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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 11.12.2007
Aktenzeichen: VerfGH 10/06
Rechtsgebiete: LV


Vorschriften:

LV Art. 78
LV Art. 79 Satz 2
1. Das Recht auf Selbstverwaltung aus Art. 78, 79 Satz 2 LV ist verletzt, wenn der Landesgesetzgeber bei der Ausgestaltung des kommunalen Finanzausgleichs Maßgaben des Bundesrechts (hier: § 6 Abs. 3, Abs. 5 GFRG) nicht beachtet, die für die kommunale Finanzmittelausstattung bindend sind.

2. Im Rahmen der kommunalen Beteiligung an den Lasten der Deutschen Einheit findet ein vertikaler Finanzausgleich statt. Bei diesem Finanzausgleich hat der Landesgesetzgeber die bundesrechtlich vorgegebene Obergrenze einer kommunalen Finanzierungsbeteiligung in Höhe von rund 40 v.H. zu beachten.


Tatbestand:

Die Beschwerdeführerinnen - 21 nordrhein-westfälische Kommunen - machten mit ihrer gegen das Gemeindefinanzierungsgesetz 2006 (GFG 2006) gerichteten Verfassungsbeschwerde u.a. geltend, die Höhe der Zuweisungen des Landes an die Gemeinden im Haushaltsjahr 2006 verletze die Vorschriften der Landesverfassung über das Recht der kommunalen Selbstverwaltung, weil der kommunale Solidarbeitrag zu den finanziellen Lasten der Deutschen Einheit nicht angemessen ausgeglichen worden sei.

Die Verfassungsbeschwerde wurde mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die kommunale Finanzierungsbeteiligung an den Lasten der Deutschen Einheit die bundesrechtlich vorgegebene Obergrenze von rund 40 v.H. des Landessolidarbeitrags nicht überschreiten darf.

Gründe:

A.

1. a) Mit dem "Gesetz zu dem Vertrag vom 18.5.1990 über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik" vom 25.6.1990 (BGBl. II S. 518) wurde der Fonds "Deutsche Einheit" als Sondervermögen des Bundes errichtet. Er diente als Finanzierungsinstrument zur Leistung finanzieller Hilfen an die Deutsche Demokratische Republik und später an das Beitrittsgebiet. Der Fonds finanzierte sich überwiegend über die Aufnahme von Krediten. Zur Abdeckung seiner Schuldendienstverpflichtungen erhielt er Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt, die dem Bund in Höhe von 50 v.H. von den alten Bundesländern zu erstatten waren (vgl. Art. 31 des Gesetzes). Die Länder traten dazu aus ihrem Anteil an der Umsatzsteuer nach Art. 106 Abs. 3 GG jährlich entsprechende Beträge an den Bund ab (Art. 32 zu § 1 Abs. 2 FAG a.F.). An den Länderbeiträgen waren die Gemeinden mit bundesdurchschnittlich rund 40 v.H. zu beteiligen (Art. 33 zu § 6 Abs. 2 a GFRG a.F.). Die kommunale Beteiligungsquote beruhte auf einer Abstimmung der Länder und orientierte sich am Verhältnis der Steuereinnahmen der Länder und der Gemeinden einschließlich der im Rahmen der kommunalen Finanzausgleiche bewirkten Beteiligungen der Gemeinden am Steueraufkommen der Länder (vgl. BT-Drs. 11/7350, S. 51; BR-Drs. 350/90, S. 151). Die Gemeinden erbrachten ihren Finanzierungsbeitrag über eine Erhöhung der Gewerbesteuerumlage gemäß § 6 Abs. 2 a GFRG a.F. (nunmehr § 6 Abs. 5 GFRG) sowie über Mindereinnahmen aus ihrer Beteiligung am Umsatzsteueraufkommen der Länder nach Art. 106 Abs. 7 Satz 1 GG, die auf der Herabsetzung des Umsatzsteueranteils der Länder beruhten (vgl. dazu Art. 31 des Gesetzes; BR-Drs. 350/90, a.a.O.).

b) Durch das "Gesetz zur Umsetzung des Föderalen Konsolidierungsprogramms - FKPG" vom 23.6.1993 (BGBl. I S. 944; sog. Solidarpakt I) wurden die neuen Länder mit Wirkung ab 1995 in den bundesstaatlichen Finanzausgleich einbezogen. Der Fonds "Deutsche Einheit" diente nunmehr allein der Abfinanzierung der aufgenommenen Kredite. Die Länder erstatteten dem Bund 50 v.H. des jährlichen Schuldendienstes zuzüglich eines jährlichen Betrags von 2,1 Mrd. DM (Art. 33 FKPG zu § 1 Abs. 2 FAG a.F.; Art. 36 FKPG zu § 6 Abs. 5 des Gesetzes über die Errichtung eines Fonds "Deutsche Einheit" a.F.). An den finanziellen Belastungen, die den alten Ländern aus der Neuordnung des Länderfinanzausgleichs sowie der Abfinanzierung des Fonds "Deutsche Einheit" entstanden, waren die Gemeinden in Höhe von bundesdurchschnittlich rund 40 v.H. beteiligt. § 6 Abs. 5 Satz 2 GFRG a.F. lautet:

Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Erhöhungszahl jährlich so festzusetzen, dass das Mehraufkommen der Umlage 50 vom Hundert der Finanzierungsbeteiligung der Gemeinden in Höhe von bundesdurchschnittlich rund 40 vom Hundert der nach Satz 1 zu erbringenden Länderleistungen entspricht.

In der Begründung zu § 6 Abs. 3 GFRG a.F., BT-Drs. 12/4801, S. 179 heißt es:

Die Gemeinden der alten Länder sollen nach gemeinsamer Auffassung dieser Länder mit bundesdurchschnittlich 40 % an den Belastungen, die den alten Ländern aus der Neuordnung des bundesstaatlichen Finanzausgleichs entstehen, beteiligt werden.

Dazu wurde die Gewerbesteuerumlage nach § 6 Abs. 3 GFRG a.F. mittels Einführung eines Landesvervielfältigers weiter erhöht:

Der Vervielfältiger ist die Summe eines Bundes- und Landesvervielfältigers für das jeweilige Land. Der Bundesvervielfältiger beträgt 19 vom Hundert.

