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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 25.02.2005
Aktenzeichen: 10 A 11919/04.OVG
Rechtsgebiete: GG, SG


Vorschriften:

GG Art. 4 Abs. 3 S. 1
GG Art. 12 a Abs. 2 S. 3
SG § 55 Abs. 3
Zu den Voraussetzungen, unter denen ein Sanitätsoffizier, der sich freiwillig zum Dienst in der Bundeswehr verpflichtet hat, aus dem Dienstverhältnis entlassen werden kann, weil das Verbleiben in der Bundeswehr für ihn mit Blick auf einen von ihm gestellten KDV-Antrag eine besondere Härte darstellt (im Anschluss an BVerwG, Urteil vom 22. August 1994, Buchholz 448.6 § 13 KDVG Nr. 17).
OBERVERWALTUNGSGERICHT RHEINLAND-PFALZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

10 A 11919/04.OVG

In dem Verwaltungsrechtsstreit

wegen Entlassung eines Soldaten auf Zeit

hat der 10. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 25. Februar 2005, an der teilgenommen haben

Vizepräsident des Oberverwaltungsgerichts Steppling Richter am Oberverwaltungsgericht Hennig Richter am Oberverwaltungsgericht Möller ehrenamtliche Richterin Versicherungskauffrau Hoffmann ehrenamtliche Richterin Betriebswirtin Kraft

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 9. September 2004 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der im Jahre 1965 geborene Kläger, der als Soldat auf Zeit (SaZ 20) mit dem Dienstgrad eines Oberstabsarztes im Dienst der Beklagten steht, begehrt die Entlassung aus dem Dienst, weil er einen Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer gestellt hat und deshalb - so seine Darstellung - sein Verbleiben in der Bundeswehr für ihn ein besondere Härte bedeutet.

Noch vor dem Ablegen seines Abiturs meldete sich der Kläger Ende 1984 bei der Beklagten als Freiwilliger mit einer Verpflichtungszeit von zwei Jahren. Kurz nach dem Abitur trat er am 1. Juli 1985 seinen Dienst bei der Bundeswehr an. Er wurde als Sanitätssoldat eingestellt und durchlief die allgemein vorgesehene dreimonatige Grundausbildung. Als Verwendungswunsch gab er Sanitätsoffizier an und erklärte, Humanmedizin studieren zu wollen. Die daraufhin von der Beklagten eingeschaltete Offizierbewerberprüfzentrale sprach sich gegen eine Ausbildung des Klägers zum Offizier aus. Zur Begründung hieß es, das Medizinstudium stünde bei ihm deutlich im Vordergrund; seine militärischen Bezüge entsprächen nicht den Anforderungen, da er für militärische Sachverhalte sehr geringes Interesse und deutliche Wissensdefizite erkennen lasse.

Nach Ablauf der zweijährigen Verpflichtungszeit schied der Kläger aus dem Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit aus und begann im Wintersemester 1987/88 mit dem Studium der Humanmedizin. In den Semesterferien absolvierte er zweimal eine einmonatige Wehrübung: Im März 1988 eine solche als Fähnrich und im August 1988 eine weitere als Leutnant.

Die daraufhin im August 1988 erneut getroffene Entscheidung der Offizierbewerberprüfzentrale fiel dann zu Gunsten des Klägers aus. In ihr heißt es u.a.: "Korrekt auftretender Leutnant der Reserve.... Bei entsprechendem Engagement und Ehrgeiz macht er seine Bezüge zur Offizierlaufbahn deutlich, obwohl finanzielle Aspekte vorrangig den Ausschlag für die angestrebte Übernahme geben."

Im Januar 1989 wurde der Kläger erneut als Soldat auf Zeit berufen, als Sanitäts-Offizier-Anwärter in die Bundeswehr eingestellt und zum Studium der Humanmedizin beurlaubt. Während des Studiums, im September 1992, heiratet der Kläger seine erste Frau. Fast gleichzeitig mit dem Abschluss seines Medizinstudiums am 18. Oktober 1994 ließ er sich wieder scheiden.

Ab dem 27. Oktober 1994 war der Kläger bis 31. März 1996 als Arzt im Praktikum tätig. Im März 1996 erfolgte seine Ernennung zum Stabsarzt sowie im April 1996 seine Approbation als Arzt und seine Übernahme als Sanitäts-Stabsoffizier. Sein Dienstzeitende war auf den 31. November 2001 festgesetzt. Alsbald verpflichtete sich der Kläger bis zum 31. Oktober 2006 weiter und war danach Weiterbildungsassistent in der Abt. V (HNO) des Bundeswehrzentralkrankenhauses in K... . Die in dieser Zeit erstellte dienstliche Beurteilung des Klägers bescheinigt ihm ein hohes Verantwortungsbewusstsein und ein hohes Maß an Motivation. Der nächsthöhere Vorgesetzte des Klägers ergänzte noch: "Körperlich belastbarer und leistungsfähiger Sanitätsoffizier, der die Weiterbildung zum Facharzt für HNO energisch und zielgerichtet verfolgt."

