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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 22.04.2004
Aktenzeichen: 7a D 142/02.NE
Rechtsgebiete: BauGB, BauNVO, GG


Vorschriften:

BauGB § 1 Abs. 5 Satz 2 Nr. 3
BauGB § 1 Abs. 5 Satz 2 Nr. 4
BauGB § 1 Abs. 5 Satz 2 Nr. 8
BauGB § 1 Abs. 6
BauNVO § 1 Abs. 10
GG Art. 14 Abs. 1
1. Die Zielsetzungen eines Bebauungsplans, die Attraktivität und Einzelhandelsfunktion der Innenstadt zu erhalten und zu stärken, sind von § 1 Abs. 5 Satz 2 Nrn. 4 und 8 BauGB sowie unter den Aspekten "Lebensqualität" und "gesellschaftliches Leben" auch von § 1 Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 BauGB gedeckt.

2. Eine Gemeinde kann im Rahmen des ihr zustehenden Planungsermessens den in seiner zentralen Funktion besonders zu schützenden Kernbereich ihrer Innenstadt eigenverantwortlich festlegen.

3. Sollen zum Schutz eines Innenstadtbereichs bestimmte Warensortimente an solchen Standorten ausgeschlossen werden, an denen eine entsprechende Nutzung den Zielsetzungen des planerischen Konzepts der Gemeinde zuwider laufen würde, bedarf es einer individuellen Betrachtung der jeweiligen örtlichen Situation; dabei können in den Ausschluss im Interesse einer Stärkung des Zentrums auch einzelne Sortimente einbezogen werden, die im Kernbereich nicht oder nur mit einem geringen Prozentanteil vertreten sind.


Tatbestand:

Die Antragsteller wandten sich gegen einen Bebauungsplan der Antragsgegnerin, weil er in ihrem Eigentum stehende Grundflächen als Mischgebiet bei gleichzeitigem Ausschluss verschiedener Einzelhandelsnutzungen überplante. Ihr Normenkontrollantrag hatte keinen Erfolg.

Gründe:

Dem Bebauungsplan fehlt nicht die städtebauliche Erforderlichkeit nach § 1 Abs. 3 BauGB.

Nach den Ausführungen in der Planbegründung ist Ziel des strittigen Bebauungsplans die Erhaltung und Stärkung der Einzelhandelsfunktion der Innenstadt der Antragsgegnerin. Durch eine Einschränkung der in den Randbereichen zukünftig zulässigen Arten von Anlagen bzw. Betrieben soll dem Ziel einer starken und intakten Kernstadt entsprochen werden.

Damit verfolgt die Antragsgegnerin legitime Zielsetzungen für eine verbindliche Bauleitplanung.

Dafür, welche öffentliche Belange eine Bauleitplanung städtebaulich rechtfertigen können, enthält § 1 Abs. 5 Satz 2 BauGB eine beispielhafte Auflistung, die, wie schon aus dem Wort "insbesondere" folgt, allerdings nicht abschließend ist. Demgemäss besitzt eine Gemeinde auch dann noch die Befugnis zur Bauleitplanung, wenn sie nicht unmittelbar auf einen der in dieser Vorschrift genannten Belange verwiesen kann.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 15.10.2002 - 4 BN 51.02 -, NVwZ-RR 2003, 171 m.w.N.,

Weiterer Erörterungen dieser Frage bedarf es hier schon deshalb nicht, weil die angeführten städtebaulichen Zielsetzungen der Antragsgegnerin sich ohne weiteres auf mehrere der in § 1 Abs. 5 Satz 2 BauGB angeführten Belange zurückführen lassen.

Die zentrale Zielsetzung einer Erhaltung der Attraktivität und Einzelhandelsfunktion der Innenstadt

- vgl. BVerwG, Beschluss vom 11.5.1999 - 4 BN 15.99 -, BRS 62 Nr. 19 (S. 97) -

ist von § 1 Abs. 5 Satz 2 Nr. 8 BauGB gedeckt. Diese Regelung, nach der bei der Aufstellung der Bauleitpläne u.a. "die Belange der Wirtschaft, auch ihrer mittelständischen Struktur im Interesse einer verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung", zu berücksichtigen sind, ist ein Beleg dafür, dass es dem Gesetzgeber ein wichtiges Anliegen ist, dem Interesse an gut erreichbaren und an den Bedürfnissen der Verbraucher orientierten Einzelhandelsbetrieben Rechnung zu tragen. Dementsprechend geht es etwa auch bei den Regelungen des § 11 Abs. 3 BauNVO darum, den Einzelhandel an den Standorten zu sichern, die in das städtebauliche Ordnungssystem funktionsgerecht eingebunden sind. Dabei ist es nicht Selbstzweck, dass die Wirtschaftsstruktur in den zentralen Versorgungsbereichen gestärkt wird. Der Schutz der mittelständischen Wirtschaft dient nicht als Mittel dafür, bestimmte Wettbewerbsverhältnisse zu stabilisieren. Vielmehr soll sichergestellt werden, dass durch die Ansiedlung von Einzelhandelsbetrieben an peripheren Standorten nicht die wirtschaftliche Existenz derjenigen Betriebe bedroht oder gar vernichtet wird, die eine verbrauchernahe Versorgung gewährleisten.

Vgl. zu alledem: BVerwG, Urteil vom 1.8.2002 - 4 C 5.01 -, BRS 65 Nr. 10 (S. 48).

Mit der "verbrauchernahen" Versorgung sind dabei Fragen der flächenmäßigen Zuordnung von Einkaufsmöglichkeiten und Dienstleistungsangeboten zu Wohnstandorten, der Sicherung der Vielfalt von Warenangebot und Dienstleistungen an bestimmten Standorten sowie der räumlich ausgewogenen Verteilung des Waren- und Dienstleistungsangebots angesprochen.

