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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 11.12.2007
Aktenzeichen: 1 C 10303/07.OVG
Rechtsgebiete: BImSchG, GG, BauGB, VwGO


Vorschriften:

BImSchG § 10 Abs. 3
BImSchG § 10
GG Art. 28 Abs. 2
GG Art. 28
BauGB § 38
BauGB § 2 Abs. 2
BauGB § 2
VwGO § 42 Abs. 2
VwGO § 42
Die Abwehrklage einer Kommune gegen eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb eines Industrieheizkraftwerks auf dem Gebiet der Nachbargemeinde kann keinen Erfolg haben, wenn die klagende Kommune hierdurch nicht in eigenen Rechten - insbesondere im Hinblick auf ihr kommunales Selbstverwaltungsrecht - verletzt wird.
OBERVERWALTUNGSGERICHT RHEINLAND-PFALZ

URTEIL

IM NAMEN DES VOLKES

1 C 10303/07.OVG

In dem Verwaltungsrechtsstreit

wegen Immissionsschutzrechts

hat der 1. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 11. Dezember 2007, an der teilgenommen haben Vorsitzender Richter am Oberverwaltungsgericht Zimmer Richter am Oberverwaltungsgericht Kappes-Olzien Richter am Oberverwaltungsgericht Schneider

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht der die Vollstreckung betreibende Beteiligte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die klagende Stadt wendet sich gegen die zugunsten der Beigeladenen erteilte Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb des Industrieheizkraftwerks (IHKW) Andernach.

Das geplante Heizkraftwerk soll auf dem in der Gemarkung Andernach, Flur ... gelegenen Werksgelände der Fa. Rasselstein GmbH (Flurstück ...) betrieben werden. Die Stadtteile der Klägerin liegen vom Standort des Vorhabens aus gesehen auf der anderen Seite des Rheins.

Am 14. Dezember 2005 beantragte die Beigeladene bei der Struktur- und Genehmigungsbehörde Nord (SGD Nord) die immissionsschutzrechtliche Genehmigung, auf dem oben genannten Gelände ein IHKW mit einer maximalen Feuerleistung von 100 Megawatt (MW) zu errichten und zu betrieben.

Das Vorhaben umfasst folgende Feuerungsanlagen einschließlich zugehöriger Dampfkessel:

a) Eine Feueranlage für den Einsatz von Ersatzbrennstoff aus der mechanischen Aufbereitung von Abfällen aus Haushaltungen, Gewerbe und Industrie und für den Einsatz von Pressenschlamm aus der Kläranlage der Rasselstein GmbH sowie ölhaltigem Schlamm und Altwalzöl aus der Walzölaufbereitung der Rasselstein GmbH (Anlage zur Verwertung oder Beseitigung fester und flüssiger Abfälle durch thermische Verfahren (hier: Verbrennung) gemäß Nr. 8.1 a) - Spalte 1 - des Anhangs der 4. BImSchV) mit einer maximalen Feuerungswärmeleistung von 60 MW, sowie als Nebenanlage dazu:

b) eine Feuerungsanlage für den Einsatz von Erdgas mit einer maximalen Feuerungswärmeleistung von 60 MW und

c) zwei Feuerungsanlagen für den Einsatz von Erdgas mit einer maximalen Feuerungswärmeleistung von jeweils 15 MW.

Als Brennstoff sollen neben Erdgas jährlich maximal 154.500 t Abfälle eingesetzt werden. Diese Menge setzt sich zusammen aus:

140.000 t/a Ersatzbrennstoff, 7.500 t/a Pressenschlamm, 2.500 t/a ölhaltiger Schlamm, 4.500 t/a Altwalzöl.

Der Beklagte führte ein förmliches Genehmigungsverfahren gemäß § 10 BImSchG durch. Das Vorhaben wurde jeweils am 4. Februar 2006 in den Ausgaben Andernach, Neuwied und Koblenz der Rhein-Zeitung sowie am 6. Februar im Staatsanzeiger für Rheinland-Pfalz öffentlich bekannt gemacht. In der Zeit vom 14. Februar 2006 bis zum 13. März 2006 lagen die Antrags- und Planunterlagen bei den Stadtverwaltungen Andernach und Neuwied, den Verbandsgemeindeverwaltungen Weißenthurm und Bad Hönningen sowie bei der SGD Nord in Koblenz zu jedermanns Einsichtnahme aus.

Im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung erhob die Klägerin innerhalb der Einwendungsfrist mit Schreiben vom 23. März 2006 Einwendungen gegen das Vorhaben. Mit ihren Einwendungen rügte sie insbesondere die möglichen Auswirkungen auf das Trinkwasserschutzgebiet "Engerser Feld" und damit auf die Wasserversorgung der Stadt sowie die zu erwartenden Luftverunreinigungen, die die Bewohner der Stadt treffen würden. Ferner beanstandete sie Defizite bei der Prüfung der Auswirkungen des Vorhabens. Insbesondere rügte sie im Einzelnen Mängel der Immissionsprognose und der Umweltverträglichkeitsprüfung. Des Weiteren machte sie die Verletzung des interkommunalen Abstimmungsgebots und im Hinblick auf Defizite der ausgelegten Unterlagen die fehlende Möglichkeit einer substantiellen Einflussnahme im Rahmen des Anhörungsverfahrens geltend.

Die fristgerecht eingegangenen Einwendungen wurden vom 16. bis 18. Mai 2006 in einem Erörterungstermin in der Mittelrheinhalle in Andernach mit der Beigeladenen und den Einwendern erörtert.

Mit Bescheid vom 10. August 2006 erteilte der Beklagte der Beigeladenen die beantragte immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb des IHKW Andernach unter Beifügung einer Vielzahl von Nebenbestimmungen. Die Genehmigungsentscheidung wurde am 19. August 2006 in den vorerwähnten Ausgaben der Rheinzeitung sowie am 21. August 2006 im Staatsanzeiger für das Land Rheinland-Pfalz öffentlich bekannt gemacht. Die öffentliche Auslegung erfolgte in den bereits genannten Verwaltungen in der Zeit vom 22. August 2006 bis 4. September 2006.

Mit Bescheid vom 21. September 2006 ordnete der Beklagte auf Antrag der Beigeladenen den Sofortvollzug des Genehmigungsbescheides an.

