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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 04.05.2007
Aktenzeichen: 10 A 10070/07.OVG
Rechtsgebiete: SG, BRKG


Vorschriften:

SG § 31
SG § 31 S. 1
BRKG § 5
Zum Anspruch eines Soldaten auf Wegstreckenentschädigung für regelmäßige Fahrten zwischen Unterkunft und Dienststätte aus dem Gesichtspunkt der Fürsorgepflicht des Dienstherrn (hier bejaht).
OBERVERWALTUNGSGERICHT RHEINLAND-PFALZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

10 A 10070/07.OVG

In dem Verwaltungsrechtsstreit

wegen Soldatenrechts (Fahrkosten)

hat der 10. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der Beratung vom 4. Mai 2007, an der teilgenommen haben

Vizepräsident des Oberverwaltungsgerichts Steppling Richter am Oberverwaltungsgericht Hennig Richter am Oberverwaltungsgericht Möller ehrenamtlicher Richter Chemotechniker Blaschka ehrenamtlicher Richter Sparkassenbetriebswirt Coßmann

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Neustadt a.d. Weinstraße vom 17. Juli 2006 und unter Aufhebung des Bescheides der Truppenverwaltung R.... vom 20. Oktober 2005 in Gestalt des Beschwerdebescheides des Luftwaffenführungskommandos vom 26. Januar 2006 die Beklagte verpflichtet, an den Kläger 3.971,-- € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz seit dem 23. Februar 2006 zu zahlen.

Die Beklagte hat die Kosten beider Rechtszüge zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger, der als Soldat auf Zeit im Dienst der Beklagten steht, begehrt die Erstattung von Kosten für die täglichen Fahrten zwischen seiner Unterkunft und seinen beiden Dienststätten.

Mit Versetzungs- und Kommandierungsverfügung wurde der Kläger aus dienstlichen Gründen und unter Zusage der Umzugskostenvergütung mit Wirkung vom 18. Dezember 2003 vom Luftwaffenausbildungsregiment 3 in G.... zum Zentrum Elektronischer Kampf Fliegende Waffensysteme - Deutscher Anteil beim Polygone Coordination Center Bann - versetzt. Seinen Dienst hatte er zunächst in Z.... (bei dem Mobilen Bedrohungssimulator 1 - Außenstellung) und später in P.... (bei dem Mobilen Bedrohungssimulator 1 - Außenstellung) zu versehen. Zugleich wurde er zum Wohnen in der dienstlich bereitgestellten Gemeinschaftsunterkunft in R.... (Air Base R....) verpflichtet. Die Entfernung von R.... nach Z.... und zurück beträgt 34 Kilometer, die Entfernung von R.... nach P.... und zurück beläuft sich auf 43 Kilometer. In der in Rede stehenden Zeit war der Kläger Gefreiter (Besoldungsgruppe A 3 BBesO) bzw. Obergefreiter (Besoldungsgruppe A 4 BBesO).

Von Januar bis November 2004 versah der Kläger seinen Dienst bei dem Mobilen Bedrohungssimulator 1 Außenstellung in Z.... und von März bis August 2005 war er beim Mobilen Bedrohungssimulator 1 Außenstellung in P.... tätig. Für diese Fahrten zwischen der Gemeinschaftsunterkunft in R.... und Z.... bzw. P.... benutzte er jeweils seinen privaten Pkw. Auch in der Folgezeit war der Kläger noch an den Dienstorten eingesetzt, jedoch stellte die Beklagte dem Kläger sodann ein Dienstfahrzeug zur Verfügung, das er auch in Anspruch nahm.

Mit Anträgen vom 14. September 2005 begehrte der Kläger für die von ihm in den genannten Monaten mit seinem Privat-Pkw unternommenen Fahrten zwischen Gemeinschaftsunterkunft und Dienststelle in Z.... bzw. P.... die Erstattung von Fahrtkosten. Auf der Grundlage reisekostenrechtlicher Vorschriften ergab dies bei 17 Monaten eine Wegstreckenentschädigung in Höhe von 3.971,-- € und einen Betrag pro Monat von durchschnittlich 233,-- €.

