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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 26.02.2003
Aktenzeichen: 9 A 2355/00
Rechtsgebiete: StrReinG NRW, KAG NRW


Vorschriften:

StrReinG NRW § 3 Abs. 1
KAG NRW § 6 Abs. 1
KAG NRW § 6 Abs. 3
Eine im Rahmen der Ermittlung des Gebührensatzes vorgenommene Aufteilung der Kosten für die Winterwartung und für die Normalreinigung nach den veranlagten Frontmetern ist methodisch falsch.

Ein landwirtschaftlich genutztes Grundstück wird nicht durch die gereinigte Straße erschlossen, weil es an einer innerhalb geschlossener Ortslage üblichen und sinnvollen wirtschaftlichen Nutzung fehlt.

Wird ein Buchgrundstück nicht nur als Hofstelle genutzt, sondern auch landwirtschaftlich, so ist nur die Hofstelle ohne den rein landwirtschaftlich genutzten Teil des Grundstücks Veranlagungsgegenstand.


Tatbestand:

Der Kläger ist u.a. Eigentümer des insgesamt 8,6525 ha großen Flurstücks 276. Auf diesem befindet sich seine landwirtschaftliche Hofstelle.

Die Beklagte zog den Kläger zu Straßenreinigungsgebühren für das Flurstück bezüglich der M-Straße und der D-Straße teils als Anlieger teils als Hinterlieger heran. Beide Straßen sind im Straßenverzeichnis gemäß § 2 Abs. 1 der Straßenreinigungs- und Gebührensatzung der Stadt V vom 4.7.1980 i.d.F. der 19. ÄS vom 17.12.1996 - SRGS - dem Straßentyp "B" (im folgenden: B-Straßen) zugeordnet. Bei Straßen dieses Typs obliegt der Stadt die wöchentliche Reinigung der Fahrbahnen und deren Winterwartung. Die Reinigung und die Winterwartung der Gehwege ist den Eigentümern der durch die Straße erschlossenen Grundstücke auferlegt. Bei Straßen des Typs "A" (im folgenden A-Straßen) obliegt der Stadt nur die Winterwartung für die innerörtlichen Fahrbahnen.

Das VG wies die Klage insoweit ab.

Mit der Berufung machte der Kläger geltend: Sein Flurstück 276 liege nicht innerhalb einer geschlossenen Ortslage. Es sei auch nicht im straßenreinigungsrechtlichen Sinn erschlossen. Die landwirtschaftlich genutzte Fläche erlange durch die Reinigung weder unter dem Gesichtspunkt der Daseinsvorsorge noch unter dem der Sicherheit straßenreinigungsrechtlich einen Sondervorteil.

Die Berufung hatte Erfolg.

Gründe:

Es fehlt für den hier interessierenden Zeitraum an einer wirksamen Rechtsgrundlage für die Heranziehung des Klägers zu Straßenreinigungsgebühren. Die als Rechtsgrundlage in Betracht kommende Straßenreinigungsgebührensatzung ist materiellrechtlich unwirksam.

Nichtig ist allerdings nicht der in § 6 Abs. 1 SRGS gewählte Gebührenmaßstab in der Form des sogenannten modifizierten Frontmetermaßstabs in Verbindung mit einer Differenzierung nach der Reinigungsleistung für A-Straßen (nur Winterwartung) und den Reinigungsleistungen für B-Straßen (Winterwartung und Normalreinigung je nach Häufigkeit). ...

Dieser Maßstab ist ein zulässiger und nicht gegen das Äquivalenzprinzip verstoßender Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Er entspricht der ständigen Rechtsprechung des Gerichts.

Vgl. so schon OVG NRW, Urteil vom 17.12.1980 - 2 A 2018/80 -, OVGE 35, 180 (181ff), und Urteil vom 31.8.1989 - 9 A 469/87 -, GemH 1991, 17.

Ein Verstoß gegen § 6 Abs. 3 Satz 2 KAG a.F. liegt auch nicht darin, dass unterschiedliche Reinigungsleistungen (nur Winterwartung für A-Straßen bzw. Normalreinigung zuzüglich Winterwartung für B-Straßen) nach dem gleichen Maßstab behandelt werden. Nach § 6 Abs. 3 SRGS hat der Satzungsgeber durch die Festlegung von unterschiedlichen Gebührensätzen für die A-Straßen einerseits und die B-Straßen andererseits zwei Gebührenschuldnergruppen gebildet. Jede Gruppe ist in sich im Wesentlichen vergleichbar und deshalb jeweils nach dem modifizierten Frontmetermaßstab i.S.v. § 6 Abs. 3 KAG a.F. zulässigerweise zu veranlagen.