Vgl. Gaentzsch in Berliner Kommentar zum BauGB, 3. Aufl. 2002, RdNr. 68 zu § 1.

Letztlich geht es dabei um den Schutz und die Sicherung der Versorgung an integrierten, namentlich auch für die nicht motorisierte Bevölkerung möglichst gut erreichbaren Standorten. Nichts anderes soll mit dem strittigen Bebauungsplan erreicht werden, wenn dieser darauf abzielt, solche Branchengruppen auszuschließen, die einerseits einer Stärkung der Innenstadt bzw. des Zentrums dienen und andererseits dazu führen können, dass sich Unterzentren an Standorten bilden, die funktional nicht im Zusammenhang mit der Innenstadt zu sehen sind.

Soweit die Antragsgegnerin über die bloße Erhaltung der Einzelhandelsfunktion der Innenstadt hinaus auch deren Stärkung und eine Verbesserung der Attraktivität der Innenstadt anstrebt, geht es nach den Ausführungen in der Planbegründung zusätzlich darum, einer Verödung der Innenstadt entgegenzuwirken. Der Bereich der "Unteren Hauptstraße" soll hiernach die Funktion des Innenstadtbereichs nicht gefährden. Eine Verödung des Kernbereichs einerseits und eine überdimensionierte Aufwertung der sog. Innenstadtrandbereiche andererseits sei aus städtebaulichen Erwägungen nicht gewollt, da "hierdurch die Funktionen der einzelnen Stadtelemente bzw. Stadtbereiche derart verlagert würden, dass die Stadt bzw. die eine Stadt ausmachenden positiven Kriterien (Attraktivität, Lebensqualität, gesellschaftliches Leben) geschwächt bzw. sogar zerstört würden".

Diese Zielsetzung einer Stärkung der Attraktivität entspricht der Vorgabe des § 1 Abs. 5 Satz 2 Nr. 4 BauGB, wonach neben der Erhaltung auch die Fortentwicklung vorhandener Ortsteile bei der Aufstellung der Bauleitpläne zu berücksichtigen ist. Mit den positiv zu fördernden städtebaulichen Kriterien "Attraktivität", "Lebensqualität" und "gesellschaftliches Leben" sind darüber hinaus auch die in § 1 Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 BauGB angeführten sozialen und im weitesten Sinne auch kulturellen Belange der Bevölkerung erfasst. Plastisch wird dies z.B. an dem allgemein verbreiteten Schlagwort "Erlebniseinkauf", das gerade die den sozialen Bedürfnissen der Bevölkerung Rechnung tragende Möglichkeit erfasst, in einem städtebaulich attraktiven, auch Möglichkeiten zum Verweilen und Kommunizieren bietenden Umfeld zugleich die Versorgungsbedürfnisse befriedigen zu können.

Aus dem Vorstehenden folgt, dass entgegen der Auffassung der Antragsteller keine Rede davon sein kann, der strittige Bebauungsplan beinhalte eine unzulässige Wahrnehmung von Wettbewerbsinteressen. Ebenso wenig lässt sich feststellen, die Planung der Antragsgegnerin verfolge ausschließlich fiskalische Interessen oder es handele sich bei ihr um eine unzulässige "Negativplanung" (wird ausgeführt).

Die nach alledem legitimen und hier hinreichend städtebaulich gerechtfertigten allgemeinen Planziele einer Erhaltung und Stärkung der Attraktivität des Innenstadtbereichs sind auch in ihrer konkreten Umsetzung von § 1 Abs. 3 BauGB gedeckt.

Geht es um das "Wie" der Planung, hat die Gemeinde ein weites Planungsermessen, dessen Ausübung sich maßgebend nach ihren eigenen städtebaulichen Vorstellungen richtet.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 17.9.2003 - 4 C 14.01 -, NVwZ 2004, 220 (221).

Was im Sinne von § 1 Abs. 3 BauGB "erforderlich" ist, bestimmt sich insoweit maßgeblich nach der jeweiligen planerischen Konzeption. Welche städtebaulichen Ziele die Gemeinde sich setzt, liegt in ihrem planerischen Ermessen. Der Gesetzgeber ermächtigt sie, die "Städtebaupolitik" zu betreiben, die ihren städtebaulichen Ordnungsvorstellungen entspricht.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 11.5.1999 - 4 BN 15.99 -, BRS 62 Nr. 19 (S. 96) m.w.N.

Die Erforderlichkeit im Sinne vom § 1 Abs. 3 BauGB kann die Gemeinde weitgehend, wenn auch unter Wahrung rechtlicher Schranken, selbst durch ihre eigene planerische Konzeption für die städtebauliche Entwicklung vorgeben. Die einzelnen Festsetzungen eines Bebauungsplans genügen damit dann dem Maßstab der Erforderlichkeit, wenn sie ihre Rechtfertigung in dem städtebaulichen Konzept der Gemeinde finden, d.h. im Rahmen der Gesamtkonzeption "vernünftigerweise geboten" sind.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 6.6.2002 - 4 CN 4.01 -, BRS 65 Nr. 78 (S. 386) m.w.N.

In diesem auf das städtebauliche Konzept der Gemeinde bezogenen Kontext bedeutet "vernünftigerweise geboten" der Sache nach letztlich nichts anderes, als dass diese Festsetzungen "auf eine geordnete städtebauliche Entwicklung ausgerichtet zu sein und diese zu gewährleisten" haben

- vgl. BVerwG, Urteil vom 22.1.1993 - 8 C 46.91 -, BRS 55 Nr. 106 (S. 293) m.w.N. -

bzw. "einer geordneten städtebaulichen Entwicklung dienen" und deshalb vernünftigerweise geboten erscheinen.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 17.9.2003 - 4 C 14.01 -, NVwZ 2004, 220 (222).