Bereits am 28. September 2006 hatte die Klägerin Widerspruch gegen den Genehmigungsbescheid erhoben und über ihre bisherigen Einwendungen hinaus ergänzende Ausführungen gemacht. Zur Vertiefung ihres Vortrags im Hinblick auf die zu erwartenden schädlichen Umwelteinwirkungen nahm die Klägerin Bezug auf eine in ihrem Auftrag erstellte gutachterliche Stellungnahme der Ingenieurbüros Gebhardt und Kumm vom 25. Oktober 2006.

Während des laufenden Widerspruchsverfahrens stellte die Klägerin bei Gericht einen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs, der mit Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 6. Februar 2007 - 1 B 11591/06.OVG - abgelehnt wurde.

Nach Zurückweisung des Widerspruchs durch Widerspruchsbescheid der SGD Nord vom 21. Februar 2007, zugestellt am 23. Februar 2007, hat die Klägerin am 23. März 2007 Klage zum Oberverwaltungsgericht erhoben.

Im Laufe des Klageverfahrens erließ die SGD Nord unter dem 24. Mai 2007 einen Änderungsbescheid in Bezug auf die bereits erteilte und Gegenstand des vorliegenden Klageverfahrens bildenden immissionsschutzrechtliche Genehmigung, mit dem zugunsten der Beigeladenen im Rahmen des zu errichtenden IHKW die Errichtung und der Betrieb einer Wasseraufbereitungsanlage (Wasserhaus) genehmigt wurde.

Zur Begründung ihrer Klage bezieht sich die Klägerin zunächst auf ihr Vorbringen im Eilverfahren - 1 B 11591/06.OVG -. Darüber hinaus führt sie zur Vertiefung ihres bisherigen Vorbringens aus:

Sie sei klagebefugt, da sie die Verletzung ihrer Planungshoheit geltend machen könne. Dabei dürften die Anforderungen an die Darlegungen nicht überspannt werden. Darüber hinaus bleibe zu sehen, dass eine Kommune auch geltend machen könne, hinsichtlich ihrer kommunalen Einrichtungen durch eine Anlagegenehmigung in der Nachbarschaft verletzt zu sein.

Zudem werde sie in ihren kommunalen Planungen betroffen. Insoweit werde auf den Flächennutzungsplanentwurf 10/2006 verwiesen, der zeige, dass insbesondere im Bereich Heddesdorfer Berg/Irlich/Feldkirchen/Hüllenberg eine Ausweisung von Wohnbauflächen vorgesehen sei. Im Übrigen gebe es auch Bebauungspläne, die in ihrer Begründung aufzeigten, dass in den vorgenannten Bereichen Wohnbebauung entwickelt werden müsse, wobei diese noch formell zu planende Wohnbebauung in dem vom Vorhaben betroffenen sensiblen Bereich liege.

Auch gebe es Bereiche, für deren Nachverdichtung der politische Wille vorhanden sei. Das gelte z.B. für den unbeplanten Innenbereich zwischen Keltenstraße, Irlicher Straße, Lohmannstraße und Wilhelm-Hauff-Straße. Des Weiteren werde auf das ehemalige "Kühne"-Gelände hingewiesen, auf dessen Fläche eine Wohnnutzung in Frage komme.

Daneben sei der Bebauungsplan "Im Ungefüg" zu erwähnen, den der erkennende Senat durch Urteil vom 2. Oktober 2007 für unwirksam erklärt habe und der in einem ergänzenden Verfahren geheilt werden könne.

Dies alles zeige, dass von dem Vorhaben unmittelbare Auswirkungen gewichtiger Art auf ihr Stadtgebiet ausgehen könnten und damit die Voraussetzungen einer Klagebefugnis gegeben seien.

Abgesehen davon verletze die Genehmigung auch das Gebot einer qualifizierten Bauleitplanung sowie das interkommunale Abstimmungsgebot nach § 2 Abs. 2 BauGB.

Insbesondere könne sich die Kommune auf eine Verletzung der vorgenannten Vorschrift auch dann berufen, wenn ein Vorhaben unter Umgehung der gebotenen Bauleitplanung als Einzelvorhaben zugelassen werde. Planungsrechtlich seien die industriellen Anlagen in der Umgebung des Standorts nicht auf der Grundlage qualifizierter Bebauungspläne genehmigt worden. Ob man unter diesen Umständen überhaupt von einem unbeplanten Innenbereich sprechen könne, sei bereits zweifelhaft, da sich die Anlagen und das Vorhaben am Stadtrand befänden. Es handele sich daher eher um einen Außenbereich bzw. um eine Außenbereichsinsel. Außerdem bestehe für das Vorhaben Erstplanungspflicht. Nach § 1 Abs. 3 BauGB seien größere Vorhaben nur aufgrund eines wirksamen Bebauungsplans zulässig. Insbesondere die Erforderlichkeit von Festsetzungen und die Problembewältigung sprächen für eine Planungspflicht. Das Argument der Gegenseite, dass es sich um eine "Lückenschließung und Planersatz" handele, sei zurückzuweisen, da das Gebiet zu keinem Zeitpunkt beplant gewesen sei und daher das Gebot der Konfliktbewältigung die Aufstellung eines Bebauungsplans gebiete.

Überdies sei der angefochtene Bescheid rechtswidrig und verletze sie in eigenen Rechten.

Zunächst werde gerügt, dass die Immissionskenngröße von 40 µg/m3 für NO2-Immissionen überschritten sei und daher Maßnahmen der Emissionsminderung (durch Einsatz eines sog. katalytischen SCR-Verfahren) durchgeführt werden müssten.

Außerdem weise die vorgelegte Immissionsprognose der Firma PROBIOTEC schwerwiegende Mängel auf. Dies gelte insbesondere hinsichtlich der Abgrenzung des Einwirkungsbereichs der Anlage, der Nichtberücksichtigung der besonderen meteorologischen Verhältnisse im Neuwieder Becken und des Abstellens auf die Daten der Messstation Bendorf.

Im Übrigen sei das der Ausbreitungsberechnung zugrunde liegende Rechenmodell AUSTAL 2000 vorliegend nicht geeignet, da es die Schwachwindwetterlagen, die Inversionswetterlagen und das stark gegliederte Gelände mit seinen Steigungen sowie die Sogwirkung (Kamineffekt) des unteren Wiedtales nicht hinreichend berücksichtigen könne.