Nichtig ist aber der in § 6 Abs. 3 Satz 3 SRGS geregelte Gebührensatz für die Winterwartung der A-Straßen. Er verstößt gegen das Kostenüberschreitungsverbot des § 6 Abs. 1 Satz 3 KAG a.F. Dies hat die Gesamtnichtigkeit der in § 6 Abs. 3 SRGS geregelten Gebührensätze zur Folge.

Nach § 6 Abs. 1 Satz 3 KAG a.F. soll das veranschlagte Gebührenaufkommen die voraussichtlichen Kosten der Einrichtung oder Anlage in der Regel decken, aber nicht übersteigen. Dieser Grundsatz gilt nach § 3 Abs. 2 StrReinG a.F. allerdings mit der zwingenden Maßgabe, dass das Gesamtgebührenaufkommen 75 % der Gesamtkosten der Straßenreinigung im Gemeindegebiet nicht übersteigen darf.

Diesen Voraussetzungen wird der Gebührensatz in § 6 Abs. 3 Satz 3 SRGS nicht gerecht. Insoweit kann dahinstehen, ob die in die Gebührenbedarfsberechung eingestellten Kosten für die von der Stadt nach § 1 SRGS betriebene gesamte öffentliche Einrichtung Straßenreinigung nach § 6 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 KAG a.F. zutreffend ermittelt worden sind. Jedenfalls enthält die Gebührenbedarfsberechung im Bereich der Kostenverteilung methodische Fehler, die zur Nichtigkeit der satzungsrechtlichen Regelung über den Gebührensatz führen.

Entscheidet sich der Satzungsgeber - wie hier - für eine Differenzierung der Straßenreinigungsgebührensätze nach unterschiedlichen Reinigungsleistungen (§ 6 Abs. 3 SRGS), so dürfen - ungeachtet des Umstandes, dass die öffentliche Einrichtung der Straßenreinigung als eine einheitliche öffentliche Einrichtung betrieben wird - den durch die einzelnen Straßenreinigungsleistungen gebildeten Teilleistungsbereichen jeweils nur diejenigen Kosten zugeordnet werden, die mit der Erbringung der betreffenden gebührenpflichtigen Leistung verbunden sind. Kosten, die nur einem Leistungsbereich unmittelbar zugeordnet werden können, sind in voller Höhe ausschließlich als Aufwand dieses Leistungsbereichs anzusetzen und entziehen sich einer Verteilung nach Umlageschlüsseln. Soweit bestimmte unteilbare Einrichtungen und Anlagen oder Teile hiervon mehreren oder allen Leistungsbereichen gemeinsam dienen, sind die hierdurch anfallenden Kosten nach den Grundsätzen der Kostenverursachung über dementsprechende Umlageschlüssel auf die jeweiligen Reinigungsleistungen aufzuteilen. Bei dieser Bewertung kommt es aber nicht auf eine wirtschaftlich exakte Kostenverteilung an, die den Maßstäben einer sachverständigen Begutachtung entsprechen müsste, sondern auf eine nach den Grundsätzen der Plausibilität vereinfachende Betrachtungsweise, wie sie nach § 6 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 KAG a.F. zulässig ist.

Vgl. etwa zur Kostenaufteilung im Bereich des Entwässerungsgebührenrechts: OVG NRW, Urteil vom 15.7.1991 - 9 A 1635/89 -, und zur Kostenaufteilung im Abfallgebührenrecht: OVG NRW, Urteil vom 1.7.1997 - 9 A 3556/96 -, NWVBl. 1998, 119 = ZKF 1999, 110 = GemH 1999, 189 = KStZ 2000, 87.

