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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 13.01.2003
Aktenzeichen: 9 A 481/01
Rechtsgebiete: GG, ErftVG


Vorschriften:

GG Art. 3
ErftVG § 34
Eine wasserverbandsrechtliche Regelung, nach der der Aufwand für die einem Gruppenklärwerk zugehörigen Transportsammler auf die das Klärwerk - zur Behandlung des auf ihrem Gebiet anfallenden Abwassers - nutzenden Kommunen nach dem prozentualen Anteil der ihnen an dem Klärwerk zugeordneten Ausbaugrößen verteilt wird, überschreitet nicht die durch Art. 3 Abs. 1 GG gezogene Willkürgrenze.
Tatbestand:

Die klagende Stadt ist Mitglied des beklagten Wasserverbandes. Die Behandlung des auf ihrem Gebiet anfallenden Abwassers erfolgt in einem Gruppenklärwerk, das zu gleichen Zwecken von mehreren weiteren Kommunen genutzt wird. Der Beklagte zog die Klägerin zu Wasserverbandsbeiträgen heran. Dabei legte er den entstehenden Aufwand sämtlicher dem Gruppenklärwerk zugehöriger Transportsammler in der Weise um, dass er diesen Aufwand auf die Kommunen nach dem prozentualen Anteil der ihnen an dem Gruppenklärwerk zugeordneten Ausbaugrößen (nach Einwohnern und Einwohnergleichwerten) verteilte.

Die Klägerin erhob gegen die Heranziehungsbescheide u.a. mit der Begründung Klage, diese Verteilungsregelung berücksichtige nicht, dass für Transportsammler mit größeren Kanalquerschnitten verhältnismäßig günstigere Baukosten anfielen als dies bei Sammlern mit kleineren Querschnitten der Fall sei.

Die Klage sowie der nachfolgend nur unter dem vorbezeichneten Aspekt gestellte Antrag auf Zulassung der Berufung blieben ohne Erfolg.

Gründe:

Der Einwand der Klägerin, die Umlegung des Aufwandes für die zum Gruppenklärwerk (GKW) zugehörigen Transportsammler auf die das Klärwerk nutzenden vier Kommunen nach dem in Nr. 4.86 Satz 2 der - insofern für die Jahre 1994 - 1997 gleichlautenden - Veranlagungsrichtlinien (VR) festgelegten Maßstab genüge nicht dem Gebot der Typengerechtigkeit (bzw. dem Differenzierungsgebot), bedeutet in der Sache nichts anderes als die Behauptung eines Verstoßes dieses Maßstabes gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Letztlich rügt die Klägerin insofern allein - wie insbesondere ihre im Verlauf des Zulassungsverfahren in Bezug genommenen Passagen der Klagebegründung deutlich machen - , dass der in Nr. 4.86 Satz 2 VR festgelegte Maßstab zur Verteilung der Kosten für die Transportsammler nach den prozentualen Nutzungsanteilen an dem GKW von der unzutreffenden Annahme ausgehe, der jeweilige Nutzungsanteil an der Kläranlage bedinge zugleich die Verursachung eines entsprechend hohen Anteils an den Kosten für die Transportsammler. Dieser unterstellte Regelzusammenhang sei jedoch allenfalls die Ausnahme, weshalb der verwandte Maßstab gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz (in der Gestalt des Gebotes der Typengerechtigkeit und des Differenzierungsgebots) verstoße. In der Sache macht die Klägerin mithin geltend, der streitige Maßstab sei willkürlich, weil nicht sachgerecht, und verletze daher Art. 3 Abs. 1 GG.

