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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 25.03.2009
Aktenzeichen: 7 D 129/07.NE
Rechtsgebiete: BauGB


Vorschriften:

BauGB § 9 Abs. 2
BauGB § 214 Abs. 1 Nr. 2
1. Rügepflichtige Mängel unterliegen vor Ablauf der Rügefrist uneingeschränkt der gerichtlichen Kontrolle.

2. Die Abwägung, ob in einem Wohngebiet Lärm zumutbar ist, der die Orientierungswerte der DIN 18005 von 10 dB(A) und mehr überschreitet, ist fehlerhaft, wenn als lärmmindernd solche Baukörper berücksichtigt werden, deren tatsächliche Errichtung nicht sichergestellt ist.

3. Im Rahmen der planerischen Abwägung darf die Gemeinde davon ausgehen, dass im Außenbereich gelegenen Wohnhäusern, die nicht dem landwirtschaftsbezogenen Wohnen dienen, ein über den gemäß GIRL 2008 bestimmten Immissionswert von 0,25 hinausgehendes Maß an landwirtschaftstypischen Gerüchen regelmäßig nicht zuzumuten ist.


Tatbestand:

Der Antragsteller ist Inhaber eines landwirtschaftlichen Betriebes. Er wandte sich mit dem vorliegenden Normenkontrollantrag gegen einen Bebauungsplan. Der landwirtschaftliche Betrieb befindet sich rd. 170 m westlich des Plangebiets. Der Bebauungsplan setzt im Wesentlichen allgemeine Wohngebiete fest. Der Rat der Antragsgegnerin beschloss den Bebauungsplan am 29.10.2007 erstmals sowie am 16.2.2009 erneut als Satzung. Der Normenkontrollantrag hatte Erfolg.

Gründe:

Der Antrag ist begründet. Der angegriffene Bebauungsplan leidet sowohl in formeller als auch in materieller Hinsicht unter Mängeln, die zu seiner Ungültigkeit führen, so dass er gemäß § 47 Abs. 5 Satz 2 VwGO für unwirksam zu erklären ist.

Der angegriffene Bebauungsplan ist bereits in formeller Hinsicht zu beanstanden.

Der Rat der Antragsgegnerin hat in seiner Sitzung vom 16.2.2009 u. a. Änderungen der textlichen Festsetzungen zu Nr. 6.3 des ursprünglichen Bebauungsplans beschlossen. Er hat - in der unzutreffenden Annahme, es handele sich nur um "Konkretisierungen" - entgegen § 4a Abs. 3 Satz 1 BauGB jedoch davon abgesehen, einen Entwurf der Änderungsfassung einer erneuten Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung zu unterziehen, und hat die Änderungsfassung sogleich als Satzung beschlossen.

Die wesentliche Bedeutung des - dem erneuten Satzungsbeschluss vom 16.2. 2009 vorausgehenden - ergänzenden Verfahrens im Sinne des § 214 Abs. 4 BauGB besteht darin, dass in diesem nicht alle Sachfragen neu behandelt werden müssen. Das ergänzende Verfahren kann sich inhaltlich auf die punktuelle Nachbesserung einer ansonsten fehlerfreien Planung beschränken. Nur diese punktuelle Nachbesserung ist Gegenstand des ergänzenden Verfahrens. Im Übrigen wirken der ursprüngliche Satzungsbeschluss und das ursprüngliche Verfahren grundsätzlich weiter.

Vgl. zu § 215 a BauGB BVerwG, Beschl. vom 20.5.2003 - 4 BN 57.02 -, BRS 66 Nr. 221; OVG NRW, Urt. vom 3.7.2007 - 7 D 66/06.NE -.

An dieser für die frühere Regelung des § 215 a BauGB maßgeblichen Rechtslage hat sich durch die Neuregelungen des Europarechtsanpassungsgesetzes Bau (EAG Bau) - Streichung des § 215 a BauGB und Einführung der Möglichkeit zur rückwirkenden Inkraftsetzung des Bebauungsplans bei einer Fehlerbehebung im ergänzenden Verfahren in § 214 Abs. 4 BauGB - nichts geändert. Anhaltspunkte dafür, dass der Begriff des ergänzenden Verfahrens nunmehr anders zu verstehen wäre als in § 215 a Abs. 1 Satz 1 BauGB 1998 sind nicht ersichtlich.