Gemessen an diesen Maßstäben ist es nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin sich dazu entschlossen hat, den nach ihren städtebaulichen Zielvorstellungen in seiner zentralen Funktion besonders zu schützenden Kernbereich der Innenstadt mit den in der Planbegründung dargelegten Grenzen festzulegen. Dass der hier in Rede stehende nördliche Abschnitt der "Unteren Hauptstraße" damit nicht zu dem Bereich der Innenstadt gehört, dem nach der planerischen Zielsetzung der Antragsgegnerin zentrale Versorgungsfunktion zukommen soll, mag nicht den Vorstellungen der Antragsteller von der künftigen Nutzbarkeit ihres Grundeigentums entsprechen. Darauf kommt es jedoch nicht an, da die Antragsgegnerin insoweit das ihr zustehende Planungsermessen zur eigenverantwortlichen Verfolgung der ihren Vorstellungen entsprechenden Städtebaupolitik ausgeübt hat.

Rechtliche Bedenken könnten allenfalls bestehen, wenn die Entscheidung der Antragsgegnerin, zum Schutz des Kernbereichs der Innenstadt einer Ausweitung des zentrenrelevanten Einzelhandels im Plangebiet an der "Unteren Hauptstraße" entgegenzuwirken, nach ihren eigenen konzeptionellen Überlegungen widersprüchlich und damit nicht im dargelegten Sinne "vernünftigerweise geboten" wäre. Dies trifft jedoch nicht zu.

In der Planbegründung ist ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die vorliegende Bebauungsplanung insbesondere auf dem "Gutachten 1999" beruht, das die Primärziele der Erarbeitung von Markt- und Tragfähigkeitsanalysen und darauf aufbauender Nutzungskonzepte für innerstädtische Standortbereiche verfolgt. In dem Gutachten 1999 ist der gesamte Stadtbereich umfassend untersucht worden. Dabei sind der Einzelhandelsbestand und die Erweiterungsperspektiven nach dem "Leitbild 2010" in Abbildungen grafisch dargestellt. Diese machen deutlich, dass Expansionszonen des Stadtzentrums lediglich in Richtung Westen und in Richtung Süden gesehen werden. Demgegenüber misst das Gutachten 1999 dem Stadtzentrum keine Expansionszone in Richtung Norden entlang der "Unteren Hauptstraße" zu.

An die Darlegungen des Gutachtens 1999 knüpft der strittige Bebauungsplan an wie aus den einzelnen Ausführungen in der Planbegründung folgt (wird ausgeführt). Insgesamt kann daher nicht festgestellt werden, dass die Antragsgegnerin bei der Ausarbeitung des strittigen Bebauungsplans im Hinblick auf das Planziel eines Schutzes der Attraktivität und Zentrenfunktion des Kernbereichs der Innenstadt inkonsequent oder gar widersprüchlich gehandelt hat.

Der Umstand, dass die Antragsgegnerin sich mit dem vorliegenden Bebauungsplan auf die Überplanung nur eines Teils der Bereiche beschränkt hat, in denen potentielle Gefährdungen des Zentrums in Betracht kommen, ist unschädlich. Für das strittige Plangebiet wurde, wie auch die Darlegungen im Gutachten 1999 belegen, ein aktueller Planungsbedarf gesehen. Diese Einschätzung trifft zu, weil hier das vor Erlass des strittigen Bebauungsplans geltende Baurecht nach § 34 BauGB keine planerischen Steuerungsmöglichkeiten zuließ. Die Regelungen des § 34 BauGB sind - wie die des § 35 BauGB - kein vollwertiger Ersatz für einen Bebauungsplan, sondern gelten als Planersatzvorschriften, nicht als Ersatzplanung.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 17.9.2003 - 4 C 14.01 -, NVwZ 2004, 220 (221) m.w.N.

Im unbeplanten Innenbereich setzt ausschließlich das tatsächlich Vorhandene die Maßstäbe dafür, was planungsrechtlich zulässig ist. Wenn dieses eine von der Gemeinde nicht gewünschte städtebauliche Entwicklung vorgibt, kann sie dem nur durch Schaffung eigenen örtlichen Baurechts durch einen Bebauungsplan entgegenwirken.

Vgl. hierzu: Kuschnerus, "Der sachgerechte Bebauungsplan", 2. Aufl. 2001, RdNrn. 127 ff.

Dementsprechend ist es mit Blick auf § 1 Abs. 3 BauGB nicht zu beanstanden, wenn sich die planende Gemeinde - wie hier - bei der Verfolgung einer umfassenderen Zielsetzung im Einzelfall darauf beschränkt, (zunächst) nur dort planerisch aktiv zu werden, wo tatsächlich konkreter Handlungsbedarf besteht.

Städtebaulich gerechtfertigt ist auch der konkrete Ausschluss der in Abschnitt (4) der textlichen Festsetzungen aufgelisteten Sortimente des Einzelhandels.

Diese Ausschlussregelungen sind gestützt auf § 1 Abs. 9 BauNVO. Diese Vorschrift lässt auch Sortimentsbeschränkungen des Einzelhandels zu, wenn diese Differenzierung marktüblichen Gegebenheiten entspricht.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 4.10.2001 - 4 BN 45.01 -, BRS 64 Nr. 28.