Es versteht sich von selbst, dass ein in Veranlagungsrichtlinien festgesetzter Maßstab zur Umlage eines bestimmten Aufwandes des Beklagten auf mehrere Beitragspflichtige - und zwar sowohl unter Geltung des § 34 ErftVG in der früheren Fassung des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über den Erftverband vom 15.12.1992, GV. NRW. S. 62 (ErftVG a.F.) als auch im zeitlichen Geltungsbereich des § 34 ErftVG in seiner neueren Fassung durch das Gesetz zur Änderung und Ergänzung wasser- und wasserverbandsrechtlicher Vorschriften vom 7.3.1995, GV. NRW. S. 248, (ErftVG n.F.) - den Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 GG genügen muss, da es sich hierbei um die höherrangige Rechtsvorschrift handelt. Wie der Senat im Hinblick auf § 34 ErftVG a.F. bereits entschieden hat, ist dem Beklagten bei der Festsetzung der konkreten Beitragsmaßstäbe zur Verteilung des ihm entstandenen Aufwandes in den Veranlagungsrichtlinien grundsätzlich ein Bewertungsspielraum eröffnet, der u.a. durch Art. 3 Abs. 1 GG in dem Sinne beschränkt wird, dass der jeweils gewählte Maßstab unter Berücksichtigung der spezialgesetzlichen Vorgaben (Verteilung der Beitragslast nach Vorteilen und Kosten) nicht die Willkürgrenze überschreiten darf.

Vgl. dazu OVG NRW, Urteil vom 18.12.2002 - 9 A 696/98 -.

Dass der streitige Maßstab in Nr. 4.86 Satz 2 VR diese Willkürgrenze überschritten hätte, ist von der Klägerin mit ihren in Bezug genommenen Ausführungen aus dem erstinstanzlichen Verfahren nicht dargelegt worden. Die Regelung bestimmt, dass der Aufwand für die Transportsammler einer Gruppenkläranlage von den Nutzern dieser Kläranlage in dem Verhältnis zu tragen ist, in dem ihnen die Ausbaugrößen der Kläranlage nach Einwohnern und Einwohnergleichwerten zugeordnet worden sind. Ein derartiger Wahrscheinlichkeitsmaßstab unterliegt keinen grundsätzlichen Bedenken. Er beruht auf der schlüssigen Annahme, dass das Maß der Inanspruchnahme der Kläranlage durch einen Nutzer bei typisierender Betrachtung regelmäßig zugleich den Umfang der ihm im Bereich der Sammlung und Zuführung der Abwässer zur Kläranlage zu Gute kommenden Begünstigung sowie des insoweit von ihm verursachten Aufwands des Beklagten indizieren wird. Dies gilt insbesondere dann, wenn es sich - wie hier - bei den die Kläranlage nutzenden Kommunen durchgängig um Flächengemeinden mit diversen, z.T. erheblich voneinander entfernten Ortsteilen handelt, bei denen eine höhere Anzahl von Einwohnern bzw. Einwohnergleichwerten im Regelfall auch umfänglichere Zuleitungswege zur Kläranlage nach sich ziehen wird. Angesichts dessen stellt sich der in Nr. 4.86 Satz 2 VR enthaltene Maßstab bei Berücksichtigung der generellen Vorgaben in § 34 Abs. 1 Satz 1 ErftVG a.F/n.F, nach denen die Beitragslast im Verhältnis der jeweiligen (gewährten) Vorteile und (verursachten) Kosten zu verteilen ist, grundsätzlich als von sachgerechten Erwägungen gedeckt und damit als nicht willkürlich dar. Dem steht nicht das Vorbringen der Klägerin entgegen, der Anteil am Abwasseraufkommen gehe nicht mit einem entsprechenden deckungsgleichen Anteil an den Kosten für die Transportsammler einher, weil bei größeren Kanalquerschnitten die Baukosten für den Kanal verhältnismäßig geringer ausfielen als bei kleineren Querschnitten. Der Einwand zeigt eine Willkürlichkeit des streitigen Maßstabes nicht auf. Dabei kann dahinstehen, ob die Annahme einer fehlenden linearen Steigerung der Baukosten bei Erhöhung des notwendigen Kanalquerschnitts für sich genommen zutrifft. Jedenfalls ist die daraus gezogene Schlussfolgerung, die im streitigen Maßstab unterbliebene Berücksichtigung dieses Aspekts lasse ihn sachwidrig und willkürlich erscheinen, nicht gerechtfertigt. Insofern ist zu berücksichtigen, dass die Baukosten ohnehin nur einen Teil des nach Nr. 4.86 VR umlagefähigen Aufwandes ausmachen. Daneben sind noch die Planungs- und Betriebskosten zu beachten, für die der von der Klägerin hergestellte Zusammenhang, eine höhere Durchschnittsgröße des Transportsammlers habe niedrigere Kosten zur Folge, nicht ohne Weiteres erkennbar ist. Aber selbst wenn man nur die Baukosten in den Blick nähme, stellte die Querschnittsgröße des Kanals allenfalls einen mitbestimmenden Faktor für die jeweiligen Erichtungskosten der Transportsammler dar. Daneben treten in der Lebenswirklichkeit unter dem Gesichtspunkt der (konkreten) Aufwandsverursachung zahlreiche weitere, u.U. wesentlich stärker ins Gewicht fallende Umstände, wie insbesondere die jeweiligen Boden- bzw. Geländebeschaffenheiten und die Länge der für die einzelne Kommune notwendigen Kanalstrecken, die weitgehend unabhängig von den benötigten Querschnittsgrößen (300 - 800 mm) einen ganz unterschiedlich hohen Aufwand des Beklagten für den Transport des Abwassers der einzelnen Kommunen nach sich ziehen können. Daraus folgt, dass eine Überlegung dergestalt, größere Kommunen wie die Klägerin mit hohen Abwassermengen und hierfür erforderlichen querschnittsgrößeren Transportsammlern verursachten dem Beklagten insofern regeImäßig verhältnismäßig günstigere Planungs-, Bau- und Betriebskosten als kleinere Gemeinden mit den für ihre Abwasserkapazitäten geringer zu dimensionierenden Kanälen, keineswegs zwingend ist. Mithin stellt es sich schon von daher nicht als willkürlich dar, dass der vorbezeichnete, für die anteilige Zuordnung des im Bereich der Transportsammler entstehenden Aufwandes allenfalls beschränkt aussagekräftige, Aspekt verhältnismäßig günstigerer Baukosten von querschnittsgrößeren Kanälen in der streitigen Maßstabsregelung keinen Niederschlag gefunden hat.