Vgl. BVerwG, Beschl. vom 14.11.2005 - 4 BN 51.05 -, BRS 69 Nr. 60; OVG NRW, Urt. vom 3.7.2007 - 7 D 66/06.NE -.

Das von der Antragsgegnerin durchgeführte ergänzende Verfahren ist jedenfalls mangels erneuter Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung zu beanstanden. Durch die teilweise Neufassung von Nr. 6.3 der textlichen Festsetzungen haben die normativen Festsetzungen des Bebauungsplans andere Regelungsgehalte bekommen. (wird ausgeführt)

Der vorstehende Vergleich der jeweils unter Nr. 6.3 getroffenen textlichen Festsetzungen belegt, dass die Ursprungsfassung des Bebauungsplans mit der am 16.2.2009 vom Rat der Antragsgegnerin beschlossenen Neufassung inhaltlich geändert und nicht lediglich konkretisiert worden ist, so dass gemäß § 4a Abs. 3 Satz 1 BauGB eine erneute Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung hätte erfolgen müssen.

Die Verletzung dieser Verfahrensvorschrift ist für die Rechtswirksamkeit des strittigen Bebauungsplans beachtlich (vgl. § 214 Abs. 1 Nr. 2 BauGB). Der durch das Bau- und Raumordnungsgesetz vom 18.8.1997 (BGBl. I S. 2081) neu gefasste Wortlaut "unbeachtlich werden" stellt klar, dass rügepflichtige Mängel vor Ablauf der Rügefrist - wie hier - uneingeschränkt der gerichtlichen Kontrolle unterliegen, mithin nicht nur dann beachtlich sind, wenn sie tatsächlich gerügt wurden.

Vgl. BT-Drucks. 13/7589, S. 30; Lemmel, in: Berliner Kommentar zum BauGB, Stand: Dez. 2008, § 215 Rdnr. 23; Battis, in: Battis/Krautzber-ger/Löhr, BauGB, 10. Aufl. 2007, § 215 Rdnr. 7; Stock, in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand: März 2007, § 215 Rdnr. 48.

In materieller Hinsicht ist der strittige Bebauungsplan mangelhaft, weil er mit Blick auf die Belange des Lärmimmissionsschutzes nicht den Anforderungen des Abwägungsgebots nach § 1 Abs. 7 BauGB genügt.

Nach dieser Vorschrift sind bei der Aufstellung von Bebauungsplänen die öffentlichen und privaten Belange gegen- und untereinander gerecht abzuwägen. Das so normierte Abwägungsgebot ist verletzt, wenn eine sachgerechte Abwägung überhaupt nicht stattfindet, wenn in die Abwägung an Belangen nicht eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss, wenn die Bedeutung der betroffenen Belange verkannt oder wenn der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten Belangen in einer Weise vorgenommen wird, die zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht. Innerhalb des so gezogenen Rahmens ist dem Abwägungserfordernis jedoch genügt, wenn sich die zur Planung berufene Gemeinde im Widerstreit verschiedener Belange für die Bevorzugung des einen und damit notwendigerweise für die Zurückstellung des anderen Belangs entscheidet.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 12.12.1969 - IV C 105.66 -, BVerwGE 34, 301.

Diese Anforderungen sind in § 2 Abs. 3 BauGB nunmehr dahin konkretisiert, dass bei der Aufstellung der Bauleitpläne zunächst die Belange, die für die Abwägung von Bedeutung sind (Abwägungsmaterial), zu ermitteln und zu bewerten sind. Diesen Anforderungen wird die Planungsentscheidung der Antragsgegnerin im Hinblick auf die Belange des Lärmimmissionsschutzes nicht gerecht. Der Antragsgegnerin sind bei der Bewertung dieser Belange Fehler unterlaufen, die auch im Sinne von § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB beachtlich sind. Im Einzelnen ist hierzu anzumerken:

Die Antragsgegnerin hat zutreffend erkannt, dass die Wohnbebauung im Plangebiet Lärmimmissionen ausgesetzt sein wird, die insbesondere durch den Kfz-Verkehr auf dem südlich an das Plangebiet angrenzenden M-Weg (K 13) sowie durch den Betrieb des östlich des Plangebiets gelegenen Feuerwehrgerätehauses verursacht werden, so dass sich die Frage stellte, ob zur Wahrung der Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse (vgl. § 1 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 BauGB) der hier betroffene Bereich überhaupt als ein Wohngebiet ausgewiesen werden konnte. Sie hat das unter dem 24.3.2006 erstellte schalltechnische Gutachten sowie die dieses ergänzende Stellungnahme vom 15.1.09 berücksichtigt und ihrer Planungsentscheidung zugrunde gelegt.