Diesen Grundsätzen wird die der Ermittlung des oben genannten Gebührensatzes zugrunde liegende Gebührenbedarfsberechnung nicht gerecht. Schon die in der Kalkulation für das hier maßgebliche Jahr 1997 erfolgte Aufteilung der Kosten, die für die Straßenreinigung (gemeint ist die Normalreinigung) bzw. nur für die Winterwartung bezogen auf alle zu reinigenden Straßen anfallen, hält einer Überprüfung nicht Stand. Nicht zu beanstanden ist allerdings, dass die Kosten für "Wasserversorgung und Entwässerung", "Reinigung durch Unternehmer" und "Deponienentgelte an den Kreis" ausschließlich der Normalreinigung zugeordnet sind. Die Kostenverteilung im Übrigen ist jedoch nicht plausibel. Das Aufteilungsverhältnis zwischen Normalreinigung und Winterwartung von 57:43, das mit Ausnahme bei der Kostenstelle Nr. 9 der Gebührenbedarfsberechnung "Innere Verrechnung" zugrunde gelegt ist, ist selbst nach dem bei der Bedarfsberechnung gewählten Ansatz methodisch falsch ermittelt und beruht zudem auf einem Parameter ohne ausreichende Aussagekraft. Es ist nach den Angaben der Beklagten aus dem rechnerischen Verhältnis der zu veranlagenden Frontmeter der B-Straßen (290.000 m) zu denen der A-Straßen (220.000 m) ermittelt worden. Dieser prognostizierten Kostenaufteilung liegt aber bereits der rechnerisch fehlerhafte Ansatz zugrunde, dass nur die A-Straßen satzungsgemäß wintergewartet werden. Tatsächlich obliegt der Stadt aber gemäß §§ 1 Abs. 3, 2 SRGS in Verbindung mit dem Straßenverzeichnis die Winterwartung nicht nur auf den Fahrbahnen der A-Straßen, sondern auch auf den Fahrbahnen der B-Straßen, insgesamt also auf einer zu veranschlagenden Straßenlänge von 510.000 m (= 290.000 + 220.000 ). Hiervon ausgehend entfielen nach dem für die Kalkulation gewählten Kostenverteilungsmaßstab (290.000 m Normalreinigung zu 510.000 Winterwartung) nur 36,25 % der insoweit zu verteilenden Kosten - deren Richtigkeit unterstellt - auf die Normalreinigung und 63,75 % auf die Winterwartung. Eine solche Kostenverteilung ist unter Berücksichtigung der satzungsgemäß zu erfüllenden Aufgaben nicht nachvollziehbar und widerspricht den tatsächlichen Gegebenheit im groben Maße. Denn erfahrungsgemäß werden die wesentlichen Kosten der Straßenreinigung nicht durch die auf wenige Wochen, wenn nicht Tage im Jahr beschränkte Winterwartung verursacht, sondern durch die wöchentlich und häufiger durchgeführte Normalreinigung der B-Straßen. Aus diesem Grund sind auch die veranschlagten Frontmeter kein geeignetes Aufteilungskriterium, weil ein Frontmeter einer fast das gesamte Jahr normal gereinigten Straße nicht mit einem Frontmeter einer Straße vergleichbar ist, für die nur kurze Zeit im Jahr Winterdienst vorgehalten bzw. erbracht wird.

Auch die weitere Aufteilung der ausschließlich für die Winterwartung ermittelten Kosten in sogenannte variable und fixe nach einem Verteilungsschlüssel von 40 % zu 60 % hält einer Plausibilitätsprüfung nicht Stand. Fixe Kosten sind solche, die zur Sicherstellung der Lieferungs- und Leistungsbereitschaft aufgewendet werden (z.B. Kauf oder Miete von Anlagegütern), während es sich bei den variablen Kosten um arbeits-/verbrauchsabhängige Aufwendungen handelt (z.B. Werkstoffkosten). Auf Nachfrage des Gerichts beruft sich die Beklagte als Rechtfertigung für den gewählten Verteilungsschlüssel auf von ihr angestellte Berechnungen, die exemplarisch anhand der Betriebsabrechung 1995 vorgenommen worden seien. Diese Berechnungen vermögen den Verteilungsschlüssel nicht plausibel zu rechtfertigen.

