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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 14.01.2005
Aktenzeichen: 10 A 11017/04.OVG
Rechtsgebiete: ARB 1/80, AuslG


Vorschriften:

ARB 1/80 Art. 7
ARB 1/80 Art. 7 S. 1 2. Spiegelstrich
ARB 1/80 Art. 14
ARB 1/80 Art. 14 Abs. 1
AuslG § 45
AuslG § 47
Zu den einzelnen in Art. 7 S. 1 2. Spiegelstrich ARB 1/80 für ein supranationales Aufenthaltsrecht geforderten Voraussetzungen (Familienangehöriger, dem regulären Arbeitsmarkt angehörender türkischer Arbeitnehmer, Nachzugsgenehmigung,ordnungsgemäßer Wohnsitz seit 5 Jahren).

Zum Verlust des supranationalen Aufenthaltsrechts nach Art. 7 S. 1 2. Spiegelstrich ARB 1/80.

Zur Ausweisung eines über ein supranationales Aufenthaltsrecht auf der Grundlage des Art. 7 S. 1 2. Spiegelstrich ARB 1/80 verfügenden mehrfach zu einer Jugendstrafe verurteilten und noch drogenabhängigen türkischen Staatsangehörigen.


OBERVERWALTUNGSGERICHT RHEINLAND-PFALZ URTEIL IM NAMEN DES VOLKES

10 A 11017/04.OVG

In dem Verwaltungsrechtsstreit

wegen Ausweisung und Abschiebungsandrohung (Türkei)

hat der 10. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 14. Januar 2005, an der teilgenommen haben

Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Falkenstett als Vorsitzender Richter am Oberverwaltungsgericht Hennig Richter am Oberverwaltungsgericht Möller ehrenamtlicher Richter Tischlermeister Ackel ehrenamtlicher Richter Chemotechniker Blaschka

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers werden unter Abänderung des aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 26. September 2003 ergangenen Urteils des Verwaltungsgerichts Neustadt/Wstr. der Bescheid der Beklagten vom 31. Juli 2002 und der hierzu ergangene Widerspruchsbescheid vom 22. April 2003 in der Gestalt der Stellungnahme der Beklagten vom 7./10. Januar 2005 aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Kosten beider Rechtszüge.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der ... 1980 in N. geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger. Sein Vater war mit 20 Jahren 1974 als Gastarbeiter nach Deutschland gekommen und verfügte zuletzt über eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis; er war bei mehreren Firmen tätig. Am 20. Mai 1982 erstach er die Mutter des Klägers und setzte sich in die Türkei ab, wo er sich den Behörden stellte und Ende Mai 1982 in Haft genommen wurde; er wurde später zu einer Freiheitsstrafe von 20 Jahren verurteilt; Mitte 1990 wurde er bedingt entlassen.

Nach der Flucht des Vaters wurden der Kläger und seine ein Jahr jüngere Schwester von den in N. lebenden Großeltern väterlicherseits aufgenommen. Der heute 71jährige Großvater, der seit August 1982 eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis besitzt, war seit Anfang 1968 bei verschiedenen Firmen in Deutschland tätig. Sein letztes Beschäftigungsverhältnis endete im November 1988; seit Juli 1989 bezieht er eine Erwerbsunfähigkeitsrente. Nachdem der Vater des Klägers ihn bereits am 31. Mai 1982 vor einem Notar in der Türkei dazu ermächtigt hatte, sich in allen Angelegenheiten um den Kläger zu kümmern, wurde er mit Beschluss des Amtsgerichts N. vom 26. Juli 1982 zum Vormund des Klägers bestellt. Nachdem er auch in der Türkei mit Urteil des Amtsgerichts D. vom 28. Februar 1984 zum Vormund bestellt worden war, hob das Amtsgericht N. seinen Beschluss vom 26. Juli 1982 im März 1984 auf. Der Kläger ist bis heute bei den Großeltern polizeilich gemeldet.

Der Kläger besuchte zunächst eine Grundschule in N.; noch während der Grundschulzeit wechselte er dann jedoch zur Heimschule J. in L., die er im Juni 1996 ohne Hauptschulabschluss verließ. Ab Oktober 1996 besuchte er dann die Berufsbildende Schule des Jugendhilfezentrums H. bei T.; die Ausbildung dort wurde jedoch im Februar 1997 mangels Motivation des Klägers abgebrochen. Von Oktober 1997 bis Juni 1998 nahm er sodann im Jugenddorf N. zunächst an einem Informationslehrgang und anschließend an einem Grundausbildungslehrgang im Bereich Metalltechnik mit einem Praktikum bei der BHG - Gesellschaft zur Betreuung von Haus- und Grundbesitz -. Nachdem er in der Folgezeit für zwei Monate bei der BHG beschäftigt war, nahm er ab Jahresanfang 1999 an einem Praktikum der Volkshochschule N. teil, das er allerdings nach einigen Monaten wieder abbrach; während dieser Zeit war er für drei Wochen erwerbstätig. Im Jahre 2000 war er dann noch im April für 5 Tage als Kellner in einer Pizzeria ..., im Mai als Autopolierer bei einer Firma in N. und im Juni und Juli in einer Autowerkstatt in N. beschäftigt.

Am 25. Januar 1996 wurde dem Kläger eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis erteilt; am 18. September 1997 erhielt er eine unbefristete Arbeitserlaubnis.

Mit Urteil des Amtsgerichts N. vom 26. September 1996 wurde der Kläger wegen unerlaubten gewerbsmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln - Haschisch - in 36 Fällen zwischen April 1995 und Mai 1996 zu einer Jugendstrafe von 1 Jahr und 4 Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde, verurteilt. Er war seinerzeit selbst Haschischkonsument. In der Sache befand er sich vom 14. Mai bis zum 26. September 1996 in Untersuchungshaft. Die Strafe wurde mit Wirkung vom 12. Januar 2000 erlassen.

Mit Urteil des Amtsgerichts N. vom 20. Juli 2000 wurde der Kläger erneut wegen Handeltreibens mit Haschisch - diesmal in 20 Fällen ab Herbst 1999 bis zum Januar 2000 - zu einer Jugendstrafe - nunmehr von 10 Monaten - auf Bewährung verurteilt. Er befand sich in dieser Sache vom 3. bis zum 30. März 2000 in Untersuchungshaft.

Unter Einbeziehung dieses Urteils verurteilte das Amtsgericht N. den Kläger sodann am 2. Juli 2001 wegen unerlaubten gewerbsmäßigen Handeltreibens mit Heroin in 12 Fällen im Zeitraum von Dezember 2000 bis zum Februar 2001 zu einer Einheitsjugendstrafe von 2 Jahren und 3 Monaten. Der Kläger war seinerzeit bereits selbst heroinabhängig. Er war in der Sache am 24. Februar 2001 in Untersuchungshaft genommen worden.

Schließlich wurde der Kläger mit Urteil des Amtsgerichts N. vom 10. Januar 2002 wegen schwerer räuberischer Erpressung in zwei Fällen, davon in einem Falle versucht, unter Einbeziehung des Urteils vom 2. Juli 2001 zu einer Einheitsjugendstrafe von 4 Jahren verurteilt. Ihm wurde zur Last gelegt, auf massiven Druck eines anderen, dem er wegen Drogengeschäften Geld schuldete, am 25. September 2000 einen Getränkemarkt in L. überfallen und eine Angestellte unter Bedrohung mit einer Schreckschusspistole zur Herausgabe der Tageseinnahmen in Höhe von 3.350,-- DM genötigt zu haben sowie am 15. Dezember 2000 in einem Tengelmarkt-Supermarkt in N. eine Angestellte unter Vorhalt einer Spielzeugwaffe zur Übergabe von Bargeld aufgefordert, den Supermarkt dann jedoch wieder verlassen zu haben, als die Angestellte vorgab, dass die Kasse nicht aufgehe.

Nach einer Anhörung des Klägers wies die Beklagte den Kläger mit Bescheid vom 31. Juli 2002 aus der Bundesrepublik Deutschland aus und ordnete seine Abschiebung in die Türkei an. Begründet wurde die Maßnahme damit, dass der Kläger, der die Ist-Ausweisungstatbestände des § 47 Abs. 1 des Ausländergesetzes - AuslG - erfülle, zwar den besonderen Ausweisungsschutz des § 48 Abs. 1 Nr. 2 AuslG genieße; seine Ausweisung sei aber aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung geboten und es lägen auch keine Umstände vor, die für ein Absehen von der Regelausweisung sprechen könnten. Er sei somit zur Vermeidung weiterer schwerer Straftaten seinerseits und zur Abschreckung anderer Ausländer vor der Begehung vergleichbarer Straftaten auszuweisen. Damit stünden seiner Ausweisung auch weder das Europäische Niederlassungsabkommen - ENA - noch die Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten -EMRK - noch ein unter Umständen gegebenes Aufenthaltsrecht auf der Grundlage des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrats EWG/Türkei über die Entwicklung der Assoziation - ARB 1/80 - entgegen.