Dass die hier gewählten Sortimentsbezeichnungen, die der Anlage 1 zum Einzelhandelserlass 1996 (MBl. NRW. 1996, S. 922) entnommen sind, marktüblichen Gegebenheiten entsprechen, unterliegt keinem Zweifel. Selbstverständlich gibt es in der Realität Einzelhandelsbetriebe, die etwa als Buchladen, Kunst- und Antiquitätenhandel, Baby-Markt usw. bezeichnet werden.

Die Zulässigkeit solcher Sortimentsbeschränkungen ist auch nicht etwa auf großflächige Einzelhandelsbetriebe beschränkt, die mit einer Geschossfläche von mehr als 1.200 m2 der sog. Regelvermutung des § 11 Abs. 3 Satz 3 BauNVO unterliegen. § 1 Abs. 9 BauNVO lässt den Ausschluss aller Arten baulicher Anlagen im Sinne der BauNVO zu, mithin auch den Ausschluss bestimmter Arten von Einzelhandelsbetrieben i.S.v. § 6 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO.

Allerdings fordert eine Feindifferenzierung der zulässigen Art der baulichen Nutzung auf der Grundlage von § 1 Abs. 9 BauNVO eine städtebauliche Begründung, die sich aus der jeweiligen konkreten Planungssituation ergeben muss und geeignet ist, die Abweichung vom normativen Regelfall der Baugebietsausweisung zu rechtfertigen. Das "besondere" an den städtebaulichen Gründen nach § 1 Abs. 9 BauNVO besteht dabei nicht darin, dass die Gründe von größerem oder im Verhältnis zu § 1 Abs. 5 BauNVO zusätzlichem Gewicht sein müssen. Mit "besonderen" städtebaulichen Gründen nach § 1 Abs. 9 BauNVO ist nur gemeint, dass es spezielle Gründe gerade für eine noch feinere Ausdifferenzierung der zulässigen Nutzung als nach den Absätzen 5 bis 8 des § 1 BauNVO geben muss.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 22.5.1987 - 4 C 77.84 -, BRS 47 Nr. 58.

Demgemäss bedarf es dann, wenn zum Schutz eines Innenstadtbereichs bestimmte Warensortimente an solchen Standorten ausgeschlossen werden sollen, an denen eine entsprechende Nutzung den Zielsetzungen des planerischen Konzepts der Gemeinde zuwiderlaufen würde, einer individuellen Betrachtung der jeweiligen örtlichen Situation.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 3.6.2002 - 7a D 92/99.NE -, BRS 65 Nr. 38 (S. 186).

Aus dieser konkreten örtlichen Situation ist abzuleiten, weshalb für die betroffenen Bereiche der Ausschluss der gewählten Sortimente im dargelegten Sinne "vernünftigerweise geboten" ist, um das von der Gemeinde legitimerweise verfolgte Planziel zu erreichen.

Diesen Anforderungen genügt der von der Antragsgegnerin in den textlichen Festsetzungen festgelegte Ausschluss bestimmter Einzelhandelssortimente.

Die Antragsgegnerin hat sich zur Gewährleistung des Planziels "Erhaltung der Einzelhandelsfunktion der Innenstadt" zum einen dazu entschlossen, den Ausschluss auf sämtliche 10 Sortimentsgruppen zu erstrecken, die nach Teil A der Anlage 1 zum Einzelhandelserlass 1996 als "zentrenrelevante Sortimentsgruppen gelten". Dieser Erlass nimmt allerdings nicht für sich in Anspruch, die Zentrenrelevanz bestimmter Sortimentsgruppen abschließend festzulegen. Vielmehr knüpft die Anlage 1 zum Einzelhandelserlass 1996 daran an, dass sich Anhaltspunkte für die Zentrenrelevanz aus dem vorhandenen Angebotsbestand in den gewachsenen Zentren in Verbindung mit städtebaulichen Kriterien ergeben.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 3.6.2002 - 7a D 92/99.NE -, BRS 65 Nr. 38 (S. 185f).

Solche Anhaltspunkte wurden in dem Gutachten 1999, das Grundlage der Planungsentscheidung der Antragsgegnerin war, konkret ermittelt und dargestellt. So folgt aus dem Gutachten, dass nach der Bestandsermittlung 1998 die Sortimente der Nummern 1 bis 10 des Teils A der Anlage 1 zum Einzelhandelserlass 1996, die den ausgeschlossenen Sortimenten der Nummern 1 bis 10 des Abschnitts (4) der textlichen Festsetzungen des strittigen Bebauungsplans entsprechen, in der Tat von einigen wenigen Ausnahmen abgesehen in der nach der planerischen Zielvorstellung der Antragsgegnerin zu schützenden Kernzone mit hohen Anteilen am Verkaufsflächenangebot der Gesamtstadt vertreten sind. In vielen Fällen sind bezüglich dieser Sortimente in der Kernzone sogar Anteile von deutlich über 50 % der Verkaufs- bzw. Geschäftsflächen der Gesamtstadt vorhanden. Dies belegt, dass die von der Antragsgegnerin als schützenswert erachtete Versorgungsfunktion des Kernbereichs der Innenstadt hinsichtlich nahezu aller Sortimente des Teils A der Anlage 1 zum Einzelhandelserlass 1996 zutrifft.

