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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss verkündet am 22.10.2007
Aktenzeichen: 10 A 10735/07.OVG
Rechtsgebiete: VwGO


Vorschriften:

VwGO § 124 a Abs. 4
Der beim Verwaltungsgericht zu stellende Antrag auf Zulassung der Berufung wahrt nicht die Rechtsmittelfrist, wenn die Antragsschrift willentlich an das Oberverwaltungsgericht adressiert ist, gleichwohl aber bei dem Telefaxgerät des Verwaltungsgerichts eingeht.
OBERVERWALTUNGSGERICHT RHEINLAND-PFALZ BESCHLUSS

10 A 10735/07.OVG

In dem Verwaltungsrechtsstreit

wegen Ruhegehalts

hier: Zulassung der Berufung

hat der 10. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der Beratung vom 22. Oktober 2007, an der teilgenommen haben

Vizepräsident des Oberverwaltungsgerichts Steppling Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Falkenstett Richter am Oberverwaltungsgericht Hennig

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 29. Mai 2007 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz wird als unzulässig verworfen.

Der Kläger hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen.

Gründe:

Der Antrag des Klägers ist unzulässig und kann schon deshalb keinen Erfolg haben.

Der Kläger hat die Frist zur Stellung des Antrages auf Zulassung der Berufung versäumt. Das angefochtene Urteil wurde den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 15. Juni 2007 zugestellt. Die einmonatige Frist für den Zulassungsantrag (vgl. § 124 a Abs. 4 Satz 1 VwGO), die auch hier maßgeblich ist, weil das Urteil mit ordnungsgemäßer Rechtsmittelbelehrung (vgl. § 58 Abs. 1 VwGO) erlassen wurde, lief demnach am Montag, dem 16. Juli 2007 ab. Bis zum Ablauf dieses Tages hat der Kläger den Antrag nicht - wie es § 124 a Abs. 4 Satz 2 VwGO ausdrücklich verlangt - bei dem Verwaltungsgericht gestellt. Das ergibt sich aus Folgendem:

Der den Antrag auf Zulassung des Berufung enthaltene Schriftsatz des Klägers datiert vom 16. Juli 2007 (vgl. Bl. 116 GA). Er ist adressiert an das "Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, Deinhardplatz 4, 56068 Koblenz". Weiter heißt es im Briefkopf: "vorab per Telefax: 0261/1307-350". Das Schriftstück ging per Telefax am 16. Juli 2007 auf dem Telefaxgerät des Verwaltungsgerichts Koblenz mit der Telefax-Nr. 0261/1307-250 ein (vgl. den genannten Schriftsatz [B. 116 GA] rechts unten sowie den Sendebericht des Telefaxgeräts). Von dort aus gelangte es am folgenden Tag, dem 17. Juli 2007, im normalen Geschäftsgang entsprechend der Adressierung an das Oberverwaltungsgericht (vgl. den auf dem Schriftsatz angebrachten Stempel links oben). An diesem 17. Juli 2007 wurde die Sache auf der Geschäftsstelle des Senats im "Allgemeinen Register" mit einem AR-Aktenzeichen eingetragen (vgl. den Vermerk auf dem Schriftsatz oben rechts) und das Verwaltungsgericht Koblenz über die Rechtsmitteleinlegung informiert sowie um die Übersendung der Verfahrensakten gebeten (vgl. das Schreiben der Geschäftsstelle vom 17. Juli 2007 an das Verwaltungsgericht Koblenz).

Bei diesem Ablauf kommt es für die Fristwahrung darauf an, ob in der Übermittlung des Schriftsatzes vom 16. Juli 2007 über das Telefaxgerät des Verwaltungsgerichts die Stellung des Zulassungsantrages i.S.d. § 124 a Abs. 4 Satz 2 VwGO zu sehen ist. Das ist zu verneinen.

Zwar können fristgebundene Schriftsätze auch mit Telefax fristwahrend übermittelt (vgl. etwa: BVerfGE 74, 228[234]), jedoch ist hier durch die Übersendung des Schriftsatzes vom 16. Juli 2007 auf das Telefaxgeräts des Verwaltungsgerichts Koblenz keine Antragstellung beim Verwaltungsgericht erfolgt. Entscheidend ist dabei, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers diesen Schriftsatz eindeutig und allein an das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz adressiert hat. Daraus wird nach außen hin zweifelsfrei dokumentiert, dass er den Antrag bei diesem Gericht - und eben nicht beim Verwaltungsgericht stellen wollte. Sofern es angesichts der eindeutigen Adressierung überhaupt noch weiterer Umstände zur Ermittlung des Gewollten bedürfte, so sprechen diese im Übrigen ebenfalls für eine Antragstellung beim Oberverwaltungsgericht. Denn in der dem angefochtenen Urteil beigegebenen Rechtsmittelbelehrung heißt es - entsprechend dem Wortlaut des Gesetzes - ausdrücklich, der Antrag sei beim Verwaltungsgericht Koblenz zu stellen. Wenn der Prozessbevollmächtigte des Klägers gleichwohl den Schriftsatz an das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz adressiert hat, dann muss angenommen werden, dass er diese Adresse bewusst ausgewählt hat. Dafür spricht auch der Hinweis in dem Schriftsatz vom 16. Juli 2007 "vorab per Telefax: 0261/1307-350". Diese Telefaxnummer ist nämlich die des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz und nicht die des Verwaltungsgerichts Koblenz.

