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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 24.05.2004
Aktenzeichen: 9 A 4057/01
Rechtsgebiete: AO, LWG NRW


Vorschriften:

AO § 234 Abs. 1 Satz 2
LWG NRW § 85 Nr. 1 Buchst. i)
Stundungszinsen bleiben nach § 234 Abs. 1 Satz 2 AO auch dann unberührt, wenn die Aufhebung, Änderung oder Berichtigung des Abgabebescheides im Rechtsmittelverfahren erfolgt.

§ 234 Abs. 1 Satz 2 AO verstößt mit diesem Regelungsgehalt nicht gegen höherrangiges Recht.


Tatbestand:

Gegen die Klägerin war durch Bescheid aus dem Jahre 1996 eine Abwasserabgabe festgesetzt worden. Hiergegen legte sie Widerspruch ein und erhob danach Anfechtungsklage. Im Verlauf des Klageverfahrens hob der Beklagte den Abgabebescheid hinsichtlich eines Teilbetrages auf; die Klägerin nahm daraufhin die Klage zurück.

Auf ihre Anträge hin war die Zahlung der Abgabe mehrfach für verschiedene Zeiträume gestundet worden. Gegen die sodann erfolgte Festsetzung von Stundungszinsen wandte die Klägerin unter anderem ein, die Berechnung der Zinsen dürfte nur auf der Grundlage des während des Klageverfahrens ermäßigten Abgabebetrages erfolgen, weil die zum Zeitpunkt der Stundungen geforderte (höhere) Abgabe nicht bestandskräftig geworden sei. Dem folgte das VG nicht und wies die Klage gegen den Bescheid über die Stundungszinsen insoweit ab. Der hiergegen gerichtete Antrag auf Zulassung der Berufung blieb erfolglos.

Gründe:

Die Darlegungen der Klägerin begründen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des VG. Der Auffassung der Klägerin, die erstinstanzliche Entscheidung beruhe auf einem unzutreffenden - insbesondere gegen Verfassungsrecht verstoßenden - Verständnis des über § 85 Nr. 1 Buchstabe i) LWG NRW entsprechend anwendbaren § 234 AO, ist nicht zu folgen.

Die von der Klägerin aus systematischen, teleologischen und verfassungsrechtlichen Gründen geforderte einschränkende Auslegung der Vorschrift kommt nicht in Betracht. Der Regelungsgehalt des § 234 Abs. 1 Satz 2 AO kann entgegen der Auffassung der Klägerin nicht so verstanden werden, dass die Festsetzung von Stundungszinsen durch eine Änderung des zugrundeliegenden Abgabebescheides nur dann unberührt bleiben soll, wenn die Änderung erst nach Eintritt der Bestandskraft des Abgabebescheides erfolgt.

Diesem Verständnis des § 234 Abs. 1 Satz 2 AO steht zunächst der Wortlaut der Vorschrift entgegen. Der durch Art. 26 Nr. 28 des Gesetzes zur Bekämpfung des Missbrauchs und zur Bereinigung des Steuerrechts (StMBG) vom 21.12.1993 (BGBl. I 2340) eingeführte § 234 Abs. 1 Satz 2 AO stellt hinsichtlich des Zeitpunktes der Aufhebung, Änderung oder Berichtigung eines Steuerbescheides allein darauf ab, dass eine solche "nach Ablauf der Stundung" erfolgt. Der Wortlaut der Vorschrift bietet keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der Steuerbescheid im Zeitpunkt der Aufhebung, Änderung oder Berichtigung bereits bestandskräftig gewesen sein muss. Gegen dieses Verständnis spricht auch die Begründung des Entwurfs des StMBG, in der es zu der in § 234 Abs. 1 AO vorgenommenen Änderung ausdrücklich heißt:

"Der neue Satz 2 soll sicherstellen, dass die Festsetzung von Stundungszinsen durch eine Aufhebung oder Änderung der Steuerfestsetzung oder ihre Berichtigung nach § 129 AO nicht berührt wird. Maßgebend für die Festsetzung von Stundungszinsen ist damit allein der gestundete Steueranspruch nach den Verhältnissen bei Ablauf der Stundung." (BT-Drs. 12/5764, S. 63)