Der Landesvervielfältiger für die Länder Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen beträgt 19 vom Hundert. Der Landesvervielfältiger für die übrigen Länder beträgt 48 vom Hundert.

c) Im Zuge des "Gesetzes zur Fortführung des Solidarpaktes, zur Neuordnung des bundesstaatlichen Finanzausgleichs und zur Abwicklung des Fonds 'Deutsche Einheit' (Solidarpaktfortführungsgesetz - SFG)" vom 20.12.2001 (BGBl. I S. 3955; sog. Solidarpakt II) ist die Abfinanzierung des Fonds "Deutsche Einheit" für die Zeit ab 1.1.2005 bis zu seiner Auflösung am 31.12.2019 neu gestaltet worden. Mit Wirkung ab 1.1.2005 hat der Bund die Verbindlichkeiten des Fonds übernommen (Art. 8 SFG zu § 6 a des Gesetzes über die Errichtung eines Fonds "Deutsche Einheit"). Zum Ausgleich der Belastungen durch Zins- und Tilgungsverpflichtungen erhält der Bund jährlich unter anderem einen Festbetrag an der Umsatzsteuer in Höhe von 1,322712 Mrd. € (Art. 5 SFG zu § 1 Satz 3 FAG a.F.). Die Höhe der fortwirkenden Belastung, die den Ländern im Zusammenhang mit der Neuregelung der Fondsfinanzierung ab 2005 verbleibt, ist in § 6 Abs. 5 Satz 2 GFRG mit jährlich 2,582024 Mrd. € angegeben.

Nach Maßgabe von § 6 Abs. 3 und Abs. 5 GFRG in der ab 1.1.2005 gültigen Fassung (BGBl. 2001 I S. 3955, 3960, 3963) werden die Kommunen an den finanziellen Lasten der Deutschen Einheit weiterhin über eine Erhöhung der Gewerbesteuerumlage beteiligt. Die Umlage wird in der Weise ermittelt, dass das Ist-Aufkommen der Gewerbesteuer im Erhebungsjahr durch den von der jeweiligen Gemeinde für dieses Jahr festgesetzten Hebesatz der Steuer geteilt und mit einem Vervielfältiger multipliziert wird (§ 6 Abs. 2 Satz 1 GFRG). Der Vervielfältiger ist die Summe eines Bundes- und Landesvervielfältigers für das betreffende Bundesland (vgl. § 6 Abs. 3 GFRG). Zur Kompensation der mit der Neuregelung des bundesstaatlichen Finanzausgleichs verbundenen fortwirkenden Belastungen der alten Länder ist der Landesvervielfältiger für diese Länder bis einschließlich zum Jahr 2019 um 29 v.H. zu erhöhen (§ 6 Abs. 3 Sätze 4 und 5 GFRG). Zur Mitfinanzierung der Belastungen, die den Ländern im Zusammenhang mit der Abfinanzierung des Fonds "Deutsche Einheit" ab dem Jahr 2005 verbleiben, wird der Landesvervielfältiger für die alten Bundesländer um eine weitere Erhöhungszahl angehoben (§ 6 Abs. 5 Satz 1 GFRG). Die Erhöhungszahl ist durch Rechtsverordnung des Bundesministeriums der Finanzen jährlich so festzusetzen, dass das Mehraufkommen der Umlage 50 v.H. der Finanzierungsbeteiligung der Gemeinden in Höhe von bundesdurchschnittlich rund 40 v.H. des Betrags von 2,582024 Mrd. € entspricht (§ 6 Abs. 5 Satz 5 GFRG). Im Jahr 2006 belief sich die Erhöhungszahl auf 7 Prozentpunkte (BR-Drs. 638/05). Abschließend bestimmt § 6 Abs. 5 Satz 9 GFRG:

Die Feinabstimmung der Finanzierungsbeteiligung der Gemeinden bis zur Höhe ihres jeweiligen Anteils an den Gesamtsteuereinnahmen - einschließlich der Zuweisungen im Rahmen der Steuerverbünde - in den einzelnen Ländern bleibt der Landesgesetzgebung vorbehalten.

Für die Erhöhung der Gewerbesteuerumlage nach § 6 Abs. 3 Sätze 4 und 5 GFRG gilt diese Regelung entsprechend (§ 6 Abs. 3 Satz 6 GFRG).

2. Die Gemeinden und Gemeindeverbände in Nordrhein-Westfalen erhalten vom Land im Wege des kommunalen Finanzausgleichs nach den Regelungen der jährlich neu erlassenen Gemeindefinanzierungsgesetze allgemeine und zweckgebundene Zuweisungen, die zur Ergänzung ihrer eigenen Einnahmen bestimmt sind. Für das Haushaltsjahr 2006 stellte das Land dafür einen seit dem Haushaltsjahr 1986 unveränderten Prozentsatz von 23 v.H. (Verbundsatz) seines Anteils an der Einkommensteuer, der Körperschaftsteuer und der Umsatzsteuer (Gemeinschaftsteuern) sowie der eigenen Einnahmen aus der Grunderwerbsteuer zur Verfügung (§ 4 Abs. 1 GFG 2006 - sog. Verbundbetrag). Einzelheiten der Ermittlung des Verbundbetrags sind in § 4 Abs. 2 bis 6 GFG 2006 geregelt. § 4 Abs. 2 Satz 2 Ziffer 1 und 3 GFG 2006 lauten:

Dabei wird

1. das ermittelte Ist-Aufkommen der Gemeinschaftsteuern insgesamt um die Einnahmen oder Ausgaben des Landes im Länderfinanzausgleich im Verbundzeitraum erhöht oder vermindert; 3. das ermittelte Ist-Aufkommen der Umsatzsteuer um den interkommunalen Entlastungsausgleich zugunsten der Kommunen der neuen Länder im Zusammenhang mit der Umsetzung des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 (BGBl. I. S. 2954) im Verbundzeitraum erhöht.

Danach wurden für das Haushaltsjahr 2006 eine Minderung des Verbundbetrags um 540,755 Mio. € (Länderfinanzausgleich) und eine Erhöhung um 165 Mio. € (Kommunaler Entlastungsausgleich Ost) eingestellt (Anlage 1 zu § 4 Abs. 6 GFG 2006).

In die Festsetzung des Verbundsatzes eingeflossen ist eine für 2006 prognostizierte Überzahlung des von den Kommunen zu tragenden Anteils an den einheitsbedingten Lasten, die mit 200 Mio. € angesetzt wurde. Der Ansatz beruht auf einer Modellrechnung auf der Basis der Finanzplanung des Landes 2005 bis 2009 (mit Finanzbericht 2006). Dabei wurde ausgehend von dem (geschätzten) Beitrag des Landes zu den Einheitslasten in 2006 (1,4 Mrd. €) der anteilig von den Kommunen zu erbringende Solidarbeitrag errechnet (627,2 Mio. €) und diesem Betrag der von den Kommunen (geschätzte) tatsächlich geleistete Beitrag (806 Mio. €) gegenübergestellt. Einen gesonderten interkommunalen Ausgleich der einheitsbedingten Lasten, wie er in den Vorjahren nach Maßgabe des jährlichen Solidarbeitragsgesetzes erfolgte, sieht das Gemeindefinanzierungsgesetz 2006 nicht vor. In der Gesetzesbegründung wird hierzu ausgeführt: Die Spitzabrechnung der kommunalen Solidarbeitragsbeteiligung werde aufgegeben. Wegen der Veränderungen im Länderfinanzausgleich und beim Fonds "Deutsche Einheit" ab 1995, insbesondere aber ab 2005 würden in den Rechnungen größere Unsicherheiten verbleiben. Die Berechnungen verursachten inzwischen auch einen hohen Aufwand. Durch die Systemumstellung werde eine erhebliche Vereinfachung erzielt. Bei der Festsetzung des Verbundsatzes seien die mit dem Gemeindefinanzierungsgesetz 2006 eingeleiteten strukturellen Veränderungen im kommunalen Finanzausgleich berücksichtigt worden (LT NRW-Drs. 14/1102, S. 40, 44).

