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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 13.06.2007
Aktenzeichen: A 2439/06
Rechtsgebiete: BauGB


Vorschriften:

BauGB § 34 Abs. 3
1. Auch nicht großflächige Lebensmitteldiscounter (hier: 711,84 qm) können Vorhaben im Sinne des § 34 Abs. 3 BauGB sein.

2. Von nicht großflächigen Einzelhandelsbetrieben können schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche, zu denen auch Grund- und Nahversorgungszentren gehören können, nur in besonderen Fallgestaltungen ausgehen.

3. Ob schädliche Auswirkungen zu erwarten sind, muss die Bauaufsichtsbehörde im Rahmen ihrer Amtsermittlungspflicht aufklären, so dass es im Regelfall auf Fragen der Darlegungs- und Beweislast bei dieser Prognoseentscheidung nicht ankommt.


Tatbestand:

Die Klägerin begehrte die Erteilung eines baurechtlichen Vorbescheides für die Errichtung eines Lebensmitteldiscounters mit einer Verkaufsfläche von 711,84 qm. Etwa 1 km südlich des Vorhabens befindet sich ein Bereich mit verdichtetem Geschäftsbesatz, der der Versorgung des Stadtteils dient. Das VG wies die Untätigkeitsklage ab, weil § 34 Abs. 3 BauGB dem Vorhaben entgegenstehe. Der Klägerin sei nicht der Beweis gelungen, dass von dem Vorhaben keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche der Gemeinde zu erwarten seien. Die Berufung der Klägerin hatte Erfolg.

Gründe:

Die Klägerin hat einen Anspruch auf Erteilung des begehrten Vorbescheides für den Neubau eines Lebensmitteldiscounters. Dem Vorhaben stehen öffentlich-rechtliche Vorschriften nicht entgegen, §§ 71 Abs. 2, 75 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW.

Da das Grundstück der Klägerin nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplans liegt, richtet sich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens nach § 34 BauGB. Das Vorhaben erfüllt die Voraussetzungen des § 34 Abs. 1 BauGB (1.). Ihm steht § 34 Abs. 3 BauGB nicht entgegen (2.)

1. Die Voraussetzungen des § 34 Abs. 1 BauGB liegen vor. Nach dieser Vorschrift ist innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete der Baunutzungsverordnung, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach dieser Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre (§ 34 Abs. 2 BauGB).

Die nähere Umgebung wird dadurch ermittelt, dass sowohl in Richtung vom Vorhaben auf die Umgebung als auch in Richtung von der Umgebung auf das Vorhaben geprüft wird, wie weit die jeweiligen Auswirkungen reichen. Zu berücksichtigen ist die Umgebung einmal insoweit, als sich die Ausführung des Vorhabens auf sie auswirken kann und zweitens insoweit, als die Umgebung ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks prägt oder doch beeinflusst.

BVerwG, Urteil vom 26.5.1979 - 4 C 9.77 -, BRS 33 Nr. 36.

Die nähere Umgebung des Vorhabens weist hier hinsichtlich der Nutzungsstrukturen einen diffusen Charakter auf. Nördlich und westlich des Vorhabengrundstücks befinden sich großflächige Bahnanlagen mit einem ausgedehnten Gleissystem, die zum Güterbahnhof W. gehören. Nördlich des Bahngeländes entlang der B.-Straße herrscht gewerbliche Nutzung vor. Östlich des Vorhabengrundstücks verläuft die vierspurige D.-Straße, die Grundstücke jenseits dieser Straße werden gewerblich genutzt (Bahnbetriebswerk, Elektrowerk). Südlich des Vorhabengrundstücks verläuft die A.-Straße. Hier wird an der Einmündung in die D.-Straße ein Grundstück gewerblich genutzt, daran schließt sich entlang der A.-Straße in westliche Richtung Wohnnutzung in Form von Ein- und Mehrfamilienhäusern an. Unmittelbar südlich dieser Wohnbebauung befinden sich wiederum Bahnanlagen sowie ausgedehnte Haldenanlagen der Zeche G. Im weiteren südlichen Verlauf der D.-Straße wird die westliche Straßenseite gewerblich genutzt, während an der östlichen Straßenseite Wohnnutzung vorherrscht.

Da die nähere Umgebung des Vorhabens durch gewerbliche Nutzung sowie - in begrenztem Umfang - entlang der A.-Straße durch Wohnnutzung geprägt wird, entspricht die Eigenart der näheren Umgebung keinem der in der Baunutzungsverordnung bezeichneten Baugebiete. Sie ist als Gemengelage zu beurteilen. Wegen der intensiven und großflächigen Nutzung durch die Bahnanlagen des Güterbahnhofs kommt auch eine Einordnung als Mischgebiet im Sinne von § 6 BauNVO nicht in Betracht. Nach Absatz 1 dieser Vorschrift dienen Mischgebiete neben dem Wohnen der Unterbringung von "nicht wesentlich störenden" Gewerbebetrieben im Sinne eines gleichwertigen Nebeneinanders zweier Nutzungsarten. Die allgemeine bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens richtet sich daher seiner Art nach nicht nach § 34 Abs. 2 BauGB, sondern nach § 34 Abs. 1 BauGB.

Der von der Klägerin geplante Einzelhandelsbetrieb fügt sich seiner Art nach in die Eigenart der näheren Umgebung ein, weil er sich als gewerbliche Nutzung im Rahmen der Umgebungsbebauung hält. Auch hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung, der Bauweise und der überbaubaren Grundstücksfläche ergeben sich keine Anhaltspunkte, dass sich das Vorhaben nicht innerhalb des sich aus der näheren Umgebung hervorgehenden Rahmens hält.