Der vom Kläger dagegen erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 22. April 2003 aus den gleichen Gründen zurückgewiesen.

Darauf hat der Kläger fristgerecht Klage erhoben und geltend gemacht: Seine besonderen Lebensumstände seien nicht gewürdigt worden. Er sei unter äußerst problematischen Familienverhältnissen bei den Großeltern aufgewachsen, deren strengen traditionellen Erziehungsvorstellungen er sich schon früh zu entziehen versucht habe, was zu Schulproblemen und schließlich zum Besuch einer Sonderschule für Verhaltensauffällige geführt habe, wo er ganztätig betreut worden sei. Hauptbezugspunkt für ihn seien Freunde - überwiegend deutsche - gewesen. Eine Maßnahme des Berufsbildungswerks sei abgebrochen worden, nachdem er drogenabhängig geworden sei. Diese Abhängigkeit sei auch der Hintergrund seiner Straffälligkeit, die im Übrigen zum Teil darauf zurückzuführen sei, dass er massiv unter Druck gesetzt worden sei. Fast alle seine Familienangehörigen lebten in Deutschland und er selbst beherrsche das Türkische nur unzureichend. Er verfüge in der Türkei über keinerlei Bindungen; zum Vater habe er keinen Kontakt. Die Haft habe ihn stark beeindruckt und es habe bei ihm eine Nachreifung stattgefunden. Eine stationäre Drogenentwöhnungstherapie, der er sich zur Stabilisierung seiner zwischenzeitlichen Drogenfreiheit unterziehen möchte, sei wegen seines ungeklärten Aufenthalts bislang nicht möglich gewesen; in der Türkei könnte er eine solche Therapie nicht mit Erfolg absolvieren. Nach alledem lägen die Voraussetzungen für einen Ausnahmefall vor und könne ihm die Rückkehr in die Türkei nicht zugemutet werden. Schließlich sei er auch nach Maßgabe der Art. 6 und 7 Satz 1 ARB 1/80 zum weiteren Aufenthalt in Deutschland berechtigt.

Der Kläger hat beantragt,

die Verfügung vom 31. Juli 2002 und den dazu ergangenen Widerspruchsbescheid vom 22. April 2003 aufzuheben.

Die Beklagte hat

Klageabweisung

beantragt und sich zur Begründung auf die Darlegungen in den angefochtenen Bescheiden bezogen.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 26. September 2003 ergangenem Urteil abgewiesen. Es hat im Wesentlichen ausgeführt: Die Ausweisung des Klägers sei nicht zu beanstanden. Der Kläger, der die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Ist-Ausweisung erfülle, allerdings auch besonderen Ausweisungsschutz genieße, sei auszuweisen, weil schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung die Ausweisung geböten und besondere Umstände, die eine von der normalen Lage abweichende Interessenbewertung zuließen, nicht gegeben seien. An die Bluttat in seiner frühesten Jugend habe der Kläger selbst keine Erinnerung. Das Aufwachsen bei den Großeltern sei noch nichts Ungewöhnliches; dass der Kläger deswegen in die Drogenszene abgeglitten sei, sei nicht zu erkennen. Es lägen auch mit Blick auf die Straftaten keine eine Ausnahme rechtfertigenden Besonderheiten vor. Die Ausweisung des Klägers sei schließlich aus spezialpräventiven Gründen erforderlich, da nicht davon ausgegangen werden könne, dass der Kläger, der immer noch drogenabhängig sei und über keine Existenzgrundlage verfüge und der sich auch noch nicht in ausreichender Weise mit seinen Straftaten auseinandergesetzt habe, nicht erneut straffällig werde. Dass er eine Drogenentwöhnungstherapie beabsichtige, stehe der Ausweisung nicht entgegen; eine solche könne er auch in der Türkei absolvieren. Die Ausweisung erweise sich des Weiteren nicht mit Blick auf die familiären Bindungen des Klägers im Bundesgebiet als rechtswidrig. Er verfüge hier nämlich gar nicht über nennenswerte Bindungen dieser Art. Andererseits lebten in der Türkei jedenfalls noch ein Onkel und eine Tante von ihm. Schließlich sei der Kläger des Türkischen jedenfalls insoweit mächtig, dass er sich in der Türkei zurechtfinden könne. Ob der Kläger auf der Grundlage des ARB 1/80 zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt sei, könne dahingestellt bleiben, da sich die Ausweisung auch vor dem Hintergrund der in Art. 14 ARB 1/80 getroffenen Regelung als gerechtfertigt erweise.

Auf den Antrag des Klägers hat der Senat mit Beschluss vom 8. Juni 2004 die Berufung zugelassen, die der Kläger sodann fristgerecht begründet hat. Er wiederholt hierzu im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen. Ergänzend weist er darauf hin, dass er regelmäßige Termine beim Anstaltspsychologen wahrnehme, in denen die Drogenproblematik und die Familiengeschichte aufgearbeitet würden, und dass er inzwischen an einem Anti-Gewalt-Training teilgenommen habe. Zudem beruft er sich auf die geänderte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Ausweisung eines nach dem ARB 1/80 zum Aufenthalt in Deutschland berechtigten Türken und vertritt hierzu die Auffassung, dass er jedenfalls über seinen Großvater die Rechtsstellung des Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 erlangt habe.

Mit Blick auf das betreffende Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. August 2004 - 1 C 29.02 - (EZAR 037, Nr. 10) hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 10. Januar 2005 eine Stellungnahme ihrer Ausländerbehörde vom 7. Januar 2005 zu den Akten gereicht, in der vorsorglich Ermessenserwägungen zur Ausweisung des Klägers getroffen sind.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils den Bescheid der Beklagten vom 31. Juli 2002 und den hierzu ergangenen Widerspruchsbescheid vom 22. April 2003 in der Gestalt der Stellungnahme der Beklagten vom 7./10. Januar 2005 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des Verwaltungsgerichts für zutreffend und geht dabei davon aus, dass dem Kläger kein Aufenthaltsrecht auf der Grundlage des ARB 1/80 zusteht. Ihrer Auffassung nach erweist sich die Ausweisung aber jedenfalls als Ermessensentscheidung mit der in ihrer Stellungnahme vom 7./10. Januar 2005 gegebenen Begründung als rechtens.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der von den Beteiligten zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätze sowie der zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.

Der Kläger wird durch die von der Beklagten verfügte Ausweisung in seinen Rechten verletzt. Das gilt auch, soweit die Beklagte in ihrer Stellungnahme vom 7./10. Januar 2005 im Nachhinein vorsorglich Ermessen ausgeübt und damit die Ausweisung hilfsweise als Ermessensentscheidung ausgestaltet hat.

Soweit die Beklagte die Ausweisung vorrangig auf §§ 47 Abs. 1 Nrn. 1 und 2, Abs. 3 Satz 1, 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 AuslG gestützt und damit als Regelausweisung getroffen hat, erweist sich ihr Vorgehen als rechtswidrig, da diese Bestimmungen im Falle des Klägers nicht zur Anwendung gelangen.

Dem Kläger steht ein supranationales Aufenthaltsrecht nach Art. 7 Satz 1 2. Spiegelstrich ARB 1/80 zu. Er kann daher nur auf der Grundlage einer ausländerbehördlichen Ermessensentscheidung gemäß §§ 45, 46 AuslG ausgewiesen werden.

Nach Art. 7 Satz 1 2. Spiegelstrich ARB 1/80 haben Familienangehörige eines dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates angehörenden türkischen Arbeitnehmers, die die Genehmigung erhalten haben, zu ihm zu ziehen, freien Zugang zu jeder von ihnen gewählten Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis, wenn sie dort seit mindestens 5 Jahren ihren ordnungsgemäßen Wohnsitz haben. Die praktische Wirksamkeit dieses Rechts auf freien Beschäftigungszugang setzt zwangsläufig die Existenz eines entsprechenden Aufenthaltsrechts voraus, das ebenfalls auf dem Gemeinschaftsrecht beruht und vom Fortbestehen der Voraussetzungen für den Zugang zu diesen Rechten unabhängig ist (st. Rechtspr. des EuGH, grundlegend Urteil vom 16. März 2000 - Rs. C-329/97 -, InfAuslR 2000 S. 217 f.; ferner z.B. Urteil vom 11. November 2004 - Rs. C-467/02 -, DVBl 2005, S. 103 f.).

