Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 10.06.2008
Aktenzeichen: 8 D 103/07.AK
Rechtsgebiete: BImSchG, 9. BImSchV, TA Luft, BauGB, LPlG NRW


Vorschriften:

BImSchG § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
BImSchG § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
BImSchG § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4
BImSchG § 6 Abs. 1 Nr. 1
BImSchG § 9 Abs. 3
BImSchG § 10 Abs. 3 Satz 1
BImSchG § 10 Abs. 3 Satz 2
9. BImSchV § 8
9. BImSchV § 9
9. BImSchV § 10 Abs. 1 Satz 1
9. BImSchV § 10 Abs. 1 Satz 2
TA Luft Nr. 4.1
TA Luft Nr. 4.2
TA Luft Nr. 4.3
TA Luft Nr. 4.4
TA Luft Nr. 4.5
BauGB § 1 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 1
BauGB § 30
BauGB § 34 Abs. 1
LPlG NRW § 19 Abs. 1 Satz 1
1. Ein Dritter, der nachweislich zum Zeitpunkt der Bekanntmachung des immissionsschutzrechtlichen Vorhabens an einem Ort wohnte, in dem eine der Tageszeitungen mit der Bekanntmachung erschien, kann nicht erfolgreich geltend machen, die Bekanntmachung habe nicht den gesamten Einwirkungsbereich der Anlage erfasst.

2. Ein Dritter kann nicht allein wegen eines Fehlers bei der Auslegung der Unterlagen die Aufhebung des angefochtenen Verwaltungsaktes verlangen, wenn er trotz des Fehlers seine Rechte so wahrgenommen hat, wie er es ohne den Auslegungsfehler getan hätte.

3. Eine Verletzung der Schutzpflicht gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG scheidet, von atypischen Sonderfällen abgesehen, jedenfalls dann aus, wenn die durch das Vorhaben verursachten zusätzlichen Immissionen luftverunreinigender Stoffe im Sinne der Nr. 4.2.1 TA Luft unter 1 % des jeweiligen Immissionswertes liegen.

4. Der Einzelne kann nicht verlangen, dass Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Beeinträchtigungen, insbesondere durch dem Stand der Technik entsprechende Maßnahmen, getroffen wird (vgl. § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BImSchG) sowie Energie effizient und sparsam verwendet wird (vgl. § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BImSchG), wenn sich der Immissionsbeitrag der streitgegenständlichen Anlage ihm gegenüber als irrelevant erweist.


Tatbestand:

Der Kläger, der 9 km vom Kraftwerk entfernt in I. wohnt, wandte sich gegen den von der Bezirksregierung D. erteilten Vorbescheid für die Erweiterung des Steinkohle-Heizkraftwerks Duisburg-Walsum. Das Kraftwerk soll um einen der Kohleverstromung dienenden Block mit einer Feuerungswärmeleistung von 1.750 MW und nachgelagerter Abgasreinigung erweitert werden. Das Vorhaben wurde im Amtsblatt der Bezirksregierung D. und in den Lokalzeitungen bekannt gemacht, deren Verbreitungsgebiet sich nicht auf das Gebiet der Stadt B. erstreckte. Die Antragsunterlagen wurden nur am Sitz der Bezirksregierung und im Bezirksamt W. ausgelegt. In dem Vorbescheid hatte die Bezirksregierung unter anderem festgestellt, dass die Erweiterung des Kraftwerks den umweltrechtlichen Genehmigungsvoraussetzungen entspreche. Der Kläger hielt dem entgegen, dass die an seinem Wohnsitz durch die Erweiterung des Kraftwerks auftretenden Immissionen das zumutbare Maß übersteigen würden. Insbesondere sei die vorhandene Vorbelastung zu berücksichtigen. Zudem entspreche die geplante Erweiterung des Kraftwerks nicht dem Stand der Technik. Würde Kohle zunächst vergast und das so gewonnene und gereinigte Gas sodann in Strom umgewandelt, entstünden weit weniger Schadstoffe. Das OVG wies die Klage des Klägers ab.

Gründe:

Der immissionsschutzrechtliche Vorbescheid vom 28.7.2006 verletzt auch in der Fassung der Widerspruchsbescheide vom 7. und 10.8.2007 den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), weil er nicht gegen auch dem Schutz des Klägers dienende Vorschriften des öffentlichen Rechts verstößt.

Vgl. zu dem für die Beurteilung maßgeblichen Zeitpunkt der Sach- und Rechtslage: BVerwG, Beschluss vom 11.1.1991 - 7 B 102.90 -, BayVBl. 1991, 375; OVG NRW, Beschluss vom 23.1.2008 - 8 B 215/07 -, juris Rn. 58, unter Hinweis auf das Urteil des Senats vom 28.11.2007 - 8 A 2325/07 -, BauR 2008, 799 f.

Weder liegt eine in Bezug auf den Kläger beachtliche Verletzung drittschützender immissionsschutzrechtlicher Vorschriften vor (I.) noch sind sonstige drittschützende Vorschriften zu Lasten des Klägers verletzt (II.).

I. Auf eine Verletzung drittschützender Vorschriften des Bundesimmissionsschutzgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 26.9.2002 (BGBl. I S. 3830), und der bei Erlass des Vorbescheids letzten Änderung durch Art. 1 des Gesetzes vom 25.6.2005 (BGBl. I S. 1865) bzw. - ohne dass sich für diesen Rechtsstreit bedeutende Abweichungen ergäben - der bei Erlass der Widerspruchsbescheide letzten Änderung durch Art. 3 des Gesetzes vom 18.12.2006 (BGBl. I S. 3180), kann sich der Kläger nicht mit Erfolg berufen. Dies gilt sowohl für die Verfahrensvorschriften (1.) als auch für die materiellrechtlichen Normen (2.).

1. Der Kläger ist nicht dadurch in seinen Rechten verletzt, dass die Verfahrensvorschriften des Immissionsschutzrechts über die Bekanntmachung des Vorhabens (a) und über die Auslegung der Unterlagen (b) nicht vollständig beachtet wurden.

a) Der Verstoß gegen Vorschriften über die Bekanntmachung des Vorhabens ist hier unbeachtlich.