Anhaltspunkte, dass das in § 34 Abs. 1 BauGB im Begriff des "Einfügens" enthaltene Gebot der Rücksichtnahme verletzt sein könnte, bestehen nicht. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der Lärmbelastung der Wohnnutzung an der A.-Straße durch Pkw- und Lkw-Verkehr. Nach dem schalltechnischen Gutachten der Ingenieurgesellschaft G. vom 3.9.2004 liegen die durch die Nutzung des Pkw-Parkplatzes und der Lkw-Warenanlieferung entstehenden Geräuschimmissionen tagsüber unter dem Immissionsrichtwert der TA Lärm von 60 dB(A). Dabei haben die Gutachter den Immissionsrichtwert eines Mischgebiets zugrunde gelegt, was vor dem Hintergrund der oben aufgezeigten Gemengelage zwischen gewerblicher und Wohnnutzung nicht zu beanstanden ist. Auch die von Kühl- oder Lüftungsgeräten entstehenden Geräuscheinwirkungen verstoßen nach dem Schalltechnischen Gutachten bei Beachtung der Vorgaben nicht gegen die Schallschutzanforderungen. Auch der Beklagte ist in seinem Vermerk vom 22.12.2004 davon ausgegangen, dass hinsichtlich des Schallschutzes die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse gewahrt bleiben. Schließlich ist die Erschließung über die A.-Straße gesichert.

2. Das Vorhaben der Klägerin verstößt nicht gegen § 34 Abs. 3 BauGB. Nach dieser Vorschrift, die mit dem Gesetz zur Anpassung des Baugesetzbuchs an EU-Richtlinien (Europarechtsanpassungsgesetz Bau - EAG Bau, BGBl. 2004 I S. 1359) zum 20.7.2004 in Kraft getreten ist, dürfen von Vorhaben nach § 34 Absatz 1 oder 2 BauGB keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.

Die Vorschrift ist anwendbar. Dem steht nicht entgegen, dass die Klägerin bereits mit Schreiben vom 27.2.2004, also vor dem Inkrafttreten des § 34 Abs. 3 BauGB am 20.7.2004, den Antrag auf Erteilung eines Vorbescheids gestellt hat. Es gilt - wie regelmäßig in Verpflichtungssituationen - der Grundsatz, dass bei der Versagung einer Baugenehmigung oder eines Vorbescheids die letzte behördliche Entscheidung bzw. - falls Klage erhoben wird - die letzte mündliche Verhandlung maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist.

Etwas anderes folgt nicht aus den Überleitungsvorschriften der §§ 233 Abs. 1, 244 BauGB. Die aus Anlass des Europarechtsanpassungsgesetz Bau eingeführte Vorschrift des § 244 Baugesetzbuch, die im Verhältnis zur allgemeinen Überleitungsvorschrift spezielle Überleitungsregelungen enthält, ist ebenso wenig wie § 233 BauGB einschlägig. Sie betreffen nur nach dem Baugesetzbuch förmlich eingeleitete Verfahren. Dies sind Verfahren zur Aufstellung, Änderung, Ergänzung und Aufhebung von Flächennutzungsplänen, Bebauungsplänen und sonstigen Satzungen des Baugesetzbuchs, nicht aber dazu gehören die in den Bauordnungen der Länder geregelten Baugenehmigungsverfahren oder sonstige bauaufsichtsrechtliche Verfahren. Infolgedessen gelten die Grundsätze des intertemporären Rechts.

Bielenberg/Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Stand Dezember 2006, § 233 Rn. 6.

Auch aus dem durch das Europarechtsanpassungsgesetz Bau eingeführten § 238 Satz 2 BauGB ergibt sich, dass die neue Rechtslage Anwendung findet. Diese Vorschrift behandelt die Gewährung einer Entschädigung, wenn durch die Änderung des § 34 BauGB durch das Europarechtsanpassungsgesetz Bau die bis dahin zulässige Nutzung eines Grundstücks aufgehoben oder wesentlich geändert wird.

Vgl. Gatawis, Die Neuregelung des § 34 III Baugesetzbuch (BauGB), NVwZ 2006, 272.

Bei dem geplanten Lebensmitteldiscounter handelt es sich um ein Vorhaben im Sinne von § 34 Abs. 3 BauGB (a). Zentrale Versorgungsbereiche können auch Grund- und Nahversorgungszentren sein (b). Der Senat lässt offen, ob es sich bei dem Bereich H. um einen zentralen Versorgungsbereich im Sinne dieser Vorschrift handelt (c). Jedenfalls sind schädliche Auswirkungen auf diesen Bereich durch das Vorhaben der Klägerin nicht zu erwarten; der Senat folgt nicht den Ausführungen des VG zur Darlegungslast (d).

a) Der geplante Lebensmitteldiscounter ist ein Vorhaben im Sinne des § 34 Abs. 3 BauGB, auch wenn es sich hierbei nicht um einen großflächigen Einzelhandelsbetrieb handelt. Die Klägerin plant eine Verkaufsfläche einschließlich des Kassenvorraums von 698,64 qm, hinzu kommt ein Windfang für den Ein- und den Ausgang von jeweils 6,60 qm. Da bei der Berechnung der Verkaufsfläche auch der Kassenvorraum sowie ein Windfang einzubeziehen sind, vgl. BVerwG, Urteil vom 24.11.2005 - 4 C 10.04 -, BRS 69 Nr. 71, beträgt die Verkaufsfläche des geplanten Vorhabens insgesamt 711,84 qm. Damit überschreitet das streitige Vorhaben nicht die Schwelle zur Großflächigkeit, die das BVerwG im Rahmen des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauNVO bei 800 qm gezogen hat.

