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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 14.10.2003
Aktenzeichen: 9 A 1408/01
Rechtsgebiete: AbwAG 1994


Vorschriften:

AbwAG 1994 § 4 Abs. 5
AbwAG 1994 § 9 Abs. 5
AbwAG 1994 § 9 Abs. 6
Ein Anspruch auf Abgabesatzermäßigung nach § 9 Abs. 6 i.V.m. Abs. 5 AbwAG 1994 kommt nicht in Betracht, wenn die Reduzierungsvoraussetzungen lediglich in einem Teilzeitraum des Veranlagungsjahres erfüllt sind; § 9 Abs. 6 AbwAG 1994 führt nicht zu einer Durchbrechung des das gesamte Abwasserabgabenrecht beherrschenden Jährlichkeitsprinzips.
Tatbestand:

Die Klägerin ist Betreiberin eines Klärwerkes. Nach dem maßgeblichen wasserrechtlichen Erlaubnisbescheid der Bezirksregierung galt für abwasserabgabenrechtliche Zwecke ab dem 1.1.1994 für den Schadstoffparameter CSB ein Überwachungswert von 110 mg/l aus der qualifizierten Stichprobe. Mit Erklärung gemäß § 4 Abs. 5 AbwAG 1994 teilte die Klägerin mit, sie werde im Hinblick u.a. auf eine Veränderung ihrer Kläranlage in dem Zeitraum vom 15.7. bis 31.12.1994 einen CSB-Wert von 65 mg/l einhalten. Tatsächlich wurden bei der amtlichen Überwachung im Jahr 1994 keine CSB-Werte über 38 mg/l gemessen. Mit Bescheid vom 30.11.1994 setzte die Bezirksregierung den Überwachungswert für CSB ab dem 1.1.1995 auf 60 mg/l fest.

Durch den angefochtenen Bescheid zog der Beklagte die Klägerin für das Jahr 1994 zu einer Abwasserabgabe u. a. für den Schadstoffparameter CSB heran. Der Berechnung legte er insoweit einen einzuhaltenden Überwachungswert für die Zeit bis zum 14.7.1994 von 110 mg/l und für die restliche Zeit des Jahres von 65 mg/l zugrunde. Eine Abgabeermäßigung nach § 9 Abs. 5 und 6 AbwAG 1994 wurde nicht vorgenommen. Nach Zurückweisung des Widerspruchs gegen die Versagung der Abgabesatzreduzierung erhob die Klägerin Klage. Das VG gab ihr mit der Begründung statt, § 9 Abs. 6 AbwAG 1994 stelle eine Ausnahme vom abwasserabgabenrechtlichen Jährlichkeitsprinzip dar, so dass in den Fällen des § 4 Abs. 5 AbwAG 1994 eine Ermäßigung auch für Teilzeiträume zulässig sei. Die zugelassene Berufung des Beklagten hatte Erfolg.

Gründe:

Die Ermäßigung des Abgabesatzes für den Parameter CSB für den Zeitraum vom 15.7. bis 31.12.1994 ist zu Recht versagt worden.

Gemäß § 9 Abs. 5 Satz 1 AbwAG in der Fassung vom 3.11.1994 (AbwAG 1994), BGBl. I S. 3370, ermäßigt sich der Abgabesatz nach § 9 Abs. 4 Satz 2 AbwAG 1994 außer bei Niederschlagswasser (§ 7) und Kleineinleitungen (§ 8) um 75 vom Hundert für die Schadeinheiten, die nicht vermieden werden, obwohl

1. der Inhalt des Bescheides nach § 4 Abs. 1 oder die Erklärung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 mindestens den Anforderungen der allgemeinen Verwaltungsvorschriften nach § 7 a Abs. 1 des Wasserhaushaltsgesetzes entspricht und

2. die Anforderungen der allgemeinen Verwaltungsvorschriften nach § 7 a Abs. 1 des Wasserhaushaltsgesetzes im Veranlagungszeitraum eingehalten werden, sofern sie nicht entgegen den allgemein anerkannten Regeln der Technik durch Verdünnung oder Vermischung erreicht werden.

Bei Anwendung dieser Vorschrift allein sind die Voraussetzungen für eine Abgabesatzermäßigung unstreitig nicht gegeben, weil der 1994 gültige wasserrechtliche Erlaubnisbescheid mit einem Überwachungswert für CSB von 110 mg/l nicht dem für Anlagen der von der Klägerin betriebenen Art geforderten Wert von höchstens 75 mg/l (vgl. Nr. 2 der Allgemeinen Rahmen-Verwaltungsvorschrift über Mindestanforderungen an das Einleiten von Abwasser in Gewässer vom 25.11.1992, GMBl. 1994, 498, i.V.m. deren Anhang 1 Nr. 2) entsprach.