C.

Die Verfassungsbeschwerde ist mit der aus dem Tenor ersichtlichen Maßgabe unbegründet.

Die Regelungen in § 4 Abs. 2 Satz 2 Ziffer 1 und 3 i.V.m. Anlage 1 zu § 4 Abs. 6 GFG 2006 sowie der von den Beschwerdeführerinnen gerügte Verzicht auf eine vertikale und horizontale "Spitzabrechnung" beim Ausgleich des kommunalen Solidarbeitrags zu den Lasten der Deutschen Einheit im Gemeindefinanzierungsgesetz 2006 verletzen nicht das Recht der Beschwerdeführerinnen auf Selbstverwaltung aus Art. 78, 79 Satz 2 LV. Sie verstoßen weder gegen das interkommunale Gleichbehandlungsgebot noch verletzen sie sonstige Verfassungsgrundsätze, die im Verfassungsbeschwerdeverfahren als Prüfungsmaßstab zu berücksichtigen sind. Der Landesgesetzgeber hat allerdings die Überzahlung des kommunalen Beitrags zu den Lasten der Deutschen Einheit im Haushaltsjahr 2006 unter Berücksichtigung der bundesrechtlich vorgegebenen Obergrenze einer kommunalen Finanzierungsbeteiligung an den einigungsbedingten Lasten in Höhe von rund 40 v.H. auszugleichen.

I.

1. Das Recht der Gemeinden und Gemeindeverbände auf Selbstverwaltung (Art. 78 LV) umfasst auch einen gegen das Land Nordrhein-Westfalen gerichteten Anspruch auf angemessene Finanzausstattung; denn eigenverantwortliches Handeln setzt eine entsprechende finanzielle Leistungsfähigkeit der Selbstverwaltungskörperschaften voraus (VerfGH NRW, OVGE 38, 312, 314; OVGE 40, 300, 302 = NWVBl. 1989, 85, 86; OVGE 43, 252, 254 = NWVBl. 1993, 381, 382; OVGE 47, 249, 251 = NWVBl. 1998, 390, 391; OVGE 49, 271, 274 = NWVBl. 2003, 261, 263; NWVBl 2004, 141, 143).

Den Finanzausstattungsanspruch absichernd und konkretisierend verpflichtet Art. 79 Satz 2 LV das Land, im Rahmen seiner finanziellen Leistungsfähigkeit einen übergemeindlichen Finanzausgleich zu gewährleisten (vgl. Art. 106 Abs. 7 GG). Dabei ist dem Landesgesetzgeber ein weiter Gestaltungsspielraum eingeräumt, in welchem Umfang und auf welche Art er diese Gewährleistung erfüllt und nach welchem System er die Finanzmittel auf die Gemeinden verteilt. Im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit obliegt es dem Landesgesetzgeber, den Finanzbedarf von Land, Gemeinden und Gemeindeverbänden zu gewichten, Unterschiede hinsichtlich des Finanzbedarfs und der vorhandenen Finanzausstattung auszumachen und festzulegen, wie die Differenzlagen auszugleichen sind (VerfGH NRW, OVGE 40, 300, 302 ff.; OVGE 43, 252, 254 = NWVBl. 1993, 381, 382; OVGE 47, 249, 252 f. = NWVBl. 1998, 390, 392; OVGE 49, 271, 274/275 = NWVBl. 2003, 261, 263; vgl. auch BVerfGE 23, 353, 369).

2. Der Gestaltungsspielraum des Finanzausgleichsgesetzgebers ist allerdings nicht unbeschränkt. Grenzen ergeben sich aus dem Schutzzweck der Finanzausstattungsgarantie (II.1) sowie aus solchen Grundsätzen des Landesverfassungsrechts, die geeignet sind, das verfassungsrechtliche Bild der kommunalen Selbstverwaltung mitzubestimmen (II.2 bis II.5). Diese Grenzen werden durch die mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Regelungen und Systemumstellungen nach Maßgabe der nachfolgenden Ausführungen nicht verletzt.

II.

1. Aus der Funktion des Finanzausgleichs, die finanzielle Grundlage der gemeindlichen Selbstverwaltung zu sichern, folgt, dass die für eine eigenverantwortliche Aufgabenwahrnehmung durch die Kommunen erforderliche finanzielle Mindestausstattung gewährleistet sein muss. Dementsprechend ist die Finanzausstattungsgarantie verletzt, wenn einer sinnvollen Betätigung der Selbstverwaltung die finanzielle Grundlage entzogen und dadurch das Selbstverwaltungsrecht ausgehöhlt wird (VerfGH NRW, OVGE 40, 300, 302 = NWVBl. 1989, 85, 86; OVGE 47, 249, 251 f. = NWVBl. 1998, 390, 391; OVGE 49, 271, 274 = NWVBl. 2003, 261, 263). Im Übrigen legen Art. 78 und 79 LV den Umfang der Mittel nicht fest, die den Gemeinden auf Grund des Finanzausgleichs zur freien Disposition gestellt werden müssen; weder sind zahlenmäßig festgelegte Beträge noch bestimmte Quoten vorgeschrieben (VerfGH NRW, OVGE 40, 300, 303 = NWVBl. 1989, 85, 86; OVGE 43, 252, 255 = NWVBl. 1993, 381, 382; OVGE 47, 249, 252 = NWVBl. 1998, 390, 391; OVGE 49, 271, 275 = NWVBl. 2003, 261, 263).

Gemessen daran bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die in Rede stehende Ausgestaltung des vertikalen und horizontalen Finanzausgleichs im Gemeindefinanzierungsgesetz 2006 die durch Art. 78 und 79 Satz 2 LV garantierte finanzielle Mindestausstattung berührt. Die Beschwerdeführerinnen machen demgemäss auch nicht geltend, dass infolge der hierdurch bedingten Zuweisungseinbußen einer sinnvollen Betätigung der Selbstverwaltung die finanzielle Grundlage entzogen wäre.

2. a) Aus dem Anspruch der Kommunen auf angemessene Finanzausstattung ergibt sich in Verbindung mit dem auch kraft Landesverfassungsrechts geltenden Rechtsstaatsprinzip (vgl. dazu VerfGH, OVGE 16, 315, 318, 319; OVGE 45, 285, 287 = NWVBl. 1995, 291, 293) ferner, dass die Finanzausstattungsgarantie verletzt ist, wenn der Finanzausgleichsgesetzgeber Maßgaben des Bundesrechts nicht beachtet, die für die kommunale Finanzmittelausstattung bindend sind (ebenso zu Art. 87 Abs. 1 LV S.-A.: VerfG S.-A., Urteil vom 13.6.2006 - LVG 7/05 - juris, Rn. 103).