Zudem sei der Einwirkungsbereich sowie der Aufpunkt mit maximaler Zusatzbelastung durch wesentliche Veränderungen der rechtlich bestimmten Schornsteinhöhe rechtswidrig auf die Wohngebiete der Stadt verlagert worden.

Darüber hinaus sei eine sichere Einhaltung der Grenzwerte wegen einer defizitären Abgasreinigungstechnik nicht zu erwarten. Dies gelte insbesondere hinsichtlich Quecksilber und hinsichtlich des Summengrenzwertes der Parameter Antimon bis Vanadium.

Ferner seien auch Mängel des Einwendungsverfahrens und des Erörterungstermins zu rügen. Die Öffentlichkeitsbeteiligung genüge nicht den Minimalvoraussetzungen des § 10 BImSchG. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts diene das Anhörungsverfahren nach § 73 VwVfG dazu, die zu erwartenden Auswirkungen des Vorhabens im Einzelnen zu ermitteln und den Betroffenen rechtliches Gehör zu gewähren. Es müsse die Möglichkeit einer substantiellen Einflussnahme der Betroffenen bestehen. Dies verlange, dass Unterlagen und Erkenntnisse bekannt sein müssten, damit eine hinreichende problembezogene Erörterung zu erwarten stehe. Die ausgelegten Unterlagen genügten diesen Voraussetzungen nicht. Sie enthielten keine validen Aussagen zur Immissionsbelastung auf dem hauptbetroffenen Stadtgebiet der Klägerin. Die Beigeladene und die Genehmigungsbehörde hätten sich frühzeitig darauf festgelegt, die Auswirkungen insoweit als irrelevant zu betrachten. Unterlagen hätten auch keine validen Angaben zu den besonderen Ausbreitungsbedingungen und der Topographie im Haupteinwirkungsbereich enthalten. Ebenfalls fehlten Angaben über betroffene und beplante Wohngebiete. Entscheidend sei, ob sie als in ihrer Planungshoheit betroffene Dritte auf der Grundlage der ausgelegten Unterlagen die Auswirkungen des Vorhabens auf ihr Gemeindegebiet hätten beurteilen können. Dies sei aber nicht der Fall gewesen.

Abschließend werde auf ein neues Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. April 2007 - BVerwG 7 C 15/06 - Bezug genommen, welches die Rechtsauffassung der Klägerin bestätige, dass die Emissionsgrenzwerte der 17. BImSchV nicht der Festlegung niedriger Kontrollwerte entgegenstünden.

Die Klägerin beantragt,

den immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbescheid des Beklagten vom 10. August 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Februar 2007 und der Änderungsgenehmigung vom 24. Mai 2007 aufzuheben,

hilfsweise,

den immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbescheid des Beklagten vom 10. August 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Februar 2007 und der Änderungsgenehmigung vom 24. Mai 2007 abzuändern und den Beklagten zu verpflichten, dem Genehmigungsbescheid folgende im Schriftsatz vom 22. Oktober 2007 genannten Nebenbestimmungen beizufügen:

1. "Die Emissionen an Stickoxiden sind auf 70 mg/m³ für den Tagesmittelwert zu begrenzen".

2. "Die Emissionen an Stäuben sind auf 1 mg/m³ für den Tagesmittelwert zu begrenzen."

3. "Der Anteil der besonders überwachungsbedürftigen Abfälle ist zu jedem Zeitpunkt des Betriebes auf maximal 10 % der Feuerungswärmeleistung zu begrenzen."

4. "Es dürfen nur besonders überwachungsbedürftige Abfälle verbrannt werden, die im Betrieb der Firma Rasselstein anfallen."

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er bezieht sich auf seine Ausführungen im Widerspruchsbescheid sowie auf seine Darlegungen im Eilverfahren - 1 B 11591/06.OVG - und trägt überdies vor:

Die Klage sei unzulässig, weil eine Verletzung der Klägerin in ihren Rechten durch die ergangene immissionsschutzrechtliche Genehmigung ausgeschlossen erscheine. Zwar sei die Klägerin in ihrem Stadtgebiet unstreitig Trägerin der kommunalen Planungshoheit. Deren Schutz gegen Fachplanungen auf fremdem Gebiet bestehe nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aber nur, wenn eine eigene hinreichend konkrete Planung nachhaltig gestört werde oder wenn das Vorhaben wesentliche Teile des Gemeindegebiets einer durchsetzbaren Planung entziehe. Dies habe die Klägerin nicht substantiiert darzulegen vermocht. Sie benenne zwar verschiedene Planungen, die nach ihrer Auffassung von den Auswirkungen der Anlage betroffen sein sollen. Eine nachhaltige Störung dieser Planungen sei jedoch nicht erkennbar, zumal für eine solche Annahme eine Planung gänzlich verhindert oder doch grundlegend behindert werden müsse. Hierbei sei zu beachten, dass die von der Klägerin benannten Gebiete bereits seit langer Zeit weitgehend bebaut seien. Die Planungen seien also abgeschlossen und durch Bebauung und Nutzung der Flächen realisiert. Umgesetzte Planungen würden jedoch von vornherein nicht mehr die Frage einer Verletzung der Planungshoheit aufwerfen. Soweit die Klägerin daneben geltend mache, dass sich im Einwirkungsbereich der Anlage derzeit noch unbebaute Flächen befänden, die sich prinzipiell für eine Bebauung eigneten, genüge dies nicht den Anforderungen an die Darlegung einer hinreichend konkretisierten Planung. Der Vortrag der Klägerin laufe im Ergebnis darauf hinaus, dass sie versuche, im Sinne einer Popularklage individuelle Abwehrrechte der in der von ihr beplanten Gebieten wohnenden und arbeitenden Bevölkerung gegen Immissionen durch luftfremde Stoffe geltend zu machen. Dies gehöre aber gerade nicht zu den Selbstverwaltungsaufgaben einer Kommune.

Die Klagebefugnis der Klägerin könne sich des Weiteren nicht auf eine Verletzung des interkommunalen Abstimmungsgebots ergeben. Dieses Gebot komme vorliegend überhaupt nicht zum Tragen. Die sich daraus ergebende nachbargemeindliche Abstimmungspflicht und das interkommunale Abwägungsgebot beziehe sich tatbestandlich auf kommunale Bauleitpläne und gewähre der Klägerin kein subjektives Recht, welches eine Klagebefugnis gegen Fachplanungen auf dem Gebiet einer Nachbargemeinde begründen könne.