Das geplante Vorhaben ist nach § 10 Abs. 3 Satz 1 BImSchG und den §§ 8 und 9 der Verordnung über das Genehmigungsverfahren in der Fassung der Bekanntmachung vom 29.5.1992 (BGBl. I S. 1001), zuletzt geändert durch Art. 5 des Gesetzes vom 21.6.2005 (BGBl. I S. 1666), - 9. BImSchV - im amtlichen Veröffentlichungsblatt der Behörde und außerdem in örtlichen Tageszeitungen, die im Bereich des Standortes der Anlage verbreitet sind, öffentlich bekannt zu machen. Als "Bereich" ist der mutmaßliche Einwirkungsbereich der Anlage anzusehen, weil diejenigen Personen, die möglicherweise durch Auswirkungen der Anlage betroffen werden, vor dem Hintergrund der Präklusionswirkung von der behördlichen Bekanntmachung Kenntnis nehmen können sollen.

Vgl. Sellner/Reidt/Ohms, Immissionsschutzrecht und Industrieanlagen, 3. Aufl., 2006, 2. Teil, Rn. 68.

Dem wird die Bekanntmachung des Vorhabens am 8.9.2005 im Amtsblatt für den Regierungsbezirk D. sowie in den Ausgaben D., O., W./D. und M. der WAZ/NRZ und den Ausgaben D., W. und M. der Rheinischen Post zwar nicht gerecht, weil eine Bekanntmachung in Tageszeitungen, die in B. verbreitet wurden, unterblieb, obwohl der Einwirkungsbereich der Anlage sich auch auf dieses Stadtgebiet erstreckte. Ein Dritter, der nachweislich zum Zeitpunkt der Bekanntmachung an einem Ort wohnte, in dem eine der Tageszeitungen mit der Bekanntmachung erschien, kann aber nicht erfolgreich geltend machen, die Bekanntmachung habe nicht den gesamten Einwirkungsbereich der Anlage erfasst.

Vgl. Sellner/Reidt/Ohms, a.a.O., Rn. 71; Roßnagel, in: Koch/Scheuing/Pache, Gemeinschaftskommentar zum Bundes-Immissionsschutzgesetz, § 10 Rn. 280.

So liegt es hier. Das Verbreitungsgebiet der Ausgabe W. der Rheinischen Post und der Ausgabe W./D. der WAZ/NRZ, in denen die Bekanntmachung abgedruckt war, erstreckte sich auch auf den Wohnsitz der Klägers.

b) Auch die Verletzung von Vorschriften über die Auslegung der Antragsunterlagen ist hier nicht von Bedeutung.

Gemäß § 10 Abs. 3 Satz 2 BImSchG und § 10 Abs. 1 Sätze 1 und 2 der 9. BImSchV sind bei UVP-pflichtigen Vorhaben der Antrag sowie die beigefügten Unterlagen bei der Genehmigungsbehörde und auch in den Gemeinden auszulegen, in denen sich das Vorhaben voraussichtlich auswirkt. Denn die Auslegung soll potentiellen Einwendern ermöglichen, sich über die Auswirkungen des Vorhabens zu informieren.

Vgl. Sellner/Reidt/Ohms, a.a.O., Rn. 75.

Diese Bestimmung kommt hier zur Anwendung, weil die streitgegenständliche Anlage gemäß § 3 b des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung in der Fassung der Bekanntmachung vom 25.6.2005 (BGBl. I S. 1757, ber. S. 2797), zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes vom 24.6.2005 (BGBl. I S. 1794), i. V. m. Nr. 1.1.1 der Anlage 1 zum UVPG der Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung unterfällt. Sie ist zwar nicht beachtet worden. Denn die Auslegung des Antrags und der beigefügten Unterlagen erfolgte nur am Sitz der Beklagten in D. und im Bezirksamt W. Ein Dritter kann aber nicht allein wegen eines Fehlers bei der Auslegung der Unterlagen die Aufhebung des angefochtenen Verwaltungsaktes verlangen, wenn er trotz des Fehlers seine Rechte so wahrgenommen hat, wie er es ohne den Auslegungsfehler getan hätte.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 29.3.1966 - I C 19.65 -, BVerwGE 24, 23 (31); Dietlein, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Bd. 1, BImSchG § 10 Rn. 173 f.

Diese Voraussetzung ist hier erfüllt. Es ist nicht ersichtlich, dass der Kläger durch die mangelhafte Auslegung der Unterlagen davon abgehalten worden wäre, rechtzeitig und vollständig seine Einwendungen zu erheben.

Der Kläger hat mit Schreiben vom 6.10.2005 Einwendungen erhoben. Er hat darüber hinaus weder in diesem Schreiben noch in seinem Schreiben vom 15.11.2005 geltend gemacht, aufgrund der fehlenden Auslegung des Antrags und der zugehörigen Unterlagen an seinem Wohnsitz seine Einwendungen nur unvollkommen vortragen zu können. Auch im Erörterungstermin vom 15.11.2005 hat er das Fehlen der Auslegung des Antrags und der zugehörigen Unterlagen allein vor dem Hintergrund thematisiert, die "Leute" in I., E. und W. wüssten nichts von den Schadstoffemissionen der Anlage. Schließlich hat er selbst im Klageverfahren nicht für sich in Anspruch genommen, durch die fehlende Auslegung der Antragsunterlagen in I. an der Geltendmachung seiner Rechte gehindert gewesen zu sein.

2. Der angefochtene Vorbescheid verletzt auch keine materiellrechtlichen Vorschriften des Immissionsschutzrechts, die dem Schutz des Klägers zu dienen bestimmt sind. Der Kläger kann nicht mit Erfolg geltend machen, die streitgegenständliche Anlage sei nicht mit § 5 BImSchG vereinbar.

