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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 04.06.2008
Aktenzeichen: 9 A 1175/08
Rechtsgebiete: AbwAG, AbwV


Vorschriften:

AbwAG § 4 Abs.
AbwV § 6 Abs. 1
1. Bei der Bemessung der Abwasserabgabe gilt die "4 aus 5-Regel" nach § 6 Abs. 1 AbwV grundsätzlich auch für die Beurteilung, ob der heraberklärte Wert nach § 4 Abs. 5 AbwAG eingehalten ist. Dabei ist eine bei der behördlichen Überwachung festgestellte Überschreitung in die Auswertung eines behördlich zugelassenen Messprogramms mit einzubeziehen.

2. Es gibt keinen Grundsatz, dass mehrere Messergebnisse aus einem Störfall stets nur als eine Überschreitung gewertet werden dürfen. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sowie dem Willkürverbot darf lediglich im Rahmen des behördlichen Ermessens bei der wasserrechtlichen Überwachung anlässlich eines Störfalls in der Regel nicht mehr als ein amtliches Messergebnis bei der Abgabeerhebung einbezogen werden. Ist die Überwachung eines Störfalls als solche nicht zu beanstanden, wird dem Verhältnismäßigkeitsprinzip bei der Abgabenerhebung durch § 4 Abs. 4 Sätze 2 bis 4 AbwAG hinreichend Rechnung getragen.


Tatbestand:

Die Klägerin, die eine Kläranlage betreibt, wandte sich dagegen, dass bei der für das Jahr 2002 festgesetzten Abwasserabgabe ein heraberklärter Wert für den Parameter Nges von 13 mg/l unberücksichtigt geblieben ist. Eine Überschreitung dieses Werts wurde am 2.9.2002 anlässlich eines Störfalls vom behördlich zugelassenen Messprogramm festgestellt, eine weitere bei der behördlichen Überwachung am 4.9.2002. Das VG wies die Klage ab. Der Antrag auf Zulassung der Berufung hatte keinen Erfolg.

Gründe:

Die Klägerin zeigt keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der das erstinstanzliche Urteil tragenden Begründung auf, sie habe den Nachweis nach § 4 Abs. 5 Satz 5 AbwAG über die Einhaltung des erklärten Wertes von 13 mg/l für den Parameter Nges nicht erbracht. Dieser Nachweis ist nicht deshalb geführt, weil die beiden festgestellten Überschreitungen vom 2. und 4.9.2002 als nur eine Überschreitung gewertet werden dürften, so dass nach der "4 aus 5-Regel" nach § 6 Abs. 1 AbwV der heraberklärte Wert als eingehalten gelten müsse. Zwar ist die "4 aus 5-Regel" wegen der durch § 4 Abs. 5 Satz 5 Halbsatz 1 AbwAG bestimmten entsprechenden Heranziehung der Festlegungen des Bescheides für den Überwachungswert - anders als nach der früheren Gesetzesfassung, vgl. BT-Drs. 10/5533, S. 12 - grundsätzlich auch für den heraberklärten Wert heranzuziehen.

Vgl. dazu die Begründung für die Einberufung des Vermittlungsausschusses, die der aktuellen Gesetzesfassung vorangegangen ist, BT-Drs. 12/6808.