Durch Bescheid vom 20. Oktober 2005 lehnte der Dienstälteste Offizier/Deutscher Anteil Allied Air Component Command Headquarters R.... - Leiter Truppenverwaltung - die Anträge ab. In der Begründung heißt es, für das Begehren fehle es an einer Anspruchsgrundlage. Eine Erstattung solcher Kosten komme nach einem Erlass des Bundesministeriums der Verteidigung nur für Wehrpflichtige, nicht aber auch für Soldaten auf Zeit wie den Kläger in Betracht.

Hiergegen legte der Kläger Beschwerde mit der Begründung ein, nachdem der Dienstherr ihn zum Wohnen in der Gemeinschaftsunterkunft verpflichtet habe und er seine auswärtigen Dienststellen nur mit dem eigenen Pkw erreichen könne, sei es fürsorgepflichtwidrig, wenn ihm nicht die Unkosten für diese Fahrten zwischen Unterkunft und Dienststelle erstattet würden.

Die Beschwerde wurde mit Beschwerdebescheid des Befehlshabers des Luftwaffenführungskommandos vom 26. Januar 2006 aus den gleichen Gründen wie im Ausgangsbescheid zurückgewiesen. Ergänzend wurde noch ausgeführt, dass ein Anspruch nach der Trennungsgeldverordnung ebenfalls entfalle, weil dem Kläger eine Gemeinschaftsunterkunft bereitgestellt worden und damit für den ledigen Kläger ein Wohnungsmangel entfallen sei, dies schließe ein Trennungsgeld als Erstattung der Fahrtkosten zwischen Unterkunft und Dienststätte aus. Letztlich bestehe auch kein Anspruch aus dem Gesichtspunkt der Fürsorgepflichtverletzung, da sich die Gemeinschaftsunterkunft in R.... im räumlichen Zusammenhang (50 Km-Grenze) mit den Dienststätten in Z.... und P.... befinde.

Mit der fristgerecht am 23. Februar 2006 erhobenen Klage hat der Kläger ergänzend geltend gemacht: Bei einem Anspruch wegen Fürsorgepflichtverletzung müssten außerdem die zwischenzeitlichen hohen Treibstoffkosten sowie der Umstand berücksichtigt werden, dass er in jener Zeit sehr geringe Dienstbezüge erhalten habe. Im Übrigen stellten die täglichen Fahrten Dienstreisen im Sinne des Bundesreisekostengesetzes dar.

Der Kläger hat beantragt,

unter Aufhebung des Bescheides der Truppenverwaltung R.... vom 20. Oktober 2005 in Gestalt des Beschwerdebescheides des Luftwaffenführungskommandos vom 26. Januar 2006 die Beklagte zu verpflichten, an ihn 3.971,-- € nebst Prozesszinsen in gesetzlicher Höhe ab Rechtshängig-keit zu zahlen.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat ergänzend geltend gemacht, die in Rede stehenden Kosten könnten auch nicht im Rahmen von Dienstreisen erstattet werden, es fehle nämlich schon an dem Merkmal der "Erledigung von Dienstgeschäften außerhalb der Dienststätte".

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil aufgrund mündlicher Verhandlung vom 17. Juli 2006 abgewiesen und sich dabei der Rechtsauffassung der Beklagten angeschlossen.

Mit der vom Senat zugelassenen, fristgerecht erhobenen Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er macht insbesondere geltend, das Verwaltungsgericht habe nicht ausreichend berücksichtigt, dass er zum Wohnen in der Gemeinschaftsunterkunft verpflichtet gewesen sei und deshalb die Fahrten zu den Dienststätten sowohl notwendig als auch vom Dienstherrn veranlasst gewesen seien, damit ergebe sich der geltend gemachte Anspruch jedenfalls aus dem Gesichtspunkt der Verletzung der Fürsorgepflicht.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils nach seinem Antrag erster Instanz zu erkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und verweist noch darauf, dass der Kläger nicht an demselben Tag an beiden Dienststätten habe Dienst verrichten müssen, sondern immer nur entweder in Z.... oder in P...., deshalb habe sich seine Situation nicht von einem "normalen", außerhalb des Dienstortes wohnenden Beschäftigen unterschieden; im Übrigen habe der Kläger die geltend gemachten Kosten steuerlich als Werbungskosten absetzen können, so dass auch deshalb seine Belastungen durch die Fahrten geringer seien als geltend gemacht.

Die Beteiligten haben übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Wegen des Sach- und Streitstandes in allen Einzelheiten wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze und Schriftstücke Bezug genommen sowie auf die das Verfahren betreffenden Verwaltungs- und Beschwerdeakten. Diese Vorgänge lagen dem Senat vor und waren Gegenstand der Beratung.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig und begründet.