Um eine Kollision mit der bundesstaatlichen Kompetenzordnung (Art. 30, 70 ff. GG) zu vermeiden und mit Rücksicht auf die Bindungswirkung höherrangigen Rechts obliegt es dem Landesgesetzgeber, bundesrechtlichen Vorgaben bei seiner Gesetzgebungstätigkeit Rechnung zu tragen. Für die Regelung des kommunalen Finanzausgleichs bedeutet dies, dass der Gestaltungsspielraum des Landesgesetzgebers nach Maßgabe des durch Art. 106 GG (einschließlich dazugehöriger Ausführungsbestimmungen) vorgegebenen Rahmens begrenzt ist. Dem entspricht es im Lichte des Schutzzwecks des kommunalen Finanzausgleichs, den Gewährleistungsbereich der Art. 78, Art. 79 Satz 2 LV auch dann als verletzt anzusehen, wenn den Kommunen Finanzmittel vorenthalten werden, die ihnen kraft Bundesrechts zustehen.

b) Danach begründet die von den Beschwerdeführerinnen gerügte Minderung des Verbundbetrags nach § 4 Abs. 2 Satz 2 Ziffer 1 GFG 2006 keinen Verstoß gegen Landesverfassungsrecht. Die Bestimmung konkretisiert die Art und Weise des vertikalen Finanzausgleichs näher und bewegt sich damit auf der Ebene der Ausgestaltung (des "Wie") des kommunalen Finanzausgleichs. Art. 106 Abs. 7 Satz 1 GG entfaltet in dieser Hinsicht bereits keine landesverfassungsrechtlich relevante Bindungswirkung. Die Norm verpflichtet zwar den Landesgesetzgeber, die Kommunen am Gesamtaufkommen der Gemeinschaftsteuern (vgl. Art. 106 Abs. 3 GG) zu beteiligen. Damit sind jedoch lediglich das "Ob" eines kommunalen Finanzausgleichs und der Anknüpfungspunkt für die Finanzausgleichsmasse geregelt. Im Übrigen macht Art. 106 Abs. 7 Satz 1 GG für die Verteilungsmaßstäbe des kommunalen Finanzausgleichs keine normativen Vorgaben, die gegebenenfalls bei der Auslegung der Landesverfassung zu berücksichtigen wären. Die konkrete Ausgestaltung (das "Wie") des kommunalen Finanzausgleichs einschließlich der Festlegung des Umfangs der Ausgleichsmasse fällt vielmehr allein in die Verantwortung der Länder (VerfGH NRW, OVGE 47, 249, 272, m.w.N.).

c) Auch der Verzicht auf einen vertikalen "Spitzausgleich" des kommunalen Solidarbeitrags zu den einigungsbedingten Lasten im Gemeindefinanzierungsgesetz 2006 verletzt die Beschwerdeführerinnen nicht in ihrem Recht auf Selbstverwaltung. Der Landesgesetzgeber ist jedoch verpflichtet, einen Ausgleich der kommunalen Überzahlung des Solidarbeitrags herbeizuführen, der den maßgeblichen bundesrechtlichen Vorgaben Rechnung trägt.

aa) Vorbehaltlich verbindlicher bundesrechtlicher Vorgaben obliegt es der Entscheidung des Landesgesetzgebers, nach welchem System er den vertikalen Finanzausgleich gestalten will. Die seine Entscheidung leitenden Einschätzungen sind vom VerfGH nur daraufhin überprüfbar, ob sie unter dem Gesichtspunkt der Sachgerechtigkeit vertretbar sind. Dabei sind angesichts des generellen Charakters der gesetzgeberischen Einschätzung eine Typisierung und Pauschalierung zulässig, die insbesondere auch durch praktische Erfordernisse der Verwaltung gerechtfertigt sein können (vgl. VerfGH NRW, OVGE 49, 271, 276 = NWVBl. 2003, 261, 263 f.). Soweit die tatsächlichen Auswirkungen der Finanzausgleichsregelungen kaum oder nur mit großen Unsicherheiten voraussehbar sind, ist der Gesetzgeber verpflichtet, die weitere Entwicklung zu beobachten und gegebenenfalls darauf zu reagieren. Ist der Gesetzgeber auf Einschätzungen und Prognosen angewiesen, ist ein Gesetz nicht bereits deshalb verfassungswidrig, weil es auf einem Irrtum des Gesetzgebers über den erwarteten Geschehensablauf beruht. Der VerfGH kann Einschätzungen bzw. Prognosen des Gesetzgebers über die sachliche Eignung und die Auswirkungen einer gesetzlichen Regelung nur dann beanstanden, wenn sie im Ansatz oder in der Methode offensichtlich fehlerhaft oder eindeutig widerlegbar sind (VerfGH NRW, OVGE 47, 249, 254 = NWVBl. 1998, 390, 392; NWVBl 1999, 136, 137).