Es ist schon bedenklich, dass die Berechnung sich nur auf die Betriebsabrechnung 1995 und nicht auf den Durchschnitt der Ergebnisse mehrerer Jahre stützt. Anhaltspunkte dafür, dass das Jahr 1995 die durchschnittlichen Verhältnisse widerspiegelt, sind nicht vorgetragen worden. Außerdem ist nicht nachvollziehbar, warum die Aufteilung der gesamten Winterwartungskosten in fixe und variable ausschließlich anhand der Nr. 9 der Gebührenbedarfsberechnung "Innere Verrechnung" vorgenommen worden ist. Zwar handelt es sich bei dieser Position um einen erheblichen Anteil der gesamten Winterwartungskosten, dieser ist aber nicht so gewichtig, dass ihm eine verallgemeinernde Aussagekraft für die restlichen Positionen beigemessen werden könnte. Dies wird besonders deutlich bei der Nr. 13 der Gebührenbedarfsberechung "Verwaltungsentschädigung", die selbst nach den Erläuterungen der Beklagten nur Leistungen enthält, die von den Dienststellen der allgemeinen Verwaltung der Beklagten tatsächlich oder erfahrungsgemäß für die kostenrechnende Einrichtung Straßenreinigung erbracht werden. Allein der Anteil dieser Kostenposition von 89.324,-- DM im Verhältnis zu den Gesamtausgaben der kalkulierten Winterwartungskosten von 360.157,-- DM beträgt fast 25 %.

Abgesehen davon durften die Kosten der Nr. 10 "Innere Verrechnungen", die sich nach den Angaben der Beklagten auf die Winterwartung der Marktplätze bezieht, in keinem Fall zwischen A- und B-Straßen aufgeteilt werden. Denn die Marktplätze befinden sich ausschließlich im Bereich der B-Straßen.

Da die Kostenverteilung methodische Prognosemängel aufweist, kann der Gebührensatz für die Winterwartung auf A-Straßen auch nicht im Ergebnis Bestand haben. Zwar müssen Mängel der Kalkulation nicht zwangsläufig zur Nichtigkeit der Gebührensätze führen. Denn rechtlich ist davon auszugehen, dass der Gebührensatz lediglich im Ergebnis den Anforderungen der einschlägigen Gebührenvorschriften entsprechen und demzufolge nicht auf einer vom Rat beschlossenen stimmigen Gebührenkalkulation beruhen muss.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 5.8.1994, - 9 A 1248/92 -, KStZ 1994, 213.

Gleichwohl ist hier nicht erkennbar, dass der angefochtene Gebührensatz im Ergebnis richtig sein könnte, weil die benannten Mängel sich kostenrechtlich jeweils erheblich auf den Gebührensatz auswirken und gleichzeitig der Senat gehindert ist, eine Kostenaufteilung unter sachgerechten Kriterien vorzunehmen, da diese Entscheidung dem Satzungsgeber vorbehalten ist.

Ist der Gebührensatz für die Winterwartung der A-Straßen nichtig, führt diese Teilnichtigkeit auch zur Nichtigkeit der weiteren in § 6 SRGS enthaltenen Gebührensatzregelung für die Reinigung der B-Straßen. Nach dem mutmaßlichen Willen des Satzungsgebers kann nicht von der Gültigkeit des Gebührensatzes für die B-Straßen ausgegangen werden, denn der Satzungsgeber hat durch die bewusste Aufteilung der gesamten kalkulierten Kosten einerseits und den insoweit erfolgten Ansatz des nach § 3 Abs. 1 Satz 2 StrReinG NRW a.F. jeweils maximal zulässigen Anteils von bis zu 75 % zu erkennen gegeben, dass er das nach dem Straßenreinigungsgesetz mögliche Maß bei der Gebührenerhebung hat ausschöpfen wollen. Hierzu käme es nicht, bliebe der voraussichtlich zu niedrig angesetzte Gebührensatz für die Reinigung der B-Straßen bestehen.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 1.10.1997 - 9 A 1012/96 -, und Urteil vom 18.3.1996 - 9 A 384/93 -.

Unabhängig hiervon ist auch die konkrete Gebührenveranlagung des Klägers fehlerhaft. Die Beklagte ist nicht berechtigt, den Kläger in vollem Umfang zu Straßenreinigungsgebühren für das 8,6525 ha große Flurstück 276 heranzuziehen.

Nach § 1 Abs. 1 SRGS in Verbindung mit § 1 Abs. 1 StrReinG NRW a.F. betreibt die Stadt die Reinigung der öffentlichen Straßen innerhalb der geschlossenen Ortslagen des Gemeindegebietes, bei Bundes-, Landes- und Kreisstraßen jedoch nur der Ortsdurchfahrten. Nach § 5 SRGS in Verbindung mit § 3 StrReinG NRW a.F. erhebt sie hierfür Benutzungsgebühren nach § 6 Abs. 2 KAG a.F. Gebührenpflichtig sind die Eigentümer der von den zu reinigenden Straßen erschlossenen Grundstücke (§ 7 SRGS). Diese Voraussetzungen liegen nur teilweise vor. Denn das Grundstück des Klägers befindet sich zwar innerhalb der geschlossenen Ortslage, es wird aber nur teilweise durch die gereinigten Straßen erschlossen.