Dass in solchen Fällen die in dem Schriftsatz angegebene Adresse für die Fristwahrung maßgeblich ist, ist ganz herrschende Meinung. So hat etwa der Bundesgerichtshof in einem vergleichbaren Fall der unrichtig adressierten Berufungsbegründung an eine Anwaltskanzlei (Urteil vom 5. April 1990, NJW 1990, S. 28822) ausgeführt:

Fristwahrend wirkt hier nicht der Eingang bei Justizbehörden im Allgemeinen oder bei einem beliebigen Gericht, sondern nur derjenige beim Berufungsgericht. Dorthin ist die Begründung einzureichen (§ 519 ZPO). Die Kl. haben ihren Schriftsatz nicht beim OLG abgegeben, sondern in den Fristenkasten eingeworfen, der für das LG und das OLG gemeinsam besteht. Der Einwurf in eine solche gemeinsame kann nicht die Verfügungsgewalt aller angeschlossenen Gerichte begründen und soll es auch nicht. Stattdessen entspricht es dem Zweck der Einrichtung und gleichermaßen der Absicht jeder Prozesspartei, Schriftsätze lediglich dem Gericht zukommen zu lassen, für das sie gedacht sind. Davon ausgehend entscheidet der BGH in gefestigter Rechtsprechung, dass ein Schriftsatz, der bei einer gemeinsamen Eingangsstelle eintrifft, nur bei demjenigen Gericht eingegangen ist, an das er gerichtet ist. Irrt sich eine Partei und adressiert an das falsche Gericht, so geht der Schriftsatz bei diesem unzuständigen Gericht ein und kann, wenn er nicht rechtzeitig in die Verfügungsgewalt des zuständigen Gerichts kommt, eine ablaufende Frist nicht wahren (vgl. BGH, NJW 1983, 123; VersR 1988, 251).

In gleicher Weise ist die fristwahrende Wirkung der von der Kl. vorgelegten Berufungsbegründung zu beurteilen. Wenn die unzutreffende Bezeichnung eines Gerichts den eigentlich angestrebten Eingang verhindert, kann auch die versehentliche Adressierung an eine andere Anwaltskanzlei keine andere Folge nach sich ziehen.

Die dogmatische Herleitung dieser gefestigten Rechtsprechung ergibt sich aus dem Umstand, dass die Stellung eines Antrages, eines Klageantrages oder wie hier eines Zulassungsantrages, eine Prozesshandlung ist, die von einem dementsprechenden Willen bei der Erklärung getragen sein muss (so bereits: OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 8. Oktober 1980, AS 16, S. 164 = NJW 1981, S. 1005, bestätigt durch: BVerwG, Beschluss vom 3. Juni 1981 - 2 CB 56/80, zit. nach juris). Daraus oder auch eigenständig aus dem Umstand der Adressierung wird dann abgeleitet, dass nur das Gericht die - für die Antragstellung erforderliche - Verfügungsmacht über den fristwahrenden Schriftsatz erhält, dessen Adresse der Schriftsatz auch trägt. Ungeachtet dieser teilweise unterschiedlichen Begründung, findet das Ergebnis, dass durch die Einreichung eines eindeutig irrtümlich an ein unzuständiges Gericht adressierten Schriftsatzes keine Klage-, Antrags- oder Beschwerdefrist gewahrt wird, allgemeine Zustimmung (vgl. außer den bereits zitierten Entscheidungen etwa: OVG Nds, Beschluss vom 9. August 2007 - 11 ME 290/07 -, zit. nach juris; BayVGH, Beschluss vom 8. Oktober 2003 - 26 ZB 03.2368 -, zit. nach juris; OVG NRW, Beschluss vom 19. September 2002 - 14 A 2568/02 - zit. nach juris; OVG Hamburg, Beschluss vom 4. September 1997, NJW 1998, S. 696; Bader/Funke-Kaiser/Kuntze/von Albedyll, VwGO, Kommentar, 3. Aufl., 2005, § 124 a Rdnr. 70 m.w.N.; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, Kommentar, 65. Aufl., 2007, § 233 Rdnr. 22 m.w.N.).

An dieser Einschätzung ändert auch nichts die noch erfolgte Übersendung des Schriftsatzes vom 16. Juli 2007 per Post oder auch dessen Aushändigung bei der Poststelle. Denn - als Original des per Telefax übermittelten Dokuments - war dieses naturgemäß ebenfalls an das "Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, Deinhardplatz 4, 56068 Koblenz, vorab per Telefax: 0261/1307-350" gerichtet und ist entsprechend dieser Adressierung auch beim Oberverwaltungsgericht und nicht beim Verwaltungsgericht eingegangen.