bb) Gemessen an diesen Grundsätzen ist es nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber mit dem Gemeindefinanzierungsgesetz 2006 das vormalige System einer vertikalen "Spitzabrechnung" des kommunalen Solidarbeitrags auf ein Ausgleichssystem umgestellt hat, das auf einem prognostisch ermittelten Ausgleichsbetrag beruht. Er bewegt sich mit dieser Systemumstellung innerhalb des ihm von Verfassungs wegen eingeräumten Gestaltungsspielraums. Es ist weder im Ansatz noch in der Methode offensichtlich fehlerhaft, dass das Gemeindefinanzierungsgesetz 2006 von einer auszugleichenden Überzahlung der kommunalen Finanzierungsbeteiligung an den Lasten der Deutschen Einheit in Höhe von 200 Mio. € ausgeht. Dass eine valide Quantifizierung der einheitsbedingten Lasten aufgrund des in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht komplexen Sachzusammenhangs auf Schwierigkeiten stößt, räumt auch das von den Beschwerdeführerinnen vorgelegte finanzwissenschaftliche Gutachten ein (vgl. dort Ziff. 101). Ebenso liegt auf der Hand, dass der Finanzausgleichsgesetzgeber hinsichtlich der Bemessungsgrundlagen für die kommunale Beteiligung an den Einheitslasten nicht schon auf endgültige Abrechnungen zurückgreifen kann, sondern auf die Erstellung einer Prognose angewiesen ist. Es unterliegt keinen Bedenken, dass er zu diesem Zweck das im Zeitpunkt des Gesetzgebungsverfahrens zur Verfügung stehende Datenmaterial aus der Steuerschätzung und Mittelfristigen Finanzplanung des Landes herangezogen hat (vgl. dazu LT NRW-Drs. 14/1101, S. 62 und S. A 6; zu den fortwirkenden Belastungen des Landes ab 2005 hinsichtlich der Abfinanzierung des Fonds "Deutsche Einheit" siehe auch den in der BT-Drs. 14/6577, S. 7, geschätzten Betrag von 1,546 Mrd. DM). Ausgehend davon hält sich der zur Kompensation der kommunalen Überzahlung als ausreichend prognostizierte Ausgleichsbetrag von 200 Mio. € innerhalb der dem Landesgesetzgeber zustehenden Einschätzungsprärogative. Der Prognose liegt ein Ansatz von 1,4 Mrd. € für die auf das Land Nordrhein-Westfalen im Jahr 2006 entfallenden einigungsbedingten Lasten zugrunde, der sich zusammensetzt aus je 700 Mio. € für die Lasten im Rahmen des Länderfinanzausgleichs und des Fonds "Deutsche Einheit". Unter Berücksichtigung des kommunalen Anteils an den Gesamtsteuereinnahmen (einschließlich der Zuweisungen im Rahmen des Steuerverbundes), der mit 44,8 v.H. veranschlagt worden ist, ergibt sich eine Finanzierungsbeteiligung der Kommunen in Höhe von ca. 627 Mio. €. Der von den Gemeinden über die erhöhte Gewerbesteuerumlage erbrachte Solidarbeitrag ist mit 645 Mio. € prognostiziert worden. Ferner ist eine finanzielle Belastung der Gemeinden in Höhe von 161 Mio. € in Ansatz gebracht worden. Dieser Betrag geht zurück auf die Mindereinnahmen des Landes aus der Umsatzsteuer als Kompensationsleistung für die Übernahme der Verbindlichkeiten des Fonds "Deutsche Einheit" durch den Bund und die dadurch bedingte Minderung der Verbundgrundlagen (23 v.H. auf 700 Mio. €). Insgesamt beläuft sich der von den Gemeinden geleistete Solidarbeitrag somit auf ca. 800 Mio. €. Daraus folgt eine Überzahlung in Höhe von gut 170 Mio. €, die durch den veranschlagten Betrag von 200 Mio. € vollständig abgedeckt wird.

cc) Der Landesgesetzgeber ist allerdings gehalten, die tatsächliche Entwicklung der Überzahlung des kommunalen Solidarbeitrags weiter zu beobachten und gegebenenfalls mit geeigneten Maßnahmen zu reagieren, um der bundesrechtlich vorgegebenen Obergrenze einer kommunalen Finanzierungsbeteiligung an den Lasten der Deutschen Einheit in Höhe von rund 40 v.H. gerecht zu werden.

(1) Der Verteilung der einigungsbedingten Lasten durch die Regelungskomplexe "Solidarpakt I" und "Solidarpakt II" liegt die Erwägung zugrunde, dass die Finanzierung des Einigungsprozesses eine gesamtstaatliche Aufgabe ist, die von Bund, Ländern und Kommunen gemeinsam zu erfüllen ist. Die westdeutschen Kommunen sollen dabei an den finanziellen Transferleistungen der alten Bundesländer in Höhe von rund 40 v.H. beteiligt werden. Eine explizite gesetzliche Verankerung findet dies in § 6 Abs. 5 Satz 5 GFRG, der die Finanzierungsbeteiligung der Kommunen an den Lasten des Fonds "Deutsche Einheit" regelt. Darüber hinaus beruht auch die Erhöhung der Gewerbesteuerumlage nach § 6 Abs. 3 GFRG um 29 Prozentpunkte auf einer Beteiligungsquote von 40 v.H., wie sich den Gesetzesmaterialien entnehmen lässt (vgl. BT-Drs. 12/4801, S. 179). Schließlich findet sich die Quote mittelbar in § 6 Abs. 5 Satz 9 GFRG und entsprechend in § 6 Abs. 3 Satz 6 GFRG wieder. Soweit darin auf eine "Finanzierungsbeteiligung der Gemeinden bis zur Höhe ihres jeweiligen Anteils an den Gesamtsteuereinnahmen - einschließlich der Zuweisungen im Rahmen der Steuerverbünde" abgestellt wird, beruht dies auf einer entsprechenden Abstimmung der Länder, die sich an dem bundesdurchschnittlichen Anteil der Kommunen an den Gesamtsteuereinnahmen in Höhe von rund 40 v.H. orientiert (vgl. BT-Drs. 11/7350, S. 51, 11/7351, S. 6, und 11/ 7412, S. 60, 74 f.).

(2) Nach Wortlaut und Entstehungsgeschichte kommt der nach § 6 Abs. 3, Abs. 5 GFRG vorgesehenen Beteiligungsquote von "bundesdurchschnittlich rund 40 v.H." bindende normative Wirkung für die Ausgestaltung des kommunalen Finanzausgleichs zu. Textlich wird dies in § 6 Abs. 5 Satz 9 GFRG (entsprechend in § 6 Abs. 3 Satz 6 GFRG) zum Ausdruck gebracht, wonach die Kommunen bis zur Höhe ihres jeweiligen Anteils an den Gesamtsteuereinnahmen an den einigungsbedingten Lasten zu beteiligen sind. Bestätigt wird dieses Normverständnis durch die Gesetzesmaterialien, die ebenfalls darauf verweisen, dass es sich bei der Beteiligungsquote um eine Obergrenze handelt (vgl. BT-Drs. 11/7351, S. 6, und 11/7412, S. 60, 74 f.). Allerdings kommt dem Landesgesetzgeber bei der konkreten Umsetzung der bundesrechtlichen Vorgabe ein Gestaltungsspielraum zu, wie die Formulierung "Feinabstimmung" in § 6 Abs. 5 Satz 9 GFRG zeigt. Es ist grundsätzlich Angelegenheit der Länder, durch entsprechende Gestaltung des kommunalen Finanzausgleichs eine angemessene Beteiligung ihrer Gemeinden an den Landesbelastungen sicherzustellen (so ausdrücklich der Hinweis der Bundesregierung zu dem Bundesratsentwurf für eine Beteiligung der Gemeinden in den alten Ländern an der Finanzierung des Transferbeitrages der alten gegenüber den neuen Ländern über eine Anhebung der Gewerbesteuerumlage, BT-Drs. 12/4748, S. 159).

(3) Ausgehend davon hat der Landesgesetzgeber für den Fall, dass der zunächst prognostizierte angemessene kommunale Solidarbeitrag der tatsächlichen Entwicklung nicht entspricht, sondern dieser eine signifikant höher ausfallende Überzahlung erkennen lässt, unter Berücksichtigung der bundesrechtlich vorgegebenen Obergrenze alsbald, spätestens im übernächsten Haushaltsjahr, einen weitergehenden Ausgleich herbeizuführen. Eines "Spitzausgleichs" bedarf es dabei nicht, da dem Gesetzgeber nach Maßgabe der vorstehenden Ausführungen ein Gestaltungsspielraum verbleibt. Andererseits muss der Ausgleichsbetrag der bundesrechtlichen Vorgabe angemessen Rechnung tragen, das heißt der Obergrenze von "rund 40 v.H." annähernd entsprechen. Um dem gerecht zu werden, ist der Gesetzgeber verpflichtet, auf belastbare, also auf der Basis von Jahresabschlussrechnungen gesicherte Daten für das betreffende Haushaltsjahr zurückzugreifen. Im Übrigen obliegt die Festlegung der Ausgleichsmodalitäten der politischen Willensbildung im Rahmen des parlamentarischen Gesetzgebungsverfahrens.