Nichts anderes ergibt sich unter Berücksichtigung von § 9 Abs. 6 AbwAG 1994. Danach berechnet sich im Falle einer Erklärung nach § 4 Abs. 5 die Ermäßigung nach dem erklärten Wert, wenn der Bescheid im Anschluss an den erklärten Wert angepasst wird und dieser die Voraussetzungen des Absatzes 5 erfüllt. Entgegen der Auffassung der Klägerin und des Verwaltungsgerichts vermittelt diese Vorschrift der Klägerin keinen Anspruch auf eine Abgabesatzermäßigung für den in der Erklärung der Klägerin nach § 4 Abs. 5 AbwAG 1994 genannten Teilzeitraum.

Wie der Beklagte zu Recht unter Hinweis auf zahlreiche Vorschriften des Abwasserabgabengesetzes dargelegt hat, wird dieses Gesetz insgesamt vom Grundsatz des Jährlichkeitsprinzips beherrscht. Dies entspricht ständiger Rechtsprechung. Dementsprechend ist eine Abgabesatzermäßigung nach § 9 Abs. 5 AbwAG in seinen früheren Fassungen nach der Rechtsprechung nur dann gewährt worden, wenn die in der Vorschrift genannten besonderen Voraussetzungen während des gesamten Veranlagungsjahres erfüllt waren.

Vgl. BVerwG, Urteile vom 23.8.1996 - 8 C 10.95 -, DVBl. 1996, 1329, und vom 28.10.1998 - 8 C 17.97 - NVwZ 1999, 1119; OVG NRW, Beschlüsse vom 6.5.1999 - 9 A 232/95 - und vom 10.5.1999 - 9 A 1743/94 -.

Gleiches muss für § 9 Abs. 5 AbwAG 1994 gelten, da insoweit keine maßgebliche Änderung gegenüber den früheren Fassungen gegeben ist.

§ 9 Abs. 6 AbwAG 1994 führt nicht zu einer Durchbrechung dieses Jährlichkeitsprinzips. Das folgt bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift. Dieser schreibt lediglich vor, nach welchem Wert sich die Ermäßigung im Falle einer Erklärung nach § 4 Abs. 5 AbwAG 1994 "berechnet", stellt jedoch selbst keinerlei Voraussetzungen für eine Abgabensatzermäßigung auf; weder ändert er diejenigen des § 9 Abs. 5 AbwAG 1994 ausdrücklich ab noch erklärt er diese nur für entsprechend anwendbar. Das kann nur bedeuten, dass es bei den grundsätzlichen Voraussetzungen des § 9 Abs. 5 AbwAG 1994 und damit bei der Anwendung des Jährlichkeitsprinzips bleibt. Auch der weitere Wortlaut spricht für eine solche Auslegung. Wenn es am Ende der Vorschrift heißt, der nach § 4 Abs. 5 erklärte und später in einen Bescheid aufgenommene Wert müsse die Voraussetzungen des Absatzes 5, letztlich also die der Nr. 1 von Satz 1 der Norm, erfüllen, so wird damit zwar zunächst nur eine Anforderung an den Wert und dessen Höhe festgelegt; dennoch wird auch hierdurch deutlich, dass Grundnorm für eine Ermäßigung § 9 Abs. 5 AbwAG 1994 bleibt.

Gestützt wird die hier vertretene Auslegung durch die Entstehungsgeschichte der Norm. § 9 Abs. 6 AbwAG 1994 geht zurück auf den durch das 2. Änderungsgesetz vom 19.12.1986 eingefügten § 9 Abs. 7 AbwAG a. F., der aufgrund der Stellungnahme des Bundesrates zu dem Entwurf des Änderungsgesetzes Aufnahme in das Gesetz gefunden hat. Als Begründung für die Ergänzung wurde angeführt, es sei gerechtfertigt, die damals in § 9 Abs. 5 und 6 AbwAG vorgesehene Ermäßigung auch bei Erklärungen nach § 4 Abs. 5 AbwAG zu gewähren, wenn die Erklärung auf einen Dauerzustand abzielt, aus diesem Grunde der Bescheid angepasst wird und für die erklärten und geänderten Bescheidwerte die Voraussetzungen einer Ermäßigung im übrigen gegeben seien.