Dass auch einzelne Sortimente der Nummern 1 bis 10 des Teils A der Anlage 1 zum Einzelhandelserlass 1996, die in der Kernzone nicht oder nur mit einem äußerst geringen Prozentsatz vertreten sind, in die Liste der ausgeschlossen Sortimente aufgenommen sind, macht die Entscheidung des Rates der Antragsgegnerin nicht fehlerhaft. Diese Sortimente gehören nach den auf das Gutachten 1999 gestützten Ausführungen der Planbegründung für den Bereich der Antragsgegnerin zu den als "zentrumsbildend" umschriebenen Branchengruppen. Sie konnten nach der nicht zu beanstandenden Einschätzung der Antragsgegnerin in die Ausschlussliste aufgenommen werden, weil sie in der Tat einer Stärkung der Innenstadt bzw. des Zentrums dienen. Ihr Ausschluss hat immerhin zur Folge, dass eventuelle Neuansiedlungen in der Kernzone, in die diese Sortimente nach der planerischen Entscheidung der Antragsgegnerin eigentlich hineingehören, zumindest eher wahrscheinlich sind, zumal es sich um solche Sortimente handelt, die derzeit in dem hier in Rede stehenden Bereich der "Unteren Hauptstraße" überhaupt nicht angeboten werden.

Nicht zu beanstanden ist ferner, dass die Antragsgegnerin auch die Sortimentsgruppen Nr. 11 und 12 - Lebensmittel, Getränke einerseits sowie Apotheke, Drogerie, Kosmetik, Haushaltswaren andererseits - im Plangebiet ausgeschlossen hat.

Allerdings handelt es sich bei diesen Sortimenten nicht um in erster Linie zentrentypische Sortimente. In Teil A der Anlage 1 zum Einzelhandelserlass 1996 sind diese Sortimente - mit Ausnahme des in der Anlage 1 nicht aufgeführten Sortiments "Apotheke" (= Pharmazie) - als "nahversorgungs-(ggf. auch zentren-) relevante Sortimentsgruppen" bezeichnet. Gleichwohl kommt ihnen in der hier gegebenen örtlichen Situation ersichtlich eine nicht unerhebliche Zentrenrelevanz schon deshalb zu, weil diese Sortimente in der Tat in beachtlichem Ausmaß in der zu schützenden Kernzone angeboten werden (wird ausgeführt).

Schon dies rechtfertigt es, die genannten Sortimente in der hier gegebenen örtlichen Situation übereinstimmend mit der entsprechenden Einschätzung im Gutachten 1999 auch als zentrenrelevant zu werten, selbst wenn sie teilweise zugleich nahversorgungsrelevant sind. Insoweit hat die Antragsgegnerin nach den Ausführungen in der Planbegründung zutreffend unter Bezugnahme auf den Einzelhandelserlass 1996 ausgeführt:

"Gemäß Ziffer 2.2.5 des Runderlasses können die Gemeinden bei Vorliegen besonderer städtebaulicher Gründe die zentrenrelevanten Sortimente eigenständig festlegen. Dies ist vorliegend für die genannten Waren aufgrund des Ergänzungsgutachtens <= Gutachten 1999> und den Ergebnissen des gebildeten Arbeitskreises erfolgt."

Dabei unterliegt auch keinen Bedenken, dass die genannten Sortimente weitgehend zugleich auch in besonderem Maß nahversorgungsrelevant sind und deshalb eine ausschließliche oder auch nur überwiegende Konzentrierung auf die Kernzone der Innenstadt städtebaulich schwer zu rechtfertigen wäre. Das hier betroffene Plangebiet ist jedenfalls durch seine deutliche Nähe zu der nach der Einschätzung der Antragsgegnerin besonders zu schützenden Kernzone gekennzeichnet, so dass bei einer Neuansiedlung bzw. - bezogen auf die bereits vorhandenen Angebote der genannten Sortimente - deutlichen Verstärkung des Angebots der genannten Sortimente im Plangebiet auch unter Nahversorgungsaspekten ein beachtlicher Attraktivitätsverlust der Kernzone in Betracht kommt.

Schließlich ist auch der Ausschluss von "Shops in Verbindung mit Tankstellen", soweit diese mehr als 150 m2 Verkaufsfläche aufweisen, von der Antragsgegnerin hinreichend städtebaulich gerechtfertigt worden.

Insoweit ist zunächst klarzustellen, dass es entgegen der Auffassung der Antragsteller in der Tat "Shops in Verbindung mit Tankstellen" als Betriebstypen des Einzelhandels gibt. Tankstellen werden heute sogar in der Regel in Verbindung mit sog. "Shops" betrieben, in denen eine breite Palette von Waren angeboten wird, die sich nicht nur auf Kfz-Ersatzteile und Zubehör beschränken. Das Angebot reicht vielmehr von Zeitschriften, Tabakwaren, Getränken und Lebensmitteln - häufig einschließlich bestimmter frischer Backwaren - bis hin zu einzelnen anderen Gütern vornehmlich des täglichen Bedarfs.

Bei ihrer Entscheidung, diese "Shops" lediglich hinsichtlich ihrer Verkaufsfläche zu begrenzen, hat sich die Antragsgegnerin nach den Ausführungen in der Planbegründung maßgeblich davon leiten lassen, dass eine Festlegung von Sortimenten für "Shops" an Tankstellen nur schwer möglich ist. Dies trifft in der Tat zu. Diese "Shops" erfüllen insofern eine besondere Funktion, als sie neben der Versorgung reisender Kraftfahrer mit Reisebedarf auch als gelegentlich des Tankvorgangs genutzte (begrenzte) Versorgungsmöglichkeit für einzelne Güter des täglichen Bedarfs dienen sowie - ähnlich wie Kioske und sog. "Trinkhallen" mit räumlich begrenztem Verkauf - insbesondere auch zu den Zeiten genutzt werden, in denen die allgemeinen Läden häufig nicht mehr geöffnet haben. Gleichwohl können sie dann, wenn sie, wie mancherorts bereits üblich, große Verkaufsflächen von etlichen 100 m2 aufweisen, nicht anders als "normale" Läden den bestehenden Einzelhandel zumindest in bestimmten Branchen erheblich in seiner Versorgungsfunktion beeinträchtigen, so dass ihre Steuerung städtebaulich gerechtfertigt erscheint.