Der Begriff des Vorhabens im Sinne des § 34 Abs. 3 BauGB ist jedoch nicht auf großflächige Einzelhandelsbetriebe im Sinne von § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauNVO beschränkt. Der Wortlaut der Vorschrift, welcher allein auf "Vorhaben nach Absatz 1 oder 2" abstellt, gibt für eine derartige einschränkende Auslegung nichts her. Zwar wird in der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 15/2250, S. 54) ausgeführt, dass die Vorschrift "insbesondere Vorhaben des großflächigen Einzelhandels, deren städtebaulichen Auswirkungen über die nähere Umgebung hinausgehen", betrifft. Jedoch geht die Begründung auch davon aus, dass "bei entsprechender Fallkonstellation" die Regelung des § 34 Abs. 3 BauGB auch für andere Vorhaben als großflächigen Einzelhandel Bedeutung erlangen kann. Damit wird deutlich, dass jedenfalls im Einzelfall auch Einzelhandelsbetriebe unterhalb der Schwelle der Großflächigkeit unter Berufung auf § 34 Abs. 3 BauGB abgelehnt werden können.

So auch Gatawis, a.a.O., S. 273; Uechtritz, Neuregelungen im EAG Bau zur "standortgerechten Steuerung des Einzelhandels", NVwZ 2004, 1025 (1029), Fn. 44; Heilshorn/Seith, Zulassung und Planung großflächiger Einzelhandelsbetriebe, VBlBW 2004, 409 (410).

b) Zentrale Versorgungsbereiche im Sinne von § 34 Abs. 3 BauGB können auch Grund- und Nahversorgungszentren sein.

Zentrale Versorgungsbereiche sind räumlich abgrenzbare Bereiche einer Gemeinde, denen auf Grund vorhandener Einzelhandelsnutzungen - häufig ergänzt durch diverse Dienstleistungen und gastronomisch Angebote - eine bestimmte Versorgungsfunktion für die Gemeinde zukommt. Ein "Versorgungsbereich" setzt mithin Nutzungen voraus, die für die Versorgung der Einwohner der Gemeinde - ggf. auch nur eines Teils des Gemeindegebiets - insbesondere mit Waren aller Art von Bedeutung sind. "Zentral" sind Versorgungsbereiche, wenn ihnen die Bedeutung eines Zentrums für die Versorgung zukommt. Dies ist dann zu bejahen, wenn die Gesamtheit der auf eine Versorgung der Bevölkerung ausgerichteten baulichen Nutzungen in dem betreffenden Bereich auf Grund der verkehrsmäßigen Erschließung und verkehrlichen Anbindung die Funktion eines Zentrums mit einem bestimmten Einzugsbereich hat. Diese Funktion besteht darin, die Versorgung des Gemeindegebiets oder eines Teilbereichs mit einem auf den Einzugsbereich abgestimmten Spektrum an Waren des kurz-, mittel oder langfristigen Bedarfs funktionsgerecht sicherzustellen.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 11.12.2006 - 7 A 964/05 -; BauR 2007, 845, m.w.N.

Dabei können zentrale Versorgungsbereiche sowohl einen umfassenden als auch einen nur eingeschränkten Versorgungsbedarf abdecken. Zu den zentralen Versorgungsbereichen gehören demnach Innenstadtzentren, die einen größeren Einzugsbereich, in der Regel das gesamte Stadtgebiet und ggf. darüber hinaus ein weiteres Umland versorgen, und in denen regelmäßig ein breites Spektrum von Waren für den lang-, mittel- und kurzfristigen Bedarf angeboten wird. Ferner gehören dazu auch Nebenzentren, welche eine Teilfunktion des eigentlichen Innenstadtzentrums übernehmen.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 20.11.2006 - 4 B 50.06 -, wonach es "nicht zweifelhaft" sei, dass in einer entsprechend großen Gemeinde auch mehrere Nahversorgungszentren bestehen können, die gegebenenfalls in Haupt- und Nebenzentren zu unterteilen seien.

Schließlich können auch Bereiche für die Grund- und Nahversorgung zentrale Versorgungsbereichen im Sinne des § 34 Abs. 3 darstellen. Diese versorgen in der Regel nur bestimmte Stadtteile größerer Städte bzw. gesamte kleinere Orte mit Waren des kurzfristigen und mittelfristigen Bedarfs. In größeren und mittleren Städten dienen sie der Versorgung der Bevölkerung verschiedener Quartiere von zumeist einigen tausend Einwohnern vornehmlich mit Waren des kurzfristigen Bedarfs, die regelmäßig auch durch beschränkte Angebote von einzelnen Waren des mittelfristigen Bedarfs wie z.B. Bekleidung sowie von Dienstleistungen (Bank, Lottoannahmestellen, Friseur etc.) ergänzt werden. Häufig sind solche Grund- und Nahversorgungszentren dadurch gekennzeichnet, dass in ihnen ein größerer Frequenzbringer - zumeist ein Vollsortimenter des Lebensmittelbereichs - vorhanden ist.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 11.12.2006, a.a.O.; Kuschnerus, Der standortgerechte Einzelhandel, 1. Aufl. 2007, Rn. 155.