Dem schalltechnischen Gutachten ist zu entnehmen, wie sich die Lärmsituation bei freier Schallausbreitung im Plangebiet darstellt. Nr. 1.1 b) des Beiblattes 1 der - hier anzuwendenden - DIN 18005-1 "Schallschutz im Städtebau" sieht für allgemeine Wohngebiete Beurteilungspegel von 55 dB(A) tags und 45 dB(A) nachts vor. Diese Orientierungswerte werden im Plangebiet tagsüber und auch nachts überschritten. Nach dem schalltechnischen Gutachten vom 24.3.2006 wird der Orientierungswert der DIN 18005 tagsüber auf einem ca. 15 m breiten Streifen der überbaubaren Fläche entlang der K 13 um bis zu 9 dB(A) und auf dem nachfolgenden ca. 27 m breiten Streifen um bis zu 4 dB(A) überschritten. Nach dem schalltechnischen Gutachten wird der Orientierungswert der DIN 18005 nachts auf einem ca. 8 m breiten Streifen der überbaubaren Fläche entlang der K 13 um bis zu 12 dB(A) und auf dem nachfolgenden ca. 21 m breiten Streifen um bis zu 9 dB(A) überschritten. In der ergänzenden Stellungnahme vom 15.1.2009 findet die Abschirmungswirkung von Gebäuden im Plangebiet Berücksichtigung. Dort wird ausgeführt, dass durch die jeweiligen Gebäudekörper eine Abschirmung gewährleistet werde, so dass auf den von der K 13 abgewandten Seiten der Gebäudekörper geringere Lärmpegel - als in den Anlagen 3, Blatt 1 und 3, Blatt 2 des schalltechnischen Gutachtens dargestellt - gegeben seien. Bei der Annahme einer Einzelhausbebauung mit den Abmessungen 10 m x 10 m x 9 m würden aufgrund der Eigen-Abschirmung der Gebäude die Orientierungswerte der DIN 18005 auf den von der K 13 abgewandten Gebäudeseiten eingehalten. Durch die Gebäudeabschirmung würden auch auf den Flächen zwischen den Gebäuden etwa ab der 3. Baureihe die Pegel um ca. 5 dB(A) gegenüber der Lärmsituation bei freier Schallausbreitung gemindert.

Welche Lärmbelastung einem Wohngebiet unterhalb der Grenze zu Gesundheitsgefahren zugemutet werden darf, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls; die Orientierungswerte der DIN 18005-1 "Schallschutz im Städtebau" können zur Bestimmung der zumutbaren Lärmbelastung eines Wohngebiets im Rahmen einer gerechten Abwägung lediglich als Orientierungshilfe herangezogen werden. Je weiter die Orientierungswerte der DIN 18005 überschritten werden, desto gewichtiger müssen allerdings die für die Planung sprechenden städtebaulichen Gründe sein und umso mehr hat die Gemeinde die baulichen und technischen Möglichkeiten auszuschöpfen, die ihr zu Gebote stehen, um diese Auswirkungen zu verhindern. Dass bei der Ausweisung neuer Baugebiete in einem bislang praktisch unbebauten Bereich die Grenzen gerechter Abwägung in der Regel überschritten sind, wenn Wohnnutzung auch am Rand des Gebiets zugelassen wird, obwohl dort die Orientierungswerte um 10 dB(A) und mehr überschritten werden, folgt daraus nicht. Jedenfalls wenn im Innern der Gebäude durch die Anordnung der Räume und die Verwendung schallschützender Außenbauteile angemessener Lärmschutz gewährleistet wird, kann es im Ergebnis mit dem Gebot gerechter Abwägung vereinbar sein, Wohngebäude an der lärmzugewandten Seite des Gebiets auch deutlich über den Orientierungswerten liegenden Außenpegeln auszusetzen. Eine derartige planerische Konzeption wird in der DIN 18005 selbst als Möglichkeit näher dargestellt (vgl. Nr. 5.5 und 5.6) und kann daher als Teil guter fachlicher Praxis angesehen werden. Dies zeigt zu-gleich, dass ein derartiges Planungsergebnis nicht von vornherein unter Hinweis auf die eine planende Gemeinde ohnehin rechtlich nicht bindende DIN 18005 als rechtlich unzulässig eingestuft werden kann. Vielmehr können für eine derartige Lösung im Einzelfall gewichtige städtebauliche Belange sprechen. Insbesondere kann in die Abwägung eingestellt werden, dass durch eine geschlossene Riegelbebauung die rückwärtigen Flächen derselben Grundstücke und gegebenenfalls weitere Grundstücke wirksam abgeschirmt werden. Allerdings ist bei derartigen Festsetzungen zugleich in besonderer Weise darauf zu achten, dass auf der straßenabgewandten Seite der Grundstücke geeignete Außenwohnbereiche geschaffen werden können.

