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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 13.04.2005
Aktenzeichen: 9 A 3120/03
Rechtsgebiete: KAG NRW


Vorschriften:

KAG NRW § 6 Abs 2
Im Rahmen der Gebührenbedarfsberechnung darf bei der Ermittlung kalkulatorischer Kosten die Abschreibung auf der Basis von Wiederbeschaffungszeitwerten mit einer Nominalverzinsung auf Anschaffungsrestwertbasis kombiniert werden; diese Methode ist vom Willen des nordrhein-westfälischen Gesetzgebers - nach wie vor - gedeckt (Bestätigung der ständigen Rechtsprechung des Senats, vgl. Urteil vom 1.9.1999 - 9 A 3342/98 -, NVwZ-RR 2000, 383).

Unter Berücksichtigung der langfristigen Zinsentwicklung ist ein Zinssatz von 8 % bei der kalkulatorischen Verzinsung für 1999 überhöht.


Tatbestand:

Die Klägerin wendete sich gegen die Heranziehung zu Entwässerungsgebühren für das Jahr 1999.

Ihre Klage hatte in erster Instanz Erfolg. Nach Ansicht des VG waren die in der einschlägigen Satzung festgeschriebenen Gebührensätze unter Verstoß gegen das Kostenüberschreitungsverbot zu hoch festgesetzt worden. Insbesondere habe der vom Beklagten gewählte methodische Ansatz von Abschreibungen nach dem Wiederbeschaffungszeitwert in Verbindung mit kalkulatorischen Zinsen vom Anschaffungsrestwert zum Nominalzins von 8 % zu einer rechtlich unzulässigen Überdeckung geführt. Auf die hiergegen gerichtete Berufung des Beklagten wurde das erstinstanzliche Urteil geändert und die Klage abgewiesen.

Gründe: Die in der Gebührenbedarfsberechnung eingestellten kalkulatorischen Kosten sind rechtlich nicht deswegen zu beanstanden, weil sie durch eine Kombination aus Abschreibung vom Wiederbeschaffungszeitwert mit einer Nominalverzinsung vom Anschaffungsrestwert ermittelt sind. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist in gebührenrechtlicher Hinsicht die Berechnung der Abschreibung auf der Grundlage von Wiederbeschaffungszeitwerten - auch in Verbindung mit dem Ansatz kalkulatorischer Nominalzinsen auf der Basis von Anschaffungsrestwerten - zulässig. Die so ermittelten kalkulatorischen Kosten stellen nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen ansatzfähige Kosten im Sinne des § 6 Abs. 2 Satz 1 KAG NRW dar.

Vgl. die ständige Rechtsprechung des erkennenden Senats: OVG NRW, Urteile vom 5.8.1994 - 9 A 1248/92 -, NWVBl. 1994, 428, m.w.N., vom 19.5.1998 - 9 A 5709/97 -, NWVBl. 1998, 484 und vom 1.9.1999 - 9 A 3342/98 -, NWVBl. 2000, 135 (Parallelentscheidungen rechtskräftig seit den Beschlüssen des BVerwG vom 10.4.2000 - 11 B 61, 62, 63.99 -); Beschluss vom 22.8.2003 - 9 A 4766/99 - und Urteil vom 14.12.2004 - 9 A 4187/01 -; vgl. ebenso für das niedersächsische KAG, Nds. OVG, Urteil vom 4.11.2002 - 9 LB 215/02 -, ZKF 2003, 153, 154.

Der Senat hält auch unter Würdigung der gegen seine Auffassung vorgebrachten Kritik, vgl. insbesondere die Dissertation von Schröder, Die Erhebung von Entwässerungsgebühren in Nordrhein-Westfalen, 2003, S. 252 ff. daran fest, dass die für zulässig erachtete Methode mit dem Willen und den Zielsetzungen des Gesetzgebers in Bezug auf § 6 Abs. 2 KAG NRW im Einklang steht. Dementsprechend wird in der gegen die ständige Rechtsprechung des Senats gerichteten Kritik weitgehend davon ausgegangen, dass die divergierenden Auffassungen ihren Ausgangspunkt in unterschiedlich bewerteten "gesetzlichen Zielbestimmungen der Gebührenkalkulation" hätten.

Vgl. Schröder, a.a.O., S. 252, 253; Wiesemann, KStZ 1998, S. 227 ff, der von "Zielvorstellungen" spricht, die durch Gesetzesinterpretation nach juristischer Methodik zu ermitteln seien, wobei der Begriff "betriebswirtschaftliche Grundsätze" keine dynamische Verweisung, sondern einen unbestimmten Rechtsbegriff darstelle.