Dass in einer Gemeinde mehrere zentrale Versorgungsbereiche bestehen können, ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 34 Abs. 3 BauGB ("zentrale Versorgungsbereiche"). Auch die Gesetzesbegründung geht davon aus, dass in einer größeren Gemeinde zentrale Versorgungsbereiche unterschiedlicher Stufen bestehen können. In der Amtlichen Begründung des Regierungsentwurfs zum Europarechtsanpassungsgesetz Bau (BT-Drs. 15/2250, S. 41), durch welches § 34 Abs. 3 BauGB neu eingefügt worden ist, heißt es zur Neufassung des § 2 Abs. 2 BauGB, in der vorgeschlagenen Regelung würden die "Auswirkungen auf die zentralen Versorgungsbereiche - auch in ihren unterschiedlichen Stufen - der Gemeinde genannt". Noch deutlicher kommt der Wille des Gesetzgebers in der Amtlichen Begründung zum Regierungsentwurf des zum 1.1.2007 in Kraft getretenen Gesetzes zur Erleichterung von Planungsvorhaben für die Innenentwicklung der Städte (BT-Drs. 16/2496, S. 11) zum Ausdruck, mit dem unter anderem bauplanerische Festsetzungen zur Zulässigkeit nur bestimmter Nutzungsarten im unbeplanten Innenbereich ermöglicht worden sind (§ 9 Abs. 2a BauGB n.F.). In der Entwurfsbegründung heißt es, " der Begriff 'Zentraler Versorgungsbereich' umfasst Versorgungsbereiche unterschiedlicher Stufen, also insbesondere Innenstadtzentren vor allem in Städten mit größerem Einzugsbereich, Nebenzentren in Stadtteilen sowie Grund- und Nahversorgungszentren in Stadt- und Ortsteilen und nichtstädtischen Gemeinden". Dass demselben Begriff in § 2 Abs. 2 BauGB, § 9 Abs. 2a BauGB und § 34 Abs. 3 BauGB jeweils ein anderes Verständnis zugrunde liegen sollte, ist fernliegend.

c) Es mag einiges dafür sprechen, dass es sich bei dem Bereich H. um einen zentralen Versorgungsbereich im Sinne eines Grund- und Nahversorgungszentrums handelt. Maßgeblich für eine derartige Abgrenzung sind in erster Linie die konkreten räumlichen Gegebenheiten.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 11.12.2006, a.a.O.

Es bedarf keiner Entscheidung, ob auch gemeindliche Planungen zur Abgrenzung eines zentralen Versorgungsbereichs herangezogen werden können und welchen Grad an Verbindlichkeit und Konkretheit diese ggf. aufweisen müssen.

Vgl. hierzu nunmehr Reidt, Zentrale Versorgungsbereiche auf Grund von (informellen) Planungen - interkommunale Abstimmung und weitere Anforderungen nach § 34 III BauGB, NVwZ 2007, 664.

Der in Rede stehende Bereich dient der Versorgung insbesondere der Bevölkerung des Stadtteils H. mit etwa 11.000 Einwohnern. Es werden nicht nur Waren des kurzfristigen Bedarfs (insbesondere Lebensmittel), sondern auch des lang- und mittelfristigen Bedarfs angeboten. Dieses Angebot wird durch Dienstleistungen ergänzt, und es ist mit einem Vollsortimenter des Lebensmittelbereichs ein sog. "Frequenzbringer" vorhanden. Der maßgebliche Bereich erstreckt sich ausgehend vom Kreuzungsbereich an der D.-Straße entlang der Bi.-Straße in nordöstliche Richtung bis etwa zum Bereich des Supermarktes (Bi.-Straße 145). Innerhalb dieses Bereichs ist ein verdichteter Geschäftsbesatz zu verzeichnen. Die Ladenabfolge wird durchsetzt mit einem recht hohen Anteil von Gastronomie- und Imbissbetrieben. Ferner werden Dienstleistungen angeboten (Reisebüro, Versicherungsbüro, Sparkasse, Schuhmacher, Friseur, Hundesalon). Darüber hinaus sind auch Angebote für den mittel- und langfristigen Bedarf vorhanden (Bekleidung, Lederwaren- und Geschenkartikel, Stoffe und Gardinen, Schreibwaren, Schmuck, Telekommunikation). Außerdem befinden sich in dem Bereich ein Drogeriemarkt, zwei Ladenhandwerksbetriebe (Bäckerei und Metzgerei) sowie vier Kioskbetriebe. Den östlichen Abschluss bildet ein Supermarkt mit Bäckerei. Dieser Betrieb ist dem fraglichen Bereich zuzurechnen, weil er an den verdichteten Geschäftsbesatz an der Bi.-Straße angrenzt und darüber hinaus wegen der barrierefreien fußläufigen Anbindung auch ein hohes Verknüpfungspotential damit aufweist. Ob es sich um ein Grund- und Nahversorgungszentrum handelt, welches einen zentralen Versorgungsbereich im Sinne des § 34 Abs. 3 BauGB darstellt, bedarf jedoch ebenso wenig der Entscheidung wie die Frage, ob auch der westlich der vierspurigen D.-Straße im Kreuzungsbereich D.-Straße / Bi.-Straße gelegene Lebensmitteldiscountmarkt diesem Bereich zuzurechnen ist.

d) Denn jedenfalls sind schädliche Auswirkungen i.S.d. § 34 Abs. 3 BauGB (dazu aa) auf diesen Bereich im Stadtteil H. nicht zu erwarten (dazu cc). Ob dies der Fall ist, muss im Rahmen der Amtsermittlungspflicht aufgeklärt werden, so dass es im Regelfall auf Fragen der Darlegungs- und Beweislast nicht ankommt (dazu bb).

aa) Aus dem Wortlaut des Begriffs "schädliche Auswirkungen" ist abzuleiten, dass die zu erwartenden Auswirkungen des jeweilige Vorhabens auf den betroffenen zentralen Versorgungsbereich als in besonderem Maße negativ einzustufen sind. Das ist dann der Fall, wenn die städtebauliche Funktion des Bereichs beeinträchtigt ist; die Störung der Funktionsfähigkeit muss dabei, um als schädlich qualifiziert werden zu können, von beachtlichem Gewicht sein.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 11.12.2006, a.a.O.; Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, a.a.O., § 34 Rn. 86; Berkemann/Halama, Erstkommentierungen zum BauGB, 1. Auflage 2005, § 34 Rn. 26.