Durch die Ergänzung des § 234 Abs. 1 AO ist das bis dahin nicht ausdrücklich geregelte Verhältnis zwischen bereits entstandenen Stundungszinsen und Abgabeschuld, zu dem in Rechtsprechung und Literatur zunächst unterschiedliche Auffassungen vertreten worden waren, erstmals einer verbindlichen gesetzlichen Lösung zugeführt worden. Entgegen der in der Rechtsprechung des BFH vertretenen Ansicht, die Zinsfestsetzung sei akzessorisch zur Abgabefestsetzung,

vgl. zum damaligen Meinungsstand und zur Rechtsprechung des BFH: Hölling, in: Koch/Scholz, Abgabenordnung, 4. Aufl. 1993, Rdnr. 14,

hat der Gesetzgeber mit der Einführung des § 234 Abs. 1 Satz 2 AO durch das StMBG diesen Grundsatz der Akzessorietät bezüglich der Stundungszinsen bewusst und ausdrücklich eingeschränkt. Dementsprechend ist davon auszugehen, dass durch die Einführung des § 234 Abs. 1 Satz 2 AO der bis dahin geltenden Rechtsprechung des BFH (teilweise) die Grundlage entzogen worden ist.

Vgl. Günther, in: Pump/Lohmeyer, AO, Loseblattkommentar, Bd. 3, Stand März 2004, § 234 Rdnr. 13; Kruse/Loose, in: Tipke/Kruse, AO, FGO, Loseblattkommentar, Bd. II, Stand November 2003, § 234 Rdnr. 11; Ruban, in: Hübschmann/Hepp/Spita-ler, Loseblattkommentar zur AO und FGO, Bd. VI, Stand September 2003, § 234 Rdnr. 3.

Angesichts dieses Regelungsgehaltes der speziellen Bestimmung des § 234 Abs. 1 Satz 2 AO kann auch nichts aus der allgemeinen Regelung in Satz 1 der Vorschrift für die Ansicht der Klägerin hergeleitet werden.

Entgegen der Auffassung der Klägerin ist § 234 Abs. 1 Satz 2 AO bei wortgetreuer Anwendung auch systemgerecht.

Unzutreffend ist zunächst die Rüge der Klägerin, das VG stütze sich bei der Auslegung des § 234 Abs. 1 Satz 2 AO zu Unrecht auf die vergleichbare Regelung in § 240 Abs. 1 Satz 4 AO für die Säumniszuschläge. Das VG hat die in Rede stehende Vorschrift des § 234 Abs. 1 Satz 2 AO schon nicht ausgelegt. Vielmehr hat es nur darauf hingewiesen, dass der bereits dem Wortlaut der Vorschrift entnommene Regelungsgehalt zusammen mit den Säumniszuschlägen gemäß § 240 Abs. 1 Satz 4 AO und den Aussetzungszinsen gemäß § 237 Abs. 5 AO ein geschlossenes System bilde.

Diese Überlegung ist zutreffend. Der oben dargestellte Regelungsgehalt führt nicht zu einem Systembruch. Nicht gefolgt werden kann der gegenteiligen Ansicht der Klägerin, ein Wegfall der Akzessorietät zwischen Abgabeforderung und Verzinsung sei nur dann systemgerecht, wenn dies, wie im Fall der Säumniszuschläge, aus Sanktionierungsgründen gegenüber dem Abgabeschuldner erforderlich sei oder, wie im Fall der Aussetzungszinsen, die Aufhebung, Änderung oder Berichtigung erst nach Abschluss des Rechtsbehelfsverfahrens erfolge; beides sei bei einer nachträglichen Herabsetzung der Abgabeschuld im Rechtsmittelverfahren - wie hier - gerade nicht der Fall. Ein solcher Ansatz liegt der Abgabenordnung nicht zugrunde. Aus den §§ 234, 236, 237, 240 AO ergibt sich vielmehr ein durchaus differenziertes System. Diesem liegt nicht nur das Prinzip der Steuergerechtigkeit und des Ausgleichs von Zinsnach- bzw. -vorteilen, also der Akzessorietät, zugrunde. Es trägt vielmehr auch dem aus dem Wegfall der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Anfech-tungsklage gegen die Anforderung der Abgaben (für die hier streitige Abwasserabgabe nach § 12 a AbwAG) folgenden Prinzip der Vorfinanzierung Rechnung, durch das dem Sicherheitsbedürfnis der öffentlichen Hand, über die erforderlichen Mittel zeitnah verfügen zu können, eine große Bedeutung eingeräumt und dem Abgabeschuldner grundsätzlich ein Zinsnachteil aufgebürdet wird.