Der nordrhein-westfälische Landesgesetzgeber hat - anders als der Gesetzgeber in einigen anderen Bundesländern - ausdrücklich auf eine erschöpfende bzw. einengendere Regelung des betriebswirtschaftlichen Kostenbegriffs aufgrund der in der Betriebswirtschaftslehre herrschenden Meinungsverschiedenheiten verzichtet und damit den Gemeinden ein diesbezügliches Wahlrecht eröffnet.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 1.9.1999 - 9 A 3342/98 -, a.a.O., unter Hinweis auf LT-Drs. 6/810 S. 34, 35.

In bezug auf die Ansatzfähigkeit der kalkulatorischen Kosten widerspricht es der Intention des Landesgesetzgebers, eine Beschränkung der zulässigen Kalkulationsmethoden allein auf das vom VG alternativ für zulässig erachtete Anschaffungswert- oder Wiederbeschaffungswertmodell vorzunehmen. Entgegen der vom VG vertretenen Interdependenz der kalkulatorischen Kostenarten (Abschreibung und Zinsen) dürfen die kalkulatorischen Zinsen einerseits und die kalkulatorische Abschreibung andererseits in ihrer jeweiligen finanzwirtschaftlichen Funktion getrennt werden. Dass dieser Ansatz mit dem gesetzgeberischen Willen im Einklang steht, hat der Senat zuletzt im Urteil vom 1.9.1999 - 9 A 3342/98 - (a.a.O.), auf dessen eingehende Begründung zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, dargestellt.

Danach ist davon auszugehen, dass die Funktion der kalkulatorischen Verzinsung in der Gewährleistung des Belastungsausgleichs liegen kann; der kalkulatorischen Abschreibung darf hingegen die Funktion zugeschrieben werden, diejenigen finanziellen Mittel zu erwirtschaften, die es der Gemeinde ermöglichen, eine Ersatzbeschaffung bzw. Wiederbeschaffung der Anlage zu finanzieren. Dementsprechend hat auch der erkennende Senat bei der Änderung seiner Rechtsprechung zur Basis der kalkulatorischen Verzinsung im Urteil vom 5.8.1994 - 9 A 1248/92 - (a.a.O.) in Übereinstimmung mit den Ausführungen des seinerzeit beauftragten Sachverständigen nicht der kalkulatorischen Verzinsung die Funktion der Substanzerhaltung (der Anlage) beigemessen. Die Annahme, der Abschreibung könne demgegenüber allein die Funktion der Kostenverteilung im Bereich der Substanzerhaltung zugeschrieben werden, ist eine zulässige Betrachtungsweise.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 1.9.1999 - 9 A 3342/98 -, a.a.O., mit eingehender Begründung; ebenso für das niedersächsische KAG, Nds. OVG, Urteil vom 4.11.2002 - 9 LB 215/02 -, a.a.O.

Die isolierte Betrachtung der beiden kalkulatorischen Kostenarten Abschreibung und Verzinsung gilt nach dem Willen des Landesgesetzgebers auch dann, wenn die Abschreibungen nach dem Wiederbeschaffungszeitwert vorgenommen werden. Der Landesgesetzgeber wollte zugunsten der Gemeinden ausdrücklich die Wahlmöglichkeit eröffnen, Abschreibungen nach dem Wiederbeschaffungszeitwert vorzunehmen; es ist nicht ansatzweise erkennbar, dass er dabei mit Blick auf die Funktion der kalkulatorischen Verzinsung und deren Orientierung an den tatsächlichen Kapitalmarktkonditionen wechselseitige Einschränkungen - etwa aus dem Verständnis der betriebswirtschaftlichen Grundsätze als einem übergreifenden Ordnungssystem - in Betracht gezogen hat.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 1.9.1999 - 9 A 3342/98 -, a.a.O., unter Auswertung der Motive des Gesetzgebers.

Mit Blick auf die dargestellten möglichen unterschiedlichen finanzwirtschaftlichen Zielsetzungen der kalkulatorischen Kostenarten entkräftet auch der Hinweis des VG, eine Gebührenkalkulation auf der Grundlage der Rechtsprechung des erkennenden Senats führe zu einer "doppelten" Verrechnung der allgemeinen Preissteigerungsrate und damit zu einer "Überdeckung", nicht die hier vertretene Sichtweise. Zwar mag innerhalb der beiden Kostenarten (Abschreibung und kalkulatorische Verzinsung) im Rahmen der Berechnung jeweils ein Inflationsausgleich Berücksichtigung finden. Auf Grund der beschriebenen unterschiedlichen Zweckbestimmungen ist dies indes systemimmanent und nach Aufassung des Senats wegen der vom Gesetzgeber beabsichtigten Stärkung der Eigenkapitalausstattung der Gemeinden auch gewollt.