Auch mit ihrer Behauptung einer "Erstplanungspflicht" der Stadt Andernach für das faktische Industriegebiet auf dem Betriebsgelände der Rasselstein GmbH könne die Klägerin ihre Klagebefugnis nicht begründen. Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des streitgegenständlichen Vorhabens beurteile sich nämlich nach § 34 Abs. 1 und 2 BauGB. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts könne einem Vorhaben, welches sich in die Eigenart der näheren Umgebung einfüge, ein Planungserfolg aus Gründen der interkommunalen Abstimmung nicht als Genehmigungsschranke entgegengehalten werden. Füge es sich - wie hier - ein, so sei es nach der gesetzlichen Wertung in § 34 Abs. 1 BauGB zuzulassen. Im Rahmen dieser gebundenen Entscheidung sei kein Raum für eine Abwägung widerstreitender interkommunaler Interessen.

Weiterhin müsse auf die Möglichkeit einer Verletzung eigener Rechte der Klägerin als Trägerin der öffentlichen Wasserversorgung als ausgeschlossen angesehen werden. Selbst wenn die außerhalb des Beurteilungsgebiets gelegenen offenen Wasserflächen im Wasserschutzgebiet "Engerser Feld" zum Einwirkungsbereich der Anlage zählen würden, sei eine schädliche Beeinflussung des im "Engerser Feld" gewonnenen Trinkwassers über Luftimmissionen auch unter ungünstigsten Bedingungen als offensichtlich unwahrscheinlich anzusehen. Durch eine exemplarische Modellrechnung habe aufgezeigt werden können, dass selbst bei Unterstellung einer unrealistischen, die Gefährdung bewusst überschätzenden Immissionssituation bei gleichzeitiger Annahme unrealistischer, die Gefährdung bewusst überschätzender Randbedingungen hinsichtlich des Schadstofftransports im Gewässer, keine relevanten schädlichen Beeinflussungen des im Engerser Feld gewonnenen Trinkwassers zu erwarten wäre. So sei angenommen worden, dass die für den Punkt der maximalen Zusatzbelastung prognostizierte Schadstoffdeposition auf die Wasserfläche des im "Engerser Feld" gelegenen Kannsees einwirke. Weiterhin sei unterstellt worden, dass keine Kolmation am Seeufer und keine Abfilterung innerhalb der Fließstrecke zum Brunnen stattfinde sowie im Brunnen die gesamte Aufnahme der Schadstoffe von der ganzen Seefläche des Kannsees erfolge. Selbst unter diesen Bedingungen würden Schadstoffkonzentrationen erreicht, die mit ganz erheblichem Abstand unter den Grenzwerten der Trinkwasserverordnung 2001 lägen.

Soweit sich die Klägerin im Hinblick auf Anlagen und Grundstücke, die in ihrem Eigentum stünden und innerhalb des Beurteilungsgebiets lägen, auf die Möglichkeit einer Verletzung eigener Rechte berufe, sei dieser Gesichtspunkt nicht innerhalb der Einwendungsfrist geltend gemacht worden.

Schließlich sei noch anzumerken, dass die Klägerin mit ihrer Rüge hinsichtlich der Verletzung der Vorsorgepflicht des § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG nicht durchdringen könne, da diese keinen drittschützenden Charakter besitze. Das betreffe insbesondere ihre Forderung nach Absenkung des Emissionsgrenzwertes für Stickoxide wegen angeblicher Überschreitung des Immissionswertes durch die Vorbelastung sowie ihre Ausführungen zur Schornsteinhöhe der streitgegenständlichen Anlage.

Die Beigeladene beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie verweist auf ihre Darlegungen im Eilverfahren - 1 B 11591/06.OVG - und führt darüber hinaus aus:

Die Anfechtungsklage sei unzulässig. Die Klägerin werde nicht in ihrer kommunalen Planungshoheit verletzt. Eine Verletzung des kommunalen Planungsrechts der Klägerin scheide schon deshalb aus, weil von dem Vorhaben keine unmittelbaren Auswirkungen gewichtiger Art auf die Nachbargemeinde ausgehen könnten. Allein der Hinweis, dass potenzielles Wohnbauland in verschiedenen Stadtteilen nur noch begrenzt zur Verfügung stehe, sowie die bloße Nennung der sich aus dem Flächennutzungsplan und mehreren Bebauungsplanbegündungen ergebenden Planungsabsichten mit der pauschalen Behauptung ihrer möglichen Beeinträchtigung reiche hierfür nicht aus.

Auch ein Verstoß gegen das interkommunale Abstimmungsgebot komme nicht in Betracht. Insbesondere bestehe keine Erstplanungspflicht der Stadt Andernach. Denn das streitgegenständliche IHKW solle in einem faktischen Industriegebiet verwirklicht werden, in welches sich dieses Vorhaben aber zweifellos einfüge.

Darüber hinaus sei aus den vorgenannten Gründen ebenfalls der hilfsweise gestellte Verpflichtungsantrag unzulässig. Die Klägerin könne sich nur auf die aus dem kommunalen Selbstverwaltungsrecht sich ergebenden Rechtspositionen berufen und sich nicht als Anwalt ihrer Bürger in immissionstechnischer Hinsicht gerieren. Im Übrigen beziehe sie sich bezüglich der Begründetheit der Klage auf die entsprechenden Ausführungen im Parallelverfahren 1 C 10304/07.OVG.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätze der Beteiligten, die beigezogenen Gerichtsakten 1 B 11591/06.OVG, 1 C 10304/07.OVG, 1 B 11592/06.OVG und die beigezogenen Genehmigungs- und Widerspruchsakten des Beklagten (17 Aktenordner und 20 Bände). Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die Klage, über die das erkennende Gericht gemäß § 48 Abs. 1 Nr. 5 VwGO erstinstanzlich zu entscheiden hat, da in der Hauptsache um die Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer ortsfesten Abfallverbrennungsanlage mit einer jährlichen Durchsatzleistung von mehr als 100.000 t gestritten wird, hat keinen Erfolg.

Sie ist schon unzulässig, da eine Verletzung der Klägerin in eigenen Rechten gemäß § 42 Abs. 2 VwGO durch den angegriffenen immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbescheid nicht möglich erscheint.

