auf eingeholte "Gutachten" verweist und damit die erstinstanzlich vorgelegten Unterlagen in Bezug nimmt. Auch aus diesen Unterlagen ergibt sich durchaus nicht, die genehmigte Windenergieanlage werde zu dem Antragsteller nicht zumutbaren Beeinträchtigungen des Pferdezuchtbetriebs führen.

Der Antragsteller hat eine tierärztliche Stellungnahme ohne Datum des Prof. K., Klinik für Pferde, Tierärztliche Hochschule Hannover, vorgelegt. Der Stellungnahme ist nicht zu entnehmen, ihr lägen Untersuchungen über die Reaktionen von Pferden auf Immissionen von Windenergieanlagen zugrunde. Darüber hinaus ist die Stellungnahme zu pauschal, um unzumutbare Beeinträchtigungen des Pferdezuchtbetriebs des Antragstellers zu belegen. Prof. K. beschreibt in seiner Stellungnahme zunächst das Gestüt des Antragstellers, dann das Vollblutpferd als äußerst sensibel und leicht erregbar. Er führt aus, Pferde würden "besonders sensibel auf optische und akustische Reize (reagieren), die sich in unmittelbarer oder weiterer Umgebung zeigen.". Er führt jedoch schon nicht aus, wann der Reiz noch einer "unmittelbaren oder weiteren Umgebung" zuzurechnen ist, um eine Pferdereaktion als mit betrieblichen Zwecken nicht mehr vereinbar ansehen zu können. Er sagt ferner nicht aus, wie stark der Reiz sein muss, um eine entsprechende Reaktion auszulösen. Er meint, es sei auszuschließen, "dass die sensiblen Tiere ausreichend Zeit zur Verfügung (hätten), um sich an die entsprechenden Reize gewöhnen zu können", "da die Licht- und Schattenreflexe beim Betrieb von Windkraftanlagen unregelmäßig" vorkämen. Diese Aussage ist weder in Bezug gesetzt zur Intensität der angenommenen Licht- und Schattenreflexe noch zur Frage präzisiert, wie lange eine "ausreichende" Zeitspanne sein muss, damit sich die Pferde an die Immissionen der Windenergieanlage gewöhnen können. Eine Gewöhnung ist nach Angaben von Prof. K. nicht möglich, "bedingt durch das erforderliche Umbesetzen der einzelnen Koppeln durch immer wieder neue Herdenzusammenstellungen". Ob gerade die Koppeln immer wieder umbesetzt werden müssten, wo Licht- und Schattenreflexe der Rotorblätter kritische Pferdereaktionen auslösen könnten, ist nicht gewürdigt. Schließlich vertritt Prof. K. die Ansicht, "aus tierschützerischen Aspekten ... (müsse) von einem Pferdezuchtbetrieb in der Nähe von Windkraftanlagen" abgesehen werden. Welche "Nähe" zur Windenergieanlage er als hinderlich ansieht, geht aus seiner Stellungnahme nicht hervor.

Die tierärztliche Stellungnahme von Prof. K. vom 13.3.2002 legt einen Bericht des Betriebs des Antragstellers zugrunde. Danach ist jeweils am 19.1. und am 20.1.2002 eine Jährlingsherde ausgebrochen. Auf Grundlage dieses Sachverhalts besteht nach Ansicht von Prof. K. eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen sich im Tagesverlauf mit zunehmender Windstärke schneller drehenden Rotoren und dem Ausbruch der Pferdeherde. Ein solcher Ursachenzusammenhang mag bestanden haben. Er führt jedoch nicht zugleich zur Annahme, der Betrieb der Windenergieanlage sei mit der Pferdezucht nicht vereinbar. Vielmehr kommt es ferner auf die Frage an, ob und mit welchen Mitteln dem Herdenausbruch in dem Antragsteller zumutbarer Weise hätte begegnet werden können. Für diese Frage ist wiederum von Belang, ob die Pferdereaktionen abhängig sind von der absoluten Umdrehungszahl der Windenergieanlage, vom Lärmpegel, von der Intensität tatsächlicher Licht- oder Schattenreflexe. Zu alledem verhält sich Prof. K. in seiner Stellungnahme nicht.

Von einem "Gutachten", das etwa den von Prof. Dr. H., ebenfalls von der Tierärztlichen Hochschule Hannover, Institut für Tierhygiene, Tierschutz und Nutztierethologie, in seiner Stellungnahme vom 4.1.2002 genannten Anforderungen entsprechen würde, kann nach alledem keine Rede sein.

