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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 16.10.2008
Aktenzeichen: 9 A 1940/07
Rechtsgebiete: WasEG NRW


Vorschriften:

WasEG NRW § 1 Abs. 1
WasEG NRW § 1 Abs. 2 Nr. 8
Die Entgeltpflicht für Wasser, das zum Zwecke der dauerhaften Grundwasserabsenkung im Gemeinwohlinteresse entnommen worden ist, lebt nicht dadurch wieder auf, dass dieses im Anschluss hieran einer Nutzung zugeführt wird.
Tatbestand:

Die Klägerin fördert Grundwasser zum Zweck der Flurabstandsregulierung, das im Anschluss hieran u. a. zur Trink- und Betriebswasserversorgung verwendet wird. Die Beklagte setzte für das Jahr 2004 eine Vorauszahlung für die Entnahme dieses Wassers in Höhe von 508.657,92 € fest. Das VG gab der Klage statt. Die Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg.

Gründe:

Der Vorauszahlungsbescheid der Beklagten ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Der angefochtene Bescheid kann nicht auf das Gesetz über die Erhebung eines Entgelts für die Entnahme von Wasser aus Gewässern (Wasserentnahmeentgeltgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen - WasEG) vom 27.1.2004 (GV. NRW. S. 30) gestützt werden. Nach § 1 Abs. 1 WasEG erhebt das Land u. a. für das Entnehmen, Zutagefördern, Zutageleiten und Ableiten von Grundwasser ein Wasserentnahmeentgelt, sofern das entnommene Wasser einer Nutzung zugeführt wird. Ausnahmen der Entgeltpflichtigkeit regelt § 1 Abs. 2 WasEG. Nach § 6 Abs. 1 WasEG sind für die jeweiligen Veranlagungszeiträume Vorauszahlungen zu entrichten.

Die Heranziehung der Klägerin durch den streitigen Vorauszahlungsbescheid für das Veranlagungsjahr 2004 ist bereits dem Grunde nach nicht gerechtfertigt. Die Klägerin erfüllt mit der Entnahme von Grundwasser zwar den Entgelttatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 WasEG; die Entgeltpflicht entfällt jedoch gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 8, 2. Var. WasEG (dauerhafte Grundwasserabsenkung im Gemeinwohlinteresse).

Zunächst hat die Klägerin Grundwasser entnommen, zutagegefördert, zutagegeleitet oder abgeleitet (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 WasEG), ohne dass es in diesem Zusammenhang in rechtlich erheblicher Weise auf die konkrete Entnahmemodalität ankommt. Das entnommene Grundwasser ist einer Nutzung zugeführt worden (§ 1 Abs. 1, letzter Halbs. WasEG). Es bedarf auch in diesem Zusammenhang keiner weiteren Klärung, in welcher Weise die Klägerin das Grundwasser gewonnen hat. Zwar ist Entgeltvoraussetzung, dass das "entnommene" Wasser einer Nutzung zugeführt wird. Hiermit bezieht sich der Gesetzgeber jedoch ersichtlich nicht ausschließlich auf den Vorgang des "Entnehmens", wie er in § 1 Abs. 1 Nr. 1, 1. Var. WasEG angesprochen ist, sondern auf alle Entnahmetatbestände der Nr. 1 ("Zutagefördern, Zutageleiten und Ableiten"). Der Begriff des Entnehmens in diesem (weiteren) Sinne, wie er auch in zahlreichen anderen Zusammenhängen vom Gesetzestext verwendet wird (vgl. nur § 2 Abs. 1 WasEG oder die Ausnahmetatbestände des § 1 Abs. 2 Nrn. 2, 4 bis 7, 9 bis 11 WasEG), ist Oberbegriff für die unterschiedlichen Varianten der Gewinnung von Wasser.

Vgl. Breuer, Rechtsprobleme des nordrhein-westfälischen Wasserentnahmeentgeltgesetzes, NWVBl. 2007, 460; Posser/Willbrand, Das neue Wasserentnahmeentgeltgesetz NRW, NWVBl. 2005, 411.

Dieses - im weiteren Wortsinne - entnommene Grundwasser ist spätestens im Augenblick der Einspeisung in das Leitungssystem der Nutzung "Versorgung mit Trink- und Brauchwasser" bzw. "Kühlung" zugeführt worden. Ob die Nutzung des entnommenen Wassers den primären Förderzweck darstellt oder ob sie ihm nachfolgt, ist nach dem Wortlaut des Entgelttatbestands unerheblich.