Die vorstehend umrissene Ansicht wird auch unter Berücksichtigung neuerer Erkenntnisse nicht durch die hiergegen gerichtete Kritik widerlegt. Das der Senatsauffassung zu Grunde liegende Gesetzesverständnis, insbesondere die danach mit § 6 Abs. 2 KAG NRW verbundene Zielvorstellung, ist dem Landesgesetzgeber seit der grundlegenden Entscheidung vom 5.8.1994 - 9 A 1248/92 - (a.a.O.) bekannt. Wäre die in Rede stehende Auffassung nicht haltbar, hätte es nahe gelegen, dass der Gesetzgeber eine ausdrückliche Regelung zum Umfang der Ansatzfähigkeit von kalkulatorischen Kosten in das Kommunalabgabengesetz eingefügt hätte. Anlässlich anderer grundlegender Entscheidungen des Senats zum Benutzungsgebührenrecht ist der Gesetzgeber in der Vergangenheit jedenfalls mehrfach gesetzesändernd tätig geworden und hat ausdrücklich auf eine seinen Vorstellungen nicht entsprechende Rechtsprechung reagiert.

Vgl. zuletzt z.B. die Begründung zur Einführung des § 6 Abs. 2 Satz 3 KAG NRW durch Art. 3 des Gesetzes zur Änderung des Landesabfallgesetzes und damit in Zusammenhang stehender Vorschriften, LT-Drs. 12/3143, S. 84, sowie die Begründung zur Einführung des § 9 Abs. 2 Satz 5 LAbfG, LT-Drs. 12/3143, S. 70.

Eine derartige Reaktion des Gesetzgebers auf die Rechtsprechung des Senats zu der hier in Rede stehenden Frage ist nicht erfolgt. Eine solche wäre indes bei Annahme einer fehlenden Vertretbarkeit der Ansicht des Senats um so mehr zu erwarten gewesen, als die an der Gesetzgebung beteiligten Stellen die hiergegen eingenommenen Gegenpositionen zur Auslegung von § 6 Abs. 2 Satz 1 und Satz 4 sowie Abs. 1 Satz 3 KAG NRW, die auch publiziert worden sind, bei Beratungen über mögliche Änderungen der Vorschriften ausdrücklich diskutiert und gewürdigt haben. Zuletzt hat sich der Gesetzgeber in der 13. Legislaturperiode auf die Anträge der FDP-Fraktion vom 5.10.2001 (LT-Drs. 13/1664, "Effizienter Mitteleinsatz in der Abwasserbeseitigung") und der CDU-Fraktion vom 5.11.2001 (LT-Drs. 13/1739, "Umweltstandards halten - Gebührenlast der Bürger konsequent senken") mit der einschlägigen Problematik der Ermittlung von Abschreibung und kalkulatorischer Verzinsung befasst. Die Anträge, die beide u.a. ein gesetzliches Verbot der Abschreibung vom Wiederbeschaffungszeitwert und eine deutliche Begrenzung der kalkulatorischen Zinsen gefordert hatten, wurden nach der Behandlung im Plenum zur Beratung und Abstimmung an den federführenden Ausschuss für Umweltschutz und Raumordnung überwiesen. Bei der parlamentarischen Aussprache über den Antrag der CDU-Fraktion ist ausdrücklich die Frage einer möglichen Einengung der durch das Kommunalabgabengesetz eröffneten und von der Rechtsprechung des Senats hervorgehobenen Bewertungsspielräume im Bereich der kalkulatorischen Kosten für die Kommunen erörtert worden.

Vgl. nur die Stellungnahme von Innenminister Dr. Behrens, Plenarprotokoll 13/42, S. 4166, 4177 ff.

In der danach vom federführenden Ausschuss für Umweltschutz und Raumordnung durchgeführten öffentlichen Anhörung nach § 32 der Geschäftsordnung des Landtages sind zudem konkret die in Rede stehenden Streitfragen zur Kombination der Methoden bei der Ermittlung von Abschreibung und kalkulatorischer Verzinsung angesprochen worden.

Vgl. Ausschussprotokoll 13/598 vom 12.6.2002.