Die Rechtsstellung nach Art. 7 Satz 1 2. Spiegelstrich ARB 1/80 hat der Kläger jedenfalls dadurch erlangt, dass er in der Zeit zwischen der Bestellung seines Großvaters - väterlicherseits - zu seinem Vormund mit Beschluss des Amtsgerichts N. vom 26. Juli 1982 und dem Ende der letzten Beschäftigung des Großvaters am 20. November 1988 seinen ordnungsgemäßen Wohnsitz bei dem Großvater gehabt hat.

Dem steht zunächst nicht entgegen, dass der Kläger nicht die - aufenthaltsrechtliche - Genehmigung erhalten hat, zu dem Großvater zu ziehen, sondern im Bundesgebiet geboren wurde und bis zu seinem 16. Lebensjahr keiner Aufenthaltserlaubnis bedurfte (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 des Ausländergesetzes vom 28. April 1965). Die Voraussetzung der Familiennachzugsgenehmigung bezweckt, diejenigen Familienangehörigen des türkischen Arbeitnehmers vom Anwendungsbereich des Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 auszunehmen, die unter Verstoß gegen Vorschriften des Aufnahmemitgliedstaats in dessen Hoheitsgebiet eingereist sind und dort wohnen. Sie kann daher nicht einem Familienangehörigen des Wanderarbeitnehmers entgegengehalten werden, der keine Erlaubnis benötigte, um zu demselben zu ziehen, weil er im Aufnahmemitgliedstaat geboren wurde und sich dort genehmigungsfrei aufgehalten hat (vgl. EuGH, Urteil vom 11. November 2004 - Rs. C-467/02 -, a.a.O.; so auch zuvor schon die überwiegende Meinung in Rechtsprechung und Literatur, vgl. z.B. BayVGH, Urteil vom 25. November 2001 - 10 B 00.1873 -, InfAuslR 2001, S. 494 f.; GK AuslR, Stand: September 2004, Rdnr. 29 zu Art. 7 ARB 1/80; Hailbronner, AuslR, Stand; September 2004, Rdnr. 12 zu Art. 7 ARB 1/80; zweifelnd VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 17. April 2002 - 11 S 1823/01 -, InfAuslR 2002, S. 375 f.).

Der Kläger ist ferner in dem hier in Rede stehenden Zeitraum Familienangehöriger des Großvaters gewesen. Wie der EuGH in seinem Urteil vom 30. September 2004 - Rs. C-275/02 - (InfAuslR 2004, S. 416 f.) klargestellt hat (vgl. zum bisherigen Meinungsstand insbesondere GK AuslR, a.a.O., Rdnrn. 42 f.; Hailbronner, a.a.O., Rdnr. 33 f.), ist bei der Bestimmung der Bedeutung des Begriffs "Familienangehöriger" in Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 auf die dem gleichen Begriff im Bereich der Freizügigkeit der Arbeitnehmer aus den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft gegebene Auslegung abzustellen, insbesondere auf die Art. 10 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1612/68 des Rats der EWG zuerkannte Bedeutung. Nach Art. 10 Abs. 1 dieser Verordnung gehören zu den Familienangehörigen u.a. die Verwandten in absteigender Linie, die noch nicht 21 Jahre alt sind oder denen Unterhalt gewährt wird. Als Enkel ist der Kläger Verwandter des Großvaters in absteigender Linie. Zu der damaligen Zeit war der Kläger zudem noch keine 21 Jahre alt. Darüber hinaus wurde er vom Großvater, der zu seinem Vormund bestellt worden war und der ihn in seine Familie aufgenommen hatte, unterhalten. Soweit in der angeführten Entscheidung des EuGH gefordert wird, dass der Verwandte (dort: der Stiefsohn) die Genehmigung erhalten haben müsse, zu dem Arbeitnehmer in den Aufnahmemitgliedstaat zu ziehen, wird damit auf die - zufolge der obigen Ausführungen in Fällen der vorliegenden Art bedeutungslose - Voraussetzung der Familiennachzugsgenehmigung abgestellt. Mit der grundsätzlichen Erforderlichkeit einer Nachzugsgenehmigung für den Familienangehörigen im Sinne von § 10 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1612/68 ist sichergestellt, dass sich ein supranationales Aufenthaltsrecht nach Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 für aufenthaltsgenehmigungspflichtige Verwandte in dem aufgezeigten weiten Sinne nur ergeben kann, wenn ihnen zuvor nach Maßgabe des - engeren - Ausländerrechts (vgl. hierzu insbesondere § 22 AuslG bzw. § 36 des am 1. Januar 2005 in Kraft getretenen Aufenthaltsgesetzes - AufenthG -) eine Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke der Familienzusammenführung mit dem im Bundesgebiet lebenden Verwandten erteilt worden war.

Des Weiteren hat der Großvater des Klägers in der Zeit vom 26. Juli 1982 bis zum 20. November 1988 dem regulären Arbeitsmarkt der Bundesrepublik Deutschland angehört. Die Arbeitsmarktzugehörigkeit ist für die gesamte unter den 2 Spiegelstrichen des Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 geforderte Wohnsitzdauer - die ihrerseits (grundsätzlich) das ununterbrochene tatsächliche Zusammenleben mit dem Wanderarbeitnehmer in häuslicher Gemeinschaft für den betreffenden Zeitraum verlangt (vgl. hierzu grundlegend EuGH, Urteil vom 17. April 1997 - Rs. C-351/95 -, InfAuslR 1997, S. 281 f.) - vorausgesetzt. Dem eindeutigen Wortlaut des Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 nach ist es demgegenüber nicht notwendig, dass der türkische Arbeitnehmer bereits eine der Verfestigungsstufen des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 - oder der Vorgängerregelung des Art. 2 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 2/76 des Assoziationsrates EWG/Türkei über die Entwicklung der Assoziation (ARB 2/76) - erreicht hat oder doch jedenfalls während der geforderten Wohnsitzdauer erreicht. Anderes ergibt sich auch nicht aus dem Zweck der Vorschrift, die der Erleichterung des Aufenthalts und der Beschäftigung des türkischen Arbeitnehmers durch Förderung der Familienzusammenführung im Aufnahmemitgliedstaat dient.

Der Begriff "regulärer Arbeitsmarkt" bezeichnet die Gesamtheit der Arbeitnehmer, die den Rechts- und Verwaltungsvorschriften des betroffenen Staates nachkommen und somit das Recht haben, eine Berufstätigkeit in seinem Hoheitsgebiet auszuüben (vgl. EuGH, Urteil vom 26. November 1998 - Rs. C-1/97 -, InfAuslR 1999, S. 6 f.; BVerwG, Urteil vom 19. September 2000 - 1 C 13.00 -, InfAuslR 2001, S. 61 f.). Die Zugehörigkeit eines türkischen Staatsangehörigen zum regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates erfordert damit zunächst, dass er die Rechtsvorschriften des Aufnahmemitgliedstaats über die Einreise in das Hoheitsgebiet und die Ausübung einer Tätigkeit im Lohn- oder Gehaltsverhältnis beachtet hat (vgl. z.B. EuGH, Urteil vom 10. Februar 2000 - Rs. C-340/97 -, DVBl 2000, S. 550 f.). Von hier nicht weiter interessierenden Einzelanforderungen abgesehen ist zudem vorausgesetzt, dass er über ein gesichertes Aufenthaltsrecht in dem betreffenden Mitgliedstaat verfügt (vgl. z.B. EuGH, Urteil vom 20. Mai 1990 - Rs. C-192/89 -, DVBl 1991, S. 529 f.) und dort auf einer der innerstaatlichen Arbeitsplatzvermittlung zur Verfügung stehenden Stelle im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses eine tatsächliche und echte wirtschaftliche Tätigkeit ausübt (vgl. z.B. HessVGH, Beschluss vom 25. Mai 2000 - 12 TG 574/00 -, InfAuslR 2000, S. 370 f.; EuGH, Urteil vom 26. November 1998 - Rs. C-1/97 -, a.a.O.; BVerwG, Urteil vom 19. September 2000 - 1 C 13.00 -, a.a.O.).

Der Großvater des Klägers hat in dem besagten Zeitraum diese Voraussetzungen erfüllt. Nachdem er von 1968 an über befristete Aufenthaltserlaubnisse verfügt hatte, besitzt er seit dem 5. August 1982 eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis. Ihm wurde am 9. Januar 1980 eine unbefristete Arbeitserlaubnis erteilt. Mit Blick auf sein Aufenthaltsrecht ab 1968 sowie die während dieser Zeit ausgeübten Beschäftigungen hat der Senat im Übrigen keinen Zweifel daran, dass er auch in den vorausgegangenen 12 Jahren über eine Arbeitserlaubnis bzw. befristete Arbeitserlaubnisse verfügte; so wird denn auch in dem Arbeitserlaubnisantrag vom 5. November 1979 eine "letzte Arbeitserlaubnis" erwähnt. In dem hier behandelten Zeitraum war er bei verschiedenen Firmen in Deutschland tätig.