Für die Annahme einer beachtlichen Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit des Versorgungsbereichs ist von der vom Gesetzgeber beabsichtigten Zielrichtung des § 34 Abs. 3 BauGB auszugehen. Dem Gesetzgeber kam es mit der Einfügung des Absatzes 3 in § 34 BauGB maßgeblich darauf an, bei Zulassungsentscheidungen nach § 34 BauGB über die nähere Umgebung hinausgehende Fernwirkungen namentlich im Sinne von § 11 Abs. 3 Satz 2 BauNVO zu berücksichtigen. Damit ist die Zulassungsfähigkeit von Vorhaben, von denen schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche im Sinne von § 34 Abs. 3 BauGB zu erwarten sind, der Sache nach der Zielsetzung des § 11 Abs. 3 BauNVO jedenfalls angenähert, ohne dass jedoch das Regelungssystem des § 11 Abs. 3 BauNVO - namentlich die Vermutungsregel des Satzes 3 der genannten Vorschrift - uneingeschränkt übernommen wurde.

Hiervon ausgehend berücksichtigt der Senat bei der Prüfung von schädlichen Auswirkungen im Sinne des § 34 Abs. 3 BauGB in Übereinstimmung mit dem 7. Senat des OVG NRW insbesondere die Größe des Vorhabens, während der voraussichtlichen Umsatzumverteilung regelmäßig nicht die allein maßgebende Bedeutung zukommt. Auch bei § 34 Abs. 3 BauGB ist - nicht anders als sonst im Baurecht - auf baurechtlich relevante und vom Baurecht erfasste Vorhabensmerkmale abzustellen, die durch die für das Vorhaben zu erteilende Baugenehmigung auch gesteuert werden können. Hierzu gehört bei Einzelhandelsnutzungen insbesondere die Verkaufsfläche. Sie ist maßgebliches Kriterium für die Abgrenzung zwischen großflächigen und nicht großflächigen Einzelhandelsbetrieben im Sinne des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauNVO und damit Maßstab für die Beurteilung der städtebaulichen Wirkung solcher Betriebe.

Demgegenüber lassen sich objektive Aussagen über voraussichtliche Umsatzverteilungen nur schwer treffen. Bereits die zu erwartenden Umsätze eines Betriebes können nur wenig verlässlich bestimmt werden. Zwar lässt sich für verschiedene Branchen anhand von Erfahrungswerten näherungsweise ermitteln, mit welchen ungefähren Größenordnungen des Umsatzes in der Regel je Quadratmeter Verkaufsfläche zu rechnen ist; dabei gibt es jedoch erhebliche Bandbreiten. Noch schwerer ist es, tragfähige Aussagen über eine voraussichtliche Umverteilung des Umsatzes zu machen.

Vielmehr hängt die Frage, in welchem Ausmaß ein Unternehmen auf die bestehende Markt- und Versorgungssituation einwirkt, von verschiedenen, baurechtlich nicht beeinflussbaren Faktoren der individuellen Betriebsgestaltung des Unternehmens und der Auswirkungen dieser Faktoren auf ein ebenfalls durch individuelle Besonderheiten anderer Betriebe geprägtes Marktgeschehen ab. Hierzu gehören etwa die Preisgestaltung, die Attraktivität des Warenangebots und seine Präsentation sowie das Werbeverhalten. Diese Faktoren sind allesamt bodenrechtlich nicht relevant und damit für die bauplanungsrechtliche Beurteilung von Vorhaben nur eingeschränkt geeignet. Schon deshalb gibt es keinen "Schwellenwert", der - quasi automatisch - die Grenze zur Schädlichkeit markiert.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 11.12.2006, a.a.O., m.w.N.; Kuschnerus, a.a.O., Rn. 328 ff.; a.A. - Schwellenwert bei wenigstens 10 % - : Hofherr, in: Berliner Kommentar zum Baugesetzbuch, 3. Aufl., § 34 Rn. 71 b; Rieger in: Schrödter, Kommentar zum BauGB, 7. Aufl. 2006, § 34 Rn. 76; Uechtritz, a.a.O., S. 1031; differenzierend Gatawis, a.a.O., S. 275.

Auszugehen ist ferner davon, dass in der Regel nur von großflächigen Einzelhandelsbetrieben schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche ausgehen können. Auch der Gesetzgeber hatte - wie bereits ausgeführt - in erster Linie diese großflächigen Vorhaben im Blick. Nur "bei entsprechenden Fallkonstellationen" (vgl. BT-Drs. 15/2250, S. 54) habe diese Regelung auch für andere Vorhaben als großflächigen Einzelhandel Bedeutung.