Der Bund der Steuerzahler hat in seiner schriftlichen Stellungnahme an den Ausschuss vom 10.6.2002 (Zuschrift 13/1765) deutlich auf die "kontroverse Rechtsprechung" der 13. Kammer des VG Gelsenkirchen und des Senates zur Pro-blematik hingewiesen und ein gesetzgeberisches Tätigwerden im Sinne des behandelten Antrags der CDU-Fraktion angeregt. Die Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände hat in ihrer Stellungnahme vom 6.6.2002 (Zuschrift 13/1773, Seite 6) hingegen hervorgehoben, dass ein Änderungsbedarf bei § 6 Abs. 2 KAG NRW vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Senates nicht gesehen werde. In der Sitzung des Ausschusses am 12.6.2002 sind diese und weitere sachverständige Stellungnahmen sowie ein etwaiger Gesetzgebungsbedarf mündlich eingehend diskutiert worden.

Vgl. Ausschussprotokoll 13/598, z.B. S. 10, 11, 13, 17, 31.

Nach weiteren Erörterungen in der Folgezeit hat der Ausschuss die genannten Anträge der CDU-Fraktion und der FDP-Faktion schließlich am 15.9.2004 abgelehnt und damit in Kenntnis und unter Berücksichtigung der Ansicht des Senats zum Verständnis des § 6 Abs. 2 KAG NRW Bedarf für eine Gesetzesänderung oder Klarstellung verneint.

Vgl. Ausschussprotokoll und Beschlussprotokoll 13/1312 vom 15.9.2004.

Hinzu kommt Folgendes: Ein allgemeiner Wandel in den betriebswirtschaftlichen Lehrmeinungen dahingehend, dass im Veranlagungszeitraum (1999) allgemein bei Wirtschaftsbetrieben - allein hierauf und nicht auf solche der öffentlichen Hand kommt es an, vgl. OVG NRW, Urteil vom 5.8.1994 - 9 A 1248/92 -, a.a.O. - bei einer kalkulatorischen Nominalverzinsung auf der Grundlage von Anschaffungs(rest)werten Abschreibungen nur noch auf Anschaffungswertbasis berechnet oder bei einer Abschreibung auf Basis des Wiederbeschaffungszeitwertes nur Realzinsen erhoben werden dürften, ist nicht ersichtlich.

Eine isolierte Betrachtung der einzelnen Kostenarten im Rahmen betriebswirtschaftlicher Grundsätze, wie sie unter Berücksichtigung der nach § 6 Abs. 2 Satz 1 KAG NRW geltenden Ziele im Ergebnis in der Rechtsprechung des erkennenden Senats zum Ausdruck kommt, ist auch nach neueren Erkenntnissen (weiterhin) nicht unzulässig, weil die damit verbundenen Kostenanschauungen in der Betriebswirtschaftslehre unverändert mit beachtlichem wissenschaftlichen Gewicht vertreten werden.

Vgl. Gawel, KStZ 1999, 61, 91, der davon ausgeht, dass die isolierte Kostenbetrachtung in der Praxis "überragende Bedeutung" habe; sowie die in der Fachhochschul- und Universitätsausbildung verwendeten Werke, wie z. B.: Coenenberg, Kostenrechnung und Kostenanalyse, 5. Aufl. 2003, S. 44 ff.; Steger, Kosten- und Leistungsrechnung, 3. Aufl. 2001, S. 194 ff. und 222 ff.; Zimmermann, Grundzüge der Kostenrechnung, 8. Aufl. 2001, S. 34 ff. und 50 ff.; Olfert, Kostenrechnung, 11. Aufl. 1999, S. 113 ff. und 125 ff.; Ebert, Kosten- und Leistungsrechnung, 10. Aufl. 2003, S. 38 ff. und 43 ff.; Macha, Grundlagen der Kosten- und Leistungsrechnung, 3. Aufl. 2003, S. 62 ff., 66ff.; Heinhold, Kosten- und Erfolgsrechnung in Fallbeispielen, 2. Aufl. 2001, S. 119 ff., 140ff.; siehe auch die inhaltlich im Vergleich zur 19. Auflage unveränderte Darstellung bei Wöhe, Einführung in die allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 21. Auflage 2002, S. 1093 ff.