Vgl. BVerwG, Urt. vom 22.3.2007 - 4 CN 2.06 -, BRS 71 Nr. 5.

Der angegriffene Bebauungsplan gibt nur für einen 8 m breiten Streifen der überbaubaren Fläche entlang der K 13 passive Schallschutzmaßnahmen vor (vgl. Nr. 6.3. der textlichen Festsetzungen). Die Antragsgegnerin hat auch insoweit die Abschirmungswirkung der Wohngebäude entlang der K 13 in ihre Abwägung (vgl. S. 17 der Planbegründung) eingestellt. Ein solches Vorgehen ist bereits deshalb zu beanstanden, weil es an einer wirksamen Sicherstellung der Schallschutzwirkung der - noch nicht vorhandenen - Wohngebäude an der K 13 fehlt. Die Antragsgegnerin hat die Zulässigkeit der weiteren - rückwärtigen - Wohnbebauung im Plangebiet nicht etwa auf der Grundlage des § 9 Abs. 2 BauGB an die Bedingung geknüpft oder auf andere Weise sichergestellt, dass zumindest gleichzeitig die Gebäude entlang der K 13 errichtet werden, denen die vorausgesetzte lärmabschirmende Wirkung zukommt. Die durch den angegriffenen Bebauungsplan allein geschaffene Möglichkeit, dass auch entlang der K 13 Gebäude errichtet werden, vermag eine Sicherstellung von Schallschutz nicht zu bewirken.

Hieran anknüpfend ist weiter zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin sich nicht abwägend mit der Frage befasst hat, ob sie die Möglichkeit der Vorgabe passiver Schallschutzmaßnahmen weiter ausschöpft, indem sie diese nicht - wie in dem angegriffenen Bebauungsplan - auf den 8 m breiten Streifen der überbaubaren Fläche entlang der K 13 beschränkt, sondern an diesen nördlich angrenzende Bereiche einbezieht, um die Lärmauswirkungen auch dort (weiter) zu reduzieren.