Der erkennende Senat hat sich bereits in seinem Beschluss vom 6. Februar 2007 - 1 B 11591/06 -, in welchem der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs der Klägerin gegen den der Beigeladenen erteilte und für sofort vollziehbar erklärte streitgegenständliche Genehmigung abgelehnt wurde, zur fehlenden Antragsbefugnis der Klägerin geäußert. Er hat darin insbesondere ausgeführt, die Klägerin habe nicht konkret vortragen können, inwieweit sie durch das Vorhaben in ihrer kommunalen Planungshoheit verletzt werde. Zudem sei eine Verletzung des interkommunalen Abstimmungsgebots nicht erkennbar und es liege auch keine fehlerhafte Öffentlichkeitsbeteiligung vor. Des Weiteren ist in dem Beschluss dargelegt worden, dass die Klägerin weder als Anwalt von Immissionsschutzbelangen ihrer Bürger auftreten könne, noch die Belange des Natur- und Umweltschutzes ihrem kommunalen Selbstverwaltungsrecht speziell zugeordnet seien. Auch eine Verletzung eigener Rechte durch Schadstoffeinwirkungen im Hinblick auf die Trinkwasserversorgung aus dem "Engerser Feld" sei nicht zu besorgen, da selbst bei einer "worst case"-Berechnung lediglich eine Schadstoffkonzentration im Wasser erreicht werde, die noch deutlich unter dem Grenzwert der Trinkwasserverordnung 2001 liege. Auf die Verletzung sonstiger in ihrem Eigentum stehender Einrichtungen könne sich die Klägerin nicht berufen, da sie im Genehmigungsverfahren insoweit keine Einwendungen erhoben habe und solche daher hier präkludiert seien. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird hinsichtlich der näheren Begründung dieser Feststellungen auf den Inhalt des vorzitierten Beschlusses Bezug genommen.

Für die im Hauptsacheverfahren erforderliche Klagebefugnis kann nichts anderes gelten, zumal auch der ergänzende Vortrag der Klägerin keine Gesichtspunkte für die mögliche Verletzung in eigenen Rechten aufzuzeigen vermochte.

Soweit die Klägerin nochmals die fehlerhafte Öffentlichkeitsbeteiligung mit zusätzlichen Ausführungen rügt, besteht kein Anlass, von der im vorzitierten Beschluss geäußerten Rechtsauffassung des Senats abzuweichen. Zwar macht die Klägerin insoweit geltend, dass die ausgelegten Unterlagen keine validen Aussagen zur Immissionsbelastung des Stadtgebiets, zu den besonderen Ausbreitungsbedingungen und der Topographie im Haupteinwirkungsbereich sowie keine Angaben über die betroffenen Wohngebiete enthielten, weil sich die Beigeladene und der Beklagte frühzeitig auf eine bestimmte Rechtsbetrachtung festgelegt hätten. Damit rügt die Klägerin aber keinen Offenlegungsfehler, sondern vielmehr eine fehlerhafte Rechtsauffassung des Beklagten bei der Beurteilung der Auswirkungen des Vorhabens. Der Senat vermag darin keinen Fehler zu erkennen. Denn mit der Auslegung müssen nur die Unterlagen bekannt gemacht werden, die für den Informationszweck notwendig sind (vgl. Neumann in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl., Rdnr. 39 zu § 73). Die Klägerin behauptet in diesem Zusammenhang noch nicht einmal, dass nicht alle vorhandenen Unterlagen ausgelegt worden seien, sondern lediglich, dass sich die Beklagte hätte weitere Unterlagen und Gutachten verschaffen müssen, weil die Unterlagen bei Zugrundelegung einer anderen Rechtsansicht nicht ausreichen würden. Dies und die Behauptung, dass darüber hinaus die Vorgaben und Berechnungsmethoden in den ausgelegten Unterlagen möglicherweise mangelhaft seien, kann aber nicht zu einer fehlerhaften Öffentlichkeitsbeteiligung nach § 10 Abs. 3 Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) führen, zumal Satz 2 der vorgenannten Bestimmung davon ausgeht, dass nur der Antrag und die vom Antragsteller vorgelegten Unterlagen sowie die entscheidungserheblichen Berichte und Empfehlungen, die der Behörde im Zeitpunkt der Bekanntmachung vorliegen, auszulegen sind. Im Übrigen vermag der Senat angesichts der umfassenden Erörterungen im Erörterungstermin vom 16. bis 18 Mai 2006, in dem alle über den Inhalt der Unterlagen hinausgehenden Gesichtspunkte behandelt worden sind (s. Ergebnisniederschrift über den Erörterungstermin), auch keinen Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens zu erkennen.

Ferner ist nicht ersichtlich, dass die streitgegenständliche Genehmigung gegen solche als "andere öffentlich-rechtliche Vorschriften" i.S. von § 6 abs. 1 Nr. 2 BImSchG anzusehenden bauplanungsrechtlichen Bestimmungen verstößt, die dem Schutz der Planungshoheit der Klägerin im Rahmen des durch Art. 28 Abs. 2 GG gewährten Selbstverwaltungsrechts dienen. Ob Maßstab der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens hier die Vorschrift des § 38 Satz 1 BauGB sein kann, wonach u.a. in immissionsschutzrechtlichen Verfahren für die Errichtung und den Betrieb öffentlich zugänglicher Abfallbeseitigungsanlagen die §§ 29 bis 37 BauGB nicht anzuwenden sind, bedarf vorliegend keiner abschließenden Entscheidung, da weder aus den §§ 29 ff. BauGB noch aus den nach § 38 BauGB (bei Vorliegen des darin geregelten Standortprivilegs) zu berücksichtigenden städtebaulichen Belangen hier ein drittschützendes Abwehrrecht für die Klägerin hergeleitet werden kann.

In diesem Zusammenhang bleibt zunächst zu sehen, dass auch dann, wenn das Standortprivileg des § 38 BauGB, welches das Vorhaben von den strikten Bindungen der §§ 29 ff. BauGB befreit, eingreifen würde, die Genehmigungsbehörde ebenso wie im Falle des Nichteingreifens diese Privilegs zu prüfen hätte, ob das Vorhaben mit den §§ 30 bis 35 BauGB in Einklang steht (vgl. Roeser in Berliner Kommentar zum BauGB, 3. Aufl., § 38 Rdnr. 30). Entspricht der Standort des Vorhabens jedoch dem strengen Regime der §§ 29 ff. BauGB, so sind städtebauliche Belange i.S. des § 38 BauGB regelmäßig gewahrt (vgl. Ernst/Zinkahn/Bielenberg/ Krautzberger, BauGB, § 38 Rdnr. 66).

