Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 19.02.2004
Aktenzeichen: 7a D 67/03.NE
Rechtsgebiete: VwGO


Vorschriften:

VwGO § 47 Abs. 1 Satz 1
VwGO § 60 Abs. 1
Die Frist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO, innerhalb derer ein Normenkontrollantrag gestellt werden kann, ist eine Ausschlussfrist.
Tatbestand:

Am 19.8.2003 reichte der Antragsteller einen "Antrag auf Prozesskostenhilfe und Entwurf eines Antrags auf Normenkontrolle" bei Gericht ein und beantragte, ihm Prozesskostenhilfe zu gewähren. Er beabsichtigte, einen Normenkontrollantrag gegen einen am 23.11..2001 öffentlich bekannt gemachten Bebauungsplan zu erheben. Nach Fristsetzung überreichten die Prozessbevollmächtigten des Antragstellers am 20.11.2003 die "vollständig ausgefüllte Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers". Der Senat bewilligte dem Antragsteller für die Durchführung des Normenkontrollverfahrens mit Beschluss vom 28.11.2003 Prozesskostenhilfe. Der Beschluss ist den Prozessbevollmächtigten des Antragstellers am 2.12.2003 ohne förmliche Zustellung bekannt gegeben worden. Am 9.1.2004 setzte der Berichterstatter die Prozessbevollmächtigten des Antragstellers telefonisch vorab darüber in Kenntnis, dass an der Zulässigkeit eines Normenkontrollantrags im Hinblick auf den zwischenzeitlichen Fristablauf für einen Normenkontrollantrag Bedenken bestünden. Mit Schriftsatz vom 13.1.2004, bei Gericht eingegangen am 15.1.2004, stellte der Antragsteller daraufhin den Normenkontrollantrag und begehrte zugleich, ihm wegen Versäumung der Antragsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

Das OVG hat den Antrag verworfen.

Gründe:

Der Antrag ist unzulässig.

Der Antragsteller hat den Normenkontrollantrag nicht innerhalb der Antragsfrist von zwei Jahren nach Bekanntmachung des Bebauungsplans gestellt. Die versäumte Antragsfrist kann nicht durch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wieder eröffnet werden, da es sich bei der Antragsfrist um eine der Wiedereinsetzung nicht zugängliche Ausschlussfrist handelt. Ungeachtet dessen liegen auch die Voraussetzungen des § 60 VwGO für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht vor.

Gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO kann der Normenkontrollantrag nur innerhalb von zwei Jahren nach Bekanntmachung der Rechtsvorschrift gestellt werden. Der vom Antragsteller angegriffene Bebauungsplan ist am 23.11.2001 im Amtsblatt der Antragsgegnerin öffentlich bekannt gemacht worden. Der Antragsteller hätte daher gemäß §§ 188 Abs. 2, 187 Abs. 1 BGB den Antrag bis zum 23.11.2003 stellen müssen. Der Antrag ist aber erst mit dem am 15.1.2004 bei Gericht eingegangenem Antrag vom 13.1.2004 und damit verspätet gestellt worden.

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist für einen Normenkontrollantrag konnte nicht gewährt werden. Gemäß § 60 Abs. 1 VwGO ist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden gehindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Nicht alle gesetzlichen Fristen sind jedoch der Wiedereinsetzung zugänglich. Bei den sogenannten uneigentlichen Fristen oder auch Ausschlussfristen kommt eine Wiedereinsetzung nicht in Betracht. Eine Ausschlussfrist ist eine gesetzlich fixierte Zeitspanne, deren Ende einen äußersten Zeitpunkt festlegt, nachdem auch bei fehlendem Verschulden eine Prozesshandlung endgültig nicht mehr vorgenommen werden kann. Die Frist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist eine solche Ausschlussfrist.

Vgl. Eyermann/Fröhler, VwGO, 11. Aufl., 2000, § 47 Rdnr. 74; Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl., 2003, § 47 Rdnr. 83; Redeker/von Oertzen, VwGO, 13. Aufl., 2000, § 47 Rdnr. 26; Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand September 2003, § 47 Rdnr. 36; Sodan/Ziekow, VwGO, Stand Januar 2003, § 47 Rdnr. 251 e; offen gelassen: VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 6.8.1999 - 8 S 1715/99 -, BRS 62 Nr. 52; a.A. Brügelmann/Dürr, BauGB, Stand Oktober 2003, § 10 Rdnr. 583, m.w.N.

