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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 28.07.2008
Aktenzeichen: 8 A 1548/07
Rechtsgebiete: IFG


Vorschriften:

IFG § 1 Abs. 1
Das Insolvenzrecht schließt einen Informationszugangsanspruch nach dem Informationsfreiheitsgesetz auch dann nicht aus, wenn der Anspruch von einem Insolvenzverwalter geltend gemacht wird.
Tatbestand:

Der Kläger begehrt in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter von der Beklagten, einer Krankenkasse, auf der Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes Auskunft u.a. über Zahlungen, die diese von der Insolvenzschuldnerin erhalten hat. Das VG hatte der Klage stattgegeben. Der dagegen gerichtete Antrag auf Zulassung der Berufung blieb ohne Erfolg.

Gründe:

Die Rüge der Beklagten, das VG sei unzutreffend davon ausgegangen, dass die Regelungen der Insolvenzordnung nicht abschließend seien, zeigt keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung auf.

Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG hat "jeder" nach Maßgabe dieses Gesetzes gegenüber den Behörden des Bundes einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen. Auf dieses Recht kann sich - wie das VG zutreffend festgestellt hat - der Kläger berufen.

Auch wenn der Kläger den Informationszugangsanspruch als Insolvenzverwalter geltend gemacht hat, fällt er in den persönlichen Anwendungsbereich des Gesetzes. Zwar ist zwischen dem Handeln des Klägers als Privatperson und demjenigen als Insolvenzverwalter zu unterscheiden. Dieser Umstand ändert aber nichts daran, dass der Kläger auch bei einem Tätigwerden als Insolvenzverwalter als natürliche Person anzusehen ist. Denn der Insolvenzverwalter nimmt seine Aufgaben als Partei kraft Amtes wahr.

Vgl. zur sog. Amtstheorie die ständige, auf das Reichsgericht zurückgehende Rechtsprechung des BGH wie etwa im Beschluss vom 27.10.1983 - I ARZ 334/83 -, BGHZ 88, 331 = NJW 1984, 739, m.w.N.

Als Partei kraft Amtes handelt er zwar für fremdes Vermögen, aber im eigenen Namen und nicht etwa in Vertretung des Schuldners oder der Gläubiger. Angesichts dessen wird er als natürliche Person tätig und fällt damit unter den von § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG erfassten Personenkreis.

Der Anspruch ist nicht durch § 1 Abs. 3 IFG ausgeschlossen. Nach dieser Bestimmung gehen dem Informationszugangsanspruch aus dem IFG Regelungen in anderen Rechtsvorschriften über den Zugang zu amtlichen Informationen - mit Ausnahme der hier nicht in Betracht kommenden Regelungen in § 29 VwVfG und § 25 SGB X - vor.

Konkurrenzfragen sind in jedem konkreten Einzelfall durch eine systematische, an Sinn und Zweck des Gesetzes orientierte Auslegung der jeweiligen Informationszugangsrechte zu klären. Um die Bestimmung des Verhältnisses verschiedener Informationszugangsrechte untereinander vornehmen zu können, müssen vor allem deren jeweilige Regelungsmaterien berücksichtigt werden. Eine Vorrangigkeit im Sinne einer Ausschließlichkeit ist nur dort anzunehmen, wo die jeweiligen Rechte die gleichen Anliegen verfolgen und/oder identische Zielgruppen erfassen. Eine Regelung in einer anderen Rechtsvorschrift im Sinne von § 1 Abs. 3 IFG liegt daher nur dann vor, wenn ihr Anwendungsbereich in sachlicher Hinsicht wegen spezifischer Anforderungen an die Informationen, die der Rechtsvorschrift unterfallen, und/oder in persönlicher Hinsicht wegen spezifischer Anforderungen an die Personen, auf welche die Rechtsvorschrift Anwendung findet, beschränkt ist. Wenn spezialgesetzliche Regelung für einen gesonderten Sachbereich oder für bestimmte Personengruppen einen begrenzten Informationsanspruch vorsehen, ist deshalb im Einzelfall zu untersuchen, ob diese Grenzen auch für den Anspruch aus § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG bindend sind. Das ist anzunehmen, wenn ein umfassender Informationsanspruch dem Schutzzweck des Spezialgesetzes zuwider laufen würde. Lässt sich derartiges nicht feststellen, gelangt der Anspruch aus § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG zur Anwendung.

Vgl. zum IFG NRW: OVG NRW, Beschluss vom 31.1.2005 - 21 E 1487/04 -, DÖV 2005, 832 = NJW 2005, 2028 = NWVBl. 2006, 296, m.w.N.

Entgegen der Auffassung der Beklagten schließt das Insolvenzrecht den Informationszugangsanspruch des Klägers nicht aus.

Die Beklagte beruft sich für die von ihr vertretene Ansicht auf die Urteile des BGH vom 6.6.1979 - VIII ZR 255/78 - (BGHZ 74, 379 = NJW 1979, 1832) und vom 15.1.1987 - IIX ZR 4/86 - (NJW 1987, 1812), denen zu Folge die Auskunftsansprüche des Insolvenzverwalters in der Insolvenzordnung abschließend geregelt seien und nur durch den Gesetzgeber erweitert werden könnten. Beide Entscheidungen befassen sich aber allein mit der Frage des Bestehens von Auskunftsansprüchen im Zusammenhang mit dem Rückgewährschuldverhältnis zwischen Insolvenzverwalter und Anfechtungsgegner auf der Grundlage von § 242 BGB. Ihnen lässt sich aber kein Anhaltspunkt dafür entnehmen, dass damit auch allgemeine Auskunftsansprüche ausgeschlossen sein könnten, die - wie der vorliegend in Rede stehende Informationszugangsanspruch - durch ein Gesetz losgelöst von einem Insolvenzverfahren für "jeden" begründet werden. Durch die Zuerkennung eines Informationszugangsanspruch wird das Auskunftsrecht des Insolvenzverwalters nicht über die Regelungen der Insolvenzordnung hinaus erweitert. Mit der Geltendmachung eines derartigen Anspruchs macht sich der Insolvenzverwalter vielmehr allein den Umstand zunutze, dass die Beklagte als bundesunmittelbare Körperschaft des öffentlichen Rechts (vgl. Art. 87 Abs. 2 Satz 1 GG) der für jede Bundesbehörde bestehenden und im öffentlichen Recht begründeten Verpflichtung unterliegt, jedem auf einen entsprechenden Antrag hin Zugang zu den bei ihr vorhandenen amtlichen Informationen zu gewähren. Der Informationszugangsanspruch findet also gerade in der besonderen Stellung der Beklagten als Bundesbehörde seine Grundlage. Angesichts dessen sind keine Umstände ersichtlich, die es rechtfertigen könnten, dass die Beklagte einem Insolvenzverwalter gegenüber von der ihr allgemein obliegenden Verpflichtung befreit sein sollte.

Ende der Entscheidung

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