Ergänzend sei angemerkt, dass auch hinsichtlich der Außenwohnbereiche nicht ohne Weiteres festzustellen ist, dass deren Schutzwürdigkeit von der Antragsgegnerin in der gebotenen Weise berücksichtigt worden ist. Zu den Außenwohnbereichen zählen die außerhalb von Wohngebäuden vorhandenen Flächen, sofern sie nicht bloß der Verschönerung des Grundstücks dienen, sondern in Ergänzung der Gebäudenutzung für ein Wohnen im Freien geeignet und bestimmt sind. Zu diesen Flächen gehören Gärten, Terrassen, Balkone und in ähnlicher Weise nutzbare sonstige Außenanlagen. Mit Blick darauf, dass Außenwohnbereiche nur tagsüber schutzwürdig sind, da sie nachts nicht dem dauernden Aufenthalt von Menschen zu dienen pflegen, vgl. BVerwG, Urt. vom 16.3.2006 - 4 A 1075/04 -, juris, Rdnr. 362, und vom 9.11.2006 - 4 A 2001/06 -, juris, begegnet es zwar keinen Bedenken, dass die Antragsgegnerin den Schutz der Außenwohnbereiche während der Nachtzeit nicht in den Blick genommen hat. Soweit die Antragsgegnerin allerdings hinsichtlich der Außenwohnbereiche der unmittelbar nördlich an die K 13 gelegenen Wohngebäude darauf verweist, dass "es bei entsprechender Anordnung der Gebäude unmittelbar nördlich der K 13 in dem jeweils nördlichen Grundstücksbereich auch möglich" sei, "einen relativ lärmgeschützten Außenwohnbereich zu schaffen, da die Gebäude zu einer erheblichen Abschirmung der vom M-Weg ausgehenden Verkehrsgeräusche" führten, scheint sie jedenfalls nicht hinreichend in Rechnung zu stellen, dass nach der ergänzenden Stellungnahme vom 15.1.2009 erst "etwa ab der 3. Baureihe (...) durch die Gebäudeabschirmung auch auf den Flächen zwischen den Gebäuden mit freiem Blick zum 'M-Weg' die Pegel um ca. 5 dB(A) gegenüber der Lärm-Situation bei freier Schallausbreitung gemindert werden". Unklar ist überdies, ob auf der straßenabgewandten Seite der dortigen Baugrundstücke überhaupt geeignete Außenwohnbereiche geschaffen werden können.

Nach alledem ist die Bewertung der Belange des Lärmimmissionsschutzes mit einem Mangel behaftet, der auch im Sinne von § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB beachtlich ist. Hiernach sind Mängel bei der Ermittlung und Bewertung der Belange nur dann beachtlich, wenn die Belange in wesentlichen Punkten nicht zutreffend ermittelt und bewertet worden sind; zudem muss der Mangel offensichtlich und auf das Ergebnis des Verfahrens von Einfluss gewesen sein. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

Der vorbeschriebene Mangel bezieht sich auf einen wesentlichen Punkt. Die Berücksichtigung des Schutzes vor Lärmimmissionen konnte hier - wie dargelegt - im Rahmen der Abwägung nicht vernachlässigt werden. Der Mangel ist auch offensichtlich. Er ergibt sich ohne Weiteres bereits aus der Planbegründung und dem ihr zu Grunde liegenden schalltechnischen Gutachten vom 24.3.2006 sowie der dieses ergänzenden Stellungnahme vom 15.1.2009.

Auf das Ergebnis von Einfluss gewesen ist ein Mangel bei der Ermittlung und Bewertung der Belange allerdings nur dann, wenn die konkrete Möglichkeit besteht, dass der Plangeber ohne den Fehler eine andere Planungsentscheidung getroffen hätte.

Vgl. BVerwG, Urt. vom 18.11.2004 - 4 CN 11.03 -, BRS 67 Nr. 218, m.w.N..

Auch das ist hier zu bejahen. Es besteht nach den Umständen des Falles die konkrete Möglichkeit, dass der Rat der Antragsgegnerin, wenn er sich darüber Klarheit verschafft hätte, dass es an einer wirksamen Sicherstellung der Schallschutzwirkung der - noch nicht vorhandenen - Wohngebäude entlang an der K 13 fehlt, die nach dem angegriffenen Bebauungsplan festgesetzte Flächen für besondere Anlagen und Vorkehrungen zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 24 BauGB in nördliche Richtung erweitert und passive Schallschutzmaßnahmen für weitere Bereiche der allgemeinen Wohngebiete "WA2" vorgegeben hätte.

Angesichts der dargelegten Mängel kommt es nicht mehr entscheidungserheblich darauf an, ob der strittige Bebauungsplan an weiteren - ebenfalls insgesamt zu seiner Unwirksamkeit führenden - Mängeln leidet. Im Interesse der Beteiligten weist der Senat u.a. mit Blick auf die im Verfahren von den Beteiligten angesprochenen Fragen dennoch vorsorglich auf Folgendes hin:

Es ist fraglich, ob der strittige Bebauungsplan auch mit Blick auf die Geruchsbelastung die Anforderungen des Abwägungsgebots nach § 1 Abs. 7 BauGB wahrt.

