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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss verkündet am 21.04.2006
Aktenzeichen: 10 A 11741/05.OVG
Rechtsgebiete: VwGO, SigG


Vorschriften:

VwGO § 55 a
VwGO § 55 a Abs. 1
VwGO § 55 a Abs. 1 S. 3
VwGO § 81
VwGO § 81 Abs. 1
VwGO § 81 Abs. 1 S. 1
SigG § 2
SigG § 2 Nr. 3
Ist das einem schriftlich zu unterzeichnenden Schriftstück gleichstehende elektronische Dokument entgegen § 55 a Abs. 1 S. 3 VwGO nicht mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen, entfaltet es keine Rechtswirkung; mit ihm wird insbesondere keine Frist gewahrt.
OBERVERWALTUNGSGERICHT RHEINLAND-PFALZ BESCHLUSS

10 A 11741/05.OVG

In dem Verwaltungsrechtsstreit

wegen Soldatenrechts (Arbeitszeit)

hier: Zulassung der Berufung

hat der 10. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der Beratung vom 21. April 2006, an der teilgenommen haben

Vizepräsident des Oberverwaltungsgerichts Steppling Richter am Oberverwaltungsgericht Hennig Richter am Oberverwaltungsgericht Möller

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 10. November 2005 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz wird verworfen.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Zulassungsverfahren auf 260,-- € festgesetzt.

Gründe:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts erweist sich bereits als unzulässig, da er nicht innerhalb der gemäß § 124 a Abs. 4 Satz 4 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - dafür geltenden Zweimonatsfrist begründet worden ist. Das am letzten Tag dieser Frist dem Gericht übermittelte elektronische Dokument zur Antragsbegründung war nicht, wie es gemäß § 55 a Abs. 1 Satz 3 VwGO i.V.m. § 4 der Landesverordnung über den elektronischen Rechtsverkehr vom 22. Dezember 2003 (GVBl 2004, S. 36) in der Fassung vom 30. September 2005 (GVBl S. 451) und Nr. 3 der Anlage zu dieser Verordnung erforderlich gewesen wäre - und worauf auch in der dem Urteil beigefügten Rechtsmittelbelehrung ausdrücklich hingewiesen worden war -, mit einer qualifizierten elektronischen Signatur nach § 2 Nr. 3 des Signaturgesetzes - SigG - versehen.

Für die Zulassungsantragsbegründung - als einen bestimmenden Schriftsatz - ist analog § 81 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO Schriftform vorgesehen. Zu deren Wahrung gehört zwar nicht wie nach Maßgabe des weder unmittelbar noch entsprechend auf Prozesshandlungen übertragbaren § 126 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB - stets, wohl aber nach der Verkehrsauffassung grundsätzlich das Bekenntnis zum Inhalt des betreffenden Schriftsatzes durch die eigenhändige Unterschrift. Für einem solchen herkömmlichen Schriftstück gleichstehende elektronische Dokumente bestimmt § 55 a Abs. 1 Satz 3 VwGO - ebenso wie die entsprechenden Bestimmungen für die anderen öffentlich-rechtlichen Gerichtsbarkeiten (vgl. § 52 a der Finanzgerichtsordnung - FGO - bzw. § 65 a des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -) - zwingend, dass in der die Übermittlung elektronischer Dokumente zulassenden Rechtsverordnung eine qualifizierte elektronische Signatur vorgeschrieben wird. Dementsprechend wurde in der Landesverordnung über den elektronischen Rechtsverkehr für derartige Dokumente eine solche Signatur vorausgesetzt.