Der Antragsteller hat sich ferner auf eine Presseerklärung mehrerer bekannter Reiter sowie einen hieran anknüpfenden Bericht in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 27.11.2001 bezogen. Erkenntnisse, die über die von Prof. K. mitgeteilten hinausgehen würden, sind der Presseerklärung ebenso wenig zu entnehmen wie den mit Schriftsatz vom 17.3.2002 überreichten "sehr kritischen Berichten in Pferdesport 4/2002".

Aber selbst wenn von den Ausführungen von Prof. K. zugunsten des Antragstellers einmal ausgegangen würde, könnte nach alledem von rücksichtslosen Auswirkungen der Windenergieanlage auf den Betrieb des Antragstellers allenfalls dann ausgegangen werden, wenn der Betrieb gerade auf die Nutzung der Weideflächen nahe der Windenergieanlage durch Pferde angewiesen wäre, die sich an die Immissionen der Windenergieanlage nicht gewöhnen können. Dies will wohl Prof. K. mit seiner Stellungnahme vom 13.3.2002 behaupten. Er weist auf den regelmäßig erforderlichen Umtrieb der Pferdegruppen auf andere Pferdekoppeln (zur Sicherung der Grasnarbe und aus hygienischen Gründen) hin. Auf eine "programmierte Weidehaltung der Pferde" könne das Gestüt nicht verzichten. Die Risiken einzuschränken, fordere z.B. den Verzicht auf Weidehaltung, was einer Selbstaufgabe des Unternehmens gleichkomme. Dieser Schluss ist auf Grundlage der von Prof. K. mitgeteilten Erkenntnisse nicht nachvollziehbar. Selbst der Antragsteller leitet die existentielle Bedeutung der Flächen nicht aus der benötigten Flächengröße als solcher ab, sondern vielmehr aus der Zuordnung der Flächen zu dem Stall, in dem ausländische Stuten untergebracht werden. Für die Annahme, dass der Betrieb eine Mindestgröße von 120 ha haben müsste, also die Betriebsflächen insgesamt benötigt würden, um auch die 80 ausländischen Stuten zu versorgen, besteht keinerlei Anhalt. Auch ist nicht erkennbar, dass die Betriebsflächen im problematischen Einzugsbereich der Windenergieanlage nicht mit solchen Pferdegruppen belegt werden könnten, die Gelegenheit haben, sich an die dortigen Gegebenheiten zu gewöhnen. Eine mögliche Gewöhnung von Pferden an Immissionen von Windkraftanlagen ist auf Grundlage aller aktenkundigen Stellungnahmen durchaus nicht unwahrscheinlich. Der Antragsteller bezieht sich schließlich noch auf den nahe der Windenergieanlage stehenden Abfohlstall. Der Antragsteller verfügt über weitere Stallgebäude. Weshalb er nicht solche Pferde, die auf Dauer im Gestüt gehalten werden und sich an die Immissionen der Windenergieanlage gewöhnen können, im Abfohlstall, die ausländischen Stuten aber in einem Stall am Hauptgestüt unterbringen könnte, geht aus dem Antrag nicht hervor.

Der Antragsteller behauptet mit der Beschwerde schließlich einen dramatischen Umsatzrückgang. Der wesentliche Umsatz werde durch den international anerkannten Deckhengst sichergestellt. Da es sich um die teuersten Rennpferde handele, würden die Eigentümer "selbstverständlich das höchste Maß an Sicherheit an den Tag (legen). Jede Unsicherheit - und mag sie noch so theoretisch sein" - könne zum Entzug eines Kundenverhältnisses führen. Dem Antragsteller mag zuzugeben sein, dass seine Kunden bereits auf theoretische Unsicherheiten hinsichtlich des Einflusses der Windenergieanlage auf den Pferdezuchtbetrieb reagieren. Hierauf kann der Antragsteller jedoch keinen bauplanungsrechtlichen Abwehranspruch stützen, denn dieser würde zumindest tatsächlich relevante und nicht zumutbare Immissionen der Windenergieanlage voraussetzen. Nicht ausreichend sind bloße Befürchtungen der Pferdehalter hinsichtlich des Wohlbefindens der Pferde, die den Immissionen einer Windenergieanlage ausgesetzt sind.

Bei dieser Ausgangslage liegt auf Grund der im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nur zu prüfenden Aspekte kein hinreichender Anhalt für die Annahme vor, es sei rücksichtslos, wenn die Beigeladene ihre Interessen an der Verwirklichung eines Vorhabens, das ebenfalls im Außenbereich privilegiert zulässig ist (vgl. § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB), nicht zugunsten des Antragstellers zurückstellt. Dass Windkraftanlagen auch anderen Orts errichtet werden können, ist für den Erfolg des Nachbarwiderspruchs ohne Belang.

Ende der Entscheidung

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