Dass er in dem hier zugrunde gelegten Zeitraum ausweislich des Rentenbescheids vom 17. Oktober 1989 zweimal krank war bzw. sich in einer "Gesundheitsmaßnahme" befand - einmal für sechs und einmal für acht Tage - und mehrmals arbeitslos war - vornehmlich für zwei bis drei Monate im Winter, einmal aber auch für knapp ein Jahr (vom 1. November 1983 bis zum 20. Oktober 1984) -, steht der Annahme durchgängiger Zugehörigkeit zum regulären Arbeitsmarkt der Bundesrepublik Deutschland nicht entgegen. Ein türkischer Wanderarbeitnehmer verliert die einmal erlangte Zugehörigkeit zum regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats nur, wenn er den Arbeitsmarkt endgültig verlassen hat (vgl. z.B. EuGH, Urteil vom 10. Februar 2000 - Rs. C-340/97 -, a.a.O.; Urteil vom 6. Juni 1995 - Rs. C-434/93 -, InfAuslR 1995, S. 261 f.). Dazu, wann das der Fall ist, besagt Art. 6 Abs. 2 ARB 1/80 nichts. Diese Bestimmung dient nämlich lediglich dazu, die Konsequenzen bestimmter Arbeitsunterbrechungen für die Anwendung von Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 - das Recht auf Weiterbeschäftigung bei demselben Arbeitnehmer, auf Aufnahme einer Beschäftigung im gleichen Beruf und auf Aufnahme jedweder Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltverhältnis einschließlich der damit einhergehenden Aufenthaltsrechte - zu regeln (vgl. z.B. EuGH, Urteil vom 6. Juni 1995 - Rs. C-434/93 -, a.a.O.). Zu berücksichtigen ist ferner, dass es hier nicht darum geht, wie lange es das Assoziationsrecht - das Gebot der praktischen Wirksamkeit des Art. 6 ARB 1/80 - dem Großvater des Klägers erlaubt hätte, nach dem Eintritt von Arbeitslosigkeit im Bundesgebiet zu verbleiben, um eine neue Arbeitsstelle zu finden. Es stellt sich vielmehr allein die Frage, ob der Großvater, der zu den hier in Rede stehenden "Fehlzeiten" nach dem Recht der Bundesrepublik zum Daueraufenthalt in Deutschland und uneingeschränkt zur Arbeit hier berechtigt war, ungeachtet dessen während dieser Zeiträume vorübergehend nicht dem regulären Arbeitsmarkt im Bundesgebiet angehörte. Davon kann, wie keiner weiteren Vertiefung bedarf, hinsichtlich der zwei krankheitsbedingten "Fehlzeiten" von jeweils rund einer Woche nicht die Rede sein.

Der Großvater gehörte aber auch in den Zeiten seiner Arbeitslosigkeit noch dem regulären Arbeitsmarkt der Bundesrepublik Deutschland an. Dazu ist zunächst klarzustellen, dass es im hier behandelten Zusammenhang nicht darauf ankommt, ob es sich - im Sinne von Art. 6 Abs. 2 ARB 1/80 - um "verschuldete" oder "unverschuldete" Arbeitslosigkeiten handelte. Gleichwohl sei insoweit hervorgehoben, dass nach dem Rentenbescheid vom 17. Oktober 1989 "unverschuldete" Arbeitslosigkeiten vorgelegen haben dürften, da der Großvater über die gesamten betreffenden Zeiträume hinweg "AFG-Leistungen" bezogen haben soll (vgl. hierzu die Sperrzeitregelung in § 119 des seinerzeit noch geltenden Arbeitsförderungsgesetzes - AFG -, heute § 144 des Sozialgesetzbuchs 3. Buch - SGB III -). Dass Arbeitslosigkeit - auch eine "verschuldete" - nicht schon für sich gesehen zum Ausscheiden aus dem regulären Arbeitsmarkt führt, ergibt sich bereits daraus, dass Art. 6 Abs. 2 ARB 1/80, der u.a. eine Regelung zur "unverschuldeten" Arbeitslosigkeit trifft, nur Anwendung findet, wenn der türkische Staatsangehörige noch dem regulären Arbeitsmarkt angehört (vgl. z.B. EuGH, Urteil vom 6. Juni 1995 - Rs. C-434/93 -, a.a.O.), bzw. dass sich jedenfalls auf der dritten Verfestigungsstufe des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 auch in Fällen der "verschuldeten" - "freiwilligen" - Arbeitslosigkeit ein Aufenthaltsrecht des Wanderarbeitnehmers zur Arbeitssuche ergibt, "sofern er weiterhin dem regulären Arbeitsmarkt des betreffenden Mitgliedstaats angehört" (vgl. EuGH, Urteil vom 23. Januar 1997 - Rs. C-171/95 -, NVwZ 1997, S. 677 f.). Bei Arbeitslosigkeit mangelt es nur dann an einer weiteren Zugehörigkeit zum regulären Arbeitsmarkt des Aufnahmemitgliedstaats, wenn der türkische Arbeitnehmer nicht (mehr) vermittelbar bzw. als Dauerarbeitsloser zu betrachten ist oder wenn ihm an einer erneuten ordnungsgemäßen Beschäftigung nicht (mehr) gelegen ist und er es deshalb unterlässt, sich ernsthaft um eine Arbeitsstelle zu bemühen (vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 6. Juni 1995 - Rs. C-434/93 -, a.a.O.; Urteil vom 23. Januar 1997 - Rs. C-171/95 -, a.a.O.; Urteil vom 10. Februar 2000 - Rs. C-340/97 -, a.a.O.; Beschluss des Senats vom 10. März 1997 - 10 B 10011/97.OVG -, InfAuslR 1997, S. 192 f.; Hailbronner, a.a.O., Rdnr. 17 zu Art. 6 ARB 1/80; GK AuslR, a.a.O., Rdnr. 179.2 zu Art. 6 ARB 1/80). Von letzterem kann in keinem der Fälle von Arbeitslosigkeit des Großvaters des Klägers in dem hier in Rede stehenden Zeitraum ausgegangen werden, bezog der Großvater doch, wie oben bereits festgestellt, stets - und dabei jeweils für die gesamte Zeit der Arbeitslosigkeit - "AFG-Leistungen", was u.a. voraussetzte, dass er der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stand - und so bereit war, jede zumutbare Beschäftigung anzunehmen, die er ausüben konnte - und sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet hatte (vgl. §§ 100, 103 AFG, heute §§ 117 f. SGB III). Ob, was das Ausscheiden aus dem regulären Arbeitsmarkt aus Gründen der Unvermittelbarkeit bzw. Dauerarbeitslosigkeit angeht, von einer "allgemeinen Richtschnur" von 6 Monaten vergeblicher Arbeitssuche, also der Zeit, die "vernünftigerweise" benötigt wird, um eine neue Beschäftigung zu finden - eine Grenze, die der Großvater nur bei seiner Arbeitslosigkeit vom 1. November 1983 bis zum 20. Oktober 1984 überschritten haben könnte - auszugehen ist, kann hier letztlich dahingestellt bleiben, da es sich insofern - wie gesagt - nur um eine "allgemeine Richtschnur" handelte, die den Nachweis darüber hinausgehender Vermittelbarkeit erlaubte, der hier dadurch erbracht wäre, dass der Großvater ab dem 21. Oktober 1984 wieder in Arbeit stand.