Der Senat hat keine Zweifel, dass es sich bei den zu reinigenden Straßen im Bereich des Flurstücks des Klägers um Straßen innerhalb der geschlossenen Ortslage handelt. Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen in dem Urteil des VG verwiesen.

Das Grundstück des Klägers wird aber durch die gereinigten Straßen nicht in vollem Umfang erschlossen. Soweit die Flächen nur landwirtschaftlich genutzt werden, liegt keine Erschließung vor.

Nach der Rechtsprechung des Senats wird ein Grundstück im Sinne der insoweit maßgeblichen Vorschrift des § 3 Abs. 1 StrReinG NRW a.F. von der gereinigten Straße erschlossen, wenn es von der Straße rechtlich und tatsächlich für Fahrzeuge oder aber auch nur fußläufig eine Zugangsmöglichkeit hat und dadurch schlechthin eine innerhalb geschlossener Ortslagen übliche und sinnvolle wirtschaftliche Nutzung des Grundstücks ermöglicht wird. Vgl. hierzu grundlegend: OVG NRW, Urteil vom 28.9.1989, a.a.O. Dieser Erschließungsbegriff des § 3 Abs. 1 StrReinG NRW a.F. ist weiter als derjenige der §§ 131 und 133 BauGB, anders früher: OVG NRW Urteil vom 28.6.1982 - 2 A 2234/81 -, OVGE 36, 139 = KStZ 1983, 11, und kann nicht ohne weiteres mit in anderen Gesetzen verwandten gleich lautenden Begriffen gleichgesetzt werden.

Vgl. Urteil des Senats vom 28.9.1989 - a.a.O.

Bei der Auslegung des Erschließungsbegriffs des § 3 Abs. 1 StrReinG NRW a.F. ist zu berücksichtigen, dass die Straßenreinigung im System der öffentlichen Lasten eine Natural- und/oder Geldlast als Ausgleich für besondere, dem Grundstückseigentümer erwachsende Vorteile darstellt.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 31.3.1998, NVwZ-RR 1999, 64.

Die Rechtfertigung, die Grundeigentümer im Verhältnis zur Allgemeinheit für die Straßenreinigung mit Gebühren zu belasten, besteht darin, dass die Straßenreinigung objektiv im besonderen Interesse der Grundstückseigentümer liegt und sich für sie in Bezug auf die Möglichkeit der wirtschaftlichen und verkehrlichen Nutzung der Grundstücke vorteilhaft auswirkt. Soweit solche besonderen Vorteile nicht vorliegen, kommt mangels Erschlossenseins des Grundstücks eine Heranziehung des Grundstückseigentümers nicht in Betracht. Die dem Grundstückseigentümer erwachsenden Vorteile müssen in Beziehung stehen zum Zweck der Straßenreinigung. Dieser erschließt sich aus Sinn und Regelungsgehalt der Bestimmungen des Straßenreinigungsgesetzes unter Berücksichtigung der Gesetzesbegründung. Danach sollte das neue Gesetz dem Gesichtspunkt Rechnung tragen, dass die Straßenreinigung sich von einer ursprünglich rein ordnungsrechtlichen Pflicht zur Gefahrenabwehr zu einem Teil der allgemeinen Daseinsvorsorge weiterentwickelt hatte.

Vgl. Gesetzesbegründung der Landesregierung, LT-Drucks. 8/33, Seite 1.

Denn mit der Entwicklung moderner Entsorgungssysteme (Abfall- und Abwas-serentsorgung) trat die Gefahrenabwehr aus gesundheitspolizeilichen und hygienischen Gründen in den Hintergrund und mit der Zunahme des Verkehrs im allgemeinen und des Kraftfahrzeugverkehrs im besonderen sollte die Förderung des gemeindlichen Wirtschaftslebens sowie der Sicherheit und Bequemlichkeit der Bürger im Vordergrund stehen, ohne dass der ordnungsrechtliche Bezug ganz aufgegeben worden ist.