Nach dem gemäß § 9 Abs. 3 und § 6 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG auch im Verfahren auf Erteilung eines Vorbescheides beachtlichen § 5 Abs. 1 Satz 1 BImSchG sind genehmigungsbedürftige Anlagen unter anderem so zu errichten und zu betreiben, dass schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können (Nr. 1), Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen getroffen wird, insbesondere durch die dem Stand der Technik entsprechenden Maßnahmen, (Nr. 2) und Energie sparsam und effizient verwendet wird (Nr. 4).

a) Die immissionsschutzrechtliche Schutzpflicht im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG ist nicht zu Lasten des Klägers verletzt.

Sie greift als Instrument der Gefahrenabwehr ein, wenn die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts besteht. Sie dient der Abwehr erkannter Gefahren und der Vorbeugung gegenüber künftigen Schäden, die durch solche Gefahren hervorgerufen werden können. Eine Gefahr liegt nach der klassischen Begriffsdefinition dort vor, wo "aus gewissen gegenwärtigen Zuständen nach dem Gesetz der Kausalität gewisse andere Schaden bringende Zustände und Ereignisse erwachsen werden" (PrOVG, Urteil vom 15.10.1894, PrVBl. 16, 125, 126). Daran fehlt es bei Ungewissheit über einen Schadenseintritt. Potentiell schädliche Umwelteinwirkungen, ein nur möglicher Zusammenhang zwischen Emissionen und Schadenseintritt oder ein generelles Besorgnispotential können Anlass für Vorsorgemaßnahmen sein, sofern diese nach Art und Umfang verhältnismäßig sind. Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen erfasst mithin mögliche Schäden, die sich deshalb nicht ausschließen lassen, weil nach dem derzeitigen Wissensstand bestimmte Ursachenzusammenhänge weder bejaht noch verneint werden können, weshalb noch keine Gefahr, sondern nur ein Gefahrenverdacht oder ein Besorgnispotential besteht. Gibt es hinreichende Gründe für die Annahme, dass Immissionen möglicherweise zu schädlichen Umwelteinwirkungen führen, ist es Aufgabe der Vorsorge, solche Risiken unterhalb der Gefahrengrenze zu minimieren. Ob bei ungewissem Kausalzusammenhang zwischen Umwelteinwirkungen und Schäden eine Gefahr oder ein Besorgnispotential anzunehmen ist, hängt vom Erkenntnisstand über den Wahrscheinlichkeitsgrad des Schadenseintritts ab.

Vgl. zum Ganzen: BVerwG, Urteil vom 11.12.2003 - 7 C 19.02 -, BVerwGE 119, 329 (332 f.).

aa) Die Grenze zwischen drittschützender Schutzpflicht und gefahrenunabhängiger Risikovorsorge bei Ungewissheit über die Schädlichkeit von Umweltauswirkungen für die menschliche Gesundheit ist für einen Teil der Schadstoffe in der TA Luft festgelegt worden, die das hinzunehmende Risiko für den Einzelnen und für die Allgemeinheit aufgrund fachlichen Sachverstands, politischer Legitimation und verantwortbarer Bewertung konkretisiert.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 11.12.2003 - 7 C 19.02 -, a.a.O. (333).

Unter Berücksichtigung der danach maßgeblichen TA Luft steht das Vorhaben der Beigeladenen in seiner dem angefochtenen Vorbescheid zu Grunde liegenden Form in Bezug auf die Schadstoffe Blei, Schwebstaub (PM-10), Schwefeldioxid, Stickstoffdioxid, Cadmium und Fluorwasserstoff sowie die Niederschläge der Schadstoffe Schwebstaub (PM-10), Arsen, Blei, Cadmium, Nickel, Quecksilber und Thallium mit der Schutzpflicht gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG in Einklang, weil durch die geplante Anlage der Beigeladenen lediglich irrelevante Zusatzbelastungen hervorgerufen werden.

Gemäß Nr. 4.1 Abs. 4 Satz 1 Buchst. c und Satz 2 TA Luft kann für die Schadstoffe, für die Immissionswerte in den Nrn. 4.2. bis 4.5 TA Luft festgelegt sind, unter anderem dann davon ausgegangen werden, dass schädliche Umwelteinwirkungen durch die Anlage nicht hervorgerufen werden können, wenn durch die Anlage lediglich eine irrelevante Zusatzbelastung hervorgerufen wird. Dem liegt die Erwägung zu Grunde, dass eine Anlage von atypischen Sonderfällen abgesehen bei Verursachung einer im Verhältnis zur bestehenden Vorbelastung geringfügigen Zusatzbelastung keinen im Sinne rechtlicher Zurechnung kausalen Beitrag zu den schädlichen Umwelteinwirkungen durch den betroffenen Stoff leistet.

Vgl. näher hierzu: Hansmann, in: Landmann/ Rohmer, Umweltrecht, Band 2, Stand: 1.9.2007, TA Luft Nr. 4.2 Rn. 22; zur Irrelevanzschwelle als Grenze der Schutzpflicht: BVerwG, Urteil vom 11.12.2003 - 7 C 19.02 -, a.a.O. (334).

Unter welchen Voraussetzungen von einer irrelevanten Zusatzbelastung ausgegangen werden kann, ist für die in den Nrn. 4.2.1, 4.3.1, 4.4.2 und 4.5.1 TA Luft genannten Schadstoffe unterschiedlich geregelt. Im Einzelnen gilt Folgendes:

(1) Hinsichtlich der unter Nr. 4.2.1 TA Luft genannten Schadstoffe liegt nach Nr. 4.2.2 Abs. 1 Buchst. a TA Luft eine irrelevante Zusatzbelastung vor, wenn die Kenngröße für die Zusatzbelastung durch Emissionen der Anlage an dem Beurteilungspunkt 3,0 % des in Nr. 4.2.1 TA Luft bestimmten Immissions-Jahreswertes nicht überschreitet.