Der Gesetzgeber hat damit die bis zum In-Kraft-Treten des den § 86 a VwGO (a.F.) durch den § 55 a VwGO ersetzenden Justizkommunikationsgesetzes - JKomG - (am 1. April 2005) geltenden Anforderungen für die Einreichung elektronischer Dokumente verschärft. Nach § 86 a Abs. 1 VwGO a.F. bedurfte es noch nicht zwingend einer qualifizierten elektronischen Signatur, um im elektronischen Rechtsverkehr einem Schriftformerfordernis zu genügen. Die Bestimmung enthielt insofern lediglich eine Soll-Vorschrift. Sie entsprach damit den - durch das Gesetz zur Anpassung der Formvorschriften des Privatrechts und anderer Vorschriften an den modernen Rechtsverkehr vom 13. Juli 2001 - mit ihr zusammen eingeführten und bis heute geltenden Vorschriften des § 130 a der Zivilprozessordnung - ZPO - und des § 46 b des Arbeitsgerichtsgesetzes - ArbGG -, sowie den ebenfalls seinerzeit eingeführten Vorgängerregelungen zu § 52 a FGO und § 65 a SGG (§ 77 a FGO a.F. bzw. § 108 a SGG a.F.).

Wortlaut, Sinn und Zweck sowie Entstehungsgeschichte des § 55 a VwGO - im Vergleich auch zu den einschlägigen Regelungen in anderen Gesetzen - sprechen klar dagegen, bei gesetzlich vorgesehener Schriftform der Rechtsprechung zur Schriftlichkeit im Sinne des § 81 Abs. 1 Satz 1 VwGO (analog) folgend zumindest unter bestimmten Voraussetzungen auch ein nicht qualifiziert elektronisch signiertes Dokument für formgültig zu erachten. Hierauf kann sich im Folgenden die Betrachtung beschränken, solange von der Möglichkeit der Zulassung eines anderen sicheren Verfahrens neben der qualifizierten elektronischen Signatur (§ 55 a Abs. 1 Satz 4 VwGO) kein Gebrauch gemacht ist.

Einem solchen Verständnis steht bereits entgegen, dass der Gesetzgeber für die elektronische Kommunikation der Beteiligten mit dem Gericht - anders als für die "herkömmliche" Kommunikation, für die Schriftlichkeit gerade nicht Schriftform im Sinne des § 126 Abs. 1 BGB bedeutet, d.h. zwingend eine Unterschrift verlangt - ausdrücklich und verbindlich die Beifügung einer qualifizierten elektronischen Signatur vorschreibt. Damit soll sichergestellt sein, dass das elektronische Dokument dem angegebenen Absender zuzurechnen ist - Authentizität - und nach der Signierung nicht mehr von dritter Seite (unbemerkt) verändert werden kann - Integrität - (vgl. Satz 4 der Vorschrift sowie die Gesetzesbegründung BT-Drs. 15/4067 zu § 55 a VwGO). Diese vom Gesetzgeber für das elektronische verwaltungsgerichtliche Verfahren - ebenso wie für das finanz- bzw. sozialgerichtliche Verfahren - für erforderlich erachtete Sicherheit ist aber nicht gegeben, wenn das Dokument über keine qualifizierte elektronische Signatur verfügt. Eine entsprechende Gewissheit in Bezug auf die Authentizität und Integrität des elektronischen Dokuments lässt sich auch nicht anderweitig "eindeutig und ohne dass darüber Beweis erhoben werden müsste" gewinnen, wie es für den "Nachweis" der Urheberschaft und des Verkehrswillens bei nicht unterschriebenen der Schriftform bedürftigen Prozessäußerungen vorausgesetzt ist. Insbesondere reicht es dazu nicht aus, dass aus der Absenderkennung der E-Mail hervorgeht, dass das Dokument von dem persönlichen Postfach des Beteiligten bzw. seines Prozessbevollmächtigten aus versandt worden ist.