Im vorliegenden Fall ist das Vorhaben nach § 34 Abs. 2 BauGB bauplanungsrechtlich zulässig, denn das geplante Industrieheizkraftwerk fügt sich in die nähere Umgebung ein, welches seiner Eigenart nach einem Baugebiet nach § 9 BauNVO (Industriegebiet) entspricht. Diese Bewertung ergibt sich aus den dem Senat vorliegenden Lageplänen und Luftbildern, die zeigen, dass das Kraftwerk in einem Bereich verwirklicht werden soll, der im Wesentlichen durch die Betriebsgebäude und Anlagen der Firma Rasselstein geprägt sind und der daher als faktisches Industriegebiet anzusehen ist. Mittelgroße Kraftwerke der vorliegenden Art sind jedoch grundsätzlich in einem Industriegebiet zulässig (vgl. König/Roeser/Stock, BauNVO, 2. Aufl., § 9 Rdnr. 16). Dem kann die Klägerin nicht entgegenhalten, dass sich die Frage des Einfügens nicht nach einem baulichen Maßstab, sondern danach bestimme, ob sich das Vorhaben hinsichtlich seiner immissionsschutzrechtlichen Auswirkungen in die vorhandene Bebauung einfüge. Für die Frage des Einfügens ist nämlich nur auf die Art und das Maß der baulichen Nutzung abzustellen, bei der es regelmäßig auf eine typisierende Betrachtungsweise, nicht aber auf die Betrachtung der Auswirkungen konkreter Immissionen im Einzelfall ankommt. In Anbetracht dieser Umstände ist daher hier davon auszugehen, dass eine planungsrechtliche Unzulässigkeit bzw. eine Beeinträchtigung städtebaulicher Belange in Bezug auf die unmittelbare Standortumgebung nicht vorliegt.

Aber auch im Hinblick auf die klagende Nachbarkommune kann nichts anderes gelten. Fügt sich das Vorhaben nämlich in die nähere Umgebung nach § 34 BauGB ein, so enthält diese Vorschrift keine Zulassungsschranke, die durch einen qualifizierten interkommunalen Abstimmungsbedarf (subjektivrechtlich) angereichert werden und der betreffenden Nachbargemeinde im Einzelfall ein vorhabenbezogenes Abwehrrecht verleihen könnte, zumal im Rahmen der nach § 34 BauGB gebundenen Entscheidung kein Raum für eine Abwägung widerstreitender kommunaler Interessen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. September 2003, DVBl. 2004, 239).

Aus diesem Grunde ist die vom Bundesverwaltungsgericht zur Abwehrrechten von Nachbargemeinden entwickelte Rechtsprechung (vgl. BVerwG, Urteil vom 1. August 2002, BVerwGE 117, 25) entgegen der Ansicht der Klägerin hier nicht anwendbar. Nach dieser ist auch in den Fällen, in denen es nicht um die Abstimmung der Bauleitpläne benachbarter Gemeinden nach § 2 Abs. 2 BauGB, sondern um die Erteilung einer Baugenehmigung im Außenbereich nach § 35 BauGB geht, der Nachbargemeinde gegebenenfalls ein Abwehranspruch auf § 2 Abs. 2 BauGB zuzuerkennen, weil die in § 35 Abs. 3 BauGB aufgeführten Schranken - im Gegensatz zu § 34 BauGB - für Vorhaben (im Außenbereich) nicht ausreichen, um ohne Abwägung im Rahmen einer förmlichen Planung eine Entscheidung über die Zulässigkeit des Vorhabens treffen zu können. Nichts anderes ergibt sich aus dem von der Klägerin zitierten Beschluss des OVG Lüneburg vom 15. Dezember 2006, welcher ebenfalls nur ein nach § 35 BauGB zu beurteilendes Außenbereichsvorhaben betrifft. Dies alles zeigt indessen, dass sich aus der bisherigen Rechtsprechung kein Abwehranspruch gegen ein Vorhaben im unbeplanten Innenbereich der Nachbargemeinde herleiten lässt. Vielmehr hat das Bundesverwaltungsgericht in der Vergangenheit ausdrücklich entschieden, einem Vorhaben, das sich i.S. des § 34 Abs. 1 BauGB einfüge, könne kein "Planungsbedürfnis" - was die Klägerin mit ihrem Hinweis auf eine "Erstplanungspflicht" aber offenbar annehmen möchte - als Genehmigungshindernis entgegengehalten werden (s. auch Uechtritz in NVwZ 2003, 176 unter Bezugnahme auf BVerwG, BauR 1984, 377 und NVwZ 1994, 285).

Ist danach davon ausgehen, dass in Anwendung der bauplanungsrechtlichen Grundsätze ein Abwehranspruch nicht gegeben ist, so spricht von daher schon vieles dagegen, dass darüber hinaus gleichwohl die unter dem Schutz des kommunalen Selbstverwaltungsrechts (Art. 28 Abs. 2 GG) stehende Planungshoheit der Klägerin durch das Vorhaben verletzt und angesichts dessen der Klägerin noch aus weiteren Gesichtspunkten ein Abwehrrecht zustehen könnte. Denn das Selbstverwaltungsrecht ist den Gemeinden gemäß Art. 28 Abs. 2 GG nur im Rahmen der Gesetze gewährleistet. Durch die vorgenannten Regelungen im Baugesetzbuch und die von der Rechtsprechung hierzu vertretene Auslegung dieser Vorschriften zur Gewährung von Abwehrrechten für die Nachbargemeinden wird jedoch der Planungshoheit der Kommunen ausreichend Rechnung getragen.

Aber selbst wenn man dieser Rechtsauffassung nicht folgen wollte, ist auch unter Außerachtlassung der bauplanungsrechtlichen Vorschriften nicht ersichtlich, inwieweit durch die Genehmigung des IHKW in die Planungshoheit der Klägerin rechtserheblich eingegriffen werden könnte. Die Kommunen können nämlich nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, Beschluss vom 5. November 2002, NVwZ 2003, 207 unter Bezugnahme auf die Urteile vom 16. Dezember 1988 - BVerwGE 81, 95 - und vom 27. März 1992 - BVerwGE 90, 96 -) nur dann eine wehrfähige Position gegenüber einem Vorhaben mit Erfolg geltend machen, wenn durch dieses eine hinreichend bestimmte Planung nachhaltig gestört oder wesentliche Teile des Gemeindegebiets einer durchsetzbaren Planung entzogen werden. Diese Voraussetzungen für die Annahme einer solchen wehrfähigen Position der Klägerin sind vorliegend nicht erfüllt.