Jedoch ist nicht zweifelhaft, dass gemäß § 4 Abs. 5 Satz 5 Halbsatz 2 AbwAG eine bei der behördlichen Überwachung festgestellte Überschreitung in die Auswertung eines behördlich zugelassenen Messprogramms nach § 4 Abs. 5 Satz 5 Halbsatz 1 AbwAG mit einzubeziehen ist. Hat auch das Messprogramm seinerseits eine Überschreitung festgestellt, liegen damit grundsätzlich zwei Überschreitungen auch dann vor, wenn beide festgestellten Überschreitungen auf einen Störfall zurückzuführen sind. Es gibt keinen Grundsatz, dass Messergebnisse aus einem Störfall stets nur als eine Überschreitung gewertet werden dürfen. Vielmehr ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung und der dieser folgenden Spruchpraxis des Senats lediglich entschieden worden, dass nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sowie dem Willkürverbot im Rahmen des behördlichen Ermessens bei der wasserrechtlichen Überwachung anlässlich eines Störfalls jedenfalls in der Regel nicht mehr als ein Messergebnis bei der Abgabeerhebung einbezogen werden darf.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 20.8.1997 - 8 B 170.97 -, NVwZ 1998, 408, 410; OVG NRW, Urteil vom 19.12.2007 - 9 A 1403/05 -, KStZ 2008, 59, 60; Berendes, AbwAG, 3. Aufl. 1995, S. 98.

Das Willkürverbot steht jedoch im Rahmen der Ermessensausübung bei der behördlichen Überwachung lediglich der Berücksichtigung von Messwerten aus einer fehlerhaften oder gar willkürlichen Überwachungspraxis entgegen. Ist die Überwachung eines Störfalls - selbst durch mehrere behördliche Messungen - als solche nicht zu beanstanden, wird dem Verhältnismäßigkeitsprinzip bei der Abgabenerhebung durch § 4 Abs. 4 Sätze 2 bis 4 AbwAG hinreichend Rechnung getragen. Zum einen nimmt Satz 2 durch die Formulierung "als eingehalten gilt" auf die "4 aus 5-Regel" Bezug, so dass eine Überschreitung des zulässigen Werts von weniger als 100 % unbeachtlich ist. Zum anderen hat eine in der Regel dann verbleibende einmalige Überschreitung nach Satz 4 nur eine Abgabeerhöhung um den halben Vomhundertsatz der Überschreitung zur Folge.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 14.3.2008 - 9 A 4889/05 -, juris.

Die Klägerin zeigt keine Anhaltspunkte dafür auf, bei der amtlichen Beprobung am 4.9.2002 könnte ihre störfallbedingte Ausnahmesituation von der Überwachungsbehörde willkürlich ausgenutzt worden sein. Allein der Umstand, dass das Messprogramm der Klägerin bereits zwei Tage zuvor einen überhöhten Stickstoffwert festgestellt hatte, rechtfertigt nicht den Rückschluss auf eine willkürliche behördliche Beprobung. Vielmehr hat nach der telefonischen Mitteilung des Störfalls am 3.9.2002 schon deshalb ein Bedürfnis für eine amtliche Überwachung bestanden, weil ausweislich des Schreibens der Klägerin vom 10.9.2002 zu diesem Zeitpunkt die Ursache der Schädigung der Nitrifikanten noch nicht festgestellt worden war. Eine weitere amtliche Überwachung anlässlich desselben Störfalls, die möglicherweise vom Überwachungszweck nicht mehr gerechtfertigt gewesen wäre, ist nicht erfolgt. Im Verlauf des Störfalls sind damit nur deshalb insgesamt zwei Überschreitungen festgestellt worden, weil Proben im Rahmen des Messprogramms nach § 69 Abs. 7 Satz 2 LWG NRW einmal in einem Zeitraum von zwei Wochen, also unabhängig vom Vorliegen eines Störfalls und seiner Dauer, erfolgen mussten, und nach § 4 Abs. 5 Satz 5 Halbsatz 2 AbwAG die Messergebnisse der behördlichen Überwachung in die Auswertung des Messprogramms mit einzubeziehen waren. Dem Verhältnismäßigkeitsprinzip wird hier dadurch hinreichend Rechnung getragen, dass der Klägerin die "4 aus 5-Regelung" insoweit zugute kommt, als die Schadeinheiten nicht nach § 4 Abs. 4 Sätze 2 bis 4 AbwAG zu erhöhen sind, weil in diesem Zusammenhang nur die behördlichen Messergebnisse relevant sind.

Ende der Entscheidung

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