Vgl. auch Walprecht/Brinkmann, Straßenreinigungsgesetz Nordrhein-Westfalen, Kom., 3. Aufl. 1976, Erl. § 1 StrReinG Nr. 1.

Diese Vorsorge bezieht sich nach dem Straßenreinigungsgesetz Nordrhein-Westfalen aber nicht auf das gesamte Gemeindegebiet. Vielmehr beschränkt § 1 Abs. 1 Satz 1 StrReinG NRW a.F. die Reinigung ausdrücklich auf die innerhalb der geschlossenen Ortslagen gelegenen öffentlichen Straßen. Straßenreinigungsrechtlich erschlossen sind deshalb nur solche Grundstücke, deren Eigentümer von der Straßenreinigung innerhalb der geschlossenen Ortslage einen speziellen, sich auf das geordnete Zusammenleben der örtlichen Gemeinschaft auswirkenden Vorteil haben, wie es beispielsweise bei regelmäßiger Sauberhaltung der innerörtlichen Straßen sowohl unter dem Aspekt eines erleichterten Ortsverkehrs für die Einwohner der Gemeinde als auch demjenigen der Hygiene der Fall ist.

In Anwendung dieser Grundsätze hat der Senat für Gartenland bereits entschieden, dass bei entsprechender Zugänglichkeit der Flächen von der Straße aus eine Erschließung vorliegt, weil in diesen Fällen eine typische wirtschaftliche Grundstücksnutzung innerhalb der Ortslage gegeben ist.

Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 28.2.1990 - 9 A 1402/89 - und vom 3.5.1999 - 9 A 972/97 -.

Hingegen ist dies bei einem rein landwirtschaftlich genutzten Grundstück zu verneinen. Denn es fehlt einem solchen Grundstück die innerhalb geschlossener Ortslage übliche und sinnvolle wirtschaftliche Nutzungsmöglichkeit.

Ausdrücklich offen gelassen: OVG NRW, Urteil vom 15.12.1995 - 9 A 3413/95 - NWVBl. 1996, 301; vergl. auch Schmidt, StGR 1992, 293ff (298).

Während die innerhalb geschlossener Ortslagen übliche und sinnvolle wirtschaftliche Grundstücksnutzung im Wesentlichen geprägt ist durch eine intensive bauliche und/oder gewerbliche Nutzung bzw. eine Nutzung, die sich aus dem gemeindlichen Zusammenleben in geschlossener Ortslage ergibt, ist die Nutzung landwirtschaftlicher Flächen schon vom Ansatz her üblicherweise dem Außenbereich zuzuordnen. Insoweit sind nämlich die typischen Belange des Zusammenlebens der örtlichen Gemeinschaft innerhalb der geschlossenen Ortslage bei einem landwirtschaftlichen Grundstück gerade nicht betroffen. Es ist auch nicht ersichtlich, welcher Sondervorteil einer rein landwirtschaftlich genutzten Fläche durch eine Reinigung der vor dieser verlaufenden Straßen erwachsen soll. Die Bewirtschaftungsmöglichkeit der Fläche verbessert sich nicht durch eine Straßenreinigung. Hygienegesichtspunkte spielen insoweit keine Rolle. Auch unter dem Gesichtspunkt der Leichtigkeit und Sicherheit des Straßenverkehrs erlangt das landwirtschaftlich genutzte Grundstück durch die Reinigung der öffentlichen Straße üblicherweise keinen besonderen Vorteil. Wird nämlich die angrenzende Straße infolge der landwirtschaftlichen Grundstücksnutzung über das übliche Maß hinaus verunreinigt, z.B. bei einer Verschmutzung der Straße durch Ackerfahrzeuge oder Viehtrieb, hat der Eigentümer die Verunreinigung unabhängig von der gemeindlichen Straßenreinigung genauso unverzüglich zu beseitigen wie z.B. ein Unternehmer, der im Zusammenhang mit der Bebauung oder gewerblichen Nutzung eines Grundstücks im Ortsbereich die Straße besonders verschmutzt (§ 7 Abs. 3 FStrG, § 17 StrWG NRW). Auf die nächste Durchführung der öffentlichen Straßenreinigung kann und darf der Verursacher wegen der sich aus der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht ergebenden Reinigungspflicht nicht warten. Wird hingegen eine nicht über das übliche Maß hinausgehende Verunreinigung öffentlich gereinigt, so ist ein Vorteil für die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs im Zusammenhang mit der Benutzung rein landwirtschaftlicher Grundstücke nicht gegeben.