Soweit die Klägerin eine hinreichend bestimmte Planung aus dem vorgelegten Flächennutzungsplanentwurf 10/2006 und aus Hinweisen, die in der Begründung vorhandener Bebauungspläne für die mögliche zukünftige Stadtentwicklung gegeben werden, herleiten möchte, reicht dies für die Annahme einer hinreichend bestimmten Planung nicht aus. Vielmehr sind hieraus allenfalls vage, noch nicht konkretisierte Planungsabsichten für die Zukunft zu entnehmen. Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aus den mit Schriftsatz vom 3. Dezember 2007 zu den Gerichtsakten gereichten Angaben des Stadtplanungsamtes. Zwar werden hierin die Bereiche, für die konkrete Planungsabsichten der Stadt bestehen sollen, näher bezeichnet. Gleichwohl lassen sich dem diesbezüglichen Vortrag der Klägerin keine hinreichend bestimmten Planungsabsichten für das "Kühne"- Gelände und den unbebauten Innenbereich zwischen Keltenstraße, Irlicher Straße, Lohmannstraße und Wilhelm-Hauff-Straße entnehmen.

Bezüglich des "Kühne"-Geländes wird darin nur ausgeführt:

"Nach Stilllegung des oben genannten Gewerbebetriebes im zur Zeit unbeplanten Innenbereich verhandelt der Eigentümer intensiv mit Investoren für eine Folgenutzung. U.a. hat er bereits die Altlastenfragen weitgehend geklärt. Wie bereits ausgeführt, kommt auf dieser Fläche, auch aufgrund der umgebenden Wohnbebauung, eine Wohnnutzung in Frage. Aufgrund mehrerer städtebaulicher Fragestellungen ist für diese Flächenentwicklung vermutlich ein Bebauungsplan erforderlich, wobei gerade bei der Festsetzung dieser Flächen als WR- oder WA-Flächen im Rahmen der Planaufstellung auch Immissionen des IHKW zu beachten sind."

Dass diese vagen Beschreibungen für die Annahme einer hinreichend konkretisierten Planung nicht ausreichen, liegt auf der Hand, zumal auf Nachfrage des Gerichts in der mündlichen Verhandlung der Leiter des Planungsamtes einräumen musste, dass insoweit auch kein Aufstellungsbeschluss nach § 2 Abs. 1 BauGB existiert, der die Planungsabsichten der Klägerin hinreichend bestimmen könnte. Entsprechendes gilt auch für das Gelände zwischen Keltenstraße, Irlicher Straße, Lohmannstraße und Wilhelm-Hauff-Straße. Dazu heißt es in der Stellungnahme des Stadtplanungsamtes lediglich:

"Der zuvor genannte Bereich ist zurzeit nach § 34 BauGB zu beurteilen. Gleichzeitig sind dort noch erhebliche Potentiale zur politisch gewollten Nachverdichtung im Innenbereich vorhanden. Auch aufgrund der Nähe zu den Flächen der Firma Lohmann ist vermutlich als Voraussetzung einer derartigen Entwicklung ein Bauleitplanverfahren durchzuführen, wobei wiederum Immissionsschutzfragen mitentscheidend für die Festsetzung WR oder WA sein werden."

Auch der Hinweis, dass gegebenenfalls im Hinblick auf die EU-Umgebungsrichtlinie von der Klägerin Lärmaktionspläne in den zum Rhein zugewandten Stadtbezirken in Irlich und Feldkirchen zu erstellen seien und dabei nicht ausgeschlossen werden könne, dass in dem zu erstellenden Maßnahmenkatalog auch die Aufstellung von Bebauungsplänen für die dem IHKW am nächsten gelegenen Stadtbezirk benannt würden, ist nicht weiterführend, zumal in solchen Fällen sicherlich der Prioritätsgrundsatz zur Anwendung kommen müsste (s. BVerwG, Beschluss vom 5. November 2002, NVwZ 2003, 207).

Allenfalls bezüglich des Bebauungsplans "Im Ungefüg", den der erkennende Senat durch Urteil vom 11. Oktober 2007 - 1 C 10503/07.OVG - für unwirksam erklärt hat, könnte aufgrund der dort beabsichtigten Wohnbebauung und der Möglichkeit der Durchführung eines Heilungsverfahrens angenommen werden, dass insoweit noch eine konkrete Planungsabsicht besteht. Eine nachhaltige Störung dieser Planung aufgrund der von dem Vorhaben ausgehenden Luftimmissionen dürfte aber angesichts der tatsächlichen Gegebenheit auszuschließen sein, da die hier zu erwartende Gesamtbelastung - insbesondere auch im Hinblick auf die NO2- und PM10-Immissionen - keinesfalls die maßgeblichen Werte überschreiten wird. Dafür spricht zum einen der Umstand, dass die an der Messstation "Heddesdorfer Straße" gemessenen Werte für die Vorbelastung für dieses vom Durchgangsverkehr weit abgelegenen, unmittelbar an den Außenbereich angrenzenden Gebiets weit unterschritten werden dürften. Zum anderen liegt dieses Planungsgebiet auch abseits der Zone, in der mit einer maximalen Zusatzbelastung durch die Anlage gerechnet werden muss. Im Übrigen hat die Klägerin auch keine Gesichtspunkte vorgetragen, aus denen sich ergäbe, dass gerade das Bebauungsplangebiet "Im Ungefüg" Besonderheiten ausweist, die zu einer anderen Bewertung führen müssten.

Hinzu kommt, dass der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage der Zeitpunkt der Genehmigungserteilung ist. Der Bauherr eines Vorhabens muss sich im Rahmen der Drittanfechtung einer ihm erteilten Genehmigung grundsätzlich nur eine Verletzung von Rechten Dritter entgegenhalten lassen, die zu diesem Zeitpunkt bestanden haben (vgl. u.a. BVerwG, Urteil vom 18. Mai 1982, BVerwGE 65, 313). Diese Rechtsprechung ist auch anzuwenden, wenn eine Kommune unter Berufung auf ihre Planungshoheit gegen eine erteilte Genehmigung vorgeht (BayVGH, Beschluss vom 13.03.1996, BayVBl. 1996, 471; OVG Weimar, Urteil vom 17. Juni 1998, BRS 60 Nr. 200).