Auch angesichts der seit der zitierten grundlegenden Entscheidung vom 5.8.1994 - 9 A 1248/92 - (a.a.O.) wiederholt in nachfolgenden Entscheidungen publizierten Senatsauffassung finden sich in den neueren Auflagen der betriebswirtschaftlichen Standardwerke - soweit ersichtlich - keine Aussagen, dass die angewandte Methode zur Ermittlung der kalkulatorischen Kosten unzulässig bzw. verboten sei. Entsprechende in Standardwerken publizierte Lehrmeinungen hat auch die Klägerin nicht nachgewiesen. Soweit sie z.B. auf das Werk von Coenenberg (a.a.O.) hinweist, lässt sich daraus für ihre Ansicht nichts Entscheidendes herleiten. In dem genannten betriebswirtschaftlichen Werk, das sich zusätzlich gesondert mit der Kostenrechnung im öffentlichen Gebührenrecht befasst, wird allein innerhalb der Behandlung der Kostenart "kalkulatorische Zinsen" angesprochen, dass bei einer Nominalverzinsung auf der Basis des Wiederbeschaffungszeitwertes ein doppelter Inflationsausgleich eintrete.

Vgl. Coenenberg, a.a.O., S. 45, 46, der deshalb im Rahmen der allgemeinen Ausführungen die Kombination Nominalzins i.V.m. Anschaffungswert oder Realzins i.V.m. Zeitwert empfiehlt; wobei im gesonderten Kapitel (S. 151, 156 ff.) über die Kostenrechnung für den Bereich der öffentlichen Gebührenerhebung die Nominalverzinsung auf der Basis des Wiederbeschaffungszeitwertes für unzulässig gehalten wird (S. 164). Die von der Klägerin beantragte Einholung eines betriebswirtschaftlichen Sachverständigengutachtens war nicht geboten. Der zuvor zitierten grundlegenden Entscheidung des Senats vom 5.8.1994 - 9 A 1248/92 - (a.a.O.) lagen bereits die Aussagen eines eigens eingeholten betriebswirtschaftlichen Sachverständigengutachtens zu Grunde. Entgegenstehende Auffassungen in betriebswirtschaftlichen Standardwerken hat die Klägerin - wie bereits ausgeführt - selbst nicht belegt. Aufgrund der beim Senat durch die ständige Befassung mit der Materie und durch die Auswertung der zitierten betriebswirtschaftlichen Werke vorhandenen Sachkunde war dieser in der Lage, die aufgeworfenen Fragen - soweit sie entscheidungserheblich waren - selbst zu beantworten. Dieses konnte unter Beachtung der im Ausgangspunkt notwendigen Interpretation des § 6 Abs. 2 Satz 1 KAG NRW und der damit verbundenen Ermittlung des gesetzgeberischen Willens durch eine Sichtung der einschlägigen betriebswirtschaftlichen Standardliteratur erfolgen.

Vgl. zur Entbehrlichkeit der Einholung eines Sachverständigengutachtens bei eigener Sachkunde des Gerichts etwa: BVerwG, Urteil vom 10.11.1983 - 3 C 56.82 -, BVerwGE 68, 177 (182), Beschlüsse vom 19.11.1998 - 8 B 148.98 -, Buchholz 310, § 88 VwGO, Nr. 41, und vom 11.2.1999 - 9 B 381.98 -, InfAuslR 1999, 365.

Die hier erforderliche Sachkunde konnte sich das Gericht dementsprechend durch die Benutzung allgemein zugänglicher Erkenntnisquellen verschaffen. Eine besondere durch spezielle Kenntnisse oder Fähigkeiten vermittelte betriebswirtschaftliche Sachkunde, wie sie etwa für die Beurteilung der Funktionstüchtigkeit eines konkreten Unternehmens unter kaufmännischen Gesichtspunkten im Einzelfall erforderlich sein mag, vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 19.11.1998 - 8 B 148.98 -, a.a.O., war im vorliegenden Fall zur Beantwortung der im Beweisantrag aufgeworfenen Fragen nicht notwendig.

Die demnach im Sinne von § 6 Abs. 2 Satz 1 KAG NRW als zulässig anzusehende Abschreibung nach Wiederbeschaffungszeitwerten in Verbindung mit einer Verzinsung des aufgewandten Kapitals auf der Grundlage von Anschaffungs(rest)werten mit einem Nominalzins führt ferner weder zu einer Verletzung des Äquivalenzprinzips, noch zu einem Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG mit Blick auf eine etwaige Ungleichbehandlung der Gebührenpflichtigen gegenüber der Allgemeinheit. Ebensowenig verstößt das Gesetzesverständnis des Senats entgegen der Ansicht der Klägerin gegen allgemeine juristische Auslegungsgrundsätze, die in Art. 19 Abs. 4 GG verankert sind.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 1.9.1999 - 9 A 3342/98 -, a.a.O., mit eingehender Begründung, auf die ebenfalls Bezug genommen wird.