Für das Haushaltsjahr 2006 ergibt sich nach dem auf belastbares Datenmaterial gestützten Vortrag der Beschwerdeführerinnen, dem die Landesregierung - auch in der mündlichen Verhandlung - nicht substantiiert entgegengetreten ist, eine nicht ausgeglichene Überzahlung des kommunalen Solidarbeitrags in Höhe von ca. 450 Mio. €. Damit liegt die kommunale Finanzierungsbeteiligung an den Lasten der Deutschen Einheit bei über 90 v.H. Es liegt auf der Hand, dass sich eine derart signifikante Abweichung von der durch § 6 Abs. 3, Abs. 5 GFRG vorgegebenen Obergrenze nicht mehr im Bereich des landesverfassungsrechtlich Tolerablen bewegt. Soweit die Landesregierung in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, dass einer nicht ausgeglichenen Überzahlung durch entsprechende Korrekturen in den Prognoseansätzen der Folgejahre Rechnung getragen würde, genügt dies den bundesrechtlichen Anforderungen nicht. Die Obergrenze von "rund 40 v.H." ist bezogen auf das jeweilige Haushaltsjahr zu wahren, so dass hier ein rückwirkender Ausgleich für das Haushaltsjahr 2006 herbeizuführen ist.

3. Keinen landesverfassungsrechtlichen Bedenken unterliegt die Systemumstellung im Bereich des horizontalen Finanzausgleichs.

a) Der dem Landesgesetzgeber bei der Gestaltung des kommunalen Finanzausgleichs eingeräumte Spielraum wird durch das rechtsstaatlich determinierte Willkürverbot begrenzt, das als Element des objektiven Gerechtigkeitsprinzips auch kraft Landesverfassungsrechts verbürgt ist. Als interkommunales Gleichbehandlungsgebot verbietet es, bestimmte Gemeinden oder Gemeindeverbände auf Grund sachlich nicht vertretbarer Differenzierungen zu benachteiligen oder zu bevorzugen. Es ist verletzt, wenn für die getroffene Regelung ein sachlicher Grund fehlt (VerfGH NRW, OVGE 38, 312, 315 f.; OVGE 40, 300, 302 = NWVBl. 1989, 85, 86; OVGE 43, 252, 254 = NWVBl. 1993, 381, 382; OVGE 47, 249, 253 = NWVBl. 1998, 390, 391; OVGE 49, 271, 275 = NWVBl. 2003, 261, 263; NWVBl 2004, 141, 144).

Nach welchem System der Gesetzgeber eine bestimmte Materie ordnen will, obliegt seiner Entscheidung. Weicht er vom selbstbestimmten System ab, kann das einen Gleichheitsverstoß indizieren (BVerfGE 61, 138, 148 f.; 68, 237, 253; 81, 156, 207). Ein solcher liegt nicht vor, wenn es für die Abweichung plausible Gründe gibt (VerfGH NRW, OVGE 46, 262, 270 f. = NWVBl. 1997, 129, 132; OVGE 49, 271, 275 = NWVBl. 2003, 261, 263).

Hier ist in den Blick zu nehmen, dass die Anknüpfung des kommunalen Solidarbeitrags an das Gewerbesteueraufkommen bundesrechtlich vorgegeben ist (§ 6 Abs. 3, Abs. 5 GFRG). Der Bundesgesetzgeber bewertet es unter dem Gesichtspunkt der finanziellen Leistungsfähigkeit von Kommunen als sachgerecht, die kommunale Finanzierungsbeteiligung an den einheitsbedingten Lasten über eine Umlage auf diese Steuerart sicherzustellen. Es begegnet im Ausgangspunkt keinen rechtlichen Bedenken, wenn der Landesgesetzgeber diese Einschätzung für sein horizontales Finanzausgleichssystem übernimmt. Im Lichte des interkommunalen Gleichbehandlungsgebots ist allein maßgeblich, dass die Modalitäten des Ausgleichssystems in ihrer Gesamtheit nicht zu willkürlichen Resultaten führen.

b) Gemessen daran ist die Systemumstellung im Bereich des horizontalen Finanzausgleichs nicht zu beanstanden. Im Rahmen seines Gestaltungsspielraums durfte der Gesetzgeber davon absehen, hinsichtlich der Beteiligung der Gemeinden an den einheitsbedingten Lasten über die erhöhte Gewerbesteuerumlage einen horizontalen "Spitzausgleich" durchzuführen. Ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz läge nur dann vor, wenn der Verzicht auf einen "Spitzausgleich" zu willkürlichen, mit der Funktion des Finanzausgleichs unvereinbaren Ergebnissen führen würde. Das kann hier nicht festgestellt werden. Die Systemumstellung verletzt weder unter dem Gesichtspunkt der Systemwidrigkeit noch unter dem Gesichtspunkt des Nivellierungs-/Übernivellierungsverbots das Gleichbehandlungsgebot.

aa) Die Erwägung des Gesetzgebers, der Verzicht auf einen über das Schlüsselzuweisungssystem in §§ 7 ff. GFG 2006 hinausgehenden Belastungsausgleich führe typischerweise zu einer relativ stärkeren Beteiligung der finanzkräftigeren, insbesondere abundanten Gemeinden (d.h. Gemeinden, die ihren Finanzbedarf selbstständig aus eigenen Einnahmen decken können) an den Kosten der Deutschen Einheit und zu einer relativ geringeren Beteiligung der finanzkraftschwächeren Gemeinden, ist empirisch gesichert. Sie leitet sich aus den mit dem Gemeindefinanzierungsgesetz 2006 verbundenen Ausgleichswirkungen ab, die sich als systemkonform erweisen.