Was schließlich die - grundsätzliche - Voraussetzung der ununterbrochenen familiären Lebensgemeinschaft mit dem dem regulären Arbeitsmarkt angehörenden türkischen Arbeitnehmer über den in Art. 7 Satz 1 2. Spiegelstrich ARB 1/80 vorausgesetzte Zeitraum betrifft, ist hier nur noch nachzutragen, dass der Kläger vom 26. Juli 1982 bis zum 20. November 1988 tatsächlich solchermaßen mit seinem Großvater verbunden war. Er war in der Zeit nicht nur bei dem Großvater polizeilich gemeldet - wie die vorgelegte Meldebescheinigung vom 26. Oktober 2004 belegt -, sondern hat in dem Zeitraum auch tatsächlich mit ihm zusammengelebt. Dem steht der noch während seiner Grundschulzeit erfolgte Wechsel zu einer Heimschule - sollte der sich denn überhaupt noch während dieses Zeitabschnitts vollzogen haben - schon deshalb nicht entgegen, weil er dort nur über Tag untergebracht war und abends in den Haushalt der Großeltern zurückkehrte (vgl. die Sitzungsniederschrift des Verwaltungsgerichts vom 26. September 2003 sowie den von der Beklagten zu den Akten gereichten "Werdegang" des Klägers, Anlage 11 des Schriftsatzes vom 26. Oktober 2004). Im Übrigen wäre aber auch eine vorübergehende - und noch vor dem 20. November 1988 beginnende - vollstationäre Unterbringung des Klägers in der Heimschule (wovon offenbar das Verwaltungsgericht ausgegangen ist, vgl. UA S. 2 unten) in dem hier behandelten Zusammenhang "unschädlich", da ein tatsächliches Zusammenleben nicht ausnahmslos vorausgesetzt ist, dass es darauf vielmehr dann nicht ankommt, wenn objektive Gegebenheiten es rechtfertigen, dass Wanderarbeitnehmer und Familienangehöriger nicht in häuslicher Gemeinschaft leben (vgl. EuGH, Urteil vom 17. April 1997 - Rs. C-351/95 -, a.a.O.).

Hat der Kläger nach alledem durch seine Aufnahme beim Großvater - auch - in dem behandelten Zeitraum die - zugleich ein supranationales Aufenthaltsrecht beinhaltende - Rechtsstellung des Art. 7 Satz 1 2. Spiegelstrich ARB 1/80 einmal erlangt, könnte die Beklagte ihn gleichwohl allein auf der Grundlage des deutschen Ausländerrechts ausweisen, wenn er diese Rechtsstellung nachträglich wieder verloren hätte. Das ist aber nicht der Fall.

So ist zunächst festzustellen, dass er die aus dieser Vorschrift folgenden Rechte nicht dadurch verloren hat, dass sein Großvater inzwischen aus dem regulären Arbeitsmarkt der Bundesrepublik Deutschland ausgeschieden ist, mag dies nun mit dem Ende seiner letzten Beschäftigung und dem Beginn der "Ausfallzeit" laut Rentenbescheid oder erst mit seiner Verrentung ab dem 27. Juli 1989 geschehen sein. Wie der EuGH in seiner Entscheidung vom 11. November 2004 - Rs. C-467/02 - (a.a.O.) festgestellt hat, können die Rechte, die dem Familienangehörigen eines dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats angehörenden türkischen Arbeitnehmers einmal durch Art. 7 Satz 1 2. Spiegelstrich ARB 1/80 verliehen sind, nicht mehr dadurch genommen werden, dass der türkische Arbeitnehmer nicht mehr dem regulären Arbeitsmarkt des Aufnahmemitgliedstaats angehört, etwa weil er seinen Rentenanspruch geltend gemacht hat. Schon in seinem Urteil vom 16. März 2000 - Rs. C-329/97 - (a.a.O.) hatte der Gerichtshof darauf hingewiesen, dass die einmal nach Art. 7 Satz 1 2. Gedankenstrich ARB 1/80 entstandenen Rechte vom Fortbestand der Voraussetzungen für den Zugang zu diesen Rechten unabhängig seien.

Das einmal erworbene Beschäftigungszugangs- und Aufenthaltsrecht des Klägers ist auch nicht dadurch untergegangen, dass der Kläger nach seinem Abgang von der Schule weder eine Berufsausbildung absolviert noch einen festen Arbeitsplatz erlangt, sondern in der Zeit bis zu seiner Inhaftierung am 24. Februar 2001 nur ganz vereinzelt und insgesamt für lediglich etwa ein halbes Jahr gearbeitet hat. Auch das ergibt sich aus dem Urteil des EuGH vom 11. November 2004 - Rs. C-467/02 - (a.a.O.), das einen ganz ähnlich gelagerten Fall eines nach Art. 7 Satz 1 2. Spiegelstrich ARB 1/80 berechtigten Familienangehörigen betrifft. In ihm hat der Gerichtshof klargestellt, dass es sich bei den in seinem Urteil vom 16. März 2000 - Rs. C-329/97 - (a.a.O.) aufgeführten Beispielen für eine Begrenzung des aus Art. 7 Satz 1 2. Spiegelstrich ARB 1/80 folgenden Aufenthaltsrechts um eine abschließende Aufzählung handelt, dass mit anderen Worten die hiernach einmal erworbenen Rechte nur dann verloren gehen, wenn der Familienangehörige das Gebiet des Aufnahmemitgliedstaats für einen nicht unerheblichen Zeitraum ohne berechtigte Gründe verlässt oder wenn zulässigerweise von der durch Art. 14 ARB 1/80 eröffneten Möglichkeit einer Begrenzung des Aufenthalts Gebrauch gemacht wird. Das entspricht auch der zuvor schon insbesondere vom BayVGH in seinem Urteil vom 15. November 2001 - 10 B 00.1873 - (a.a.O.; vgl. des Weiteren z.B. Beschluss vom 18. März 2002 - 10 CS 01.2823 -, AuAS 2002, S. 146 f.) vertretenen Auffassung. In ihm hatte der BayVGH vor allem bereits hervorgehoben, dass sich aus Art. 7 Satz 1 2. Spiegelstrich ARB 1/80 ein Beschäftigungszugangsrecht ergibt und dass das supranationale Aufenthaltsrecht von daher nicht davon abhängig ist, dass dieses Recht auch sofort wahrgenommen wird. Ob, was der BayVGH in seiner Entscheidung noch offen gelassen hatte, das Aufenthaltsrecht entfällt, wenn das Familienmitglied dem Arbeitsmarkt auch in Zukunft überhaupt nicht zur Verfügung steht, kann gleichermaßen hier dahinstehen, da ein solcher Fall vorliegend ebenfalls nicht gegeben ist. Die Frage lässt sich im Übrigen aber auch nach der oben beschriebenen Klarstellung des EuGH in seinem Urteil vom 11. November 2004 - Rs. C-467/02 - (a.a.O.) verneinen. Abschließend weist der Senat darauf hin, dass die Rechtsmeinung des EuGH in besonderer Weise dem alleinigen Zweck der in Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 getroffenen Regelung entspricht, nach dem es allein darum geht, einem bereits dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates angehörenden türkischen Arbeitnehmer die Beschäftigung und den Aufenthalt zu erleichtern, die Begünstigung des betreffenden Familienangehörigen - welcher Staatsangehörigkeit auch immer - mithin letztlich nur ein "Reflex" ist.

Wie aus dem zuvor Gesagten folgt, berührt es das supranationale Aufenthaltsrecht des Klägers des Weiteren nicht, dass er sich seit dem 24. Februar 2001 in Haft befindet, aus der er voraussichtlich am 26. Januar 2005 entlassen werden wird. Dass eine Strafhaft das Aufenthaltsrecht aus Art. 7 Satz 1 2. Spiegelstrich ARB 1/80 nicht beendet, hat der EuGH in der Entscheidung vom 11. November 2004 - Rs. C-467/02 - (a.a.O.) auch ausdrücklich hervorgehoben.

Verfügt der Kläger nach alledem über ein aus Art. 7 Satz 1 2. Spiegelstrich ARB 1/80 herzuleitendes Aufenthaltsrecht, so kann er nur nach Maßgabe des Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 aufgrund einer reinen Ermessensentscheidung ausgewiesen werden. Wie das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 3. August 2004 - 1 C 29.02 - (a.a.O.) in Abänderung seiner bisherigen Rechtsprechung feststellt hat, dürfen türkische Staatsangehörige, die ein Aufenthaltsrecht nach dem ARB 1/80 besitzen, nur auf der Grundlage einer ausländerbehördlichen Ermessensentscheidung gemäß §§ 45, 46 AuslG ausgewiesen werden, wobei für die gerichtliche Überprüfung solcher Ausweisungen auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Tatsachengerichts abzustellen ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat damit die Rechtsprechung des EuGH in dessen Urteil vom 29. April 2004 - Rs. C-482 und 493/01 - (InfAuslR 2004, S. 268 f.), das die Ausweisung von freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgern betrifft, auf die Ausweisung türkischer Staatsangehöriger übertragen, die ein Aufenthaltsrecht nach dem ARB 1/80 besitzen. Hierzu hat es darauf hingewiesen, dass es bereits im Hinblick auf die bisherige Rechtsprechung des EuGH zur rechtlichen Qualifizierung des ARB 1/80 und seinem Zweck und zur Übertragbarkeit von gemeinschaftsrechtlichen Grundsätzen auf über Rechte nach dem ARB 1/80 verfügende türkische Arbeitnehmer - insbesondere auch im Rahmen des Art. 14 ARB 1/80 - nahe liege, den gemeinschaftsrechtlichen Ausweisungsschutz für nach dem ARB 1/80 aufenthaltsberechtigte Türken in gleicher Weise materiell-rechtlich zu begründen und auszugestalten wie bei freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgern; es seien auch keine Gründe ersichtlich, die einer Übertragung dieser Maßstäbe entgegenstünden; das gelte auch für das Erfordernis einer Ermessensentscheidung und die Frage des für die gerichtliche Kontrolle maßgeblichen Zeitpunkts. Der Senat schließt sich dieser geänderten Rechtsprechung an. Hierzu ist lediglich ergänzend hervorzuheben, dass inzwischen auch der EuGH selbst in seinem Urteil vom 11. November 2004 - Rs. C-467/02 - (a.a.O.) jedenfalls mit Blick auf den maßgeblichen Zeitpunkt für die gerichtliche Überprüfung einer Ausweisung auf der Grundlage des Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 klargestellt hat, dass insoweit dasselbe gelte wie gemäß seiner Entscheidung vom 29. April 2004 - Rs. C-482 und 493/01 - (a.a.O.) im Falle der Ausweisung eines freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgers.