Das Verwaltungsgericht hätte der Klage stattgeben müssen; denn der Kläger hat einen Anspruch auf die Erstattung der geltend gemachten Fahrtkosten zwischen der ihm dienstlich bereitgestellten Gemeinschaftsunterkunft in R.... (Air Base R....) und seinen Dienstorten Z.... bzw. P.... .

Allerdings ergibt sich ein solcher - wie das Verwaltungsgericht zutreffend entschieden hat - nicht aus den trennungsgeld- und reisekostrechtlichen Vorschriften.

Zum einen kann er die Fahrtkosten nicht als Trennungsgeld beanspruchen. Zwar ist dem Kläger die Umzugskostenvergütung zugesagt worden und in diesem Fall werden gemäß § 3 Abs. 4 Satz 4 der Trennungsgeldverordnung - TGV - auch notwendige Fahrtkosten zwischen einer außerhalb des Dienstortes unentgeltlich bereitgestellten Unterkunft und der Dienststätte in entsprechender Anwendung des § 5 Abs. 4 TGV erstattet, jedoch setzt ein solcher Anspruch auf Trennungsgeld grundsätzlich - so auch hier - einen Wohnungsmangel voraus (vgl. §§ 8, 2 Abs. 1 Nr. 2 TGV). Ein solcher Wohnungsmangel ist indessen entfallen bzw. hat gar nicht bestanden, weil der Kläger im Zuge seiner Versetzungs- und Kommandierungsverfügung zum Wohnen in der Gemeinschaftsunterkunft verpflichtet wurde. Das war für den Kläger als Ledigen eine angemessene Unterkunft und hat deshalb den trennungsgeldrechtlich relevanten Wohnungsmangel i. S. d § 2 Abs. 1 Nr. 2 TGV entfallen bzw. gar nicht erst entstehen lassen. Dies hat das Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Urteil zutreffend und mit eingehender Begründung entschieden. Zur Vermeidung von Wiederholungen kann deshalb insoweit auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Zum anderen kann der Kläger die Fahrtkosten nicht als Reisekosten nach dem Gesetz über die Reisekostenvergütung für die Bundesbeamten, Richter im Bundesdienst und Soldaten (Bundesreisekostengesetz - BRKG), das hier noch in der Fassung der Bekanntmachung vom 20. März 1965 (BGBl. I S. 133, BRKG a.F.), zuletzt geändert durch Gesetz vom 21. Juni 2005 (BGBl. I S. 1818), anzuwenden ist, beanspruchen.

Ein solcher reisekostenrechtlicher Anspruch ergibt sich zunächst nicht aus § 3 Abs. 1 BRKG a.F. Voraussetzung hierfür ist, dass es sich bei den Fahrten des Klägers zwischen der ihm dienstlich bereitgestellten Gemeinschaftsunterkunft in R.... (Air Base R....) und seinen Dienstorten Z.... bzw. P.... um Dienstreisen handelt. So liegt es hier aber nicht. Gemäß § 2 Abs. 2 BRKG a.F. sind Dienstreisen Reisen zur Erledigung von Dienstgeschäften außerhalb des Dienstortes. Ziel der Fahrten des Klägers war indessen stets einer seiner Dienstorte - und nicht ein anderer Ort, an dem er Dienstgeschäfte zu erledigen hatte. Auch dies hat die Vorinstanz mit zutreffender Begründung entschieden, so dass ich insoweit Bezug genommen werden kann.

Ein reisekostenrechtlicher Anspruch folgt auch nicht aus § 23 Abs. 3 BRKG a.F. Zwar können danach die Fahrtkosten zwischen Wohnung und regelmäßiger Dienststätte erstattet werden, jedoch müssen diese dann aus einem "besonderen dienstlichen Anlass" unternommen worden sein. Dieser besondere dienstliche Anlass muss "Sonderfahrten" verursachen. Das sind Fahrten, die der Beamte an sich nicht untenehmen müsste, weil er sich nach der für ihn geltenden Arbeitszeitregelung zu Hause aufhält, die er aber zusätzlich auf sich nehmen muss, um speziell angeordneten Dienst erledigen zu können. Wie schon das Verwaltungsgericht zu Recht ausgeführt hat, erfüllen die in Rede stehenden Fahrten des Klägers diese Voraussetzung nicht, sind sie doch die "normalen" Fahrten, um den Dienst zu den üblichen Dienstzeiten zu versehen und dann wieder in die Unterkunft zurückzukehren - und keine "Sonderfahrten", die durch einen über die normale Dienstverrichtung hinausgehenden besonderen dienstlichen Anlass hervorgerufen wurden.