Trotz Erfüllung des Tatbestandes des § 1 Abs. 1 Nr. 1 WasEG kann die Klägerin nicht zu einem Wasserentnahmeentgelt herangezogen werden. Die von ihr entnommene Wassermenge stellt sich auf der Grundlage des ihr erteilten wasserrechtlichen Bewilligungs- und Erlaubnisbescheids der Beklagten als eine gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 8, 2. Var. WasEG entgeltbefreite dauerhafte Grundwasserabsenkung im Gemeinwohlinteresse dar. Im Gemeinwohlinteresse liegen nach der Vorstellung des Gesetzgebers solche Grundwasserabsenkungen, die zum Schutze der Wohnbevölkerung und baulicher Anlagen notwendig sind.

Vgl. Begründung des Änderungsantrags der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen, LT-Drs. 13/4890, Anhang 1, S. 2.

Nach dem wasserrechtlichen Bescheid ist der Klägerin u. a. das Zutagefördern von Grundwasser zum Zweck der Flurabstandsregulierung bewilligt worden, das nach Aufbereitung der Trinkwasserversorgung sowie der Versorgung mit Betriebswasser und der Bewässerung von Gräben, Teichen und Baggerseen dienen soll... (wird ausgeführt) Zum Zwecke der Trink- und Betriebswasserversorgung sind nach der Bescheidlage zu jeder Zeit höchstens die Wassermengen zu verwenden, die zur erforderlichen Flurabstandsregulierung entnommen werden... (wird ausgeführt)

Die Entgeltpflicht lebt durch die anschließende Nutzung des entnommenen Wassers zum Zwecke der Trink-/Brauchwasserversorgung oder Kühlwassernutzung nicht wieder auf. § 1 Abs. 2 WasEG sieht vor, dass das Entgelt nicht erhoben wird, wenn im einzelnen bezeichnete Ausnahmetatbestände - wie hier Nr. 8, 2. Var. - eingreifen. Die Privilegierung des Entnahmetatbestands anlässlich einer dauerhaften Grundwasserabsenkung findet ihren Grund im ausdrücklich dort bezeichneten Gemeinwohlinteresse. Das Gesetz liefert keine Anhaltspunkte dafür, dass im Fall einer - wie auch immer gearteten - weiteren Nutzungszuführung der nicht entgeltpflichtigen Wasserentnahmemenge der Ausnahmetatbestand entfiele und der Grundentgelttatbestand wieder auflebte. Hierfür fehlt es an jedem gesetzlichen Anknüpfungspunkt im Wortlaut des Ausnahmetatbestands, wie er z. B. in dem vergleichbar strukturierten § 1 Abs. 2 Nr. 9 WasEG angelegt ist. Nach dieser Ausnahmebestimmung wird die Grundwasserentnahme nur dann privilegiert, wenn sie über die Nutzung bei der Bodenschatzgewinnung hinaus keiner anderweitigen Nutzung zugeführt wird. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang die von der Beklagten in den Vordergrund gerückte Erwägung, dass der Vorteilsabschöpfungsgedanke im Fall einer anderweitigen Wassernutzung nach privilegierter Entnahme eine Heranziehung zum Wasserentnahmeentgelt gerechtfertigt hätte; entscheidend ist, dass der Gesetzgeber den Ausnahmetatbestand in einer solchen Weise gerade nicht gefasst hat. Dies ist nach der gesetzlichen Intention auch stimmig. Das Wasserentnahmeentgeltgesetz bezweckt zwar in erster Linie, den wirtschaftlichen Vorteil abzuschöpfen, den ein Einzelner durch die Inanspruchnahme des Rechts zur Wasserentnahme erzielt. Darauf verzichtet der Gesetzgeber jedoch in den Fällen des § 1 Abs. 2 WasEG auch insoweit, als mit der Wasserentnahme offensichtlich ein wirtschaftlicher Vorteil verbunden ist (z. B. § 1 Abs. 1 Nr. 5, 9 oder 11 WasEG). Zum Vorteilsabschöpfungszweck tritt flankierend der Lenkungszweck hinzu. Mit der Erhebung eines Entgelts für die Inanspruchnahme der Naturressource Wasser soll das Bewusstsein für einen möglichst schonenden Umgang mit dieser geschaffen werden.

Vgl. LT-Drs. 13/4528, S. 29.

Dieser mit dem Wasserentnahmeentgeltgesetz verfolgte, zur Vorteilsabschöpfung hinzutretende Lenkungszweck ist mit einer Entgeltpflicht in Fällen, in denen die Entnahme - wie hier - im Gemeinwohlinteresse ohnehin erfolgen muss, nicht mehr zu erreichen. Ganz im Gegenteil entspricht gerade die Weiternutzung des im Gemeinwohlinteresse bereits entnommenen Wassers als Trink- und Brauchwasser in besonderem Maße den Anforderungen an einen sparsamen und überlegten Umgang mit der Ressource Wasser, weil anderenfalls erneut Wasser zu diesem Zweck entnommen werden müsste.

Ende der Entscheidung

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