Die Ausweisung des Klägers kann aber auch keinen Bestand haben mit Rücksicht auf die vorsorglichen Ermessenserwägungen der Beklagten in ihrer Stellungnahme vom 7./10. Januar 2005. Mit diesen hat die Beklagte die Ausweisung zulässigerweise im Nachhinein und mit Beachtlichkeit für das vorliegende Verfahren hilfsweise als Ermessensentscheidung ausgestaltet.

In seinem Urteil vom 3. August 2004 - 1 C 29.02 - (a.a.O.) hat es das Bundesverwaltungsgericht für notwendig erachtet, dass in allen zu der Zeit und bis zum 31. Januar 2005 anhängig werdenden Verwaltungsstreitverfahren von nach dem ARB 1/80 aufenthaltsberechtigten türkischen Staatsangehörigen, die im Wege einer Ist- oder Regelausweisung nach § 47 Abs. 1 und 2 AuslG ausgewiesen worden sind, den Ausländerbehörden mit Rücksicht auf die Änderung der Rechtsprechung des Gerichts auch Gelegenheit gegeben wird, eine danach erforderliche Ermessensentscheidung nachzuholen. Wie sich von selbst versteht, hat das Bundesverwaltungsgericht damit zugleich klargestellt, dass in solchen Fällen für die genannte Übergangszeit während eines bereits anhängigen Verwaltungsprozesses (mit Wirkung "ex nunc" und unter Änderung des bisherigen Streitgegenstands) von einer gebundenen Ausweisungsentscheidung - auch die Ausweisung nach § 47 Abs. 2 AuslG ist, sofern kein Ausnahmefall vorliegt, eine solche - zu einer Ermessensausweisung übergegangen werden kann. Das muss für eine lediglich hilfsweise Ersetzung der gebundenen Ausweisungsentscheidung durch eine Ermessensausweisung ebenfalls gelten.

Auch als Ermessensentscheidung erweist sich die Ausweisung des Klägers als rechtswidrig. Es liegen zwar auch zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Ausweisung des Klägers im Ermessenswege nach Maßgabe des Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 vor. Die Ermessensausübung der Beklagten ist jedoch fehlerhaft.

Der Kläger, der aufgrund seiner mehrfachen strafgerichtlichen Verurteilungen den Tatbestand des § 46 Nr. 2 AuslG bzw. des § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG erfüllt, kann unter Berücksichtigung des Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 - nur - ausgewiesen werden, wenn - gegenwärtig - von ihm persönlich eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung der öffentlichen Ordnung ausgeht, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt (vgl. z.B. EuGH, Urteil vom 29. April 2004 - Rs. C-482 und 493/01 -, a.a.O.; Urteil vom 11. November 2004 - Rs. C-467/02 -, a.a.O.; BVerwG, Urteil vom 3. August 2004 - 1 C 29.02 -, a.a.O.), wenn mit anderen Worten - gegenwärtig - die konkrete Gefahr neuer erheblicher Straftaten des Klägers droht.

Das ist hier ungeachtet der Tatsache der Fall, dass der Kläger ausweislich der von ihm vorgelegten Bestätigung vom 27. September 2004 inzwischen an einem Anti-Gewalt-Training teilgenommen hat und sich seit nunmehr fast 4 Jahren in Haft befindet. Dabei stützt der Senat diese Prognose weniger auf den Umstand, dass der Kläger die den Verurteilungen vom 2. Juli 2001 und 10. Januar 2002 zugrunde liegenden Straftaten während des Laufs einer Bewährungszeit - aus der Verurteilung vom 20. Juli 2000 - begangen hat, sondern maßgeblich darauf, dass der Kläger nach wie vor drogenabhängig ist und sich bislang auch, was seine persönlichen Lebensumstände angeht, keine wesentlichen Änderungen ergeben haben, die ihm mehr Halt geben könnten.

Sämtliche den Verurteilungen des Klägers zu einer Jugendstrafe zugrunde liegenden Straftaten erfolgten vor dem Hintergrund seines eigenen Drogenkonsums - zunächst von Haschisch und später von Heroin -, mag der Kläger dabei auch auf entsprechende "Aufforderung" (vgl. das Strafurteil vom 26. September 1996), "aus Angst vor weiteren Repressalien" (vgl. das Strafurteil vom 20. Juli 2000) oder "unter dem Druck" bzw. "unter massivem Druck" eines anderen (vgl. die Strafurteile vom 2. Juli 2001 und vom 10. Januar 2002) tätig geworden sein.

Wie sich der von ihm vorgelegten Bescheinigung der Externen Drogenberatung JVA F. vom 22. Juni 2004 sowie den von ihm bzw. der Beklagten zu den Akten gereichten Stellungnahmen der JVA F. vom 10. und 21. Dezember 2004 ergibt, besteht bei dem Kläger - nach wie vor - eine langjährige chronische Opiatabhängigkeit, die eine stationäre Entwöhnungstherapie dringend erforderlich macht - welche jedoch bisher nicht stattgefunden hat. Der Kläger selbst stellt dies im Übrigen keineswegs in Abrede. So hat er auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht freimütig eingeräumt, gelegentlich merke er schon, dass der Drang - zum Drogenkonsum - noch vorhanden sei. Wie sich der Stellungnahme der JVA F. vom 21. Dezember 2004 entnehmen lässt, ist er denn auch diesem "Drang" noch in der Strafhaft erlegen: Er hat im Jahr 2004 nachweislich Cannabis konsumiert. Ob insofern, wovon die Beklagte in ihrer Stellungnahme vom 7./10. Januar 2005 ausgeht, mit Rücksicht darauf, dass in dem von ihr angeforderten Führungsbericht der JVA vom 21. Dezember 2004 unter der "Beschreibung" der Vollzugsbediensteten eine positive Urinkontrolle "im September 2004" und innerhalb der Stellungnahme des Sozialarbeiters ein positiver Drogentest "im Frühjahr 2004" erwähnt ist, zwei Vorfälle in Rede stehen, oder ob es insoweit nur um ein einziges Ereignis geht - zu dem in dem Bericht der JVA lediglich unterschiedliche Zeitangaben gemacht sind - ist dabei hier ohne wesentliche Bedeutung.

Ist der Kläger aber noch opiatabhängig, so besteht sehr wohl die konkrete Gefahr, dass er nach seiner Haftentlassung erneut Straftaten begehen wird, die im Zusammenhang mit dieser Abhängigkeit stehen und in ihrem Unrechtsgehalt nicht hinter denen zurückbleiben, die Gegenstand seiner Verurteilungen zu Jugendstrafen waren, mag er dabei auch aufgrund des absolvierten Anti-Gewalt-Trainings eher vor Gewalttaten, wie sie ihm mit der letzten Verurteilung zur Last gelegt worden sind, zurückschrecken. Insbesondere ist zu besorgen, dass er über kurz oder lang wieder dazu übergehen wird, wie in den betreffenden Kreisen weithin üblich und vordem auch von ihm selbst praktiziert zur Finanzierung seines eigenen Drogenkonsums Betäubungsmittel, auch sog. harte Drogen wie insbesondere Heroin, die gefährlichste Droge mit Blick auf die Gesundheit der Konsumenten, zu erwerben, um sie gewinnbringend weiter zu veräußern.