Entgegen der vom Kläger vertretenen Rechtsauffassung kann ein Anspruch auf Erstattung der geltend gemachten Fahrtkosten aus einer analogen Anwendung des Reisekostenrechts, insbesondere des § 23 Abs. 3 BRKG a.F. ebenfalls nicht hergeleitet werden. Bei den Vorschriften des Bundesreisekostenrechts - wie auch des Trennungsgeldrechts - handelt es sich um spezielle und abschließende Regelungen, die die Fürsorgepflicht des Dienstherrn gegenüber seinen Beamten/Soldaten konkretisieren. Als solche sind sie nicht auf andere Lebens-sachverhalte entsprechend anwendbar, vielmehr haben sie auch mit Blick auf die Fürsorgepflicht des Dienstherrn (hier: § 31 Satz 1 SG) grundsätzlich Begrenzungscharakter. Deshalb können nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. etwa: BVerwG, Beschluss vom 8. September 1983, RiA 1984, S. 66 m.w.N.) aus der Fürsorgepflicht des Dienstherrn grundsätzlich keine Ansprüche hergeleitet werden, die über die Ansprüche hinausgehen, welche im Gesetz selbst speziell und abschließend geregelt sind.

Zum dritten ergibt sich ein Anspruch auf Fahrtkostenerstattung nicht aus Richtlinien der Beklagten i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG. Als eine solche anspruchsbegründende Verwaltungsvorschrift kommen hier lediglich die "Richtlinien für die Gewährung von Fahrtkosten an Soldaten, die aufgrund der Wehrpflicht Wehrdienst leisten, bei fehlender Unterkunft - Neufassung - vom 12. April 2002 (VMBl. S. 245) in Betracht. Jedoch auch hieraus kann der Kläger nichts Günstigeres für sich herleiten. Wie nämlich schon die Überschrift dieses Erlasses zeigt, gilt dieser nur für Wehrdienstleistende - und nicht für Soldaten auf Zeit wie den Kläger - und überdies betrifft er eine andere Konstellation. Diese setzt voraus, dass der Wehrdienst Leistende von der Verpflichtung zum Wohnen in der Gemeinschaftsunterkunft befreit ist, in einer anderen Unterkunft wohnt und von letzterer zu seiner Einheit/seinem Dienstort fährt. Hier ist es aber gerade so, dass der Kläger nicht ohne Unterkunft ist, sondern im Gegenteil zum Wohnen in der Gemeinschaftsunterkunft verpflichtet wurde.

Indessen steht dem Kläger der geltend gemachte Anspruch auf Erstattung der Fahrtkosten aus dem Prinzip der allgemeinen Fürsorgepflicht des Dienstherrn (vgl. § 31 Satz 1 SG) zu. Danach hat der Bund im Rahmen des Dienst- und Treueverhältnisses für das Wohl des Berufssoldaten und des Soldaten auf Zeit sowie ihrer Familien zu sorgen. Diese Fürsorge des Dienstherrn gebietet es, dass er dem Kläger die Fahrtkosten gewährt. Wenn auch - wie zuvor ausgeführt - grundsätzlich kein Leistungsanspruch aus der Fürsorgepflicht des Dienstherrn hergeleitet werden kann, so gilt dieser Grundsatz nicht uneingeschränkt, es gibt davon Ausnahmen und eine solche ist hier gegeben.

Ausnahmsweise konkretisiert sich die - allgemeine - Fürsorgepflicht des Dienstherrn zu einer Leistungspflicht, wenn die weiten Grenzen des Ermessens bei der Erfüllung dieser Pflicht überschritten sind. Das ist namentlich bei der Verletzung des Wesenskerns der Fürsorgepflicht der Fall. Er ist bei dienstlich veranlassten unzumutbaren Belastungen bzw. bei erheblichen Aufwendungen anzunehmen, die für den Beamten/Soldaten unausweichlich sind und denen er sich nicht entziehen kann (vgl. dazu: BVerfGE 83, 89 (100f.); Beschluss vom 16. September 1993, S. 569; BVerwGE 112, 308 (310f.).