Die hier gewählte Begrenzung der Verkaufsfläche auf 150 m2 trägt allerdings die Umschreibung eines bestimmten Anlagentyps nicht gleichsam in sich selbst. Vielmehr muss die Gemeinde darlegen, warum Betriebe über der von ihr festgesetzten Größe generell oder doch jedenfalls unter Berücksichtigung der besonderen örtlichen Verhältnisse einem bestimmten Anlagentyp entsprechen.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 17.7.2001 - 4 B 55.01 -, BRS 64 Nr. 29 unter Bezugnahme auf BVerwG, Urteil vom 22.5.1987 - 4 C 77.84 -, BRS 47 Nr. 58.

Das ist hier geschehen. Die Antragsgegnerin hat die festgesetzte Begrenzung der Verkaufsfläche von Tankstellen-"Shops" auf 150 m2 damit begründet, dass sie "an diesem Standort als verträglich und damit vertretbar angesehen wird, wie es bei Tankstellen dieser Art üblich ist". "Die Üblichkeit" ist von den Antragstellern anlässlich der Erörterung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht substantiiert in Frage gestellt worden und trifft nach der Erfahrung der Mitglieder des Senats auch zu. Tankstellen-"Shops" weisen namentlich in innerörtlichen Bereichen der hier gegebenen Lage regelmäßig nicht mehr als 150 m2 Verkaufsfläche auf, so dass sie zu Recht als eine bestimmte Art von baulichen Anlagen gewertet werden konnten.

Keinen Bedenken unterliegen auch die Sonderregelungen, die gemäß § 1 Abs. 10 BauNVO zur Absicherung der in Plangebiet bereits vorhandenen Betriebe getroffen wurden, die (auch) Einzelhandel betreiben.

Nach der genannten Vorschrift kann für "bestimmte vorhandene bauliche und sonstige Anlagen", die bei Festsetzung eines Baugebiets in überwiegend bebauten Gebieten unzulässig wären, festgesetzt werden, dass Erweiterungen, Änderungen, Nutzungsänderungen oder Erneuerungen dieser Anlagen allgemein zulässig sind oder ausnahmsweise zugelassen werden können.

Dass es sich bei dem Plangebiet des Bebauungsplans um ein "überwiegend bebautes Gebiet" handelt,

- vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 6.3.2002 - 4 BN 11.02 -, BRS 65 Nr. 41 -

unterliegt nach dem dem Senat vorliegenden Kartenmaterial keinem Zweifel. Der Anwendbarkeit des § 1 Abs. 10 BauNVO steht auch nicht entgegen, dass die Unzulässigkeit der über diese Vorschrift abgesicherten Betriebe im vorliegenden Fall darauf beruht, dass die Betriebe Nutzungsarten zuzurechnen sind, die gemäß § 1 Abs. 9 BauNVO an sich im festgesetzten Baugebiet ausgeschlossen sind. Die Vergünstigung des § 1 Abs. 10 BauNVO kann auch solchen vorhandenen Anlagen oder Betrieben zugestanden werden, die in dem betreffenden Baugebiet nicht deshalb unzulässig sind, weil dessen allgemeine Zweckbestimmung ihnen entgegen steht, sondern allein deshalb einer Zulassungssperre unterliegen, weil sie - wie hier - von einer Ausschlussregelung erfasst werden.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 11.5.1999 - 4 BN 15.99 -, BRS 62 Nr. 19 (S. 101).

Die Anwendung von § 1 Abs. 10 BauNVO ist im vorliegenden Fall auch nicht, wie die Antragsteller meinen, etwa deshalb verfehlt, weil es sich hier bei den "umfangreichen Fremdkörperfestsetzungen" nicht um "kleinere Einsprengsel geringfügigen Umfangs" handelt. Bereits ein Blick auf den strittigen Bebauungsplan, in dem die von Festsetzungen nach § 1 Abs. 10 BauNVO erfassten Bereiche mit einem Punktraster markiert sind, zeigt, dass das Gegenteil der Fall ist. Zu betrachten ist das gesamte einheitlich als Mischgebiet ausgewiesene Plangebiet des Bebauungsplans, dessen Zweckbestimmung "in seinen übrigen Teilen gewahrt bleiben" muss. Von diesem Mischgebiet nehmen die Bereiche mit Sonderregelungen nach § 1 Abs. 10 BauNVO ersichtlich nur einen geringen Prozentanteil ein, so dass es im vorliegenden Fall keiner weiteren Erörterung bedarf, bei welchem räumlichen Umfang die Grenze der noch zulässigen Absicherung vorhandener Betriebe über § 1 Abs. 10 BauNVO erreicht ist.

Die konkret nach § 1 Abs. 10 BauNVO getroffenen Regelungen sind allerdings in mehrfacher Hinsicht auslegungsbedürftig.

Einer Auslegung des normativen Planinhalts bedarf es zunächst insoweit, als die textlichen Festsetzungen einerseits und die Planzeichnung andererseits widersprüchlich sind.

Dieser Widerspruch lässt sich jedoch ohne weiteres im Wege der berichtigenden Auslegung

- zur Zulässigkeit einer berichtigenden Auslegung von Bebauungsplänen vgl. BVerwG, Beschluss vom 14.12.1995 - 4 N 2.95 -, BRS 57 Nr. 57 -

beheben, da es sich um ein offensichtliches Redaktionsversehen handelt (wird ausgeführt).