Nach dem gegenwärtigen Stand der Dinge kann auch nicht etwa davon ausgegangen werden, dass die aus der weiteren Drogenabhängigkeit des Klägers sich ergebende Gefährdung der öffentlichen Ordnung dadurch abgemildert wird, dass der Kläger nach seiner Haftentlassung auf Lebensumstände trifft, die dazu angetan sein könnten, ihn vor einem Rückfall in das Drogenmilieu zu bewahren. So hat der Kläger, der auch während des Strafvollzugs keine weitere Ausbildung genossen hat (vgl. den Führungsbericht der JVA F. vom 21. Dezember 2004), bislang keine konkrete Aussicht auf einen festen Arbeitsplatz. Wie sein Prozessbevollmächtigter in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, lässt sich auch eine Aufnahme des Klägers in den Betrieb eines Verwandten im Münchener Raum, wie sie zunächst geplant gewesen sein soll, nicht realisieren. Den Angaben des Prozessbevollmächtigten zufolge hat der Kläger bei diesem Verwandten zudem Wohnung nehmen wollen, was nun aber ebenfalls nicht mehr möglich sein soll. Ob die vom Prozessbevollmächtigten angesprochenen Bemühungen um eine Aufnahme des Klägers in eine Wohnanlage für Drogenabhängige in K. Aussicht auf Erfolg haben, lässt sich mangels konkreter Anhaltspunkte hierfür zurzeit nicht sagen. Damit muss gegenwärtig davon ausgegangen werden, dass der Kläger nach seiner Haftentlassung wieder bei seinen Großeltern Unterkunft finden wird, wie er es denn auch zufolge der Stellungnahme der JVA F. zu seiner bedingten Entlassung vom 10. Dezember 2004 beabsichtigt. Der Großvater hat den Kläger jedoch auch früher nicht davon abzuhalten vermocht, in die Drogenkriminalität abzugleiten. Mit einer Wohnsitznahme in N. wird der Kläger zudem erneut der Einflussnahmemöglichkeit des Personenkreises ausgesetzt sein, der auch vor seiner Inhaftierung seiner Drogenabhängigkeit Vorschub leistete bzw. diese ausnutzte. Dagegen wird der Kläger auch nicht etwa durch eine festere persönliche Bindung außerhalb des großelterlichen Haushaltes und des "alten Bekanntenkreises" mehr als zuvor gefeit sein. Dass insofern seine Schwester eine stärkere Stellung als früher erlangt haben könnte, wird von ihm selbst nicht geltend gemacht und vermag der Senat auch sonst nicht zu erkennen. Schließlich bietet auch die seinerseits geltend gemachte nach wie vor gegebene Absicht, sich einer Drogenentwöhnungstherapie zu unterziehen - an deren Ernsthaftigkeit zu zweifeln der Senat keinen Anlass hat (vgl. hierzu auch z.B. die Bescheinigung der Externen Drogenberatung JVA F. vom 22. Juni 2004 sowie die Stellungnahmen der JVA F. vom 10. und 21. Dezember 2004) - keine hinreichend verlässliche "Gewähr" dafür, dass ihm der "Absprung" in ein drogen- und damit straffreies Leben gelingen könnte. Zu sehen ist dabei nämlich in Sonderheit, dass es einige Zeit in Anspruch nehmen dürfte, bis er die Gelegenheit hätte, eine solche Therapie anzutreten - und es bereits in diesem Zeitraum dazu kommen könnte, dass er abermals seiner Drogenabhängigkeit erliegt und damit einhergehend in den "Sog" der Rauschgiftkriminalität gerät. Das gilt umso mehr mit Rücksicht darauf, dass der Kläger, wenn er nach vollständiger Verbüßung der Jugendstrafe entlassen wird, nicht der Betreuung durch einen Bewährungshelfer untersteht, wie sie in der Stellungnahme der JVA F. vom 10. Dezember 2004 noch ins Auge gefasst ist.

Ungeachtet alles dessen, ist es aber auch keineswegs von vornherein ausgeschlossen, dass von einer Ausweisung des Klägers aus dem Bundesgebiet ermessensfehlerfrei Abstand genommen wird, dass dem Kläger noch einmal die Chance zu einer bürgerlichen Existenz im Bundesgebiet eingeräumt wird. Mit Blick auf die gerade in seinem Einzelfall zu verzeichnenden Besonderheiten könnte es allenfalls dann - im Sinne einer Ermessensreduktion auf null - zwingend geboten sein, den Kläger aus dem Bundesgebiet zu entfernen, wenn sich keinerlei Anhaltspunkte für die Annahme ergäben, dass es dem Kläger nach seiner Haftentlassung gelingen könnte, fortan ein straffreies Leben zu führen, wenn mit anderen Worten neue Straftaten des Klägers erheblichen Gewichts geradezu die zwangsläufige Folge seiner Entlassung in die Freiheit darstellten. Dem ist hier jedoch nicht so. Hervorgehoben sei dazu insbesondere, dass zwar nicht davon ausgegangen werden kann, dass es aber auch keineswegs gänzlich ausgeschlossen erscheint, dass die Bemühungen des Klägers um eine Aufnahme in die Wohnanlage für Drogenabhängige - die das Fehlen eines Bewährungshelfers weithin ausgleichen könnte - alsbald nach seiner Entlassung Erfolg haben, und dass es ihm so auch gelingt, seinen festen Entschluss zu einer Drogenentwöhnungstherapie aufrechtzuerhalten und - womöglich sogar noch früher als gemeinhin zu erwarten wäre - in die Tat umzusetzen. Zu einem zielstrebigen Vorgehen in diese Richtung bestünde für den Kläger jedenfalls Anlass genug, da ihm, wenn noch einmal von seiner Ausweisung abgesehen werden sollte, klar sein müsste, dass es um eine "letzte Chance" für ihn geht.

Was die "Besonderheiten" im Falle des Klägers angeht, ist zunächst auf eine gewisse "Inkongruenz aus Rechtsgründen" hinzuweisen, die darin liegt, dass es bei der Ausweisung eines über ein Aufenthaltsrecht nach dem ARB 1/80 verfügenden türkischen Staatsangehörigen abweichend vom deutschen Ausweisungsrecht im Verwaltungsprozess nicht maßgeblich auf den Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung, sondern auf den der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Tatsachengerichts ankommt, womit namentlich auch spätere positive Entwicklungen Berücksichtigung finden müssen, dass eine solche Entwicklung jedoch in Fällen wie hier durch die ausländerbehördliche Ausweisungsentscheidung - auf deren Erlasszeitpunkt wie gesagt nicht abgestellt werden darf - verhindert sein kann, womit letztlich die gewollte assoziationsrechtliche Privilegierung faktisch - wenngleich in rechtlicher Hinsicht aus Gründen der Notwendigkeit einer Ausweisungsverfügung vor Erhebung der Anfechtungsklage unvermeidbar - unterlaufen wird. Wie der Kläger schon vor dem Verwaltungsgericht vorgetragen hat und auch mit der Berufungsbegründung geltend macht, ist der Umstand, dass er sich nicht bereits noch vor seiner Haftentlassung einer Drogenentwöhnungstherapie unterziehen konnte, auf seinen - aufgrund der Ausweisungsverfügung der Beklagten - ungeklärten Aufenthaltsstatus zurückzuführen. Die Richtigkeit dieses Vorbringens, dem die Beklagte im Übrigen nicht entgegengetreten ist, wird auch belegt durch die vom Kläger zu den Akten gereichten Bestätigungen der Externen Drogenberatung JVA F. vom 15. März 2003 und 22. Juni 2004. Ergänzend ist hierzu darauf hinzuweisen, dass in dem in die letzte Verurteilung des Klägers miteinbezogenen Urteil des Amtsgerichts N. vom 2. Juli 2001 ausdrücklich festgehalten ist, dass sich das Gericht nach einer Teilverbüßung der Jugendstrafe der Zurückstellung der Strafvollstreckung zwecks Absolvierung einer Therapie nicht verschließen werde.