Ab 1. Februar 1997 war der Kläger fast zwei Jahre lang auf seinen Wunsch hin Truppenarzt bei der Sanitätsgruppe A... . In seiner dienstlichen Beurteilung von März 1998 heißt es dazu: "Stabsarzt S.... ist ein engagierter, selbständiger Offizier, der seine Doppelrolle als kurativer Sanitätsoffizier wie als Offizier positiv annimmt und die z.T. bedingt geeigneten Möglichkeiten zur intensiven Behandlung von Soldaten mit hoher Kreativität und mit Nachdruck umwandelt, um schnell und effektiv behandeln zu können. Ihn kennzeichnen Integrität, hohes Verantwortungs- und Pflichtbewusstsein ebenso wie sein deutliches Bekennen zum Beruf des Soldaten. Stabsarzt S.... ist unbedingt förderungswürdig und wäre als Berufssoldat ein Gewinn für die Bundeswehr." Hierzu erklärte der Kläger, er strebe die Übernahme zum Berufssoldaten an.

Nachdem der Kläger im Mai 1997 zum zweiten Mal geheiratet hatte und Vater geworden war, wurde er im April 1998 zum Oberstabsarzt befördert. Im Juni 1998 beantragte er seine Übernahme in das Dienstverhältnis eines Berufssoldaten. Von seinen Vorgesetzten wurde der Antrag unterstützt. So heißt es etwa in der Laufbahnbeurteilung aus demselben Monat: "Ein besonders engagierter, eigenständiger und ideereicher Offizier, der seine Doppelrolle als kurativer Sanitätsoffizier wie als Offizier aktiv annimmt und seinen Aufgabenbereich entsprechend verantwortungsbewusst und umfassend ausfüllt.... Seine Einstellung zu Beruf des Soldaten ist tadellos, so dass ich insgesamt (seinen) Antrag mit besonderem Nachdruck befürworte." Der nächsthöhere Vorgesetzte ergänzte noch: "Hier bewirbt sich ein Stabsoffizier mit Erfahrung, Potential und einwandfreier ethischer Basis."

Gleichwohl wurde dieser Antrag im Januar 1999 wegen fehlenden Bedarfs und weil ein anderer Soldat aus Leistungsgesichtspunkten vorgezogen wurde, abgelehnt.

Von Januar 1999 bis Mitte Februar 2001 war der Kläger wieder Arzt am Bundeswehrzentralkrankenhaus in K...., zunächst erneut als Weiterbildungsassistent, danach als Facharzt HNO. Die dienstliche Beurteilung aus dieser Zeit bescheinigt ihm ein sehr gutes Verantwortungsbewusstsein und die stete Bereitschaft, sich bei der Erfüllung von Aufträgen und bei der Gestaltung des Aufgabenbereichs an den soldatischen Pflichten auszurichten; er bewältige auch größere Arbeitsbelastungen über längere Zeit ohne nachlassenden Leistungswillen. Weiter heißt es, er habe bisher keine Gelegenheit gehabt, sich im Auslandseinsatz zu bewähren. Ab dem 1. November 1999 war der Kläger ein Jahr lang zur zivilen Weiterbildung im Evangelischen Krankenhaus G.... tätig und promovierte in dieser Zeit zum Dr. med.

Daran schloss sich vom 21. November 2000 bis zum 8. Februar 2001 ein Auslandseinsatz als Facharzt für HNO in der Fachärztlichen Untersuchungsstelle an.

Im Februar 2001 kehrte der Kläger wieder zum Bundeswehrzentralkrankenhaus nach K.... zurück und schloss die Weiterbildung zum Facharzt für HNO ab. Im Juli 2001 bewarb er sich um die HNO-Facharzt-Planstelle im Standort-Sanitäts-Zentrum B.... . Zur Begründung gab er an: "Die neu geschaffene HNO-Facharztstelle stellt für mich beruflich, lokal sowie familiär eine neue Herausforderung dar... (Sie) bietet mir die Möglichkeit, komplett eigenständig im Fachgebiet arbeiten zu können."

In der kurz darauf erstellten dienstlichen Beurteilung bittet der Kläger um eine weitere Verwendung als HNO-Facharzt im Bundeswehrzentralkrankenhaus. Bis zu seinem Ausscheiden aus der Bundeswehr im Jahre 2006 wolle er im örtlichen Bereich K....-B.... eingesetzt werden, da er danach auch seine zivile Tätigkeit in diesem Bereich bereits plane. Eine weiter entfernte Versetzung würde diesen Planungsprozess stark schädigen und eine ungewöhnliche Härte darstellen. Sollte ein Verbleiben in K.... nicht möglich sein, sei für ihn ein Einsatz im Fachgebiet im Bereich HNO, insbesondere in B...., durchaus denkbar. Mit Rücksicht auf die begrenzte örtliche Einsatzfähigkeit würde er unter Umständen auch einer fachfremden Verplanung zustimmen.