Vgl. BT-Drs. 10/5533 S. 20, 23.

§ 9 Abs. 7 AbwAG in seiner damaligen Fassung diente also dazu, nach § 4 Abs. 5 AbwAG heraberklärte Werte auch bei der Abgabesatzermäßigung berücksichtigen zu können, sofern die Voraussetzungen einer Ermäßigung im Übrigen gegeben waren, gleichzeitig aber auch der Begrenzung auf die Fälle der dauerhaften Übernahme der Werte in einen Bescheid. Nur unter dieser Voraussetzung sollte der lediglich erklärte Wert einem Bescheidwert gleichgestellt werden. Einen weiter gehenden Inhalt sollte die Gesetzesänderung nicht haben. Nach dem Wegfall des § 9 Abs. 6 der früheren differenzierten Ermäßigungsregelung wurde § 9 Abs. 7 zu § 9 Abs. 6 in seiner hier maßgeblichen Gestalt.

Geht man von dem dargelegten Zweck der Vorschrift aus, so bedeutet sie nichts anderes, als dass im Rahmen der Ermäßigungsregelung der Anlagenbetreiber so gestellt werden muss, wie wenn für die von ihm erklärte Zeit bereits ein Bescheid mit dem niedrigeren Wert vorhanden gewesen wäre. Ob unter diesen Bedingungen eine Abgabesatzermäßigung zu gewähren ist, bestimmt sich nach den allgemeinen Regeln des § 9 Abs. 5 AbwAG 1994 unter Einschluss des Jährlichkeitsprinzips.

Die gegenteilige Auslegung im Sinne der Klägerin erscheint auch deswegen nicht angebracht, weil sie u.U. zu unverständlichen und nicht vertretbaren Ergebnissen führen würde. Die Gewährung einer (zeitweisen) Ermäßigung würde letztlich von Zufälligkeiten abhängen, nämlich von dem Datum des Wirksamwerdens der Anpassung der Werte in der wasserrechtlichen Erlaubnis durch die zuständige Behörde. Würde sie ihrem Anpassungsbescheid Rückwirkung zum Zeitpunkt des Beginns des im Laufe eines Jahres liegenden Erklärungszeitraums beimessen, so schiede eine Abgabesatzermäßigung aus, wenn für den vorhergehenden Zeitraum des Jahres die Voraussetzungen des § 9 Abs. 5 AbwAG 1994 nicht erfüllt sind. Bei teilweiser Rückwirkung des Anpassungsbescheides würde u.U. für einen Teil des Erklärungszeitraums eine Ermäßigung in Betracht kommen und bei Anpassung des Bescheides erst nach Ablauf des Erklärungszeitraums könnte für diesen Zeitraum insgesamt die Ermäßigung vorgenommen werden. Dieses Ergebnis, auf das der Anlagenbetreiber allenfalls beschränkt Einfluss hätte, obwohl er sich in allen Fallvarianten gleich verhält, zeigt die Unrichtigkeit der Auffassung, § 9 Abs. 6 AbwAG 1994 lasse auch eine zeitweise Reduzierung des Abgabesatzes zu.

Mit der hier vertretenen Auffassung steht der Senat auch nicht in Widerspruch zu verbindlichen Äußerungen des Bundesverwaltungsgerichts. Zwar hat dieses in seinem Urteil vom 28.10.1998, a.a.O., ausgeführt, eine Ermäßigung für einen Teil des Veranlagungszeitraums sehe das Abwasserabgabengesetz ausschließlich im Falle einer Erklärung nach § 4 Abs. 5 AbwAG (dort in der Fassung vom 6.11.1990, BGBl. I S. 2432) vor, wenn der Bescheid im Anschluss an die Erklärung an den erklärten Wert angepasst werde und dieser die Voraussetzungen des § 9 Abs. 5 AbwAG erfülle (§ 9 Abs. 6AwAG). Bei dieser Äußerung handelte es sich jedoch nur um ein nicht näher begründetes obiter dictum, das für den damals zu entscheidenden Fall nicht einschlägig war und zudem eine Auseinandersetzung mit den anstehenden Fragen vermissen lässt.

Da somit feststeht, dass eine zeitlich beschränkte Ermäßigung des Abgabesatzes unzulässig ist, die Klägerin die Voraussetzungen für eine Ermäßigung aber nur für einen Teil des Veranlagungsjahres erfüllt, scheidet eine Ermäßigung insgesamt und damit auch für den von ihr gewünschten Zeitraum aus.

Ende der Entscheidung

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