Nicht unerwähnt bleiben soll, dass abgesehen von dieser hier maßgeblichen Handhabung des Vorgangs aus objektiver Sicht tatsächlich der Schriftsatz vom 16. Juli 2007 nie so behandelt wurde, als sei der im Schriftsatz enthaltene Antrag beim Verwaltungsgericht gestellt worden. Denn nach dem faktischen Eingang des Schriftsatzes auf dem Telefaxgerät des Verwaltungsgerichts wurde dieser nicht etwa an die Geschäftsstelle des Verwaltungsgerichts weitergeleitet, sondern vielmehr - entsprechend der dort angegebenen Adresse - an das Oberverwaltungsgericht. Nicht anders ist es mit dem alsbald eingegangenen Original des Schriftsatzes vom 16. Juli 2007 nebst der diesem beigefügten Fotokopie des angefochtenen Urteils (vgl. Bl. 117 ff GA). Auch dies ist auf dem Postweg bzw. allgemeinen Geschäftsgang nicht dem Verwaltungsgericht sondern vielmehr dem Oberverwaltungsgericht zugeleitet worden und dort eingegangen (vgl. den Eingangsstempel des Oberverwaltungsgerichts oben auf dem Original [Bl. 117 GA]).

Unbehelflich ist demgegenüber die Darstellung des Prozessbevollmächtigten des Klägers in dessen Schriftsatz vom 18. Oktober 2007. Denn darin räumt er nicht nur die eindeutige Fehladressierung des Schriftsatzes vom 16. Juli 2007 ein, sondern erläutert auch noch, warum er so verfahren sein will. Das ändert aber nichts daran, dass ihm ein Fehler unterlaufen ist. Nicht unerwähnt bleiben soll in diesem Zusammenhang, dass der beschließende Senat - entgegen der Annahme des Prozessbevollmächtigten des Klägers - "über den normalen Geschäftsablauf bei der Behandlung von Zulassungsanträgen" durchaus "ausreichend informiert" ist. Denn bei ordnungsgemäßer Antragstellung beim Verwaltungsgericht - und das ist gerade das Ziel der gesetzlichen Regelung in § 124 a Abs. 4 VwGO - erfolgt die zeitgleiche Weitergabe des Zulassungsantrages und die der Verwaltungsgerichtsakten einschließlich etwaiger Beiakten an das Oberverwaltungsgericht. Diesen "normalen" Geschäftsablauf hat indessen der Prozessbevollmächtigte mit seiner fehlerhaften Antragstellung unmöglich gemacht. Vielmehr musste das fehlerhaft auf das Telefaxgerät des Verwaltungsgerichts übermittelte Schriftstück vom Verwaltungsgericht erst einmal an das Oberverwaltungsgericht weitergeleitet werden. Sodann wurde es der Geschäftsstelle des beschließenden Senats vorgelegt. Dort erhielt es - weil ein Vorgang fehlte - ein "AR"-Aktenzeichen. Unter diesem Aktenzeichen informierte die Geschäftsstelle des Senats die Kammer des Verwaltungsgerichts, das die angefochtene Entscheidung erlassen hatte. Diese wiederum verfügte die Vorlage des Zulassungsantrages, zweier Abdrucke der angefochtenen Entscheidung, eines Bandes Gerichtsakten sowie 11 Hefte Beiakten (Verwaltung) an das Oberverwaltungsgericht. Nach deren Eingang löschte die Geschäftsstelle des Senats das "AR"-Aktenzeichen und trug die Streitsache unter einem neuen Aktenzeichen, dem Verfahrensaktenzeichen, ein. Jetzt - aber auch erst jetzt - konnte der Zulassungsantrag vom Vorsitzenden des Senats bearbeitet werden.

Schließlich kann dem Kläger wegen Versäumung der Frist auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 60 Abs. 1 VwGO gewährt werden. Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass der Prozessbevollmächtigte keine Gründe glaubhaft gemacht, wonach er ohne Verschulden verhindert war, die Frist einzuhalten. Vielmehr hat er sich bei der Adressierung des Schriftsatzes vom 16. Juli 2007 an das Oberverwaltungsgericht geirrt. Ein solcher Irrtum geht aber nach allgemeiner Meinung zu seinen Lasten. Das Handeln seines Prozessbevollmächtigten muss sich der Kläger zudem gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO als eigenes zurechnen lassen. Auch kommt keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus anderen Gründen in betracht. Denn der Schriftsatz vom 16. Juli 2007 ging erst am folgenden Tag, dem 17. Juli 2007, und damit nach Fristablauf bei dem Oberverwaltungsgericht ein. Damit bestand für den Senat keine Möglichkeit, den Schriftsatz an das Verwaltungsgericht weiter zu leiten und damit doch noch eine fristgerechte Antragstellung beim Verwaltungsgericht herbeizuführen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Ende der Entscheidung

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