Bezüglich der Geruchsimmissionsproblematik waren in die Abwägung hier insbesondere das Interesse des Antragstellers, seinen landwirtschaftlichen Betrieb im Rahmen des bestehenden und von der Antragsgegnerin auch nicht in Abrede gestellten Bestandsschutzes weiterhin nutzen zu können, einzustellen. Zu den abwägungserheblichen Belangen gehört zudem das Interesse des Antragstellers, seinen landwirtschaftlichen Betrieb um einen weiteren Schweinemaststall zu erweitern. Das Bedürfnis nach einer künftigen Betriebsausweitung eines bestehenden landwirtschaftlichen Betriebes im Rahmen normaler Betriebsentwicklung ist durchaus abwägungsbeachtlich, allerdings nicht eine lediglich unklare oder unverbindliche Absichtserklärung.

Vgl. BVerwG, Beschl. vom 5.9.2000 - 4 B 56.00 -, BRS 63 Nr. 107.

Von unklaren Absichten des Antragstellers kann aus den Gründen, die der Senat bereits in dem im Verfahren 7 D 4/07.NE ergangenen Urteil vom 26.4.2007 näher ausgeführt hat, keine Rede sein. (wird ausgeführt)

Zum notwendigen Abwägungsmaterial gehört vorliegend wegen des auf der Hand liegenden Nutzungskonflikts zwischen dem landwirtschaftlichen Betrieb des Antragstellers und den landwirtschaftlichen Betrieben S und N einerseits und der geplanten Wohnbebauung andererseits eine hinreichend aussagekräftige Geruchsimmissionsprognose.

Die B-GmbH, die unter dem 18.10.2006 ein Gutachten sowie unter dem 29.05. 2007 und unter dem 13.9.2007 dieses ergänzende bzw. aktualisierende Stellungnahmen abgegeben hat, hat die Geruchsbelastung auf der Grundlage der Feststellung und Beurteilung von Geruchsimmissionen (Geruchsimmissions-Richtlinie - GIRL) in der Fassung vom 21.9.2004 (GIRL 2004) ermittelt und bewertet. Zwischenzeitlich ist die GIRL 2004 durch die Geruchsimmissions-Richtlinie in der Fassung vom 29.2.2008 und der Ergänzung vom 10.9.2008 (GIRL 2008) ersetzt worden, so dass die Antragsgegnerin nunmehr gehalten sein dürfte, die Immissionssituation anhand einer Untersuchung der Geruchsbelastung zu bewerten, die auf der Grundlage der GIRL 2008 erstellt worden ist. Bedeutsam dürfte insoweit insbesondere sein, dass die GIRL 2008 nach tierartspezifischen Geruchshäufigkeiten differenziert und die von Mastschweinen und Sauen ausgehende Geruchsqualität mit einem Faktor von 0,75 gewichtet (vgl. Nr. 4.6 der GIRL 2008, Tabelle 4: "Gewichtungsfaktoren f für die einzelnen Tierarten").

Die GIRL ist ein rechtlich nicht verbindliches Regelwerk. Sie stellt keine Rechtsquelle dar. Vielmehr enthält sie technische Normen, die auf den Erkenntnissen und Erfahrungen von Sachverständigen beruhen und insoweit die Bedeutung von allgemeinen Erfahrungssätzen und antizipierten generellen Sachverständigengutachten haben.

Vgl. BVerwG, Beschl. vom 7.5.2007 - 4 B 5.07 -, BRS 71 Nr. 168; OVG NRW, Urt. vom 20.9.2007 - 7 A 1434/06 -, BRS 71 Nr. 58.

Da der GIRL keine Bindungswirkung zukommt, sind die unter Nr. 3.1. der GIRL 2008 genannten Immissionswerte von 0,10 für Wohn-/Mischgebiete und von 0,15 für Gewerbe-/Industriegebiete und für Dorfgebiete keine Grenz-, sondern Orientierungswerte für die Abwägung. In gleicher Weise hat die Zuordnung dieser Werte zu bestimmten Gebietstypen für die Abwägung keine abschließende Bedeutung. Vielmehr kann in begründeten Einzelfällen - gegebenenfalls auch im Übergangsbereich zum Außenbereich - eine Überschreitung der Immissionswerte oder eine Festlegung von Zwischenwerten abwägungsgerecht sein, zumal die Bildung eines Mittelwerts auch bei Geruchsbelästigungen in der Rechtsprechung durchaus anerkannt ist.