Kommt es später zu einer Aufhebung, Änderung oder Berichtigung der Abgabeschuld, so sieht die Abgabenordnung je nach Fallgestaltung sehr unterschiedliche Folgen vor. Im gesetzlich vorgesehenen Regelfall der Zahlung des ursprünglich festgesetzten Betrages bei Fälligkeit, wird der im Umfang der Reduzierung entstandene "Zinsvorteil" für die öffentliche Hand nicht - wie die Klägerin meint - in gleicher Weise über die Regelung zur Verzinsung von Erstattungsansprüchen geschmälert. Vielmehr sind Erstattungsbeträge gemäß § 236 Abs. 1 AO erst vom Tage der Rechtshängigkeit an mit 6 % pro Jahr zu verzinsen. Der Abgabegläubiger darf demnach auch im Fall einer späteren Erstattungspflicht den bis zur Rechtshängigkeit erwirtschafteten Zinsgewinn behalten. Nur für den Fall der Aussetzung der Vollziehung sieht das Gesetz volle Akzessorietät vor; es ist nur der Betrag zu verzinsen, hinsichtlich dessen das Rechtsmittel endgültig keinen Erfolg hatte (§ 237 Abs. 1 AO). Bereits diese beiden Fallgestaltungen zeigen, dass es ein einheitliches System der Akzessorietät auch dann nicht gibt, wenn die Aufhebung, Änderung oder Berichtigung der Abgabe nicht erst nach Abschluss des Rechtsmittelverfahrens erfolgt oder Sanktionierungsgründe im Raum stehen.

Wird die Schuld demgegenüber nicht von der Vollziehung ausgesetzt, sondern gestundet oder zahlt der Abgabeschuldner bei Fälligkeit ohne Grund nicht, hat sich der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der Stundungszinsen und Säumniszuschläge ausdrücklich vom Prinzip der Akzessorietät gelöst und maßgeblich auf das Prinzip der schon vom Verwaltungsgericht hervorgehobenen Vorfinanzierung durch den Abgabeschuldner abgestellt.

§ 234 Abs. 1 Satz 2 AO in dem hier vertretenen Verständnis verstößt nicht gegen höherrangiges Recht. Die von der Klägerin reklamierte Berücksichtigung des Gebots der Sachgerechtigkeit und der im Rechtsstaatsprinzip wurzelnden Verhältnismäßigkeit gebieten ebenfalls keine den Wortlaut einschränkende Auslegung des § 234 Abs. 1 Satz 2 AO. Es mag sein, dass einem Abgabeschuldner, der für sich Stundungsgründe anführen kann, das Anstreben einer Stundung durch die Einführung des § 234 Abs. 1 Satz 2 AO unter Umständen wirtschaftlich unattraktiver gemacht worden ist. Er "kauft" sich mit einer Stundung gleichsam von dem Nachteil frei, die Abgabeschuld zunächst vorfinanzieren zu müssen und im Falle einer späteren Herabsetzung der Abgabeschuld den ihm zustehenden Erstattungsbetrag erst ab dem Zeitpunkt der Rechtshängigkeit verzinst zu erhalten.

In diesem Zusammenhang ist des Weiteren zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber mit der Einführung des § 234 Abs. 1 Satz 2 AO für eine Vielzahl denkbarer Fallgestaltungen (Aufhebung, Änderung und Berichtigung des Abgabebescheides aus unterschiedlichsten Gründen) eine einheitliche Regelung vorgesehen hat. So kann die Änderung eines Abgabebescheides durch die Behörde im gerichtlichen Verfahren auch auf einem "Kompromiss" zwischen den Beteiligten beruhen, etwa wenn zur Vermeidung einer langwierigen und mit unsicherem Ergebnis anstehenden Klärung schwieriger Fragen Abgabeschuldner und Abgabegläubiger einen Vergleich schließen. Dann erschiene es sogar wenig sachgemäß und unverhältnismäßig, den Abgabegläubiger zur Ermäßigung bis dahin bereits entstandener Stundungszinsen zu zwingen.