Eine Verletzung des Wesenskerns der Fürsorgepflicht ergibt sich danach hier zunächst aus der Höhe der in Rede stehenden Kosten. Dabei ist zum einen zu berücksichtigen, dass der Kläger in den in Rede stehenden Zeiträumen zunächst Gefreiter (Besoldungsgruppe A 3 BBesO) und dann Obergefreiter (Besoldungsgruppe A 4 BesO) war und als solcher nach der Anlage I Bundesbesoldungsordnung A ein Grundgehalt von ca. 1.500 € brutto bezog. Von diesem ohnehin recht geringen Gehalt musste er für die Fahrten zwischen Unterkunft und Dienstort/Einheit immerhin ca. 233,-- € aufwenden, das waren mehr als 15 Prozent hiervon. Es kommt hinzu, dass diese Unkosten nicht einmalig, sondern vielmehr regelmäßig monatlich anfielen. Damit schmälerten sie das Erwerbseinkommen des Klägers regelmäßig und in einem erheblichen Umfang. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass er mit diesen Kosten aller Voraussicht nach dauernd rechnen musste. Denn es war nicht abzusehen, ob und wann sich die berufliche Situation des Klägers ändern werde. So ist der Kläger bis heute noch zum Wohnen in der Gemeinschaftsunterkunft in R.... verpflichtet und fährt zwischen dieser und seinen beiden Dienstorten in Z.... und P.... hin und her. Dass er bis auf den heutigen Tag die Strecken nicht mit seinem Privat-Pkw und auf eigene Kosten zurücklegt, liegt nur daran, dass die Beklagte aus freien Stücken und ohne Anerkennung einer Rechtspflicht dem Kläger eine Mitfahrgelegenheit zur Verfügung stellt - die aber nach ihren Vorstellungen jederzeit wieder entfallen kann.

Diesen ganz erheblichen regelmäßigen Aufwendungen konnte sich der Kläger überdies nicht entziehen, sie waren für ihn unausweichlich. Ursache hierfür war, dass er nicht an seinem Dienstort wohnte und er sogar zwei Dienstorte hatte und dann noch einen davon verschiedenen Wohnort. Diese ungewöhnliche Konstellation war ausschließlich durch die Beklagte hervorgerufen. Sie entstand zum einen dadurch, dass sie den Kläger zur Dienstverrichtung an zwei Orten (Z.... und in P....) verpflichtete. Aufgrund dessen war es ihm von vornherein nicht möglich, am Dienstort zu wohnen und generell auf Fahrten zwischen Wohnort und Dienstort zu verzichten. Es kommt hinzu, dass er zum Wohnen in einer Gemeinschaftsunterkunft verpflichtet wurde und diese sowohl von dem einen als auch dem anderen Dienstort relativ weit entfernt lag (hin und zurück 34 bzw. 43 Kilometer). Wegen der ungünstigen Lage dieser Orte konnte er zudem die Fahrten nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurücklegen, sondern musste sie notgedrungen mit seinem Privat-Pkw ausführen. Mithin blieb dem Kläger von vornherein gar nichts anderes übrig, als in jedem Fall seiner Dienstverrichtung mit seinem Privat-Pkw eine recht erhebliche Strecke zu fahren und die Kosten dafür zu tragen.