Vgl. BVerwG, Beschl. vom 28.9.1993 - 4 B 151.93 -, BRS 55 Nr. 165; OVG NRW, Urt. vom 28.10.2005 - 7 D 17/04.NE -, BRS 69 Nr. 15.

Nach der Begründung und den Auslegungshinweisen zur GIRL 2008 sollte für den Fall, dass ein Wohngebiet direkt an den Außenbereich angrenzt, der für eine solche Konfliktsituation festzulegende Zwischenwert den Immissionswert für Dorfgebiete (0,15) nicht überschreiten (vgl. zu Nr. 1 GIRL, Vorgehen im landwirtschaftlichen Bereich, Immissionswerte). Weiter heißt es dort (vgl. zu Nr. 3.1 GIRL, Zuordnung der Immissionswerte), dass auf die Belange der land- und forstwirtschaftlichen Betriebe in einem Dorfgebiet vorrangig Rücksicht zu nehmen sei. In begründeten Einzelfällen seien Zwischenwerte zwischen Dorfgebieten und dem Außenbereich möglich, was zu Werten von bis zu 0,20 am Rand des Dorfgebietes führen könne. Analog könne beim Übergang vom Außenbereich zur geschlossenen Wohnbebauung verfahren werden. In Abhängigkeit vom Einzelfall könnten Zwischenwerte bis maximal 0,15 zur Beurteilung herangezogen werden.

Die neben dem Bestand des Betriebes des Antragstellers schließlich auch den Bestand der landwirtschaftlichen Betriebe N und S sowie die geplante Erweiterung des Betriebes S berücksichtigenden - allerdings auf der Grundlage der GIRL 2004 erfolgten - Geruchsuntersuchungen kommen zu dem Ergebnis, dass im überwiegenden Plangebiet Wahrnehmungshäufigkeiten von bis zu 13 % auftreten. Nur in einem kleinen Teil im nordwestlichen Bereich des Plangebiets werden Wahrnehmungshäufigkeiten zwischen 13 % und 15 % erreicht. Die ermittelte Geruchsbelastung (Immissionswerte von 0,13 bis 0,15) im Plangebiet - das unstreitig an den Außenbereich grenzt - dürfte sich nach den vorstehenden Ausführungen noch in einem Bereich abwägungsgerechter Akzeptanz bewegen. Erst recht dürfte dies unter Zugrundelegung der GIRL 2008 gelten, die - wie dargelegt - nach tierartspezifischen Geruchshäufigkeiten differenziert und die von Mastschweinen und Sauen ausgehende Geruchsqualität mit einem Faktor von 0,75 gewichtet.

Die hinsichtlich des Interesses des Antragstellers, seinen Betrieb künftig zu erweitern, angestellten Erwägungen der Antragsgegnerin gründen im Kern auf der Annahme, dass bei Realisierung einer Erweiterung des landwirtschaftlichen Betriebes des Antragstellers um einen Schweinemaststall für 800 Tiere in jedem Falle technische Maßnahmen zur Reduzierung der Geruchsimmissionen vorgenommen werden müssten, um an den Wohnhäusern im Bereich zwischen dem bestehenden Betrieb S und dem Betrieb des Antragstellers eine zumutbare Geruchsbelastung zu gewährleisten. Diese Annahme veranlasst die Antragsgegnerin zu der Schlussfolgerung, diese "ohnehin notwendigen Maßnahmen" (vgl. S. 21 der Planbegründung) würden dazu führen, dass auch im Plangebiet keine unzumutbaren Geruchsbelästigungen aufträten. Der Ausgangspunkt der Erwägungen der Antragsgegnerin begegnet keinen Bedenken. Ist bereits die vorhandene Geruchsbelastung für den Nachbarn nicht zumutbar, kann im Einzelfall jede Erhöhung der Belastung bei der gebotenen umfassenden Würdigung aller Umstände zu einer Unzulässigkeit des Vorhabens führen.

Vgl. OVG NRW, Beschl. vom 23.3.2009 - 10 B 259/09 -.