Die wortgetreue Anwendung des § 234 Abs. 1 Satz 2 AO führt auch bei konsequenter Anwendung nicht per se dazu, dass ein Abgabeschuldner in Grundrechten verletzt ist, wenn er Stundungszinsen auf einen Abgabebetrag zu leisten hat, der in der Folgezeit korrigiert worden ist. Insgesamt bieten die gesetzlichen Rahmenbedingungen entgegen der Auffassung der Klägerin hinreichende Möglichkeiten für den Abgabeschuldner, vermeintlich unbillige Ergebnisse als Folge einer Anwendung des § 234 Abs. 1 Satz 2 AO zu vermeiden.

Zunächst kann der Abgabeschuldner die Aussetzung der Vollziehung beantragen und - wenn die Behörde nicht binnen angemessener Zeit über diesen Antrag entscheidet - um vorläufigen Rechtsschutz bei Gericht nachsuchen. Erreicht er eine Aussetzung des Verfahrens, wird er die sodann zu zahlenden Aussetzungszinsen - soweit sie bereits entrichtet sind - erstattet erhalten, wenn und soweit er eine Änderung oder Aufhebung des Abgabebescheides im Rechtsmittelverfahren erreicht (vgl. § 237 AO).

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 2.5.1995 - 8 B 50.95 -, KKZ 1997, 57, zum einstweiligen Rechtsschutz als hinreichende Abwendungsmöglichkeit der belastenden Folgen im Fall des § 240 Abs. 1 Satz 4 AO.

Zur Vermeidung des wirtschaftlichen Risikos, endgültig und unabhängig von dem Bestand der Abgabeschuld für abgelaufene Stundungszeiträume Stundungszinsen zahlen zu müssen, kann der Abgabeschuldner zudem eine Stundung "bis auf weiteres", d.h. mit Widerrufsvorbehalt (etwa bis zum rechtskräftigen Abschluss eines gerichtlichen Verfahrens) beantragen bzw. erwirken.

Vgl. Kruse, in: Tipke/Kruse, a.a.O., § 222 Rdnr. 62.

Erreicht er in diesem Fall im gerichtlichen Verfahren eine Änderung oder Aufhebung des Abgabebescheides, ist die Verzinsung dementsprechend an die nunmehr geltende Abgabeschuld anzupassen. Denn Änderung oder Aufhebung des Bescheides erfolgten zeitlich vor Ablauf der "bis auf weiteres" ausgesprochenen Stundung (vgl. den Wortlaut des § 234 Abs. 1 Satz 2 AO).

Schließlich steht dem Abgabeschuldner die Möglichkeit offen, in besonders gelagerten Ausnahmefällen einen Antrag auf Erlass der Stundungszinsen zu stellen, die auf der Grundlage eines Betrages festgesetzt worden waren, der später einer endgültig festgestellten Abgabeschuld nicht mehr entsprach. Im Einzelfall können so besonders krasse und unbillige Fälle, die durch den Wegfall der Akzessorietät zwischen Abgabeschuld und Stundungszinsen entstehen, aufgefangen werden. Mit ihrer hierauf bezogenen Rüge, das VG habe zu Unrecht das Vorliegen der Voraussetzungen für einen Erlass der Stundungszinsen abgelehnt, legt die Klägerin nicht hinreichend dar, dass das Ergebnis des Verwaltungsgerichts zu dieser Frage unrichtig ist. Vielmehr hat das VG zutreffend darauf abgestellt, dass die Klägerin besondere Umstände für eine Unbilligkeit wegen einer sachlichen Härte, die einen Teilerlass der Stundungszinsen rechtfertigen könnten, nicht vorgetragen hat; eine sachliche Härte bestehe nicht allein deshalb, weil die Stundungszinsen der Höhe nach auf einer konsequenten Anwendung des § 234 Abs. 1 Satz 2 AO beruhen. Damit befindet sich das VG im Einklang mit der in Rechtsprechung und Literatur herrschenden Auffassung, welcher auch der Senat folgt.

Vgl. statt Vieler: Ruban, a.a.O., § 234 Rdnr. 21 m.w.N. in Fußnote 3; Rüsken, in: Klein, Abgabenordnung, 7. Aufl. 2000, § 234 Rdnr. 8.

Im Zulassungsverfahren hat die Klägerin ebenfalls besondere individuelle Umstände für das Vorliegen einer sachlichen Unbilligkeit nicht dargelegt.