Für Blei, Schwebstaub (PM-10), Schwefeldioxid und Stickstoffoxid gelten die in Nr. 4.2.1 Abs. 1 TA Luft genannten Immissions-Jahreswerte bzw. zulässigen Überschreitungshäufigkeiten. Für Cadmium und anorganische Cadmiumverbindungen als Bestandteile des Schwebstaubes (PM-10), angegeben als Cd, gilt gemäß Nr. 4.2.1 Abs. 2 Satz 2 TA Luft ein Immissionswert von 0,02 µg/m³ bei einem Mittelungszeitraum von einem Jahr. Die in der Richtlinie 2004/107/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15.12.2004 über Arsen, Cadmium, Quecksilber, Nickel und polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe in der Luft (ABl. L 23 vom 26.1.2005, S. 3) festgelegten Immissionswerte für diese Schadstoffe gelten hingegen nicht gemäß Nr. 4.2.1 Abs. 2 Satz 1 TA Luft als Immissionswerte im Sinne der TA Luft. Denn es handelt sich hierbei nicht um Grenzwerte, sondern lediglich um Zielwerte, die nach Möglichkeit ab dem 31.12.2012 eingehalten werden sollen.

Ausgehend von diesen Vorgaben stellen sich die auf dem Grundstück des Klägers zu erwartenden Zusatzimmissionen von Blei, Schwebstaub (PM-10), Schwefeldioxid, Stickstoffdioxid und Cadmium als irrelevant dar. Das Maß der am Wohnsitz des Klägers zusätzlich auftretenden Immissionen kann der im Widerspruchsverfahren von der Beigeladenen mit Schreiben vom 6.3.2007 vorgelegten, auf das Grundstück des Klägers bezogenen Ausbreitungsrechnung entnommen werden. Diese unterschreiten - wie sich aus der nachfolgenden Tabelle ergibt - die in der TA Luft bestimmte Irrelevanzschwelle von 3,0 % des jeweiligen Immissionswertes deutlich:

 Stoff/StoffgruppeImmissionswert bei einem Mittelungszeitraum von einem JahrJahreszusatzimmissionen bei einem Mittelungszeitraum von einem Jahr
(Blöcke 7/9 und 10)Anteil der Jahreszusatzimmissionen am Immissionswert (Blöcke 7/9 und 10)
Blei Pb0,5 µg/m³0,000056 µg/m³0,01 %
Schwebstaub (PM-10)40 µg/m³0,011 µg/m³0,03 %
Schwefeldioxid SO250 µg/m³0,19 µg/m³0,38 %
Stickstoffdioxid NO240 µg/m³0,063 µg/m³0,16 %
Cadmium Cd20 ng/m³0,017 ng/m³0,08 %

Die Irrelevanzschwelle wird in Bezug auf den Schadstoff Cadmium selbst dann deutlich unterschritten, wenn statt des in der TA Luft bestimmten Immissionswertes von 20 ng/m³ der in der Richtlinie 2004/107/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Dezember 2004 über Arsen, Cadmium, Quecksilber, Nickel und polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe in der Luft (ABl. L 23 vom 26. Januar 2005, S. 3) festgelegte, strengere Immissionswert von 5 ng/m³ zu Grunde gelegt wird. Der Anteil der am Wohnsitz des Klägers auftretenden Jahreszusatzimmissionen dieses Stoffes am Immissionswert beträgt auch dann lediglich 0,34 %. (...)

Ob und inwieweit bei einer danach fehlenden Überschreitung der in der TA Luft bestimmten Irrelevanzschwelle Raum für die Annahme bleibt, es könnten gleichwohl schädliche Umwelteinwirkungen bestehen, kann offen bleiben. Anlass für eine solche Annahme könnte etwa bestehen, wenn der Betrieb der zu prüfenden Anlage kurzfristig zu hohen Emissionen führt. Denn dann ist die Vermutung nicht gerechtfertigt, dass eine Anlage mit über das Jahr gemittelten geringen Immissionsbeiträgen nicht zu einer relevanten Erhöhung der zugelassenen Überschreitungshäufigkeit bei den Tages- und Stundenmittelwerten beitragen wird.

Vgl. Hansmann, in: Landmann/Rohmer, a.a.O., TA Luft Nr. 4.2 Rn. 39.

Dies ist hier aber nicht der Fall. Das Heizkraftwerk der Beigeladenen soll unter Einhaltung der im angefochtenen Vorbescheid festgelegten Emissionsgrenzwerte kontinuierlich betrieben werden. Ausgehend davon kommt den Tages- oder Stundenwerten hinsichtlich der Emissionen der Anlage der Beigeladenen entgegen der Ansicht des Klägers auch keine ausschlaggebende Bedeutung zu, da nicht zu erwarten ist, dass diese besonderen Schwankungen unterliegen.

Überdies könnten trotz eines Unterschreitens der Irrelevanzschwelle - eine dem Kläger günstige rechtliche Betrachtungsweise unterstellt - hinreichende Anhaltspunkte für das Bestehen schädlicher Umwelteinwirkungen vorliegen, wenn die Zusatzbelastung durch Emissionen der zu prüfenden Anlage von in Nr. 4.2.1 TA Luft genannten Schadstoffen mehr als 1 % beträgt und vergleichbare Beiträge aus anderen Quellen bestehen oder zu erwarten sind, deren Höhe es als möglich erscheinen lässt, dass bei Hinzutreten der Zusatzbelastung der Immissionswert am Beurteilungspunkt nicht überschritten wird (relevante Vorbelastung).

Vgl. Hansmann, a.a.O., TA Luft Nr. 4.2 Rn. 38; ders., Die neue TA Luft, NVwZ 2003, 266 (273); eine Sonderfallprüfung bei Unterschreiten der Irrelevanzgrenze ohne Einschränkungen verneinend: Gerhold, Anwendungsfragen der neuen TA Luft, UPR 2003, 44 (47).

Keine dieser beiden Voraussetzungen ist hier gegeben.

Die unter Nr. 4.2.1 TA Luft genannten, hier relevanten Schadstoffe liegen - wie bereits in Tabelle 1 dargestellt - unterhalb der Irrelevanzschwelle von 1 %.