Ob die hieran anknüpfende Schlussfolgerung allerdings (weiterhin) tragfähig ist, hängt nicht nur davon ab, wie die konkrete Immissionssituation auf der Grundlage der GIRL 2008 zu bewerten ist, sondern auch und insbesondere davon, von welchem Orientierungswert hinsichtlich der vorgenannten - unstreitig im Außenbereich gelegenen - Wohnhäuser im Rahmen der planerischen Abwägung regelmäßig auszugehen ist.

Bei der Beurteilung der Zumutbarkeit von Geruchseinwirkungen im Außenbereich ist zu berücksichtigen, dass der Außenbereich nach § 35 Abs. 1 BauGB als Standort für stark emittierende Betriebe vorgesehen ist. In landwirtschaftlich genutzten Gebieten muss mit Lärm und Gerüchen gerechnet werden, die durch Tierhaltung, Dungstätten, Güllegruben und dergleichen üblicherweise entstehen. Sie sind typische Begleiterscheinungen der zulässigen landwirtschaftlichen Nutzung, so dass der Eigentümer eines Wohnhauses im Außenbereich in der Regel nicht verlangen kann, von den mit der Tierhaltung verbundenen Immissionen verschont zu bleiben.

Vgl. OVG NRW, Urt. vom 15.8.1996 - 7 A 1727/93 -, juris, und Beschl. vom 16.3.2009 - 10 A 259/08 -.

Es versteht sich von selbst, dass der im Außenbereich Wohnende keinen Schutzmaßstab, der dem eines Wohn- oder auch Dorfgebietes entspricht, sondern lediglich einen geringeren Schutzmaßstab beanspruchen kann. Nach der Begründung und den Auslegungshinweisen zur GIRL 2008 (vgl. zu Nr. 3.1 GIRL, Zuordnung der Immissionswerte) ist es vor diesem Hintergrund möglich, unter Prüfung der speziellen Randbedingungen des Einzelfalles bei der Geruchsbeurteilung im Außenbereich einen Immissionswert von bis zu 0,25 für landwirtschaftstypische Gerüche heranzuziehen.

Hieran anknüpfend erscheint es dem Senat angemessen, jedenfalls im Rahmen der planerischen Abwägung davon auszugehen, dass im Außenbereich gelegenen Wohnhäusern, die nicht dem landwirtschaftsbezogenen Wohnen dienen, ein über den Immissionswert von 0,25 hinausgehendes Maß an landwirtschaftstypischen Gerüchen regelmäßig nicht zuzumuten sein dürfte.

Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus dem Beschluss des 10. Senats vom 16.3.2009 - 10 A 259/08 -, der u.a. auf den Beschluss des 7. Senats vom 18.3. 2002 - 7 B 315/02 -, BRS 65 Nr. 87, verweist. Diese Beschlüsse betreffen nicht die planerische Abwägung im Hinblick auf Geruchsbelastungen, sondern Nachbarstreitigkeiten. Überdies bezieht sich die dort geäußerte Annahme, selbst eine durch Tierhaltung bedingte relative Geruchswahrnehmungshäufigkeit von mehr als 50 % der Jahresstunden vermöge eine Unzumutbarkeit nicht ohne Weiteres zu begründen, ausdrücklich auf die - im vorliegenden Planaufstellungsverfahren irrelevante - Fallkonstellation des landwirtschaftsbezogenen Wohnens. Soweit der 10. Senat im genannten Beschluss ausgeführt hat, das VG habe zutreffend festgestellt, dass der Kläger keinen Abwehranspruch gegen den Betrieb des Beigeladenen habe, weil ihm angesichts der Gebietstypik die von den Gutachtern errechneten Werte von 18 % bzw. 26 % der Jahresstunden im Mittel mit darüber hinausgehenden Werten von bis zu 37 % an besonders exponierten Stellen zuzumuten seien, führt dies im Rahmen der planerischen Abwägung nicht zwangsläufig zur Zulässigkeit eines Abweichens vom vorgenannten Orientierungswert von 0,25. Im Rahmen des Planaufstellungsverfahrens hat der Plangeber regelmäßig keinen Anlass zur Prüfung, wie sich die Geruchsbelastung an "besonders exponierten Stellen" darstellt.

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