Auch ein Verstoß gegen Art. 3 GG kann nicht festgestellt werden. Insbesondere sind entgegen der Auffassung der Klägerin Stundungszinsen und Aussetzungszinsen nicht miteinander vergleichbar. Die Voraussetzungen zur Erreichung einer Stundung einerseits, einer Aussetzung der Vollziehung anderseits sind derart unterschiedlich, dass sie auch eine differenzierte Zinsregelung rechtfertigen. Während § 222 AO (bzw. hier § 80 Abs. 2 LWG NRW) für die Stundung lediglich fordert, dass die Einziehung bei Fälligkeit eine erhebliche Härte für den Abgabeschuldner bedeuten würde und der Anspruch durch die Stundung nicht gefährdet erscheint, setzt eine Aussetzung der Vollziehung voraus, dass entweder ernstliche Zweifel an der Recht-mäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen oder die Vollziehung für den Abgabeschuldner eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte (§ 361 Abs. 2 Satz 2 AO, § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO).

Eine Aussetzung der Vollziehung ist demnach unter erheblich schwierigeren Voraussetzungen zu erlangen als eine Stundung. Bevor eine Vollziehungsaussetzung ausgesprochen wird, erfolgt regelmäßig eine materielle Prüfung der Rechtmäßigkeit der Forderung. Nur wenn insoweit ernstliche Zweifel bestehen - und das bedeutet nach der Rechtsprechung, dass mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ein Erfolg des Rechtsmittels zu erwarten sein muss -, kommt es unter diesem Gesichtspunkt zur Aussetzung. Wird diese - hohe - Hürde übersprungen, so erscheint es auch gerechtfertigt, eine Zinspflicht zu verneinen, wenn und soweit es bei dem vorläufigen Prüfungsergebnis bleibt und das Rechtsmittel endgültig Erfolg hat. Denn in dieser Konstellation musste die Behörde bereits in einem sehr frühen Stadium davon ausgehen, die Abgabe endgültig nicht einziehen zu können. Eine vergleichbare Prüfung wird demgegenüber im Rahmen der Stundungsgewährung regelmäßig nicht vorgenommen.

Auch im Hinblick auf die alternative Voraussetzung für die Aussetzung sind schärfere Anforderungen als bei der Stundung zu erfüllen. Eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte ist mehr als eine (nur) erhebliche Härte. Denn sie setzt regelmäßig voraus, dass die durch die Vollziehung entstehenden wirtschaftlichen Nachteile über die eigentliche Zahlung hinausgehen und nicht oder kaum wieder gutzumachen sind, z.B. weil die Zahlung zum Konkurs oder sonst zur Existenzvernichtung führen würde, greift also nur extreme Situationen auf. Auch in diesen Fällen erscheint es gerechtfertigt, eine Zinspflicht auf den im Rechtsmittelverfahren erfolgreich angefochtenen Teil der Abgabe zu verneinen. Insofern gelten die gleichen Argumente wie bei der Aussetzungsentscheidung: Ein ohnehin schon schwer angeschlagener Schuldner soll nicht durch Zinsen auf eine letztlich rechtswidrige Forderung in den Ruin getrieben werden. Demgegenüber reicht für eine erhebliche Härte im Sinne der Stundungsvorschrift bereits eine nur vorübergehende ernsthafte Zahlungsschwierigkeit, bei der die vorläufige Nichtzahlung auch deshalb hingenommen werden kann, weil die Stundung weiter voraussetzt, dass der Anspruch durch die Stundung nicht gefährdet sein darf.

Eine Gleichbehandlung von Stundungszinsen und Erstattungszinsen ist ebenfalls nicht geboten. Abgesehen davon, dass - wie bereits aufgezeigt - Erstattungszinsen ohnehin nicht auf den gesamten Zeitraum ab Zahlung zu erbringen sind, sondern erst ab Rechtshängigkeit anfallen, ist auch für den Zeitraum ab Rechtshängigkeit eine Vergleichbarkeit nicht gegeben. Der Unterschied liegt darin begründet, dass der Schuldner im einen Fall seiner Vorfinanzierungspflicht durch Zahlung in vollem Umfang ohne Rücksicht auf den späteren Ausgang des Rechtsmittelverfahrens nachgekommen ist und damit dem öffentlichen Haushalt eine Finanz- und Planungssicherheit ermöglicht hat, während im anderen Fall eine solche Zahlung gerade nicht erfolgt ist. Wegen dieser unterschiedlichen Ausgangslage spielt es auch keine Rolle, dass je nach Lage auf dem Zinsmarkt unterschiedliche Ergebnisse die Folge sind.



Ende der Entscheidung

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