In der Folgezeit blieb der Kläger Facharzt für HNO beim Bundeswehrzentralkrankenhaus K.... . Im März 2002 erhielt er eine Nebentätigkeitsgenehmigung für Unterrichte an der Schule für Logopädie im Fach HNO und für eine Praxisvertretung HNO. Ab September 2002 gewährte ihm sein Dienstherr wegen besonderer Leistungen eine Leistungszulage in Höhe von monatlich 150 Euro.

Nach seinen eigenen Angaben hatte der Kläger in der Folgezeit massive Probleme, die zu einer beträchtlichen Alkoholproblematik führten. Als diese - so der Kläger - überhand genommen hätten, habe er sich im Juli 2003 Rat bei einem neurologisch-psychiatrisch ausgebildeten Kollegen eingeholt, dieser habe mit ihm intensive Gespräche geführt. In den dann beginnenden Sommerferien habe ihn sein sechsjähriger Sohn wegen des Erwerbs einer Erbsenpistole angesprochen. Die Bitte, wie sein Freund auch eine solche besitzen zu wollen, habe der Kläger ihm mit der Begründung abgeschlagen, er und seine Frau bemühten sich, ihn gewaltfrei zu erziehen und dies schließe den Erwerb einer solchen Pistole aus. Als daraufhin sein Sohn ihm erklärt habe, er - der Kläger - sei doch Soldat und Soldaten hätten doch auch Waffen und müssten verletzen, sei ihm die ganze Problematik seiner Tätigkeit als Soldat bewusst geworden.

Nach der Darstellung des Klägers war diese Konfliktsituation mit seinem Sohn Auslöser für ihn gewesen, unter dem 7. September 2003 einen Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer (KDV) zu stellen. Den Antrag begründete er überdies mit zwei weiteren Vorfällen. Einer habe sich während seiner Tätigkeit als Truppenarzt in A.... abgespielt. Damals habe sich bei der Waffenausbildung ein Handgranatenunglück ereignet. Als "Notarzt" habe er die verletzten Soldaten zunächst versorgt. Die Schreie der schwer verletzten und blutenden Soldaten werde er sein Leben lang nicht vergessen. Als er sich später bei den umliegenden Krankenhäusern, in die die Verletzten eingeliefert worden seien, nach deren Befinden erkundigt habe, hätte man ihm vorgeworfen, an ihrem Unglück mit Schuld zu sein. Denn wenn man mit solchen gefährlichen Waffen "spiele", nehme man solche Unfälle in Kauf. Diesen Gewissenskonflikt habe er aber ebenso verdrängt wie einen weiteren, der sich bei seinem Auslandseinsatz in Bosnien ergeben habe. Dabei habe er nämlich als dienstgradhöchster Offizier eine Gruppe von ca. 150 Soldaten der kämpfenden Truppe vom Flughafen Split im Straßentransport nach Rajlovac führen müssen. Er habe eine Schusswaffe bei sich geführt, aber gewusst, dass er sie nicht gebrauchen werde; auch hätte er einen Schusswaffengebrauch der ihm anvertrauten Soldaten nicht befehlen können. Diesen Gewissenskonflikt habe er ebenfalls verdrängt und sich in die Arbeit gestürzt. Ein Grund für die erst sehr späte Antragstellung sei sicherlich auch das ihm anerzogene, fast preußisch zu nennende Pflichtbewusstsein.

Im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach Soldaten auf Zeit, die als Sanitätsoffiziere Dienst tun, das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis für einen Antrag auf Kriegsdienstverweigerung fehle, bat der Kläger darum, das KDV-Verfahren ruhen zu lassen. Gleichzeitig stellte er einen Antrag auf Entlassung aus dem Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit, der den Gegenstand des vorliegenden Verfahrens bildet. Diesen begründete er damit, dass sein Verbleiben in der Bundeswehr wegen des im KDV-Antrag dargelegten Gewissenskonfliktes für ihn eine besondere Härte bedeute.

In der letzten dienstlichen Beurteilung des Klägers zum 30. September 2003, die sein Vorgesetzter unter dem 9. September 2003 offenbar ohne Kenntnis von dessen KDV-Antrag und Antrag auf Entlassung aus dem Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit erstellte, wird als weitere Verwendung des Klägers "HNO-Arzt an der Klinik, A 15" und auf weitere Sicht "Berufssoldat" vorgeschlagen.