Der für die kalkulatorischen Zinsen vorgenommene Ansatz in der Bedarfsberechnung ist allerdings überhöht, weil ein zu hoher Zinssatz zugrundegelegt worden ist. Der unzulässige Mehransatz führt aber nicht zur Unwirksamkeit der Gebührensätze.

Für die Bestimmung des Zinssatzes können nicht die in der jeweiligen Gebührenperiode am Kapitalmarkt herrschenden Verhältnisse, sondern nur langfristige Durchschnittsverhältnisse maßgebend sein. Denn es handelt sich um einen kalkulatorischen Zins, der sich auf den gesamten Restbuchwert, mithin auf Anlagegüter unterschiedlichsten Alters bezieht.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 5.8.1994 - 9 A 1248/92 -, a.a.O.

Insoweit hat der Senat in der Vergangenheit in ständiger Rechtsprechung, vgl. nur: OVG NRW, Urteile vom 5.8.1994 - 9 A 1248/92 - a.a.O., S. 434, und Urteil vom 1.9.1999 - 9 A 5715/98 -, zuletzt für das Veranlagungsjahr 1997, vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 7.8.2003 - 9 A 4829/99 - und vom 22.8.2003 - 9 A 4766/99 -, als Zinssatz einen Nominalzins bis maximal 8 % nicht beanstandet.

Dieser Ansatz lässt sich der Höhe nach für das Veranlagungsjahr 1999 nicht mehr halten. Legt man - wie im Urteil vom 5.8.1994 - 9 A 1248/92 -, a.a.O., geschehen - die langfristigen Durchschnittsverhältnisse zu Grunde, so zeigt sich, dass der für die Jahre 1952 bis 1992 seinerzeit ermittelte Durchschnittswert für öffentliche Anleihen von 7,5 bis 7,7 % angesichts der weiteren Zinsentwicklung im Rahmen der Kalkulation für das Jahr 1999 nicht mehr zu Grunde gelegt werden kann. Eine von der Deutschen Bundesbank erstellte und in der mündlichen Verhandlung in das Verfahren eingeführte Übersicht vom 12.1.2004 über die Sätze der Emissionsrenditen in den Jahren 1955 bis 2002 für festverzinsliche Wertpapiere inländischer öffentlicher Emittenten ergibt, dass bei der Kalkulationserstellung für 1999 im Jahre 1998 unter Berücksichtigung der bis dahin allenfalls vorliegenden Werte bis 1997 ein Durchschnittswert von nur noch gut 7,2 % anzunehmen ist. Dieser darf nach der Rechtsprechung des Senats um bis zu ca. 0,5 % erhöht werden. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass wegen der die Anlagezinsen regelmäßig übersteigenden Kreditzinsen ein etwaiger Fremdkapitalanteil zu einem höheren Zinssatz zu berücksichtigen ist.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 5.8.1994 - 9 A 1248/92 -, a.a.O.

Gemessen daran hätte für das Jahr 1999 nur noch ein kalkulatorischer Zinssatz von bis zu ca. 7,7 % angesetzt werden dürfen. Der hier demnach tatsächlich um ca. 0,3 % zu hoch angesetzte Zinssatz (daraus folgt eine Überdeckung von ca. 851.700,-- DM) führt indes nicht zur Überschreitung der für die Gebührenkalkulation vom Senat als maßgebend angesehenen Toleranzgrenze von 3 %. Die Summe der Überdeckungen liegt im Verhältnis zu den ohne die Überdeckung gerechtfertigten Gesamtkosten ersichtlich unter diesem Wert. Vor dem Hintergrund des von der Rechtsprechung für das Veranlagungsjahr 1997 noch nicht beanstandeten Ansatzes von 8 % kann nicht davon ausgegangen werden, dass bei der Kalkulationserstellung für das Jahr 1999 durch den Beklagten eine bewusste Kostenüberschreitung - die eine Anwendung der 3 %-Toleranzregel ausschließen würde - erfolgt ist. Mit Blick auf die vorstehenden Ausführungen werden künftige Kalkulationen, etwa für 2006, der Zinsentwicklung allerdings Rechnung tragen müssen (der maßgebliche langfristige Durchschnittssatz lag bereits im Jahre 2002 nur noch bei ca. 7 %).

Ende der Entscheidung

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