Hieraus ergibt sich, dass im Zeitpunkt der Genehmigungserteilung im August 2006 eine Planung bezüglich dieses Gebiets (noch) nicht (wieder) anstand.

Zudem ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass zum Zeitpunkt der Genehmigungserteilung der Flächennutzungsplanentwurf 10/2006 noch nicht aufgestellt war, sodass die darauf gestützten Planungsabsichten der Klägerin angesichts des Prioritätsprinzips gegebenenfalls die Errichtung des Vorhabens hätten mitberücksichtigen müssen, vorausgesetzt man wäre mit der Klägerin der Auffassung, dass die zu erwartenden Immissionen derart erheblich sein könnten, dass sie zwingend einer Wohngebietsausweisung entgegenstünden.

Kann also nach alledem keineswegs von einer nachhaltigen Störung einer konkreten und verfestigten Planung ausgegangen werden, so ist auch nicht zu erkennen, dass ohne das Vorliegen von konkreten Planvorstellungen die Planungshoheit der Klägerin dadurch verletzt sein könnte, dass wesentliche Teile des Gemeindegebietes, welches aus einer Vielzahl von Stadtteilen besteht, die wesentlich weiter von dem Vorhaben entfernt liegen als die Stadtteile Irlich und Feldkirchen, einer durchsetzbaren kommunalen Planung entzogen würden. Dies hat die Klägerin auch selbst nicht geltend gemacht.

Schließlich vermag die Klägerin die Verletzung eigener Rechte nicht aus ihrem umfangreichen Vortrag herzuleiten, dass die Berechnungen des Beklagten hinsichtlich der Immissionsbelastung im Stadtteil Irlich, in dem die maximale Zusatzbelastung zu erwarten ist, fehlerhaft seien. Insoweit macht sich die Klägerin zum Anwalt von Immissionsschutzbelangen der in diesem Stadtteil wohnenden Bürger, was aber gerade nicht zu den Selbstverwaltungsangelegenheiten einer Kommune gehört (so bereits der Senat in seinem Beschluss vom 6. Februar 2007 - 1 B 11591/06.OVG -).

Kann aus diesem Grunde die Klägerin mit ihrem Hauptantrag keinen Erfolg haben, so gilt dies erst recht für den hilfsweise gestellten Verpflichtungsantrag, mit dem sie begehrt, dass dem Genehmigungsbescheid vier näher bezeichnete Nebenbestimmungen beizufügen sind. Denn dabei handelt es sich um ein "Minus" in Bezug auf die mit dem Hauptantrag verfolgten (Gesamt-) Aufhebungen des Genehmigungsbescheids mit der Folge, dass es mithin auch insoweit an einer Verletzung in eigenen Rechten als Voraussetzung für die begehrte Beifügung der Nebenbestimmungen fehlt.

Sollten indessen die vom Senat für die Annahme der Klagebefugnis gestellten Anforderungen als "überspannt" anzusehen sein und wäre aufgrund dessen die Zulässigkeit der Klage zu bejahen, so kann die Klage gleichwohl keinen Erfolg haben, da auch im Rahmen der Prüfung der Begründetheit die Rechtmäßigkeit der angegriffenen immissionsschutzrechtlichen Genehmigung gemäß § 113 Abs. 1 VwGO nur in den Grenzen der Verletzung der der Klägerin zur Seite stehenden gemeindlichen Abwehrrechte zu prüfen ist (vgl. HessVGH, Beschluss v. 27. September 2004, ESVGH 55, 82). Aufgrund dessen entspricht der Prüfungsumfang in der Begründetheitsstation dem der Zulässigkeitsstation. Daher gilt das für die fehlende Klagebefugnis Ausgeführte auch für die fehlende Begründetheit der Klage. Deshalb kann zur Vermeidung von Wiederholungen auf die ausführlichen Darlegungen zur Frage der fehlenden Klagebefugnis verwiesen werden.

Letztendlich bleibt noch anzumerken, dass auch den in der mündlichen Verhandlung hilfsweise gestellten Beweisanträgen nicht nachzugehen war, da es auf die damit unter Beweis gestellten Tatsachen aus Rechtsgründen für den Ausgang des Verfahrens nicht ankommt.

Der erste Antrag hinsichtlich der Absenkungsmöglichkeit der Emissionen ist - wie sich aus den vorstehenden Ausführungen zur fehlenden Verletzung in eigenen Rechten ergibt - bereits nicht entscheidungserheblich.

Dem zweiten Beweisantrag bezüglich der Beiziehung der Genehmigungsakten von anderen Großemittenten im Stadtgebiet von Andernach lässt sich ebenfalls nicht entnehmen, inwieweit dieses Beweisthema für den vorliegenden Fall überhaupt entscheidungsrelevant sein kann. Das Beweisthema könnte allenfalls bei einer Klage gegen den Ausbau des Andernacher Hafens oder gegen die Ansiedlung eines weiteren Großbetriebs von Bedeutung sein.

Auch der dritte Beweisantrag, das Gewerbe- und Industriegebiet Andernach von den Wohngebieten im Stadtteil Feldkirchen, Schillerstraße aus in Augenschein zu nehmen, fehlt es an der notwendigen Entscheidungserheblichkeit im Hinblick auf die Verletzung eigener Rechte der Klägerin. Dass die beplanten Wohngebiete in Feldkirchen und Irlich teilweise höher liegen als einige Schornsteinmündungen von Emittenten im Bereich Andernach dürfte unstreitig sein und auf die behauptete erdrückende Wirkung der Anlagen im Bereich des Industrie- und Gewerbegebiets Andernach - abgesehen davon, dass dies schon angesichts des dazwischen liegenden Rheinstroms ausgeschlossen ist - kann sich die Klägerin im Rahmen ihrer Planungshoheit nicht berufen.

Die Klage war daher nach alledem mit der Kostenfolge aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO abzuweisen.

Die Entscheidung über vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Art nicht vorliegen.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 60.000,-- € festgesetzt (§§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 1 GKG).



Ende der Entscheidung

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