Auch eine relevante Vorbelastung am Wohnsitz des Klägers ist nicht erkennbar. Gegen sie sprechen die an der Messstation X. gewonnenen Messergebnisse. Die dort erhobenen Daten können zur Einschätzung der Immissionssituation am Wohnsitz des Klägers herangezogen werden. Die Messstation ist aus der sachverständigen Sicht des LANUV NRW geeignet, die Immissionssituation in ähnlich genutzten Umgebungen von X. zu beschreiben. Anhaltspunkte dafür, dass am Wohnsitz des Klägers höhere Immissionsbelastungen vorliegen als am Messort X., sind dem LANUV NRW nicht bekannt und auch sonst nicht ersichtlich. (...)

Auf die in der Messstation Y., gewonnenen Messdaten, insbesondere auf die dort gemessenen Überschreitungen der zulässigen Tagesmittelwerte, kann hingegen nicht abgestellt werden. Dort wird - anders als in X. - nicht die Hintergrundbelastung, sondern die vornehmlich durch den Kraftfahrzeugverkehr beeinflusste Immissionssituation ermittelt. Denn die Messstation in Y. steht auf dem Parkstreifen einer zweispurigen Hauptstraße, die beidseitig von drei- bis viergeschossigen Häusern gesäumt wird. Entgegen der Ansicht des Klägers lässt sich aus den stündlich berechneten Messwerten dieser Station für Schwebstaub (PM-10) nicht auf eine besonders hohe Belastung in den verkehrsarmen Zeiten und daher auf eine relevante Vorbelastung durch industriebedingte Schadstoffemissionen schließen. Das LANUV NRW veröffentlicht die Daten zu Schwebstaub (PM-10) im Internet nämlich in Form von gleitenden 24-h-Werten und nicht in Form von über eine Stunde gemittelten Messwerten.

Nach den an der Messstation X. erhobenen und vom LANUV NRW in seiner Stellungnahme vom 20.5.2008 mitgeteilten Daten sind in den Jahren 2005 bis 2007 die auf einen Mittelungszeitraum von einem Jahr bezogenen Immissionswerte für Stickstoffdioxid und Schwebstaub (PM-10) dort deutlich unterschritten worden. Für Stickstoffdioxid lag die Kenngröße bei 25 µg/m³ in den Jahren 2005 und 2007 bzw. 27 µg/m³ im Jahr 2006 und für Schwebstaub (PM-10) bei 23 µg/m³ im Jahr 2005, 24 µg/m³ im Jahr 2006 und 27 µg/m³ im Jahr 2007. Auch die zulässige Tageshöchstkonzentration für Schwebstaub (PM-10) lag mit 15 Überschreitungen im Jahr 2005, 11 Überschreitungen im Jahr 2006 und 29 Überschreitungen im Jahr 2007 noch unter der zulässigen Überschreitungshäufigkeit von 35 Überschreitungen pro Jahr. Angesichts des geringen Anteils der von der Anlage der Beigeladenen zu erwartenden Stickstoffdioxidzusatzbelastung von 0,063 µg/m³ bzw. Schwebstaubzusatzbelastung von 0,011 µg/m³ ist auch nicht davon auszugehen, dass die Immissionswerte für Stickstoffdioxid und Schwebstaub (PM-10) gerade aufgrund der Emissionen der streitgegenständlichen Anlage künftig am Wohnsitz des Klägers überschritten werden.

Schließlich kann der Kläger aus dem Umstand nichts für sich herleiten, dass in Nr. 4.2.2 Abs. 1 Buchst. a TA Luft die Genehmigungserteilung bei Überschreiten der Immissionswerte über das Vorliegen einer nach den vorangegangenen Ausführungen irrelevanten Zusatzbelastung hinaus davon abhängig gemacht wird, dass durch eine Auflage sichergestellt ist, dass weitere Maßnahmen zur Luftreinhaltung, insbesondere Maßnahmen, die über den Stand der Technik hinausgehen, durchgeführt werden. Dabei kann dahinstehen, ob der Einzelne zur Minimierung seines Gesundheitsrisikos oder aus anderen Gründen überhaupt einen Anspruch auf Durchsetzung solcher Maßnahmen haben kann.

Vgl. die Maßnahme der Vorsorgepflicht zuordnend: Hansmann, a.a.O., TA Luft Nr. 4.2 Rn. 29.

Denn ein solcher Anspruch scheidet, von atypischen Sonderfällen abgesehen, jedenfalls dann aus, wenn die Zusatzbelastung unter 1 % des jeweiligen Immissionswertes liegt. Bei einer derartigen Fallgestaltung ist ein rechtlich relevanter Beitrag der Anlage zu den schädlichen Umwelteinwirkungen wegen des deutlichen Unterschreitens der in der TA Luft bestimmten Irrelevanzschwelle von 3 % in jedem Fall ausgeschlossen. Können der Anlage aber bereits die Zusatzimmissionen nicht mehr rechtlich zugerechnet werden, bleibt für einen Anspruch des von den Zusatzimmissionen Betroffenen auf weitere Minimierung dieser Immissionen kein Raum. Diese Voraussetzung ist - wie sich aus der obigen Tabelle 1 ergibt - hier erfüllt. Nach der Tabelle 1 liegt der Anteil der Zusatzimmissionen für die Schadstoffe Blei, Schwebstaub (PM-10), Schwefeldioxid, Stickstoffdioxid und Cadmium weit unter 1 %. Anhaltspunkte für die Annahme eines atypischen Sonderfalls sind nicht ersichtlich.