Nur am Rande sei erwähnt, dass sich der Kläger diesen Verpflichtungen und den sich daraus ergebenden Kosten nicht durch die Einlegung von Rechtsbehelfen erfolgreich hätte entziehen können. Dabei hat der Senat schon Bedenken, ob in diese Betrachtungsweise von rechts wegen überhaupt vom Kläger anzustrengende Rechtsmittel einbezogen werden können - mit der Folge, dass ihn eine Abwendungspflicht und ein sich daraus ergebende Pozess(kosten)risiko trifft. Denn selbst dann, wenn man eine solche Pflicht annähme, gereicht ihm das nicht zum Nachteil. Ein von ihm allenfalls in Betracht zu ziehendes Rechtsmittel gegen die Verpflichtung zum Wohnen in der Gemeinschaftsunterkunft wäre nämlich aller Voraussicht nach erfolglos geblieben. Mit dem Argument, hierdurch würden erhebliche Fahrtkosten entstehen, hätte er die (allein) im öffentlichen Interesse getroffene Anordnung zum Wohnung in der Gemeinschaftsunterkunft nicht mit Erfolg anfechten können. Vielmehr hätte man dem Kläger entgegen gehalten, er nehme fiskalische Interessen der Beklagten wahr, also Gesichtspunkte außerhalb seines Rechtskreises, damit könne aber mit seinem auf Individualrechtsschutz gerichteten Rechtsbehelf keinen Erfolg haben. Vielmehr sei es - so die Argumentation in einem derartigen Rechtsbehelfsverfahren - Sache der Beklagten, die den Kläger ggf. treffenden Unkosten zu vermeiden, indem ihm eine Mitfahrgelegenheit angeboten oder die Fahrtkosten übernommen werden. Damit verwiese man den Kläger nur auf einen Prozess wie er ihn im vorliegenden Verfahren führt. Auch dies spricht dafür, dem Kläger den hier geltend gemachten Aufwendungsersatzanspruch zuzugestehen.

Gegen dieses Ergebnis kann schließlich nicht mit Erfolg eingewendet werden, dass der Kläger die ihm entstandenen Fahrtkosten als Werbungskosten bei der Steuererklärung ansetzen und dadurch eine gewisse Minderung seiner Steuerschuld erreichen kann. Diese vom Verwaltungsgericht vorgenommene "steuerliche Betrachtungsweise" verbietet sich nach Auffassung des Senats von vornherein. Denn sie betrifft einen gänzlich anderen Rechtskreis. Das Problem der ganz erheblichen finanziellen Belastung des Klägers durch eine Personalmaßnahme der Beklagten ist in dem Dienstrechtsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten entstanden. Es ist mithin in diesem Verhältnis auch zu lösen und in diesem ein angemessener Ausgleich zu finden. Das gilt umso mehr, als gar nicht sicher ist, dass der Kläger durch die steuerliche Geltendmachung seiner Unkosten einen angemessenen Ausgleich hierfür erhält.

Der demnach dem Grunde nach bestehende Anspruch auf Fahrtkostenerstattung ist auch in der geltend gemachten Höhe gerechtfertigt. In seinen Anträgen von 14. September 2005 hat der Kläger die Tage angeben, an denen die Fahrtkosten entstanden sind. Im laufenden Verfahren hat er weiterhin ersichtlich unter entsprechender Anwendung der reisekostenrechtlichen Bestimmung des § 5 BRKG den notwendigen Umfang seiner Kosten näher spezifiziert und daraus eine Klageforderung in Höhe von insgesamt 3.971,-- € ermittelt. Diesen Berechnungsgrundlagen und der Berechnung selbst ist die Beklagte im gesamten Verfahren nicht entgegengetreten. Da auch der Senat keinen Anhaltspunkt hat, diese Angaben ernstlich in Zweifel zu ziehen, sind diese Angaben, die die Klageforderung schlüssig belegen, hier zugrunde zu legen.

Neben dieser Hauptforderung kann der Kläger auch die geltend gemachten Zinsen seit Rechtshängigkeit beanspruchen. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. z.B. BVerwG, Beschluss vom 25. Januar 2006, NVwZ 2006, S. 605), der sich der erkennende Senat anschließt, kann auch hinsichtlich öffentlichrechtlicher Geldforderungen ein Anspruch auf Prozesszinsen ab Rechts-hängigkeit entsprechend § 291 ZPO bestehen. Voraussetzung ist lediglich, dass die Geldforderung der Höhe nach feststeht, sie muss rechnerisch unzweifelhaft ermittelt werden können. Das ist hier der Fall, wie die Ermittlung und Berechnung der Fahrtkosten durch den Kläger in Höhe von 3.971,-- € belegt. Der Beginn der gesetzlichen Zinsen in Höhe von fünf Prozent über dem Basiszinssatz (vgl. § 291 BGB i.V.m. § 288 Abs. 1 BGB) ist dabei der 23. Februar 2006, der Tag der Klageerhebung beim Verwaltungsgericht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Der Ausspruch der vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils ergibt sich aus § 167 VwGO.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil Gründe der in § 132 Abs. 2 VwGO bezeichneten Art nicht vorliegen.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren auf 3.971,-- € festgesetzt (§ 52 Abs. 1 GKG).

Ende der Entscheidung

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