Bei der vorzunehmenden Prognoseentscheidung sind im jeweiligen Einzelfall die wechselseitigen Wirkungen zwischen dem in Rede stehenden Vorhaben und dem von ihm beeinflussten zentralen Versorgungsbereich zu berücksichtigen. Kriterien sind insbesondere die Verkaufsfläche des geplanten Vorhabens, die Verkaufsfläche derselben Branche in dem zu schützenden Versorgungsbereich, der Abstand des Vorhabens von dem betroffenen Versorgungsbereich sowie die konkrete städtebauliche Situation insgesamt. Von Bedeutung sein kann vor allem, ob der außerhalb des zentralen Versorgungsbereich anzusiedelnde Einzelhandelsbetrieb gerade auf solche Sortimente abzielt, die in diesem Bereich von einem "Magnetbetrieb" angeboten werden, dessen unbeeinträchtigter Bestand maßgebliche Bedeutung für die weitere Funktionsfähigkeit des zentralen Versorgungsbereichs hat.

bb) Entgegen der Annahme des VG trägt - jedenfalls bei nicht großflächigen Einzelhandelsbetrieben - nicht der Bauherr die Darlegungs- und gegebenenfalls Beweislast für das Vorliegen schädlicher Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche im Sinne des § 34 Abs. 3 BauGB.

Für eine Darlegungslast der Genehmigungsbehörde: Berkemann/Halama, a.a.O., § 34 Rn. 28; wohl auch Bracher, in: Gelzer/Bracher/Reidt, Bauplanungsrecht, 7. Auflage 2004, Rn. 2070; Uechtritz, a.a.O., S. 809; ders., § 34 III BauGB - Klarstellungen und offene Fragen, NVwZ 2007, 660; Nr. 8.1.2 des Einzelhandelserlasses (Runderlass Nr. 23/1/2007) des brandenburgischen Ministeriums für Infrastruktur und Raumplanung v. 10.4.2007; dagegen: Einführungserlass NRW zum EAG Bau vom 30.1.2005 (MBl. NRW. S. 342); modifizierend: Gatawis, a.a.O., S 277.

Das Tatbestandsmerkmal "schädliche Auswirkungen" ist ein gerichtlich voll überprüfbarer unbestimmter Rechtsbegriff. Die Behörde muss, um die Frage, ob schädliche Auswirkungen zu erwarten sind, beantworten zu können, die dem Prognoseschluss zugrundeliegenden Tatsachen (Prognosebasis) von Amts wegen in eigener Verantwortung ermitteln, § 24 Abs. 1 VwVfG NRW. Entsprechendes gilt für die gerichtliche Überprüfung einer behördlichen Entscheidung. Das Gericht hat sich gemäß § 86 Abs. 1 VwGO in eigener Verantwortung und ohne Bindung an eine Initiative der Beteiligten das Tatsachenmaterial zu beschaffen und die nötigen Beweise zu erheben. Im Verwaltungsprozess gibt es keine formelle Beweislast. Eine (materielle) Beweislastentscheidung kommt nur in Betracht, wenn es trotz der erfolgten Ermittlung des Tatsachenmaterials bei der Unerweislichkeit der Behauptung bleibt ("non liquet").

Vgl. Höfling/Rixen, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl. 2006 § 108 Rn. 106 ff., m.w.N.; vgl. auch Schulte, (In-)Kompetenzen des Verwaltungsrichters bei der örtlichen Augenscheinnahme, NJW 1988, 1006 (1010).

Wer in einem solchen Fall die Beweislast trägt, ist als materiellrechtliche Frage in Auslegung der maßgeblichen Vorschrift zu ermitteln.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 30.3.1978 - V C 20.76 -, BVerwGE 55, 288.

Für den vorliegenden Fall einer behördlichen Entscheidung zu § 34 Abs. 1 und 3 BauGB ergibt eine Auslegung der gesetzlichen Regelung nach Wortlaut und Systematik, dass die Genehmigungsbehörde ggf. die Beweislast dafür trägt, dass schädliche Auswirkungen zu erwarten sind. § 34 Abs. 3 BauGB ist als Ausnahmevorschrift anzusehen. Sie schränkt die Zulässigkeit eines Vorhabens nach § 34 Abs. 1 und 2 BauGB ein, so dass die Behörde für das Vorliegen der einschränkenden Tatbestandsvoraussetzungen beweispflichtig ist.

Ebenso zu dem vergleichbaren "Günstigkeitsprinzip" Höfling/Rixen, a.a.O., Rn. 114; Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl., § 108 Rn. 13, m.w.N.

Die Zuweisung der materiellen Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 34 Abs. 3 BauGB an die Genehmigungsbehörde ist auch aus verfassungsrechtlichen Gründen im Hinblick auf das besondere Gewicht des Eigentumsgrundrechts geboten.

Vgl. zur Bedeutung eines Grundrechts bei der Beweislastverteilung ebenfalls Höfling/Rixen, a.a.O., Rn. 119 ff.

Die Baufreiheit im Sinne der baulichen Nutzbarkeit eines Grundstücks beruht nicht auf einer öffentlich-rechtlichen Verleihung; die Baugenehmigung teilt insoweit kein "Baurecht" zu. Das materielle Recht zum Bauen folgt vielmehr letztlich aus dem Grundrecht des Art. 14 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 GG. Das Recht, bauliche Anlagen zu errichten und zu verändern, gehört nach den Grundsätzen des Baurechts zum Inhalt des Eigentums.

Vgl. zur Baufreiheit BVerfG, Beschluss vom 22.5.2001 - 1 BvR 1512/97 -, BVerfGE 104, 1 ff; BVerwG, Urteil vom 12.3.1998 - 4 C 10.97 -, BRS 60 Nr. 98, m.w.N.; vgl. auch Boeddinghaus/Hahn/Schulte, Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen, Stand: Januar 2007, § 75 Rn. 3 ff; Peschau, Die Beweislast im Verwaltungsrecht, 1983, S. 111.

Schließlich tritt hinzu, dass hinsichtlich möglicher Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche nicht die Verantwortungs- und Verfügungssphäre des Bauherrn betroffen ist.

Vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 30.3.1978, a.a.O.; Höfling/Rixen, a.a.O., Rn. 114.