Nach einem Personalgespräch, in dem es der Kläger im Wesentlichen abgelehnt hatte, seine Gründe für die getroffene Gewissensentscheidung näher darzulegen und auf seinen KDV-Antrag verwies, lehnte das Personalamt der Bundeswehr den Antrag des Klägers auf Entlassung aus dem Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit mit Bescheid 1. Dezember 2003 ab. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt: Eine die Entlassung rechtfertigende besondere Härte habe an sich an dem Zumutbarkeitsgedanken zu orientieren. Danach müssten während der Dienstzeit unvorhergesehene, außergewöhnliche, schicksalhafte und in der Regel Existenz gefährdende Veränderungen eingetreten sein, denen sich der Soldat aus rechtlicher und/oder sittlicher Verpflichtung nicht zu entziehen könne, und die ihn deshalb hart träfen. Eine solche besondere Härte liege beim Kläger nicht vor. Zwar stelle der Zwang, gegen die Gebote des eigenen Gewissens einen Dienst leisten zu müssen, der jedenfalls im Zusammenhang mit den Verbänden der Streitkräfte stehe, eine schwerwiegende persönliche Härte dar. Es lasse sich aber nicht erkennen, dass er seinen Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer gestellt habe, weil ihm sein Gewissen bereits den Sanitätsdienst in der Bundeswehr verbiete und die Stellung des KDV-Antrages nicht nur vorgeschoben sei, um das Soldatenverhältnis auf Zeit aus anderen Gründen vorzeitig zu beenden. Die zur Begründung des Antrages mitgeteilten drei Erlebnisse und Konfliktbereiche aus dem bisherigen Tätigkeitsfeld als Sanitätsoffizier und seinem familiären Umfeld ließen nicht auf einen schwerwiegenden Gewissenskonflikt bei einem Kriegsdienst mit der Waffe schließen.

Hiergegen erhob der Kläger Beschwerde und machte vor allem geltend, das Personalamt der Bundeswehr habe zu Unrecht bei der Prüfung, ob bei ihm eine besondere Härte vorliege, selbst entschieden, ob er eine Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst getroffen habe, und diese dann verneint. Damit habe sich das Personalamt gleichsam in eigener Sache eine Kompetenz angemaßt, die nicht ihm sondern dem zur Entscheidung über den KDV-Antrag zuständigen Ausschuss für Kriegsdienstverweigerung zustünde. Zudem seien seine Erlebnisse als Sanitätssoldat bei Auslandseinsätzen, die sich jederzeit wiederholen könnten, sehr wohl geeignet, die getroffene Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst mit der Waffe zu begründen. Denn die strikte Trennung zwischen dem Sanitätsdienst und der kämpfenden Truppe bestünde heutzutage wegen der wachsenden Zahl und Bedeutung der Auslandseinsätze der Bundeswehr nicht mehr wie früher.

Mit Beschwerdebescheid vom 6. April 2004 wies das Bundesministerium der Verteidigung den Rechtsbehelf des Klägers zurück. Zur Begründung ist u.a. ausgeführt: Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei es unumgänglich, dass die Wehrbehörden das Vorliegen einer Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst in Anlehnung an das Verfahren über die Ausschüsse für Kriegsdienstverweigerung prüften. Denn danach könne ein Sanitätsoffizier nicht als Kriegsdienstverweigerer anerkannt werden, weil er - so das Bundesverwaltungsgericht - im Sanitätsdienst der Bundeswehr keinen Wehrdienst mit der Waffe zu leisten habe. Prüften deshalb nicht (wenigstens) die Wehrbehörden das Vorliegen einer Gewissenentscheidung, so wäre ein Soldat selbst mit einem vorgeschobenen Gewissensentscheidung aus dem Dienstverhältnis zu entlassen. Denn auch nach Ablehnung des Antrages als Kriegsdienstverweigerer könnte das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit nicht fortgesetzt werden, wenn der inzwischen entlassene Soldat dazu nicht bereit sei. - In der Sache sei der gestellte KDV-Antrag nicht nachvollziehbar. Bis zur Antragstellung am 7. September 2003 ergebe sich kein Hinweis auf einen Gewissenskonflikt des Klägers. Im Gegenteil habe dieser - wie die dienstlichen Beurteilungen zeigten - mit großem Engagement und fachlichem Können - seinen Dienst verrichtet und die Anerkennung seiner Vorgesetzten, Mitarbeiter und Patienten erfahren. Dabei komme auch dessen tadellose Einstellung als Offizier zum Ausdruck. Zudem zeigten die Planungen des Klägers bis zu seinem regulären Ausscheiden aus der Bundeswehr im Oktober 2006 und für die Zeit danach, dass die geltend gemachten dienstlichen Ereignisse keinen schwerwiegenden Gewissenskonflikt hervorgerufen hätten, der eine schnelle und gründliche Umorientierung verlangt hätte.

Daraufhin hat der Kläger fristgerecht Klage erhoben und sein bisheriges Vorbringen wiederholt und ergänzt.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten.

Das Verwaltungsgericht hat nach persönlicher Anhörung des Klägers die Klage mit Urteil aufgrund mündlicher Verhandlung vom 9. September 2004 abgewiesen und sich dabei der von der Beklagten vertretenen Würdigung in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht angeschlossen. Mit Blick auf die persönliche Anhörung des Klägers in der mündlichen Verhandlung hat es zudem festgestellt, der Kläger habe sich - trotz hoher Intelligenz und Gewandtheit in der Rede - mit Fragen des Tötens bislang nur unzureichend auseinandergesetzt.