(2) Die Zusatzbelastung durch den in Nr. 4.3.1 genannten Staubniederschlag ist nach Nr. 4.3.2. Buchst. a TA Luft irrelevant, wenn die Kenngröße für die Zusatzbelastung nicht über einem Wert von 10,5 mg/(m²·d) - gerechnet als Mittelwert für das Jahr - liegt. Diese Voraussetzung liegt hier vor. Nach der zutreffenden Ausbreitungsrechnung wird diese Irrelevanzgrenze am Wohnsitz des Klägers deutlich unterschritten. Dort ergibt sich, bezogen auf den Mittelungszeitraum von einem Jahr, für Staubniederschlag lediglich ein Wert von 0,0016 mg/(m²·d), was einem Anteil an dem für die Irrelevanz maßgeblichen Schwellenwert von 1,5 Tausendstel entspricht. Unter Berücksichtigung der unter B. I. 2 a) aa) (1) genannten Erwägungen besteht danach auch kein Anlass für die Annahme, es bestünden gleichwohl schädliche Umwelteinwirkungen durch die Deposition von Schwebstaub.

(3) Hinsichtlich des in Nr. 4.4.2 genannten Fluorwasserstoffs ist eine Zusatzbelastung nach Nr. 4.4.3 Buchst. a TA Luft irrelevant, wenn diese 0,04 µg/m³ beträgt. Diese Voraussetzung ist hier gegeben. Die nach der zutreffenden Ausbreitungsrechnung am Wohnsitz des Klägers zu erwartende Zusatzimmission von 0,0043 µg/m³ macht nur knapp mehr als ein Zehntel dieses Irrelevanzwertes aus. Anhaltspunkte dafür, dass dieser Stoff am Wohnsitz des Klägers gleichwohl eine schädliche Umwelteinwirkung darstellt, sind nicht ersichtlich. Sie ergeben sich insbesondere nicht daraus, dass die Zusatzbelastung 1,075 % des in der TA Luft unter Nr. 4.4.2 Satz 1 bestimmten Immissionswertes von 0,4 µg/m³ beträgt. Im Unterschied zu den Überlegungen unter B. I. 2 a) aa) (1) ist hier nicht die 1 %-Schwelle maßgebend. Der Immissionswert nach Nr. 4.4.2 Satz 1 TA Luft dient nicht dem Schutz der menschlichen Gesundheit, sondern (lediglich) dem Schutz vor erheblichen Belästigungen oder erheblichen Nachteilen; dementsprechend sieht die TA Luft einen (gegenüber Nr. 4.2.2 Buchst. a TA Luft höheren) Irrelevanzwert von 10% vor.

Vgl. Hansmann, a.a.O., TA Luft Nr. 4.4 Rn. 18.

Da dieser Wert hier mit 1,075 % deutlich unterschritten wird, liegen keine Anhaltspunkte für eine schädliche Umwelteinwirkung vor.

(4) Für den Niederschlag der unter Nr. 4.5.1 TA Luft genannten Schadstoffe Arsen, Blei, Cadmium, Nickel, Quecksilber und Thallium ist nach Nr. 4.5.2 Buchst. a) aa) TA Luft eine irrelevante Zusatzbelastung anzunehmen, wenn die Kenngröße 5 % der jeweils maßgeblichen Immissionswerte nicht überschreitet. Dies ist - wie sich unter Zugrundelegung der zutreffenden Ausbreitungsrechnung aus nachstehender Tabelle ergibt - am Wohnsitz des Klägers der Fall:

 Stoff/StoffgruppeImmissionswert bei einem Mittelungszeitraum von einem Jahr Jahreszusatzimmissionen bei einem Mittelungszeitraum von einem Jahr
(Blöcke 7/9 und 10)Anteil der Jahreszusatzimmissionen am Immissionswert (Blöcke 7/9 und 10)
Arsen 4 µg/(m².d)0,04 µg/(m².d)0,99 %
Blei 100 µg/(m².d)0,08 µg/(m².d)0,08 %
Cadmium 2 µg/(m².d)0,024 µg/(m².d)1,19 %
Nickel 15 µg/(m².d)0,09 µg/(m².d)0,53 %
Quecksilber 1 µg/(m².d)0,0087 µg/(m².d)0,87 %
Thallium 2 µg/(m².d)0,024 µg/(m².d)1,19 %

Anhaltspunkte dafür, dass trotz Unterschreitens der Irrelevanzschwelle schädliche Umwelteinwirkungen am Wohnsitz des Klägers bestehen, sind - anknüpfend an die Überlegungen unter B. I. 2 a) aa) (1) - nicht deshalb gegeben, weil der Anteil der Zusatzbelastung am Wohnsitz des Klägers für Cadmium- und Thalliumniederschlag 1,19 % des Immissionswertes beträgt. Mit der Festsetzung der Immissionswerte wird - wie auch schon bei der Festlegung des Immissionswerts für Fluorwasserstoff - weniger das Ziel verfolgt, die menschliche Gesundheit zu schützen. Vielmehr ist - wie auch das LANUV in seiner Stellungnahme vom 20.5.2008 bestätigt - der Schutz vor erheblichen Belästigungen oder erheblichen Nachteilen der vorrangige Zweck dieser Immissionswertfestsetzung.

Vgl. Hansmann, a.a.O., TA Luft Nr. 4.5 Rn. 9.

bb) In Bezug auf die von der Anlage der Beigeladenen emittierten Schadstoffe, für die in der TA Luft keine Immissionswerte festgelegt sind und deshalb auch eine Schwelle irrelevanter Zusatzimmissionen nicht bestimmt ist, namentlich die in der Luft enthaltenen Schadstoffe Ammoniak, Antimon, Arsen, Benzo(a)pyren, Chrom, Dioxine/Furane (TE), Kobalt, Kohlenmonoxid, Kupfer, Mangan, Nickel, Quecksilber, Thallium, Vanadium und Zinn, fehlt es an hinreichenden Anhaltspunkten, dass schädliche Umwelteinwirkungen hervorgerufen werden können, jedenfalls dann, wenn aufgrund anderweitiger sachverständiger Risikoabschätzung anzunehmen ist, dass das durch den emittierenden Betrieb verursachte Gesundheitsrisiko angesichts der bestehenden Vorbelastung irrelevant ist. In Anlehnung an den in Nr. 4.6.1.1 Abs. 1 TA Luft zum Ausdruck kommenden Rechtsgedanken, dass bei der Ermittlung der Immissionskenngrößen Massenströme unterhalb einer bestimmten Grenze ohne weitere Prüfung vernachlässigbar sind, sowie unter Berücksichtigung, dass die Zusatzbelastungen mit Schadstoffen, für die Immissionswerte in den Nrn. 4.2 bis 4.5 TA Luft bestimmt sind, als unbeachtlich angesehen werden, sofern sie bestimmte Irrelevanzgrenzen nicht überschreiten, ist es gerechtfertigt, auch im Rahmen der Sonderfallprüfung für Immissionsbeiträge von Schadstoffen, für die eine Irrelevanzschwelle in der TA Luft nicht bestimmt ist, eine Bagatellgrenze in Form eines bestimmten Anteils am Beurteilungsmaßstab anzuerkennen.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 11.12.2003 - 7 C 19.02 -, a.a.O. (334); Hansmann, a.a.O., TA Luft Nr. 4.1 Rn. 22.