Die Genehmigungsbehörde hat in aller Regel erheblich bessere Kenntnisse über die gemeindlichen zentralen Versorgungsbereiche als der Bauherr. Sie hat einen Überblick über die raumordnungsrechtlichen und städtebaulichen Konzeptionen der Gemeinde sowie über die tatsächlichen örtlichen Verhältnisse. Diese Beweislastverteilung ist auch deshalb interessengerecht, weil die Gemeinde es in der Hand hat, Auswirkungen auf ihre Versorgungsbereiche durch Bauleitplanung zu lenken. Mit Einführung des § 9 Abs. 2a BauGB zum 1.1.2007 hat der Gesetzgeber den Gemeinden zudem die Möglichkeit eröffnet, die Zulässigkeit von Nutzungen im unbeplanten Innenbereich zur "Erhaltung oder Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche" durch einfachen Bebauungsplan zu steuern. Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 16/2496, S. 10) soll § 9 Abs. 2a BauGB es ermöglichen, über die "in ihrer Praktikabilität ... eingeschränkte" Vorschrift des § 34 Abs. 3 BauGB hinaus zentrale Versorgungsbereiche zu sichern.

Reidt, a.a.O., verweist darauf, dass § 34 Abs. 3 BauGB in erster Linie dazu dient, Nachbargemeinden Rechtsschutzmöglichkeiten zu gewähren. Die Standortgemeinde könne sich selbst durch aktive Bauleitplanung Abwehrmöglichkeiten schaffen.

Nichts anderes ergibt sich daraus, dass es Sache des Antragstellers im Genehmigungsverfahren ist, die für die Beurteilung des Bauvorhabens erforderlichen Unterlagen (Bauvorlagen) bei der Bauaufsichtsbehörde einzureichen (vgl. §§ 71 Abs. 2, 69 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW). Dementsprechend soll die Bauaufsichtsbehörde den Bauantrag zurückweisen, wenn die Bauvorlagen unvollständig sind oder erhebliche Mängel aufweisen (§ 72 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW). Grund hierfür ist, dass der Bauantrag das Vorhaben und damit den zu beurteilenden Verfahrensgegenstand festzulegen hat, damit eine verlässliche baurechtliche Beurteilung durch die Genehmigungsbehörde möglich ist. Die Bauaufsichtsbehörde soll von wesensfremden Arbeiten - etwa der Vervollständigung der Bauvorlagen durch eigenes Personal oder durch Hinzuziehung anderer Fachbehörden - entlastet werden.

Vgl. Boeddinghaus/Hahn/Schulte, a.a.O., § 72 Rn. 12.

Dieser aus § 69 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW folgenden Pflicht kommt ein Antragsteller nach, wenn er alle erforderlichen vorhabenbezogenen Bauvorlagen (vgl. dazu § 1 Abs. 1 BauPrüfVO) einreicht. Dies hat hier der Kläger getan. Er hat mit seinem Antrag auf Erteilung eines Vorbescheids und den zugehörigen Bauvorlagen das Vorhaben hinreichend genau festgelegt und damit eine baurechtliche Beurteilung durch die Behörde ermöglicht. Seine Mitwirkungspflicht ist erfüllt, wenn den Bauvorlagen einschließlich der Betriebsbeschreibung zu entnehmen ist, welche Auswirkungen von seinem Vorhaben zu erwarten sein werden. Die Frage, ob diese Auswirkungen in der näheren oder weiteren Umgebung als "schädlich" einzustufen sind, gehört hingegen nicht zu der dem Antragsteller obliegenden Beschreibung seines Vorhabens.

Dem steht nicht entgegen, dass ein Antragsteller, der ein mit Beeinträchtigungen der Umgebung verbundenes Vorhaben zur Genehmigung stellt, im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht in bestimmten Fallkonstellationen Gutachten beizubringen hat, wenn nur so prognostiziert werden kann, welches Ausmaß etwa die von dem Vorhaben verursachte Geräuschbeeinträchtigung oder Schattenwurfproblematik haben wird.

Vgl. für eine Windenergieanlage OVG NRW, Beschluss vom 5.2.2001 - 7 A 410/01 -, BRS 64 Nr. 155.

Denn dabei handelt es sich um eine andere Fallgestaltung. Ohne ein Gutachten zum Ausmaß der Schallemissionen oder zum Schattenwurf kann die Genehmigungsbehörde in einem derartigen Fall keine Entscheidung darüber treffen, ob die Auswirkungen des Vorhabens seiner Genehmigungsfähigkeit entgegenstehen. In dem hier vorliegenden Fall eines Vorhabens, das möglicherweise Fernwirkungen im Sinne des § 34 Abs. 3 BauGB auslösen könnte, muss der Antragsteller die Behörde im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht lediglich über diejenigen Faktoren unterrichten, die für die Bewertung der Fernwirkungen maßgeblich sind, insbesondere also - wie dargestellt - über Betriebsumfang und Betriebsstruktur.

cc) Von dem geplanten Vorhaben der Klägerin sind keine schädlichen Auswirkungen auf den Bereich H. zu erwarten. Ausgehend von den oben dargelegten Grundsätzen ist nicht ersichtlich, dass der geplante nicht großflächige Einzelhandel zu einer beachtlichen Funktionsstörung des Bereichs H. führen kann.