Unabhängig hiervon zählt zu den zu Gunsten des Klägers zu berücksichtigenden "Besonderheiten" aber jedenfalls sein ungewöhnliches Lebensschicksal, das seine persönliche Entwicklung zumindest mitgeprägt, ihn aber auch mehr als sonst in die hiesigen Lebensverhältnisse eingebunden haben dürfte. Der Kläger ist durch die Tötung seiner Mutter und die anschließende Flucht seines Vaters in die Türkei und dessen Inhaftierung dort mit zwei Jahren praktisch zum Vollwaisen geworden, weswegen er - unter Tabuisierung des Themas Verlust der Eltern - in den Haushalt seiner - den Erziehungsvorstellungen eben dieser älteren Generation verhafteten - Großeltern aufgenommen werden musste und ihm zugleich ein normaler Umgang mit der Verwandtschaft mütterlicherseits versperrt war. So soll seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht zufolge die Großmutter mütterlicherseits ihn schon im Alter von sechs oder sieben Jahren dazu zu gewinnen versucht haben, an seinem Vater Rache zu üben, weswegen er sich unter Druck gefühlt und den Kontakt zu diesem Teil der Familie abgebrochen haben will. Dass diese "familiäre Problemsituation zu erheblichen psychischen Anforderungen bei dem ... (Kläger) führte", wie es im Strafurteil des Amtsgerichts N. vom 26. September 1996 heißt, drängt sich auf. Von daher geht die - im Rahmen der Prüfung, ob ein Regel- oder Ausnahmefall vorliegt, getroffene - Feststellung des Verwaltungsgerichts an der Sache vorbei, das Aufwachsen des Klägers bei den Großeltern stelle "keine Sonderheit" dar, weil auch andere Kinder bei den Großeltern aufwüchsen, wenn einzelne oder gar beide Elternteile ums Leben gekommen seien oder sich die Kernfamilie aus anderen Gründen aufgelöst habe, ohne dass von den Eltern weiterhin der ihnen obliegende Erziehungsauftrag wahrgenommen würde. - Wie hierzu ergänzend klargestellt sein mag, setzt im Übrigen das Vorliegen eines Ausnahmefalls keinen einmaligen Sachverhalt voraus -. Dass so auch die schließlich sogar die Sonderbeschulung des Klägers notwendig machenden Verhaltensauffälligkeiten letztlich auf die "familiäre Problemsituation" zurückzuführen sind, liegt jedenfalls nahe. Nach den Feststellungen in den Strafurteilen vom 2. Juli 2001 und 10. Januar 2002 lassen sich zudem "aufgrund seines Lebenslaufs" bzw. "aufgrund seiner Biographie" Reifeverzögerungen beim Kläger nicht ausschließen. Nach alledem hat der Senat denn auch keinen Anlass, die Richtigkeit des Vorbringens des Klägers in Zweifel zu ziehen, dass er sich schon ab frühester Jugend mehr und mehr der Einflussnahmemöglichkeit der Großeltern entzogen und Freunden zugewandt habe und so dann am Ende auch in ein Umfeld geraten sei, dass ihn mit Drogen in Kontakt gebracht habe. Hiervon ist im Übrigen das Verwaltungsgericht in seinem Urteil ebenfalls ausgegangen, wobei sich dann allerdings die Frage stellt, warum es gleichwohl "einen Wirkungszusammenhang" zwischen dem Aufwachsen des Klägers bei den Großeltern und seinem Abgleiten in die Drogenszene "nicht zu erkennen" vermocht hat.

Aus der dargestellten "Biographie" des Klägers folgt aber nun zugleich eine weitere zu seinen Gunsten zu berücksichtigende "Besonderheit". Durch seine "Flucht" aus der Obhut der Großeltern und seine teilstationäre Unterbringung in einer deutschen Heimschule während der meisten Jahre seiner Schulausbildung ist der Kläger jedenfalls weitaus mehr, als es gemeinhin bei hier geborenen Kindern türkischer Einwanderer der Fall ist, mit den deutschen Lebensgewohnheiten und gesellschaftlichen Verhältnissen, der deutschen Sprache und Kultur und der deutschen Mentalität vertraut, mag er deswegen auch noch kein de-facto-Inländer sein. Letzterem dürfte zumindest entgegenstehen, dass der Kläger des Türkischen - im Wort - doch wohl noch hinlänglich mächtig ist, wofür in der Tat die schon im erstinstanzlichen Urteil angeführten Gesichtspunkte sprechen, weswegen insoweit auf die dortige Würdigung Bezug genommen werden kann, die im Übrigen durch die von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vorgelegte Aktennotiz des Polizeipräsidiums Rheinpfalz vom 12. Januar 2005 bestätigt zu sein scheint; daneben dürfte der Kläger aber auch noch, nicht zuletzt eben durch die von ihm hervorgehobene Traditionsverbundenheit seiner Großeltern, mit denen er ja immerhin noch zusammenwohnte, einen Grundstock an türkischen Gepflogenheiten, Sitten und Gebräuchen vermittelt bekommen haben. Dass der Kläger tatsächlich, so wie er es geltend macht, in einem vornehmlich deutschen Freundeskreis Aufnahme fand, wird letztlich auch dadurch "belegt", dass - was bei jugendlichen türkischen Straftätern durchaus untypisch ist - sämtliche in den Strafurteilen als Mittäter, Unterstützer, Hintermänner oder auch Zeugen angeführten Personen offenbar Deutsche sind.

Schließlich stellt es auch durchaus eine "Besonderheit" zu Gunsten des Klägers dar, dass alle ihm in den Verurteilungen zu Jugendstrafen zur Last gelegten Delikte nicht aus freien Stücken begangen wurden, der Kläger zu ihnen vielmehr mehr oder weniger intensiv gedrängt wurde. Dieser Umstand ist denn auch jedenfalls in den beiden letzten Strafurteilen vom 2. Juli 2001 und 10. Januar 2002 - das Urteil vom 20. Juli 2000 ist dem Senat nur insoweit bekannt, als es in den vorgenannten Urteilen wiedergegeben ist - strafmildernd berücksichtigt worden.

Kommt es sonach darauf an, ob die hilfsweisen Ermessenserwägungen der Beklagten den Anforderungen des § 114 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - genügen, ist festzustellen, dass dies nicht der Fall ist.

Die Ermessensbetätigung der Beklagten leidet bereits daran, dass die Beklagte nach ihrer ausführlichen Befassung mit dem strafbaren Verhalten des Klägers und der Gefahr erneuter Straftaten nach seiner Haftentlassung und damit letztlich nur nach der Feststellung, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Ermessensentscheidung nach Maßgabe des Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 gegeben seien, dort, wo die eigentliche Ermessensbetätigung anzusetzen hätte, nämlich bei der Abwägung des öffentlichen Ausweisungsinteresse mit dem widerstreitenden privaten Interesse des Klägers unter Berücksichtigung seiner persönlichen Situation, pauschal auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts im angefochtenen Urteil verweist. Dabei ist nicht einmal ganz klar, welche Ausführungen davon betroffen sein sollen, ob beispielsweise auch die für die "persönliche Situation" des Klägers nicht unwesentlichen Darlegungen zur Frage, ob ein Regel- oder Ausnahmefall gegeben ist, in Bezug genommen sind. Mit dieser "Übernahme" der erstinstanzlichen Feststellungen verkennt die Beklagte, dass das Verwaltungsgericht nicht nur keine eigenen Ermessenserwägungen angestellt hat - wozu es auch gar nicht befugt gewesen wäre -, sondern nicht einmal eine behördliche Ermessensbetätigung auf ihre Fehlerlosigkeit überprüft hat, ist die Beklagte doch bei ihrer Ausweisung davon ausgegangen, mangels Vorliegens eines Ausnahmefalls zur Regel des § 47 Abs. 3 Satz 1 AuslG zu dieser Maßnahme verpflichtet zu sein, eine Auffassung, der sich dann auch das Verwaltungsgericht in seiner Entscheidung angeschlossen hat. Der Sache nach stellen daher die in Bezug genommenen Ausführungen des Verwaltungsgerichts - wie weit sich die Bezugnahme dabei auch immer erstrecken mag - bloße Erwägungen zum auch im Rahmen gebundenen Verwaltungshandelns beachtlichen verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz - und gegebenenfalls auch zur Regelfallprüfung - dar. Eine umfassende Ermessensbetätigung - in Form der (teilweisen) Bezugnahme zur Vermeidung unnötiger Schreibarbeit - kann so nicht gegeben sein. Die Beklagte ist vielmehr von daher auch mit den Hilfserwägungen in der Stellungnahme vom 7./10. Januar 2005 letztlich im "Schema" ihrer Ausweisungsverfügung verblieben, wobei sie die solchermaßen wiederholten Darlegungen lediglich als Ermessensentscheidung "deklariert" hat. Bezeichnenderweise wird denn auch in den Hilfserwägungen herausgestellt, dass der Kläger die Ausweisungstatbestände des § 47 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 AuslG erfülle.

Abgesehen hiervon werden in dem Urteil des Verwaltungsgerichts aber auch zum Beispiel die oben angeführten zu Gunsten des Klägers zu berücksichtigenden Gesichtspunkte nicht gewürdigt und können so auch nicht - durch Bezugnahme - als Grundlage der vorsorglichen Ermessensentscheidung in die Stellungnahme der Beklagten vom 7./10. Januar 2005 eingeflossen sein.

Nach alledem kann die Ausweisung auch insoweit, als die Beklagte nachträglich hilfsweise Ermessen ausgeübt hat, keinen Bestand haben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 167 VwGO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Gründe der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Art nicht vorliegen.

Beschluss

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 4.000,-- € festgesetzt (§§ 13 Abs. 1, 14 GKG a.F.).



Ende der Entscheidung

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