Hiergegen hat der Kläger die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung fristgerecht gelegt. Er verweist u.a. darauf, dass die vom Verwaltungsgericht gebilligte Vorgehensweise der Beklagten dazu führe, ihm sein verfassungsrechtlich verbrieftes Recht auf Kriegsdienstverweigerung faktisch zu entziehen und den Rechtsschutz gegen die Entscheidungen der Wehrbehörden zu schmälern. Im Übrigen dürfe bei der von ihm getroffenen Gewissensentscheidung nicht übersehen werden, dass er dadurch schwerwiegende finanzielle Nachteile in Kauf nehme. Denn zum einen verliere er seine - nach der langen Dienstzeit - ganz beträchtlichen Übergangsgebührnisse und zum anderen müsse er sich beruflich neu orientieren, was erfahrungsgemäß längere Zeit dauere und mit erheblichen finanziellen Einbußen verbunden sei.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 9. September 2004 ergangenen Urteils des Verwaltungsgerichts Koblenz und unter Aufhebung des Bescheides des Personalamtes der Bundeswehr vom 1. Dezember 2003 und des hierzu ergangenen Beschwerdebescheides des Bundesministeriums der Verteidigung vom 6. April 2004 die Beklagte zu verpflichten, ihn aus dem Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit zu entlassen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil mit Ausführungen zur Sach- und Rechtslage.

Wegen des Sach- und Streitstandes in allen Einzelheiten wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze und Schriftstücke Bezug genommen sowie auf die den Kläger betreffenden Personalakten und die weiteren von der Beklagten vorgelegten Verwaltungs- und Beschwerdevorgänge (2 Hefte). Diese lagen dem Senat vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig, aber unbegründet.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn der Kläger hat keinen Anspruch auf Entlassung aus dem Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit gemäß § 55 Abs. 3 SG. Nach dieser Vorschrift ist ein Soldat auf Zeit auf seinen Antrag zu entlassen, wenn sein Verbleiben im Dienst für ihn wegen persönlicher, insbesondere häuslicher, beruflicher oder wirtschaftlicher Gründe eine besondere Härte bedeuten würde. Vom Vorliegen einer solchen besonderen Härte hat sich auch der Senat nicht überzeugen können.

Dabei ist klarzustellen, dass das Gericht nicht der vom Kläger vertretenen Rechtsauffassung folgt, im Hinblick auf den von ihm gestellten KDV-Antrag und das sich hieran anschließende Verfahren nach dem Gesetz über die Verweigerung des Kriegsdienstes mit der Waffe aus Gewissensgründen (Kriegsdienstverweigerungsgesetz - KDVG), d. i. Artikel 1 des Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der Kriegsdienstverweigerung Kriegsdienstverweigerungs-Neuregelungsgesetz - KDVNeuRG) vom 9. August 2003 (BGBl. S. 1593) habe hier lediglich eine gewisse Plausibilitätskontrolle seines KDV-Antrages zu erfolgen. Diese Argumentation übersieht, dass im vorliegenden Verfahren nicht die Anerkennung des Klägers als Kriegsdienstverweigerer inmitten steht, sondern vielmehr die Frage, ob sein Verbleiben im Dienst der Bundeswehr eine persönliche, besondere Härte darstellen würde. Dieses Merkmal der "Härte" ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, mit dem der Gesetzgeber aus dem Gedanken der Zumutbarkeit heraus eine Einzelfallgerechtigkeit ermöglicht (vgl. etwa § 46 Abs. 6 SG "besondere Härte", § 12 Abs. 4 des Wehrpflichtgesetzes "besondere Härte", § 12 Abs. 6 des Wehrpflichtgesetzes "unzumutbare Härte" oder auch § 31 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes "besondere Härte"). Ob eine solche Härte vorliegt, prüft das Gericht in jedem zur Entscheidung gestellten Einzelfall. Dabei kann sich eine solche Härte aus den verschiedensten Gründen ergeben, im Rahmen des hier in Rede stehenden § 55 Abs. 3 SG etwa auch aus beruflichen Gründen (vgl. z.B. die Zuteilung eines Studienplatzes als Grund für eine Entlassung nach § 55 Abs. 3 SG, Beschluss des erkennenden Senats vom 1. Dezember 2003 - 10 B 11830/03.OVG). Diese Prüfung hat das Verwaltungsgericht je nach Eigenart des Falles eigenständig zu treffen. Nichts anderes gilt auch für die hier entscheidungserhebliche Frage nach der besonderen Härte für den Kläger wegen dessen Verbleibens bei der Bundeswehr, obwohl er einen Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer gestellt hat. Beides - die Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer und die Entlassung aus dem Soldatenverhältnis auf Zeit - sind zwei im Grundsatz selbständige Rechtskreise. Sie sind lediglich miteinander verzahnt, sei es durch die Gesetzestechnik (vgl. etwa den Fall des § 46 Abs. 2 Nr. 7 SG - Entlassung eines Berufssoldaten, wenn er als Kriegsdienstverweigerer anerkannt ist - sowie § 55 Abs. 1 SG i.V.m. § 46 Abs. 2 Nr. 7 SG für den vergleichbaren Fall eines Soldaten auf Zeit) oder durch eine verfahrensrechtliche Handhabung (wie Aussetzung oder Ruhenlassen des jeweils einen Verfahrens bei Fortsetzung des anderen).