Das streitige Vorhaben liegt etwa 1 km nördlich dieses Bereichs an der vielbefahrenen, vierspurigen D.-Straße mit überörtlicher Verbindungsfunktion. Die Umgebung ist von überwiegender gewerblicher Nutzung geprägt, Wohnnutzung findet nur in geringem Rahmen entlang der A.-Straße statt. Daraus und aus der hohen Zahl der geplanten Parkplätze ergibt sich ohne weiteres, dass der strittige Lebensmitteldiscounter in erster Linie auf die entlang der D.-Straße fahrende Autokundschaft abzielt. Davon gehen auch die Beteiligten übereinstimmend aus. Demgegenüber ist der Bereich H. in weniger starkem Maße von dem Durchgangsverkehr an der D.-Straße abhängig. Er befindet sich an der Bi.-Straße und ist von umfangreicher Wohnnutzung umgeben. Anders als das geplante Vorhaben ist dieses Gebiet durch die Bevölkerung von H. fußläufig gut erreichbar. Dies zeigt, dass durch das strittige Vorhaben eher Wettbewerbswirkungen auf die entlang der D.-Straße bzw. der B.-Straße gelegenen - außerhalb von Versorgungsbereichen angesiedelten - weiteren systemgleichen Discountmärkte zu erwarten sind. Auswirkungen des Vorhabens auf die Funktionsfähigkeit des Versorgungsbereichs H. - unterstellt, dass es sich bei dem maßgeblichen Bereich um einen zentralen Versorgungsbereich im Sinne des § 34 Abs. 3 BauGB handelt - sind dagegen nur in unbeachtlichem Maße zu befürchten.

Dies gilt insbesondere für den östlich gelegenen Supermarkt. Dieser stellt als einziger Lebensmittelmarkt an der Bi.-Straße einen "Frequenzbringer" oder "Magnetbetrieb" dar mit der Folge, dass dessen unbeeinträchtigter Bestand maßgebliche Bedeutung für die Funktion der angrenzenden Geschäftsstraße hat. Aufgrund der anders gearteten Sortiments- und Zielkundenausrichtung - der Supermarkt ist ein Vollsortimenter - und wegen der oben dargelegten integrierten Lage mit einer nur geringen Orientierung an den Durchgangsverkehr der D.-Straße wird sich für diesen Betrieb keine grundlegend veränderte Wettbewerbssituation durch das streitige Vorhaben ergeben, wovon auch die von der Klägerin vorgelegte Verträglichkeitsanalyse ausgeht. Aufgrund dieser Gegebenheiten des Einzelfalls ist es auch nicht von entscheidender Bedeutung, dass die Verkaufsfläche des geplanten Vorhabens an die Verkaufsfläche des Supermarkts von etwa 800 qm heranreicht.

Entgegen der Auffassung des VG ist schließlich auch nicht die Annahme gerechtfertigt, dass die Randsortimente des geplanten Lebensmittel-Discountmarktes - typischerweise handelt es sich um in kurzen Zeitabständen wechselnde Aktionsware, die auf einer begrenzten Verkaufsfläche angeboten wird - zu Umsatzverlagerungen führen, die schädliche Auswirkungen auf den Versorgungsbereich erwarten ließen. Zwar hat die Klägerin die Verkaufsfläche bezogen auf dieses Randsortiment in ihrem Antrag auf Erteilung eines Vorbescheids nicht begrenzt. Daraus kann aber nicht der Schluss gezogen werden, dass eine mehr oder wenige unbegrenzte Ausweitung der Randsortimente zu Lasten des Kernsortiments Lebensmittel beabsichtigt oder zulässig wäre. Denn der Vorbescheid ist ausdrücklich für das Vorhaben "Neubau eine Lebensmitteldiscounters" beantragt worden. Durch diese Bezeichnung des Vorhabens hat die Klägerin festgelegt, welche Nutzung beabsichtigt ist und damit von einer entsprechenden Genehmigung gedeckt wäre. Damit wird der Großteil der Verkaufsfläche dem Kernsortiment Lebensmittel vorbehalten bleiben.

Nichts anderes ergibt sich ferner unter Einbeziehung des P.-Marktes an der westlichen Straßenseite der D.-Straße. Anders als der Supermarkt stellt er aufgrund seiner Lage und seiner recht geringen Verkaufsfläche von etwa 350 qm keinen prägenden Frequenzbringer dar. Auch soweit er durch das geplante Vorhaben möglicherweise in besonderem Maße einer Konkurrenzsituation ausgesetzt sein wird, ist eine schädliche Auswirkung im Sinne des § 34 Abs. 3 BauGB nicht anzunehmen. Denn es sind die Auswirkungen auf den gesamten Bereich des fraglichen Versorgungszentrums in den Blick zu nehmen und nicht nur auf einen einzelnen Betrieb, der ein ähnliches Sortiment anbietet. § 34 Abs. 3 BauGB dient nicht dem Konkurrentenschutz. Das Bauplanungsrecht hat nicht die Wahrung von Wettbewerbsinteressen im Blick, sondern verhält sich in dieser Hinsicht neutral. Mit der Vorschrift soll die Funktionalität des gesamten Versorgungsbereichs geschützt werden. Entscheidend ist allein, ob für diesen Gesamtbereich die kritische Schwelle der Schädlichkeit überschritten wird.

Zur Wettbewerbsneutralität des § 34 Abs. 3 BauGB vgl. OVG NRW, Beschluss vom 9.3.2007 - 10 B 2675/06 -, NVwZ 2007, 735; Gatawis, a.a.O., S. 275; Kuschnerus, a.a.O., Rn. 347; Berkemann/Halama, a.a.O., § 34 Rn. 24.

Dies ist nach den obigen Ausführungen indes nicht der Fall.

Schließlich ist nichts dafür ersichtlich, dass bauordnungsrechtliche Gesichtspunkte dem Vorhaben der Klägerin entgegenstehen.

Ende der Entscheidung

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