(1) Der von der Landesverfassung gewährleistete kommunale Finanzausgleich hat die Aufgabe, Mängel zu beseitigen oder abzuschwächen, die sich aus einer unzureichenden Ausstattung von Kommunen mit Steuermitteln ergeben. Entsprechend dem unterschiedlichen Ausgabenbedarf der einzelnen Gemeinden und der unterschiedlichen Möglichkeiten, diesen Bedarf durch eigene Einnahmen zu decken, sollen die Finanzquellen der Gemeinden ergänzt werden. Dieser subsidiäre Finanzausgleich soll die Gesamteinnahmen der Gemeinden und Gemeindeverbände so weit aufstocken, dass die finanzielle Möglichkeit zu eigenverantwortlicher, freiwilliger Selbstverwaltungstätigkeit gegeben ist (sog. fiskalische Funktion). Daneben hat der interkommunale Finanzausgleich die Aufgabe, die sich aus der ungleichmäßigen Streuung des Steueraufkommens ergebenden Unterschiede in der finanziellen Leistungsfähigkeit zwischen den einzelnen kommunalen Gebietskörperschaften auszugleichen (sog. redistributive Funktion). Diesen Funktionen entspricht es, wenn der Gesetzgeber bei der Entscheidung über die Modalitäten des Ausgleichssystems für die einheitsbedingten finanziellen Belastungen die Finanzkraftsituation der Kommunen in den Blick nimmt und sich davon leiten lässt, den finanzstärkeren Gemeinden relativ weniger Zuweisungen zukommen zu lassen als den finanzschwächeren Gemeinden (vgl. bereits VerfGH NRW, OVGE 38, 301, 310/311; OVGE 40, 300, 307 = NWVBl. 1989, 85, 87; OVGE 47, 249, 272 f. = NWVBl. 1998, 390, 397).

(2) Nicht zu beanstanden ist die Bewertung des Finanzausgleichsgesetzgebers, bei den von dem Verzicht auf einen horizontalen "Spitzausgleich" nachteilig betroffenen Gemeinden handele es sich in der Regel um finanzstärkere, insbesondere abundante Kommunen. Die Einschätzung findet ihre Rechtfertigung in dem mit dem Gemeindefinanzierungsgesetz 2006 verbundenen Ausgleichswirkungen, die eine Systemwidrigkeit nicht erkennen lassen.

Die auf der erhöhten Gewerbesteuerumlage basierende Heranziehung zu den einheitsbedingten Lasten trifft in relativ stärkerem Maße die gewerbesteuerstarken Gemeinden. Diesen Gesichtspunkt hat der Gesetzgeber im Rahmen des horizontalen Ausgleichssystems nicht unberücksichtigt gelassen, sondern vielmehr in § 11 Abs. 1 GFG 2006 für eine Kompensation gesorgt, indem sich die erhöhte Gewerbesteuerumlage steuerkraftmindernd bei der Berechnung der Schlüsselzuweisungen auswirkt. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerinnen lässt sich nicht feststellen, dass gewerbesteuerstarke Gemeinden im Vergleich zu Gemeinden, die in Bezug auf eine andere Steuerart ähnlich aufkommensstark sind, in systemwidriger Weise benachteiligt werden. Denn für die übrigen im Rahmen des Schlüsselzuweisungssystems relevanten Steueraufkommen ist als Systementscheidung des Gesetzgebers eine entsprechende Steuerkraftminderung nicht vorgesehen (vgl. § 11 GFG 2006).

Eine Systemwidrigkeit lässt sich auch nicht daraus ableiten, dass sich die Ausgleichsfunktion des § 11 Abs. 1 GFG 2006 bei abundanten Gemeinden nicht in Gestalt von Schlüsselzuweisungen auswirkt. Dieser Sachverhalt ist systemimmanent. Allein wenn eine Gemeinde über eine Steuerkraft verfügt, die sie trotz der erhöhten Gewerbesteuerumlage ihren auf der Grundlage des Gemeindefinanzierungsgesetzes ermittelten Ausgabenbedarf decken lässt bzw. diesen sogar überschreitet, erhält sie keinen über die Steuerkraftminderung in § 11 Abs. 1 GFG 2006 hinausgehenden Ausgleich.

Der Gesetzgeber ist aus landesverfassungsrechtlicher Sicht nicht verpflichtet, mit Rücksicht auf abundante Gemeinden einen weitergehenden Belastungsausgleich vorzunehmen. Aus den zuvor beschriebenen Funktionen des interkommunalen Finanzausgleichs, die Unterschiede in der Finanzausstattung der Kommunen zu mildern und die finanzschwächeren Gemeinden finanziell stärker zu unterstützen, folgt nicht, dass zwangsläufig alle Kommunen an den Zuweisungen des Finanzausgleichs beteiligt werden müssten. Abundante Gemeinden, also solche, die ihren Finanzbedarf aus eigenen Einnahmen decken können, bedürfen keiner ergänzenden Finanzzuweisungen (vgl. VerfGH NRW, OVGE 47, 249, 272, 273 = NWVBl. 1998, 390, 397).

bb) Der Verzicht auf eine horizontale "Spitzabrechnung" verletzt auch nicht das Nivellierungs-/Übernivellierungsverbot. Mit Sinn und Zweck des übergemeindlichen Finanzausgleichs im Sinne von Art. 79 Satz 2 LV ist es nicht vereinbar, wenn nach dessen Durchführung die reale Finanzlage vormals finanzstärkerer Gemeinden ungünstiger ist als diejenige vormals finanzschwächerer Gemeinden; ebenso wenig steht eine vollständige Einebnung der Finanzkraftunterschiede mit dem der kommunalen Selbstverwaltung innewohnenden Grundsatz der gemeindlichen Pluralität und Individualität im Einklang (VerfGH NRW, OVGE 38, 312, 315 f., m.w.N.; OVGE 40, 300, 305 = NWVBl. 1989, 85, 87; OVGE 43, 252, 265 = NWVBl. 1993, 381, 386; OVGE 47, 249, 273 = NWVBl. 1998, 390, 397). Auch nach diesen Maßgaben bewegt sich die Entscheidung, von einem interkommunalen "Spitzausgleich" der gemeindlichen Solidarbeitragslasten abzusehen, innerhalb der verfassungsgemäßen Gestaltungsmöglichkeiten des Finanzausgleichsgesetzgebers. Die Systemumstellung führt nicht dazu, Finanzkraftunterschiede in verfassungswidriger Weise zu egalisieren oder umzukehren.