Gegen eine "Aufweichung" des Signaturerfordernisses als strikter Wirksamkeitsvoraussetzung spricht im Übrigen auch der Umstand, dass mit dem Justizkommunikationsgesetz die bis dahin geltende Rechtslage für den Bereich der öffentlich-rechtlichen Gerichtsbarkeiten verschärft, d.h. insoweit die mit dem Gesetz zur Anpassung der Formvorschriften des Privatrechts und anderer Vorschriften an den modernen Rechtsverkehr im Jahre 2001 für alle Gerichtsbarkeiten eingeführte Soll-Vorschrift durch eine Ist-Vorschrift ersetzt worden ist. Dabei ist namentlich zu sehen, dass es die Bundesregierung im Gesetzgebungsverfahren zum Gesetz vom 13. Juli 2001 noch ausdrücklich abgelehnt hatte, wie vom Bundesrat - zu der seinerzeit allein im Gesetzentwurf enthaltenen Vorschrift des § 130 a ZPO - gefordert "die elektronische Form im Sinne des § 126 a BGB" zwingend vorzusehen, und dazu unter Hinweis auf die Rechtsprechung zur herkömmlichen Schriftform hervorgehoben hatte, dass andernfalls die Einreichung von Schriftsätzen und Erklärungen auf elektronischem Wege gegenüber der Einreichung als Schriftsatz in nicht zu rechtfertigender Weise benachteiligt würde (vgl. BT-Drs. 14/4987 S. 36, 43 ff.). Mit dem Justizkommunikationsgesetz hat der Gesetzgeber dann aber doch, jedenfalls was den elektronischen Rechtsverkehr bei den öffentlich-rechtlichen Gerichtsbarkeiten angeht, für eine vorgeschriebene Schriftform ersetzende elektronische Dokumente dieselbe - besondere - Sicherung verlangt, wie sie die bereits mit dem Gesetz vom 13. Juli 2001 in das BGB eingefügte Bestimmung des § 126 a BGB für die Substituierung der nach § 126 Abs. 1 BGB stets zu leistende eigenhändige Unterschrift fordert. Dass gerade und allein für die öffentlich-rechtlichen Gerichtsbarkeiten die formalen Anforderungen verschärft wurden, lag daran, dass zuvor, mit dem dritten Gesetz zur Änderung verwaltungsverfahrensrechtlicher Vorschriften vom 21. August 2002, für die den betreffenden Rechtsstreitigkeiten in der Regel vorausgehenden Verwaltungsverfahren die Möglichkeit der elektronischen Kommunikation eröffnet und dabei wiederum die qualifizierte elektronische Signatur für solche Dokumente vorausgesetzt worden war, die schriftformbedürftige Vorgänge ersetzen (vgl. § 3 a des Verwaltungsverfahrensgesetzes - VwVfG -, § 36 a des Sozialgesetzbuchs Allgemeiner Teil - SGB I -, § 87 a der Abgabenordnung - AO -); mit diesen verwaltungsverfahrensrechtlichen Vorschriften sollte das den betreffenden Rechtsgebieten "zugeordnete" Prozessrecht in Einklang gebracht werden. Auch in der Gesetzesbegründung zu dem Gesetz vom 21. August 2002 war jedoch schon hervorgehoben worden, dass mit den betreffenden Vorschriften an die verfahrensrechtliche elektronische Form dieselben hohen Anforderungen wie an die materiell-rechtliche elektronische Form gemäß § 126 a BGB gestellt würden (vgl. BT-Drs. 14/9000).

Nach alledem ist davon auszugehen, dass ein dem Gericht zugeleitetes einem schriftlich zu unterzeichnenden Schriftstück gleichstehendes elektronisches Dokument, das nicht wie von § 55 a VwGO gefordert qualifiziert elektronisch signiert ist, stets keinerlei Wirkung entfaltet (so auch z.B. Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl., Rdnr. 44 zu § 55 a; vgl. des Weiteren z.B. den Beschluss des HessVGH vom 3. November 2005 - 1 TG 1668/05 - zum Schriftformerfordernis des § 70 Abs. 1 VwGO; Tipke/Kruse, AO, Stand November 2005, Rdnr. 13 zu § 87 a; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 9. Aufl., Rdnr. 14 a zu § 3 a; Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl., Rdnr. 10 zu § 55 a; Palandt, BGB, 65. Aufl., Rdnr. 11 zu § 126).

Ist der Zulassungsantrag damit schon als unzulässig zu verwerfen, sei gleichwohl hier noch ergänzend darauf hingewiesen, dass er auch in der Sache keinen Erfolg gehabt hätte.

Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nämlich nicht vor. Aus den vom Kläger dargelegten Gründen bestehen keine ernstlichen Richtigkeitszweifel an der Entscheidung des Verwaltungsgerichts. In der gebotenen Kürze sei dazu festgestellt: Der Kläger hatte in seinen den hier in Rede stehenden Dienstreisen zugrunde liegenden Anträgen jeweils darum ersucht, die Dienstreise als freiwilliger Selbstfahrer im Sinne der Rahmenweisung vom 6. Februar 1998 durchführen zu können, was ihm dann auch mit der jeweiligen Anordnung der Dienstreise "wie beantragt" ermöglicht wurde. Dass ihm daneben auch immer ein so genannter "Fahrauftrag" erteilt wurde, machte aus ihm nicht etwa - entgegen seinem erklärten Willen und der Dienstreisegenehmigung - einen ständigen oder bestellten Kraftfahrer im Sinne der Durchführungsweisung vom 3. Dezember 1998. Die Fahraufträge dienten vielmehr dem "Vollzug" der Dienstreisegenehmigung, d.h. der Abwicklung der Dienstreise als Selbstfahrer unter Inanspruchnahme des Fuhrparks der Bundeswehr. Soweit in der Durchführungsweisung festgestellt wird, dass Fahrzeiten im Rahmen einer Dienstreise als Selbstfahrer, die außerhalb der festgelegten täglichen Arbeitszeit liegen, grundsätzlich keine Arbeitszeit darstellen, entspricht dies der Rechtsprechung des Senats in seinem Urteil vom 18. November 2005 (IÖD 2006, S. 62 ff.), das Dienstreisen eines beim Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung beschäftigten Beamten der Beklagten als Selbstfahrer betrifft und mit dem sich der Senat der schon vom Verwaltungsgericht zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (DVBl 1982, S. 1190) angeschlossen hat. Danach ist die An- und Rückfahrt zum bzw. vom Ort einer auswärtigen Dienstverrichtung nur dann Dienst im Sinne des Arbeitszeitrechts, wenn das Führen eines Kraftfahrzeugs zu den wahrzunehmenden Aufgaben des dem Beamten übertragenen Amtes gehört oder wenn der Beamte damit in einer inhaltlich der Dienstverrichtung gleich zu achtenden Weise belastet ist; unerheblich ist insofern namentlich, ob ein dienstlich zur Verfügung gestelltes Kraftfahrzeug benutzt wird und ob der Beamte das Fahrzeug selbst steuert oder gefahren wird. Umstände, die eine andere Beurteilung bei Soldaten rechtfertigten, sind nicht gegeben. Soweit der Kläger auf die Rechtsprechung der Truppendienstgerichte (zum Dienstzeiterlass) verweist, sei darauf hingewiesen, dass das Bundesverwaltungsgericht in seinem im vorliegenden Rechtsstreit ergangenen Beschluss vom 9. August 2005 festgestellt hat (S. 4 Mitte), dass die Zuständigkeit der allgemeinen Verwaltungsgerichte gegeben ist, wenn es nicht um die zeitliche Konkretisierung der Dienstpflicht, sondern um die "abstrakte" Festlegung der Arbeitszeit der Soldaten, also um das zeitliche Volumen der Dienstleistungspflicht und die Frage geht, welche Tätigkeiten als Dienst zu bewerten sind, - mögen die Soldaten nun militärisch oder in der zivilen Bundeswehrverwaltung verwandt werden.

Wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt, mangelt es schließlich auch an einem grundsätzlichen Klärungsbedarf hinsichtlich der vom Kläger aufgeworfenen Frage, ob dann, wenn ein Soldat bei einer Dienstreise das Kraftfahrzeug aufgrund einer entsprechenden Dienstreiseanordnung und eines entsprechenden Fahrauftrags selbst steuert, die Reisezeit als Dienstzeit anzuerkennen ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung für das Zulassungsverfahren beruht auf §§ 52 Abs. 3, 47 des Gerichtskostengesetzes - GKG -.

Der Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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