Auslegungsbedürftig ist weiterhin, welchen Inhalt die in der Festsetzung nach § 1 Abs. 10 BauNVO für ausnahmsweise zulässig erklärten "Erweiterungen, Änderungen, Nutzungsänderungen und Erneuerungen" haben. Insoweit hat sich die Antragsgegnerin darauf beschränkt, den Wortlaut des § 1 Abs. 10 BauNVO wiederzugeben. Dieser gibt jedoch nichts dafür her, ob und - wenn ja - mit welchem Inhalt die zulässigen "Erweiterungen, Änderungen, Nutzungsänderungen und Erneuerungen" beschränkt sind. Maßgeblich für die hiernach gebotene Auslegung des Begriffes "Nutzungsänderung" und der Begriffe "Erweiterungen, Änderungen und Erneuerungen" sind folgende Erwägungen:

Mit der ihrem Wortlaut nach uneingeschränkten Fassung könnte die ausnahmsweise Zulassung von Nutzungsänderungen dahin verstanden werden, dass für die betreffenden Grundstücke Nutzungsänderungen jeder Art zugelassen werden können. Ein solches Verständnis würde im Ergebnis dazu führen, dass beispielweise auf den betroffenen Grundstücken im Wege der Nutzungsänderung auch solche bislang nicht vertriebenen Sortimente aufgenommen werden können, die an sich den Ausschlussregelungen des Abschnitts (4) der textlichen Festsetzungen unterliegen, so dass das Planziel "Erhaltung der Einzelhandelsfunktion der Innenstadt" durch Ausschluss konkret zentrenrelevanter Sortimente in nicht unbeachtlichem Umfang gleichsam konterkariert würde.

Maßgeblich für die Auslegung, welchen Inhalt die getroffenen Festsetzungen haben, ist, dass die Interpretation nicht durch den formalen Wortlaut der Norm begrenzt ist. Ausschlaggebend ist vielmehr der objektive Wille des Gesetzgebers, mithin hier der Antragsgegnerin als Plangeberin, soweit er wenigstens andeutungsweise im Gesetzestext einen Niederschlag gefunden hat.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 14.12.1995 - 4 N 2.95 -, BRS 57 Nr. 57.

Nach diesen Kriterien ist die nach § 1 Abs. 10 BauNVO getroffene Zulassung von Nutzungsänderungen auf Grund des in der Planbegründung hinreichend verlautbarten Willens des Plangebers dahin zu verstehen, dass die hiervon betroffenen Betriebe ihre tatsächlich legal ausgeübten Nutzungen zwar ändern dürfen, aber nur insoweit, als diese Nutzungsänderungen nicht den generell für das Plangebiet geltenden Ausschlüssen nach Abschnitt (4) der textlichen Festsetzungen widersprechen dürfen.

Auslegungsbedürftig sind auch die weiteren Regelungen zur "Erweiterung", "Änderung" und "Erneuerung" der vorhandenen Betriebe. Deren uneingeschränkter Wortlaut könnte gleichfalls dahin verstanden werden, dass die tatsächlich legal ausgeübten Einzelhandelsaktivitäten mit an sich ausgeschlossenen Sortimenten unbegrenzt ausgedehnt werden dürfen, wenn die Betriebe erweitert, geändert oder erneuert werden sollen. Dies hätte zur Folge, dass die Sortimente dann ausnahmsweise auch in einem solchen Umfang vertrieben werden dürften, bei dem die Schwelle der Sondergebiets- bzw. Kerngebietspflichtigkeit nach § 11 Abs. 3 Satz 1 BauNVO überschritten ist. Auch dies würde ersichtlich nicht dem Willen der Antragsgegnerin als Plangeberin entsprechen (wird ausgeführt).

Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass die auslegungsbedürftigen Festsetzungen nach § 1 Abs. 10 BauNVO unter Berücksichtigung des in der Planbegründung verlautbarten Willens der Antragsgegnerin als Plangeberin dahin zu verstehen sind, dass die ausnahmsweise zulässigen "Erweiterungen", "Änderungen" und "Erneuerungen" der abgesicherten Betriebe dahingehend begrenzt sind, dass sie sich im Rahmen dessen bewegen müssen, was der generellen Ausweisung des Plangebiets als Mischgebiet nicht widerspricht. Ausgeschlossen sind mithin solche "Erweiterungen", "Änderungen" und "Erneuerungen", die dazu führen würden, dass die betreffenden Betriebe gemäß § 11 Abs. 3 BauNVO nur in einem Sonder- oder Kerngebiet zugelassen werden könnten. "Nutzungsänderungen" sind demgegenüber auch insoweit ausgeschlossen, als sie mit den Sortimentsausschlüssen nach Abschnitt (4) der textlichen Festsetzungen unvereinbar wären. Es verbleiben alle Nutzungsänderungen, die nicht als Fortführung des bisherigen legalen Sortimentsvertriebs zu verstehen sind, sich nicht auf nach Abschnitt (4) ausgeschlossene Sortimente beziehen und auch im übrigen der generellen Baugebietsausweisung als Mischgebiet nicht widersprechen.

Bei diesem Verständnis der auf § 1 Abs. 10 BauNVO gestützten textlichen Festsetzungen sind die Ausweisungen hinreichend bestimmt.

Der strittige Bebauungsplan wahrt schließlich auch die Anforderungen des Abwägungsgebots nach § 1 Abs. 6 BauGB.