Das vom Innenministerium des Landes vorgelegte Datenmaterial belegt, dass der Finanzausgleich 2006 zu einer Annäherung der Finanzkraftsituation der 396 nordrhein-westfälischen Gemeinden geführt hat, ohne dass die Finanzkraftunterschiede übernivelliert oder nivelliert worden wären. Die Darstellung des Innenministeriums knüpft an die jeweilige gemeindliche Bedarfsdeckungsquote an. Dabei handelt es sich um die Relation zwischen normierter Steuerkraft (vgl. § 11 GFG 2006) und normiertem Bedarf (vgl. § 10 GFG 2006) einer Gemeinde. Sie beruht damit auf Indikatoren, die im Finanzausgleichssystem des Landes eine langjährige Grundlage haben und in der Rechtsprechung des VerfGH als sachgerecht bestätigt worden sind (vgl. z.B. VerfGH, OVGE 43, 252 = NWVBl. 1993, 381; OVGE 47, 249 = NWVBl. 1998, 390). Der Auswertung des Innenministeriums lässt sich entnehmen, dass sich die Bedarfsdeckungsquoten der Gemeinden vor Durchführung des Finanzausgleichs zwischen 41,8 % und 270,6 % bewegten und nach Durchführung des Finanzausgleichs, also unter Einbeziehung der jeweiligen gemeindlichen Schlüsselzuweisung, zwischen 94,2 % und 270,6 %. Indes liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass ursprünglich finanzschwächere Gemeinden nunmehr über mehr Mittel verfügten als vormals finanzstärkere. Soweit sich nach der Übersicht des Innenministeriums Rangfolgeänderungen feststellen lassen, gehen diese ganz überwiegend darauf zurück, dass mehrere Gemeinden nunmehr eine gemeinsame Rangposition einnehmen. Angesichts der dahinterstehenden marginalen prozentualen Angleichung ist damit eine unzulässige Über-/Nivellierung nicht verbunden, zumal sich diese "Rangplatzhäufung" bei einer differenzierteren Ausweisung der Bedarfsdeckungsquote (über eine Nachkommastelle hinaus) verliert. Darüber hinaus tritt eine Angleichung in der tatsächlichen Finanzausstattung auch deshalb nicht ein, weil die unterschiedlich hohen Einnahmen der Gemeinden aus sonstigen, bei der Ermittlung der normierten Steuerkraft nicht relevanten Quellen unberücksichtigt bleiben. Zudem bemisst sich die Steuerkraftmesszahl, soweit es die hebesatzabhängigen Steuern betrifft, nicht nach den realen Erträgen, sondern nach normativen (fiktiven) Hebesätzen (vgl. zu diesem Gesichtspunkt bereits VerfGH NRW, OVGE 47, 249, 274 = NWVBl. 1998, 390, 398).

Das Datenmaterial des Innenministeriums wird durch das von den Beschwerdeführerinnen eingereichte finanzwissenschaftliche Gutachten nicht in Frage gestellt. Soweit das Gutachten zu abweichenden Schlussfolgerungen kommt, gehen diese darauf zurück, dass der Darstellung und Ermittlung der (normierten) Finanzkraft ein abweichender Finanzkraftbegriff zugrunde liegt. Es bedarf hier keiner weiteren Erörterung des Für und Wider dieses Ansatzes. Der VerfGH hat nicht zu prüfen, ob der Normgeber die bestmögliche oder gerechteste Lösung gewählt hat. Angesichts des weiten Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers ist dessen Methodenwahl nur dann zu beanstanden, wenn sie offensichtlich fehlerhaft ist. Dafür ist hier nichts ersichtlich.

4. Ein Verstoß gegen den auch im Rahmen des kommunalen Selbstverwaltungsrechts zu prüfenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (vgl. VerfGH NRW, OVGE 47, 249, 254 = NWVBl. 1998, 390, 392; OVGE 49, 271, 275 f. = NWVBl. 2003, 261, 263) lässt sich gleichfalls nicht feststellen.

Der Gestaltungsspielraum des Finanzausgleichsgesetzgebers wird ferner durch den im Rechtsstaatsprinzip verankerten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit begrenzt. Belastungen oder Beeinträchtigungen der gemeindlichen Finanzausstattung sind abzuwägen mit den dafür maßgebenden, dem öffentlichen Wohl verpflichteten, sachlichen Gründen. Unterschiedliche Finanzausgleichsbelange kommunaler Aufgabenträger sind zum angemessenen Ausgleich zu bringen (VerfGH NRW, OVGE 47, 249, 254 = NWVBl. 1998, 390, 392; OVGE 49, 271, 275 f. = NWVBl. 2003, 261, 263).

a) Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die mit den Änderungen im kommunalen Finanzausgleichssystem verbundenen Auswirkungen auf die Finanzausstattung der Gemeinden außer Verhältnis zur Bedeutung der vom Gesetzgeber maßgeblich bezweckten Verwaltungsvereinfachung stehen.

b) Ohne Erfolg bleibt auch die von den Beschwerdeführerinnen in Bezug auf § 4 Abs. 2 Satz 2 Ziffer 3 GFG 2006 erhobene Rüge. Der Ansatz von 165 Mio. € ist mit Rücksicht auf die Umstellung der Bemessung der Verbundgrundlagen auf Ist-Steuereinnahmen (vgl. § 4 Abs. 2 Satz 1 GFG 2006) systemkonform. Der auf das "Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt" vom 24.12.2003 (BGBl. I S. 2954) zurückgehende "Kommunale Entlastungsausgleich Ost" ist mit Wirkung ab 2005 eingeführt worden. Der für das Haushaltsjahr 2006 maßgebliche Verbundzeitraum (1.10.2004 bis 30.9.2005) entfällt zu drei Vierteln auf das Jahr 2005. Dem entspricht bei einem Jahresansatz von 220 Mio. € ein anteiliger Betrag von 165 Mio. €. Wie die von der Landesregierung vorgelegte Übersicht ausweist, ergibt sich im Zuge der Abrechnung der nachfolgenden Verbundzeiträume im Ergebnis keine Minderung der Kompensationsleistung.

5. Schließlich hat der Gesetzgeber den rechtsstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes zu beachten (VerfGH NRW, OVGE 38, 301, 311). Zwar besteht grundsätzlich kein schutzwürdiges Vertrauen in den unveränderten Fortbestand einer einmal erreichten Struktur oder eines einmal erreichten Standards des Finanzausgleichs. Verfassungsrechtlich garantiert ist allein eine angemessene Finanzausstattung; bestimmte Finanzierungsmodalitäten werden von der Garantie nicht erfasst (VerfGH NRW, OVGE 38, 301, 312). Es steht dem Gesetzgeber vielmehr frei, veränderte Rahmenbedingungen, neue Erkenntnisse und gewandelte Präferenzen bei der jährlichen Regelung des kommunalen Finanzausgleichs zu berücksichtigen (VerfGH NRW, OVGE 38, 301, 311 f.; OVGE 43, 252, 255 = NWVBl. 1993, 381, 382; OVGE 47, 249, 252 = NWVBl. 1998, 390, 392; OVGE 49, 271, 276 = NWVBl. 2003, 261, 263; vgl. auch BVerfGE 23, 353, 367). Ausnahmsweise können indes die besonderen Umstände des Einzelfalls die Gewährung von Vertrauensschutz gebieten (VerfGH NRW, OVGE 49, 271, 276 = NWVBl. 2003, 261, 263 unter Verweis auf OVGE 43, 252, 263 = NWVBl. 1993, 381, 385).

Nach diesen Maßgaben verletzen die Umstellungen im kommunalen Finanzausgleichssystem auch nicht den Grundsatz des Vertrauensschutzes. Die Beschwerdeführerinnen hatten keinen Anlass darauf zu vertrauen, dass die bisherigen Regelungen zum Ausgleich des kommunalen Solidarbeitrags unverändert beibehalten würden, zumal das Ausgleichssystem seit seiner Einführung im Haushaltsjahr 1991 in den Folgejahren wiederholt Änderungen erfahren hat.

Ende der Entscheidung

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