Das LANUV NRW hat - wie seiner Stellungnahme vom 20.5.2008 zu entnehmen ist - für die vorgenannten Schadstoffe folgende Beurteilungsmaßstäbe zu Grunde gelegt:

 Stoff/Stoffgruppe MittelungszeitraumBeurteilungsmaßstab
Ammoniak 1 Jahr140 µg/m³
Antimon1 Jahr0,08 µg/m³
Arsen1 Jahr6 ng/m³
Benzo(a)pyren (BaP)1 Jahr1 ng/m³
Chrom1 Jahr17 ng/m³
Dioxine/Furane (TE)1 Jahr 150 fg/m³
Kobalt1 Jahr 100 ng/m³
Kohlenmonoxid 8 Stunden10.000 µg/m³
Kupfer1 Jahr1 µg/m³
Mangan1 Jahr0,15 µg/m³
Nickel1 Jahr20 ng/m³
Quecksilber1 Jahr50 ng/m³
Thallium1 Jahr0,28 µg/m³
Vanadium1 Jahr20 ng/m³
Zinn1 Jahr1 µg/m³

Diese vom LANUV NRW getroffene Wertung begegnet keinen Bedenken. Denn das LANUV NRW verfügt über die für die Risikoabschätzung erforderliche Sachkunde. Es hat sich bei seiner Bewertung an den vom Länderausschuss für Immissionsschutz mitgeteilten Werten, vgl. Bericht des Länderausschusses für Immissionsschutz (LAI) "Bewertung von Schadstoffen, für die keine Immissionswerte festgelegt sind - Orientierungswerte für die Sonderfallprüfung und für die Anlagenüberwachung sowie Zielwerte für die langfristige Luftreinhalteplanung unter besonderer Berücksichtigung der Beurteilung krebserzeugender Luftschadstoffe" vom 21.9.2004, S. 26 f., orientiert und die dort im Übrigen genannten Erkenntnisquellen herangezogen.

Vgl. den Rückgriff auf vom LAI mitgeteilte Werte ebenfalls bejahend: Hansmann, a.a.O., TA Luft Nr. 4.8 Rn. 17.

Weiter geht das LANUV NRW in seiner Stellungnahme vom 20.5.2008 davon aus, dass der Anlage zurechenbare schädliche Umwelteinwirkungen zu verneinen sind, wenn der Anteil der Zusatzimmission des Schadstoffs am Beurteilungswert höchstens 1 % beträgt. Dass diese sachverständige Einschätzung unzutreffend ist, ist nicht ersichtlich. Sie entspricht der dem Kläger günstigen Ansicht in der Literatur, vgl. Hansmann, a.a.O., TA Luft Nr. 4.8 Rn. 18, und der von der Rechtsprechung, vgl. BVerwG, Urteil vom 11.12.2003 - 7 C 19.02 -, a.a.O. (334), gebilligten Auffassung des Länderausschusses für Immissionsschutz, wie sie vor Anhebung der Irrelevanzschwelle in der TA Luft von 1 auf 3,0 % bestand.

Vgl. Bericht des Länderausschusses für Immissionsschutz (LAI) "Bewertung von Schadstoffen, für die keine Immissionswerte festgelegt sind - Orientierungswerte für die Sonderfallprüfung und für die Anlagenüberwachung sowie Zielwerte für die langfristige Luftreinhalteplanung unter besonderer Berücksichtigung der Beurteilung krebserzeugender Luftschadstoffe" vom 21.9.2004, S. 25 f.

Gemessen hieran steht das Vorhaben der Beigeladenen auch in Bezug auf die in der Luft enthaltenen Schadstoffe Ammoniak, Antimon, Arsen, Benzo(a)pyren, Chrom, Dioxine/Furane (TE), Kobalt, Kohlenmonoxid, Kupfer, Mangan, Nickel, Quecksilber, Thallium, Vanadium und Zinn in seiner dem angefochtenen Vorbescheid zu Grunde liegenden Form mit der Schutzpflicht gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG in Einklang. Denn nach der Ausbreitungsrechnung unterschreiten diese Stoffe die 1 %-Schwelle - wie die nachstehende Tabelle zeigt - deutlich:

 Stoff/Stoffgruppe Mittelungszeitraum Beurteilungsmaßstab Jahreszusatzimmissionen bei einem Mittelungszeitraum von einem Jahr
(Blöcke 7/9 und 10) Anteil der Jahreszusatzimmissionen am Immissionswert (Blöcke 7/9 und 10)
Ammoniak1 Jahr140 µg/m³0,0062 µg/m³0,004 %
Antimon1 Jahr0,08 µg/m³0,000028 µg/m³0,04 %
Arsen1 Jahr6 ng/m³0,028 ng/m³0,47 %
Benzo(a)pyren1 Jahr1 ng/m³0,0028 ng/m³0,28 %
Chrom 1 Jahr17 ng/m³0,056 ng/m³0,33 %
Dioxine/Furane1 Jahr150 fg/m³0,028 fg/m³0,02 %
Kobalt1 Jahr100 ng/m³0,028 ng/m³0,03 %
Kohlenmonoxid8 Stunden10.000 µg/m³0,19 µg/m³0,002 %
Kupfer1 Jahr1 µg/m³0,000056 µg/m³0,006 %
Mangan1 Jahr0,15 µg/m³0,000056 µg/m³0,04 %
Nickel1 Jahr20 ng/m³0,056 ng/m³0,28 %
Quecksilber1 Jahr50 ng/m³0,019 ng/m³0,037 %
Thallium1 Jahr0,28 µg/m³0,000017 µg/m³0,006 %
Vanadium1 Jahr20 ng/m³0,056 ng/m³0,28 %
Zinn1 Jahr1 µg/m0,000028 µg/m³0,003 %

