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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 10.07.2006
Aktenzeichen: 8 E 91/06
Rechtsgebiete: VwGO


Vorschriften:

VwGO § 171
VwGO § 172
1. Die Vollstreckung einer von einer Behörde in einem gerichtlichen Vergleich eingegangenen Verpflichtung, die keine Geldleistung ist, richtet sich nach § 172 VwGO.

2. Für die Vollstreckung aus einem gerichtlichen Vergleich gegen eine Behörde auf der Grundlage des § 172 VwGO bedarf es in entsprechender Anwendung des § 171 VwGO keiner Vollstreckungsklausel.


Tatbestand:

Die Vollstreckungsgläubiger begehrten die Vollstreckung aus einem gerichtlichen Vergleich, in dem sich die Vollstreckungsschuldnerin - eine Stadt - verpflichtet hatte, dafür Sorge zu tragen, dass die Nutzung einer Sportanlage nach 22.00 Uhr unterbleibt. Der Vollstreckungsantrag hatte in zweiter Instanz Erfolg.

Gründe:

Grundlage für die Vollstreckung einer von einer Behörde in einem gerichtlichen Vergleich eingegangenen Verpflichtung, die keine Geldleistung ist, ist § 172 VwGO.

§ 172 VwGO betrifft unmittelbar nur die Fälle des § 113 Abs. 1 Satz 2 VwGO (Folgenbeseitigungsausspruch bei bereits vollzogenem Verwaltungsakt im Falle einer stattgebenden Anfechtungsklage), § 113 Abs. 5 VwGO (stattgebendes Urteil auf eine Verpflichtungsklage) sowie § 123 VwGO (einstweilige Anordnung). Die Vorschrift ist jedoch auf gerichtliche Vergleiche entsprechend anzuwenden. Sie enthält zusammen mit § 170 VwGO Sonderregelungen für die Vollstreckung gegen die öffentliche Hand, insbesondere gegen Behörden. Sie passt die Möglichkeiten einer Vollstreckung, die sonst nach allgemeinen Vorschriften gegeben sind, dem Umstand an, dass sich die Verpflichtung gegen eine Behörde richtet. Namentlich § 172 VwGO begrenzt die Vollstreckungsmöglichkeiten für diesen Fall. Das Zwangsgeld ist der Höhe nach auf 10.000,-- € beschränkt; eine Zwangshaft ist nicht vorgesehen. Nach Zweck und systematischer Stellung der Vorschrift kommt es weniger auf die Art des Vollstreckungstitels als vielmehr auf das Vollstreckungsziel an. Eine vollstreckbare Verpflichtung der Behörde, die nicht in einer Geldleistung besteht (§ 170 VwGO), soll nur in den Formen des § 172 VwGO durchgesetzt werden können. Die Aufzählung bestimmter Titel in § 172 VwGO soll aber nicht bedeuten, dass gegen eine Behörde aus anderen Titeln nicht vollstreckt werden darf. Diese Auslegung wird durch § 61 Abs. 2 Satz 3 VwVfG bestätigt. Hat sich eine Behörde in einem öffentlich-rechtlichen Vertrag der sofortigen Vollstreckung unterworfen, richtet sich die Vollstreckung wegen der Erzwingung einer Handlung, Duldung oder Unterlassung gegen die Behörde nach § 172 VwGO.

Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 29.9.1998 - 10 E 785/98 - und vom 13.2.1997 - 10 E 45/97 -, DÖV 1997, 794 = NVwZ 1998, 534 = NWVBl. 1997, 305; BayVGH, Beschluss vom 19.10.2005 - 22 C 05.2553 -, juris; OVG Saarl., Beschluss vom 22.2.2001 - 2 Y 8/00 -, juris; Pietzner in: Schoch/ Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 172 Rn. 21; Heckmann, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl. 2006, § 172 Rn. 38.

Die allgemeinen Vollsteckungsvoraussetzungen liegen vor.

Der geschlossene gerichtliche Vergleich ist ein Vollstreckungstitel nach § 168 Abs. 1 Nr. 3 VwGO.

Das Protokoll über die mündliche Verhandlung des VG, in der der Vergleich geschlossen worden ist, ist der Vollstreckungsschuldnerin von Amts wegen zugestellt worden. Einer Zustellung durch die Vollstreckungsgläubiger selbst bedarf es nicht.

Vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 20.5.1992 - 10 S 379/92 -, NVwZ-RR 1993, 520; a.A. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 3.4.1990 - 8 S 341/90 -, NVwZ-RR 1990, 447.

Dass die Vollstreckungsgläubiger keine mit einer Vollstreckungsklausel versehene Ausfertigung des Prozessvergleichs vorgelegt haben, steht der Vollstreckung nicht entgegen, da es vorliegend in entsprechender Anwendung des § 171 VwGO keiner Vollstreckungsklausel bedarf. Seinem Wortlaut nach erfasst § 171 VwGO zwar lediglich die Fälle der §§ 169, 170 Abs. 1 bis 3 VwGO. Diese Fallgestaltungen sind dadurch gekennzeichnet, dass das Gericht des ersten Rechtszugs oder dessen Vorsitzender Vollstreckungsbehörde sind. Da es nicht sinnvoll wäre, dem Gericht eine vollstreckbare Ausfertigung vorzulegen, die von ihm zuvor selbst oder allenfalls von der Rechtsmittelinstanz erteilt worden ist, hat die Verwaltungsgerichtsordnung für diese Fallgestaltungen auf das Erfordernis einer Vollsteckungsklausel verzichtet. Auch § 172 VwGO sieht das Gericht des ersten Rechtszugs als Vollstreckungsbehörde vor, so dass eine entsprechende Anwendung des § 171 VwGO geboten ist.

Vgl. BayVGH, Beschluss vom 19.10.2005 - 2 C 05.2553 -, juris; Pietzner, a.a.O., § 171 Rn. 12; Heckmann, a.a.O., § 171 Rn. 18, jeweils m.w.N.

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