Letztlich ist es jedem Wahrscheinlichkeitsmaßstab systemimmanent, dass er lediglich eine Annäherung an die Lebenswirklichkeit leisten kann, ohne diese in all ihren Einzelheiten wiederzugeben. Dies gilt etwa auch für den von der Klägerin vorgeschlagenen, von ihr für zulässig erachteten Maßstab, nach dem der Aufwand im Bereich der Transportsammler im Verhältnis der Anteile umzulegen ist, die sich aus einer Gegenüberstellung der fiktiven standardisierten Errichtungskosten für einen Meter Kanal mit dem in der jeweiligen Kommune für deren Abwassermenge benötigten Kanalquerschnitt ergeben sollen. Wie ausgeführt, bringt auch ein derartiger Maßstab keineswegs eine wirklichkeitsgetreue oder auch nur realitätsnähere Aufwandsverteilung mit sich. Dass der letztgenannte Maßstab zu einem für die Klägerin günstigeren Ergebnis führen würde, gibt für sich genommen für einen Verstoß gegen das Willkürverbot nichts her. Im Rahmen des dargelegten Bewertungsspielraums kann sich der Beklagte zwischen der Vielzahl der in Betracht kommenden Maßstäbe auch für einen solchen entscheiden, der für die Klägerin zu ungünstigeren Ergebnissen führt als denkbare andere Maßstäbe. Insofern ist mit Blick auf eine eventuelle Rechtsverletzung der Klägerin allein von Bedeutung, ob der streitige Maßstab von sachgerechten Erwägungen getragen wird. Dass dies nicht der Fall wäre, lässt sich dem Zulassungsvorbringen der Klägerin - wie gezeigt - nicht entnehmen.

Ende der Entscheidung

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