Im Vordergrund der Abwägung der Antragsgegnerin stand die Frage einer hinreichenden Berücksichtigung der Interessen der von der strittigen Planung betroffenen Grundeigentümer, deren Eigentum mit der im Bebauungsplan festgelegten Bestimmung von Inhalt und Grenzen des Eigentums

- vgl. hierzu BVerfG, Beschlüsse vom 22.2.1999 - 1 BvR 565/91 - BRS 62 Nr. 69 und vom 19.12.2002 - 1 BvR 1402/01 -,BRS 65 Nr. 6 -

nachteilig betroffen wird. Insoweit fordert die Bestandsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG, dass in erster Linie Vorkehrungen getroffen werden, die eine unverhältnismäßige Belastung des Eigentümers real vermeiden und die Privatnützigkeit des Eigentums so weit wie möglich erhalten.

Vgl.: BVerfG, Beschluss vom 19.12.2002 - 1 BvR 1402/01 -, BRS 65 Nr. 6.

Insbesondere muss im Rahmen der planerischen Abwägung auch beim Erlass eines Bebauungsplans das private Interesse am Erhalt bestehender Nutzungsrechte mit dem öffentlichen Interesse an einer städtebaulichen Neuordnung des Planungsgebiets abgewogen werden. Dabei ist in die Abwägung einzustellen, dass sich der Entzug baulicher Nutzungsmöglichkeiten für den Betroffenen wie eine Teilenteignung auswirken kann und dass dem Bestandsschutz daher ein den von Art. 14 Abs. 3 GG erfassten Fällen vergleichbares Gewicht zukommt.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 22.2.1999 - 1 BvR 565/91 -, BRS 62 Nr. 69.

Diesen Anforderungen wird die vom Rat der Antragsgegnerin hier vorgenommene Abwägung gerecht.

Bei seiner Entscheidung, das Plangebiet des strittigen Bebauungsplans insgesamt als Mischgebiet zu überplanen, hat sich der Rat der Antragsgegnerin maßgeblich davon leiten lassen, dass die dort vorhandenen baulichen Nutzungen mit dieser Festsetzung vereinbar sind. Dies folgt bereits aus den Ausführungen in der Planbegründung, wonach eine durchgeführte Bestandsaufnahme zu dem Ergebnis gekommen ist, dass sämtliche im Geltungsbereich vorhandenen Gewerbebetriebe nach den Auflagen und Kriterien eines Mischgebiets genehmigt worden sind. Dass eine solche Bestandsaufnahme - wenn auch erst in einem relativ späten Stadium des Planungsprozesses - durchgeführt wurde, trifft zu. Die bei den Aufstellungsvorgängen der Antragsgegnerin befindliche Auflistung, gegen deren Richtigkeit Bedenken weder vorgetragen noch sonst ersichtlich sind, gibt auch keinen Anlass, die Aussage einer Mischgebietsverträglichkeit der genehmigten Nutzungen in Frage zu stellen (wird ausgeführt).

Besonderer Berücksichtigung bedurften die Eigentümerinteressen allerdings auch insoweit, als der strittige Bebauungsplan mit den festgelegten Sortimentsbeschränkungen verschiedene Formen der Einzelhandelsnutzung künftig ausschließt. Diese Einschränkungen betreffen auf Grund der nach § 1 Abs. 10 BauNVO getroffenen Sonderregelungen jedoch nur solche Grundeigentümer, die entsprechende Nutzungen bislang tatsächlich noch nicht aufgenommen haben.

Deren konkrete Beeinträchtigungen beschränken sich darauf, dass ihnen faktisch nur die Möglichkeit genommen wird, künftig ihre Grundstücke für Einzelhandel mit den ausgeschlossenen Sortimenten zu nutzen. In den ausgeübten Bestand ihres Grundeigentums wird damit nicht eingegriffen. Ihnen werden lediglich bestimmte Nutzungschancen genommen. Auch wenn diese durchaus von beachtlichem wirtschaftlichem Interesse sind, handelt es sich letztlich nur um potentielle Nutzbarkeiten, deren uneingeschränkter Erhalt nicht gesichert ist. Deutlich wird dies auch daran, dass selbst das Planungsschadenrecht des § 42 BauGB bislang nicht ausgeübte zulässige Nutzungen grundsätzlich nur für die Dauer von sieben Jahren ab der Begründung ihrer Zulässigkeit vermögensrechtlich schützt.

Wenn die Antragsgegnerin den uneingeschränkten Erhalt dieser Nutzungschancen im Interesse des nach den vorstehenden Darlegungen städtebaulich gerechtfertigten Schutzes der Zentrumsfunktion der Kernzone ihrer Innenstadt, dem - wie dargelegt - beachtliches Gewicht zukommt, zurückgesetzt hat, so erscheint dies nicht als unverhältnismäßiger Eingriff in die grundrechtlich geschützte Eigentümerposition. Die hierin zum Ausdruck kommende Gewichtung der gegenläufigen Interessen liegt im Rahmen des zulässigen Abwägungsspektrums einer planenden Gemeinde und ist von Rechts wegen nicht zu beanstanden.

Nichts anderes gilt auch hinsichtlich der betroffenen Grundeigentümer, die bereits solche Nutzungen aufgenommen haben, die nach den Festsetzungen in Abschnitt (4) der textlichen Festsetzungen künftig im Plangebiet aus städtebaulich gerechtfertigten Gründen ausgeschlossen sind. Diesen Grundeigentümern wird nicht nur der gegebene legale Bestand ihrer Nutzungsmöglichkeiten im Sinne eines "passiven" Bestandsschutzes gesichert. Sie erhalten vielmehr sogar einen erweiterten - "aktiven" - Bestandsschutz nach der hierfür einschlägigen Rechtsnorm des § 1 Abs. 10 BauNVO, wenn auch in den dargelegten Grenzen.

Sonstige Mängel der Abwägung des Rates der Antragsgegnerin sind weder vorgetragen noch ersichtlich.



Ende der Entscheidung

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