cc) Auch die bereits bestehende Luftbelastung durch Ozon bietet keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die zu Gunsten des Klägers bestehende Schutzpflicht gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG verletzt wird, wenn das Vorhaben der Beigeladenen in der nach dem angefochtenen Vorbescheid vorgesehenen Form verwirklicht wird. Anhaltspunkte hierfür könnten - eine dem Kläger günstige Betrachtung unterstellt - bestehen, wenn die bisher unterschrittene Zahl zulässiger Überschreitungen des festgelegten Ozonzielwerts bei Hinzutreten der streitgegenständlichen Anlage künftig voraussichtlich überschritten wird, weil die Anlage zur Ozonbildung einen bedeutsamen Beitrag leistet. Dies ist aber nicht erkennbar.

Der Ozonzielwert sowie das Maß der zulässigen Überschreitungen ergibt sich aus § 2 Abs. 1 der Dreiunddreißigsten Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung zur Verminderung von Sommersmog, Versauerung und Nährstoffeinträgen) vom 13.7.2004 (BGBl. I S. 1612) - 33. BImSchV -. Danach ist ein auf einen Mittelungszeitraum von 8 Stunden bezogener (Immissions-)Zielwert von 120 µg/m³ bei zulässigen 25 Überschreitungen im Dreijahresmittel bis zum 1.1.2010 so weit wie möglich einzuhalten.

Die Zahl von 25 zulässigen Überschreitungen ist auch im vorliegenden Fall maßgeblich. Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger bei einer hohen Ozonbelastung - wie von ihm in der mündlichen Verhandlung geschildert - körperliche Beeinträchtigungen erleidet. Denn die festgelegte Zahl zulässiger Überschreitungen orientiert sich nicht an der Empfindlichkeit des Einzelnen. Vielmehr stellt sie einen aus sachverständiger Sicht hinnehmbaren Kompromiss zwischen den gegenläufigen innerhalb der Gesellschaft bestehenden Interessen dar, einerseits von Beeinträchtigungen des körperlichen Wohlbefindens verschont zu bleiben, anderseits auch mit einer Erhöhung der Ozonkonzentration verbundene Tätigkeiten ausüben zu können.

Die danach maßgebliche Zahl der zulässigen Zielwertüberschreitungen wird bereits zum jetzigen Zeitpunkt nicht erreicht. (Wird ausgeführt)

b) Der Kläger kann auch nicht geltend machen, die Beigeladene werde der Vorsorgepflicht (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG) und dem Effizienzgebot (§ 5 Abs. 1 Nr. 4 BImSchG) nicht gerecht, weil sie statt eines Gas-und-Dampf-Kombi-Kraftwerks mit vorgeschalteter Kohlevergasung und Gasreinigung sowie Abwärmenutzung ein herkömmliches Steinkohlekraftwerk mit nachgelagerter Abgasreinigung ohne Auskopplung der Abwärme verwirklichen wolle. Denn unabhängig davon, ob der Vorsorgepflicht und dem Effizienzgebot überhaupt eine drittschützende Wirkung zukommt, vgl. im Grundsatz verneinend: BVerwG, Beschluss vom 9.4.2008 - 7 B 2.08 -, juris Rn.15; Dietlein, in: Landmann/Rohmer, a.a.O., BImSchG § 5 Rn. 163 ff. (zu § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BImSchG) und Rn. 205 (zu § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BImSchG); a.A. Roßnagel, a.a.O., § 5 Rn. 850 ff., kann der Einzelne jedenfalls nicht verlangen, dass Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Beeinträchtigungen, insbesondere durch dem Stand der Technik entsprechende Maßnahmen getroffen wird (vgl. § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BImSchG) sowie Energie effizient und sparsam verwendet wird (vgl. § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BImSchG), wenn sich der Immissionsbeitrag der streitgegenständlichen Anlage - wie hier - ihm gegenüber als irrelevant erweist. Denn dann ist der Anlage die Zusatzimmission nicht mehr rechtlich zuzurechnen, mit der Folge, dass ein Rechtsanspruch des von den Zusatzimmissionen Betroffenen zur weiteren Minimierung dieser Immissionen ausscheidet.

Europarechtliche Regelungen stehen einer solchen Sichtweise nicht entgegen.

Dem Europarecht ist der Gedanke der Irrelevanz nicht fremd. Er kommt etwa dort zum Ausdruck, wo von "signifikanten" Luftverunreinigungen die Rede ist (vgl. Art. 4 Nr. 2 Richtlinie 84/360/EWG des Rates vom 28.6.1984 zur Bekämpfung der Luftverunreinigung durch Industrieanlagen, ABl. L. 188 vom 16.7.1984, S. 20, geändert durch die Richtlinie 91/692/EWG des Rates vom 23.12.1991, ABl. L 377 vom 31.12.1991, S. 48), oder auf die Erheblichkeit der Umweltverschmutzung abgestellt wird (vgl. Art. 3 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 96/61/EG des Rates vom 24.9.1996 über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung, ABl. L 257 vom 10.10.1996, S. 26, zuletzt geändert durch Verordnung (EG) Nr. 166/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18.1.2006 ABl. L 33 vom 4.2.2006, S. 1).

II. Der Kläger kann sich nicht auf eine Verletzung anderweitiger, seinem Schutz dienender Vorschriften berufen. (Wird ausgeführt)

Ende der Entscheidung

Zurück