Die dargestellte Auffassung wird durch die Entstehungsgeschichte des heutigen Straßenreinigungsgesetzes bestätigt. Nach der Gesetzesbegründung der Landesregierung, LT-Drucks. 8/33, Seiten 1 und 8, erfolgte die Novellierung des Gesetzes vor allem, weil der bereits dargelegte Wandel der Straßenreinigung eine Neuordnung des Umfangs der Reinigungspflicht und des Kreises derer erforderlich machte, denen die Reinigung übertragen werden kann. Insoweit war es das erklärte Ziel des Gesetzgebers, dass an den Kosten der Straßenreinigung neben den Anliegern auch die Hinterlieger beteiligt werden sollten. Für eine Erweiterung dieses Kreises um die Eigentümer landwirtschaftlich genutzter Grundstücke, die nach altem Recht wegen der Regelung des § 1 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 des preußischen Gesetzes über die Reinigung öffentlicher Wege vom 1.7.1912 (PrGS Nr. 26, S. 187) nicht herangezogen werden konnten, ist nichts ersichtlich.

Eine Heranziehung des Klägers zu Straßenreinigungsgebühren für das gesamte Flurstück 276 wäre auch nicht unter dem Gesichtspunkt gerechtfertigt, dass Veranlagungsgegenstand grundsätzlich das Buchgrundstück ist, vgl. Urteil des Senat vom 31.8.1989 - 9 A 79/87 -, NWVBl. 1990, 162, und das Flurstück als Standort der landwirtschaftlichen Hofstelle des Klägers dient. Denn hier wäre ausnahmsweise eine Abweichung vom Buchgrundstück vorzunehmen.

Grundsätzlich beruht die für das Buchgrundstück als Veranlagungsgegenstand sprechende Grundstücksbetrachtung auf der Überlegung, bei dem zu Straßenreinigungsgebühren zu veranlagenden Grundstück handele es sich um dasjenige, dem die gereinigte Straße die bauliche, gewerbliche oder sonst ortsübliche Nutzung vermittele. Bei der Auslegung des Grundstücksbegriffs ist aber auch der Grundsatz der Gebührengerechtigkeit zu berücksichtigen. Insoweit kann es im Einzelfall geboten sein, dass Veranlagungsgegenstand nur eine bestimmte Teilfläche eines Buchgrundstücks ist.

Vgl. OVG NRW, Urteile vom 31.8.1989, a.a.O., und vom 2.3.1990 - 9 A 2652/88 -.

Dem entspricht auch § 4 Abs. 2 SRGS.

Ein solcher Fall liegt hier vor. Das Flurstück 276 hat eine Größe von 8,6525 ha. Davon wird ausweislich des dem Gericht vorliegenden Auszugs aus dem Liegenschaftskataster des Vermessungs- und Katasteramtes Viersen eine Teilfläche von insgesamt 7,7912 ha rein landwirtschaftlich zur Urproduktion genutzt. Ihr werden die mit der Straßenreinigung innerhalb der geschlossenen Ortslage verbundenen Vorteile - wie ausgeführt - nicht vermittelt. Diese landwirtschaftliche Teilfläche stellt gegenüber der Gebäude- und Freifläche nebst Zuwegung eine selbständige und von ihr abgrenzbare Fläche dar, die sich auch lagemäßig eindeutig aus dem Liegenschaftskataster ergibt. Die im Liegenschaftskatasterauszug zeichnerisch dargestellte Hofstelle einschließlich der dazugehörenden Freiflächen erfüllt demgegenüber die Voraussetzungen des Erschlossenseins i.S.d. § 3 Abs. 1 Satz 1 StReinG NRW. Sie kann über einen Weg von der M-Straße aus erreicht werden und es besteht auch die Möglichkeit der Zuwegung von der D-Straße. Außerdem stellt die Hofstelle eine innerhalb geschlossener Ortslage übliche und sinnvolle Nutzung des Grundstücks dar. Die danach der Gebührenpflicht unterliegende (Teil-)Fläche ist nach den satzungsrechtlichen Bestimmungen über An- bzw. Hinterlieger heranzuziehen.

Ende der Entscheidung

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