Von daher geht der Einwand des Klägers fehl, die Anforderungen an die besondere Härte und der Prüfungsumfang in seinem Fall müssten wegen des ihm vorenthaltenen Verfahrens auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer geringer sein. Das käme nur bei einer noch weitergehenden gesetzestechnischen Verzahnung (etwa in dem Sinne, dass bereits die Stellung eines KDV-Antrages ein Entlassungsgrund ist) oder dann in Betracht, wenn entgegen der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. vor allem: Urteile vom 22. August 1994, Buchholz 448.6 § 13 KDVG Nr. 17 und vom 28. August 1996, Buchholz 448.6 § 13 KDVG Nr. 19 jeweils m.w.N.) auch Soldaten auf Zeit, die als Sanitätsoffiziere (oder im Militärmusikdienst) einen Antrag auf KDV stellen, für diesen das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis besitzen und deshalb diesen (im Verhältnis zu einem evtl. weiterhin gestellten Entlassungsantrag) vorrangig verfolgen dürfen. Wollte sich der Kläger darauf zurückziehen, läge es an ihm, gegenüber dem Kreiswehrersatzamt bzw. heute gegenüber dem Bundesamt für den Zivildienst den von ihm geltend gemachten Anspruch auf Kriegsdienstverweigerung durchzusetzen und die erwähnte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nochmals zur Überprüfung zu stellen zu suchen.

Im vorliegenden Verfahren geht es indessen darum nicht. Entscheidend ist hier vielmehr, ob das Verbleiben des Klägers in der Bundeswehr nach der Stellung seines KDV-Antrages am 7. September 2003 für ihn eine besondere Härte i.S.d. § 55 Abs. 3 SG bedeuten würde.

Nach der bereits erwähnten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. nochmals die Urteile vom 22. August 1994, Buchholz 448.6 § 13 KDVG Nr. 17 und vom 28. August 1996, Buchholz 448.6 § 13 KDVG Nr. 19) stellt der Zwang, gegen die Gebote des eigenen Gewissens einen Dienst leisten zu müssen, der jedenfalls im Zusammenhang mit den Verbänden der Streitkräfte steht, eine solche besondere Härte dar, die ein weiteres Verbleiben im Soldatenverhältnis unzumutbar macht. Erforderlich ist also auch danach ein Gewissenskonflikt, wie er die Verweigerung des Kriegsdienstes mit der Waffe aus Gewissensgründen rechtfertigt; daraus ergäbe sich dann die Unzumutbarkeit eines weiteren Verbleibens in der Bundeswehr wegen mittelbarer Unterstützung solcher Kriegshandlungen - obwohl der Sanitätsdienst als waffenloser Dienst vor solchen Tätigkeiten schützt, die in einem nach dem Stand der jeweiligen Waffentechnik unmittelbaren Zusammenhang mit dem Einsatz von Kriegswaffen stehen. Einen solchen Zwang, gegen die Gebote des Gewissens diesen Dienst in der Bundeswehr leisten zu müssen, hat der Senat beim Kläger nicht feststellen können.

Zur Beantwortung der Frage, ob eine Zwangslage der in Rede stehenden Art tatsächlich vorliegt, kann auf die Grundsätze zurückgegriffen werden, die das Bundesverwaltungsgericht in seiner gefestigten Rechtsprechung zur Überzeugungsbildung bei der Anerkennung eines Reservisten, der zunächst seinen vollen Bundeswehrdienst abgeleistet hatte, ohne einen Konflikt mit seinem Gewissen zu empfinden, aufstellt. Denn hier wie dort fällt maßgeblich ins Gewicht, dass der den KDV-Antrag stellende Soldat bzw. Reservist längere Zeit Dienst in der Bundeswehr geleistet hat, ohne einen Konflikt mit seinem Gewissen zu empfinden. Hierzu hat das Bundesverwaltungsgericht ausgeführt (BVerwGE 81, 294 [295 f.]):

Im Vordergrund steht (...) die Forderung nach einer - zunächst darzulegenden und sodann nachzuweisenden - "Umkehr" des Wehrpflichtigen, der sich zunächst für die Ableistung des Wehrdienstes entschieden hatte und nunmehr für sich in Anspruch nimmt, in seiner Einstellung zum Wehrdienst habe sich seither eine grundlegende Wandlung, eben eine "Umkehr", vollzogen, und zwar von der Tiefe, Ernsthaftigkeit und absoluten Verbindlichkeit einer Gewissensentscheidung. Eine solche grundlegende Wandlung lässt sich am ehesten nachvollziehen und einleuchtend durch ein entsprechendes "Schlüsselerlebnis" nachweisen, das aus dem "Saulus" einen "Paulus" gemacht hat und daher typischerweise geeignet ist, das Prüfungsgremium von der geltend gemachten "Umkehr" des Wehrpflichtigen zu überzeugen. Der Senat hat indessen (...) anstelle eines "Schlüsselerlebnisses" auch "sonstige Umstände" als geeignet und ausreichend angesehen, wenn und soweit sie jedenfalls im Ergebnis - insoweit wie ein Schlüsselerlebnis - eine wirkliche "Umkehr" des Wehrpflichtigen bewirkt haben(...)