Der Wortlaut des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO ergibt allerdings keinen zwingenden Anhalt für die Feststellung, ob mit ihm eine Ausschlussfrist gesetzt werden soll. Hierfür sprechen nach Auffassung des Senats jedoch überwiegende Gründe von Sinn und Zweck der Vorschrift. Mit ihr soll die Zulässigkeit von Normenkontrollverfahren auf den Zeitraum von zwei Jahren nach Bekanntgabe des Bebauungsplans beschränkt werden. Der Festlegung dieses Zeitrahmens liegt eine Abwägung zugrunde zwischen den Interessen von durch einen Bebauungsplan in abwägungserheblichen Belangen Betroffenen daran, in einem (zulässigen) Normenkontrollverfahren den Bebauungsplan objektiver Rechtsprüfung zu unterwerfen, und den Interessen derjenigen, die ebenfalls von den Bebauungsplanfestsetzungen betroffen sind, sich aber auf den Bestand des Bebauungsplans grundsätzlich einrichten wollen. Hinzu tritt das Interesse der Träger öffentlicher Planung, namentlich der Gemeinde, die den Bebauungsplan erlassen hat, das mit dem Bebauungsplan verfolgte städtebauliche Konzept umzusetzen oder/und auf ihm aufbauend zum Gegenstand weiterer Planungen zu machen, ohne etwaige Normenkontrollanträge in ihre Erwägungen einstellen zu müssen. Bereits das durch die Fristbestimmung geschützte Vertrauen einer meist nicht genau bestimmbaren Zahl Dritter, die von potentiellen Antragstellern nicht selten keine Kenntnis haben (können), legt es nahe, von einer Ausschlussfrist auszugehen. Entscheidend tritt Folgendes hinzu: Die Möglichkeit, gemäß § 60 VwGO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu erlangen, dient dem Schutz der Rechte Betroffener und deshalb im Einzelfall der Forderung nach materieller Gerechtigkeit, der - nach Maßgabe der Voraussetzungen des § 60 VwGO - Vorrang vor der Rechtssicherheit gegeben wird.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 20.4.1982 - 2 BvL 26/81 -, BVerfGE 60, 253.

Ein derartiger Konflikt besteht hinsichtlich des Normenkontrollantrags nicht. Geht es darum, dass der Antragsteller einer zu seinen Lasten gehenden Umsetzung des Bebauungsplans entgegentreten will oder möchte er ein Vorhaben verwirklichen, das den Festsetzungen des Bebauungsplans widerspricht, ist der Bebauungsplan in dem jeweiligen Verfahren inzident auf seine Wirksamkeit zu prüfen. Eine Verletzung materieller Rechte des Antragstellers ist damit auch nach Ablauf der Zwei-Jahres-Frist nicht zu befürchten. Andererseits ist für planbetroffene Dritte gewöhnlich allein das Datum der Bekanntmachung des Bebauungsplans verlässlicher Anhaltspunkt für ihre Prüfung, ob noch mit einem Normenkontrollantrag gerechnet werden muss.

Sinn und Zweck der Zwei-Jahres-Frist als Ausschlussfrist werden durch die Gesetzesmaterialen bestätigt. Der Gesetzentwurf des Bundesrates stellt zur Begründung der Frist auf den Gedanken der Rechtssicherheit ab. Wegen der möglichen Beeinträchtigung der Rechtssicherheit "sieht (der Entwurf) deshalb eine zeitliche Beschränkung des Antragsrechts ... vor."

Vgl. BT-Drucks. 13/1433, S. 10.

Auf eben diese Erwägung stützte auch die Bundesregierung ihren Gesetzesentwurf, der sich von dem Entwurf des Bundesrates hinsichtlich der Frist nur insoweit unterschied, als statt einer fünfjährigen eine einjährige Frist bestimmt werden sollte.

Vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 13/3993, S. 10.

Andere Erwägungen lagen der schließlich im Vermittlungsausschuss gefundenen Bestimmung der Zwei-Jahres-Frist nicht zugrunde.

Vgl. Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses vom 26.9.1996, BT-Drucks. 13/5642.

Der Entscheidung des Senats stehen die Ausführungen des BVerwG, vgl. Beschluss vom 22.6.1999 - 4 BN 20.99 -, BVerwGE 109, 148 = BRS 62 Nr. 46, nicht entgegen. In jenem Verfahren ging es um die Frage, ob die in Nr. 1 des Gesetzes zur Beschränkung von Rechtsmitteln in der Verwaltungsgerichtsbarkeit, BGBl I 1993 S. 487 bestimmte Drei-Monats-Frist für den Normenkontrollantrag auch auf vor Inkrafttreten dieses Gesetzes bekannt gemachte Bebauungspläne Anwendung findet. Im Hinblick darauf, dass diese Frage erst im Wege richterlicher Rechtslückenschließung geklärt werden konnte, hat das BVerwG bei Versäumung der - durch Rechtsfortbildung geklärten - Frist eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Betracht gezogen. Um eine solche Gesetzeskonstellation geht es hier aber nicht.

Selbst wenn - entgegen der dargelegten Ansicht des Senats - zugunsten des Antragstellers eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand dem Grunde nach etwa deshalb als möglich angesehen würde, weil der Prozesskostenhilfeantrag erst am 28.11.2003 und damit kurz nach Ablauf der Frist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO beschieden worden ist, kommt eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hier nicht in Betracht. Die Voraussetzungen des § 60 VwGO für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sind nicht gegeben. (wird ausgeführt)

Ende der Entscheidung

Zurück