Erforderlich und ausreichend für die Annahme einer Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst mit der Waffe bei einem Wehrpflichtigen, der zunächst seinen Wehrdienst geleistet hatte, ohne einen Konflikt mit seinem Gewissen zu empfinden, ist somit der Nachweis einer wirklichen "Umkehr" hinsichtlich seiner gewissensmäßigen Einstellung zum Kriegsdienst mit der Waffe, eine solche Umkehr kann das Ergebnis eines "Schlüsselerlebnisses" sein, sie kann aber ebenso am Ende eines Wandlungsprozesses und einer Entwicklung stehen, die ohne spektakuläre äußere Umstände zu einer innerlich absolut verbindlichen Entscheidung gegen jegliches Töten im Kriege geführt hat, so dass die Anforderungen an die Annahme einer Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst mit der Waffe im Sinne von Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG erfüllt sind.

Diese Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichts für einen Wehrpflichtigen, der den vollen Grundwehrdienst abgeleistet hat, müssen erst recht für den Fall des Klägers gelten, war er doch mit einer kurzen Unterbrechung von 1985 bis 2003 siebzehn Jahre lang Soldat, und zwar Soldat auf Zeit, der sich wiederholt länger verpflichtet (mit einer Verpflichtungszeit von zuletzt 20 Jahren) und der sogar im Jahre 1998 seine Übernahme in das Berufssoldatenverhältnis betrieben hat, ohne dass ein solcher Konflikt - wie er ihn jetzt geltend macht - in irgend einer Weise erkennbar war.

Zunächst hat der Kläger ein "Schlüsselerlebnis", wie es das Bundesverwaltungsgericht fordert, nicht dargetan. Zwar hat er in seinem KDV-Antrag drei Vorfälle bzw. Konfliktbereiche erwähnt und ist auf diese in der Folgezeit zu sprechen gekommen, jedoch erlauben diese vom Anlass, der Tiefe und dem Widerhall her nicht den Schluss auf eine Umkehr, die aus dem "Saulus" einen "Paulus" gemacht hat.

Der "Handgranatenunfall" im Herbst 1998 war ein Betriebsunfall, weil sich die Soldaten offenbar nicht an die Sicherheitsvorschriften gehalten hatten. Dass Handgranaten gefährlich sein können - und auch sein sollen, hat der Kläger mit Sicherheit schon im Rahmen der Grundausbildung Mitte der 80er Jahre erfahren. Von daher ist nicht recht verständlich, welche Bedeutung dieser Vorfall für die erforderliche ernste, sittliche, die ganze Persönlichkeit des Klägers ergreifende unbedingte Entscheidung gegen das Töten im Kriege haben soll. Es kommt hinzu, dass der Kläger den Vorfall so schildert, als hätten ihn gerade die Umstände des Falles, das Schreien der Soldaten und das Blut sowie die mittelbare Schuldzuweisung der zivilen Ärzte auch an ihn, beeindruckt. Dies betrifft aber nicht im Kern eine Gewissensentscheidung gegen das Töten im Krieg. Eher berührt es die Befindlichkeit des Klägers als Arzt, musste er anlässlich dieses Vorfalls doch feststellen, dass die von ihm geforderte ärztliche Heilkunst sich nicht in überschaubaren und "sauberen" Untersuchungen und kleinen Operationen - wie er sie vor allem im Bereich von Hals, Nasen und Ohren gewöhnt war - erschöpfte, sondern auch mit dem "blutigen" Geschäft Schwerverletzter zu tun hat. Eine solche Erfahrung hätte der Kläger als ziviler Notfallarzt aber in einem Krankenhaus bei einem schweren Autounfall ebenfalls machen können. Dementsprechend sind die verletzten Soldaten damals auch in zivile Krankenhäuser verlegt und dort behandelt worden.

Wenig aussagekräftig ist insoweit auch der zweite vom Kläger angeführte Vorfall, sein Auslandseinsatz in Bosnien Ende 2000/Anfang 2001. Diesen kennzeichnet nichts anderes als der Umstand, dass er als dienstgradhöchster Offizier eine Gruppe von Soldaten von einem Ort zu einem anderen hatte führen müssen und er das auch getan hat. Geprägt wird dieser Vorfall danach eher durch die dem Kläger damals übertragene Verantwortung in einer nicht ganz ungefährlichen Situation. Umstände, die einen Gewissenskonflikt hätten auslösen können, sind dabei hingegen kaum zu erkennen.

Vor allem aber spricht gegen die Annahme, diese Ereignisse bzw. Situationen seien für den Kläger ein "Schlüsselerlebnis" gewesen, dass sie in seiner Person keinen Widerhall gefunden haben. Nichts lässt erkennen, dass diese beiden Vorfälle ihn erschüttert haben. Nach dem Handgranatenunfall ging der Kläger seinen Berufsweg konsequent weiter. Zu dieser Zeit lief sein Antrag auf Übernahme als Berufssoldat (später wurde der Kläger zwar nicht übernommen, aber er nahm diesen Antrag auch nicht zurück), dann kehrte er als Arzt an das Bundeswehrzentralkrankenhaus in K.... zurück, versah dort seinen Dienst weiter, nahm an einer zivilen einjährigen Weiterbildung teil, promovierte zum Dr. med. und wurde in dieser Zeit auch noch gut dienstlich beurteilt.

Demgegenüber kann der Kläger auch nicht mit seinem Einwand gehört werden, er wäre auch bei einer positiven Entscheidung niemals Berufssoldat geworden. Für diese Behauptung des Klägers gibt es keinen objektiven Anhaltspunkt. Es fragt sich zudem ernstlich, warum er die Übernahme hätte ablehnen sollen. Immerhin hatte er sie zuvor vehement angestrebt und der Handgranatenunfall hatte bei ihm keine "Umkehr" bewirkt. In seinem KDV-Antrag vom 7. September 2003 gab er selbst an, er sei darüber hinweggegangen und habe das Geschehene verdrängt. Von daher bestand für ihn gar kein Anlass, von seinem Vorhaben Berufssoldat Abstand zu nehmen. Die Darstellung des Klägers ist insoweit widersprüchlich.

Einen solchen Widerhall vermisst der Senat auch für die Zeit nach dem Transport der 150 Soldaten von Hannover nach Split und dann weiter nach Bosnien unter Führung des Klägers. Auch danach kehrte der Kläger ersichtlich unbeeindruckt an das Bundeswehrzentralkrankenhaus in K.... zurück. Er wurde Facharzt für HNO, bewarb sich wenige Monate später um die neu geschaffene HNO-Facharztstelle im Standort-Sanitätszentrum B...., die - in seinen Worten - für ihn "beruflich, lokal sowie familiär eine neue Herausforderung dar(stellte)" und plante bereits seinen weiteren zivilen Berufsweg. So äußerte er sich in seiner Stellungnahme zur dienstlichen Beurteilung zum 30. September 2001: "Bis zum Ausscheiden aus der Bundeswehr 2006 möchte ich im örtlichen Bereich K....-B.... eingesetzt werden, da ich danach auch meine zivile Tätigkeit in diesem Bereich bereits plane. Eine weiter entfernte Versetzung würde diesen Planungsprozess stark schädigen und eine ungewöhnliche Härte darstellen. Sollte ein Verbleiben in K.... (Bundeswehrzentralkrankenhaus) nicht möglich sein, ist für mich ein Einsatz im Fachgebiet im o.g. Bereich, insbesondere in B...., durchaus denkbar. Mit Rücksicht auf die begrenzte örtliche Einsatzfähigkeit würde ich unter Umständen auch einer fachfremden Verplanung zustimmen." Dies zeigt, dass der Kläger - nur wenige Monate nach seiner Rückkehr aus Bosnien - seine Tätigkeit als Soldat auf Zeit weiter annahm und zugleich schon im Sommer 2001 - mehr als fünf Jahre vor seinem vorhersehbaren Ausscheiden aus der Bundeswehr - seinen neuen, zivilen Berufsabschnitt konkret plante. Auf dieser Linie liegt, dass der Kläger ab März 2002 privaten Nebentätigkeiten nachging und an der Schule für Logopädie im Fach HNO Unterrichte erteilte sowie Vertretungen in einer oder mehreren HNO-Praxen übernahm. Schließlich kann auch deshalb nicht ernstlich angenommen werden, dass der Kläger seinen Dienst nur noch als Zwang empfand, weil er seinerzeit sogar eine Leistungszulage erhielt.

Auch der dritte im KDV-Antrag genannte Vorfall, nämlich der Konflikt mit seinem sechs Jahre alten Sohn um eine Erbsenpistole, ist kein derartiges Schlüsselerlebnis, das einen "Saulus" zu einem "Paulus" machen konnte. Das Gespräch mit seinem Sohn über den Erwerb und den Gebrauch einer Erbsenpistole war so banal und beiläufig, dass es keine solche "Umkehr" beim Kläger bewirken konnte. Denn nicht ernsthaft konnte die bloße Bemerkung seines sechs Jahre alten Sohnes "Vati, Du bist doch Soldat und Soldaten haben doch auch Waffen und müssen damit verletzen" eine grundlegende Erkenntnis vermitteln, die dem Kläger bis dahin noch nicht gekommen war. Bis zu diesem Vorfall war der Kläger 17 Jahre lang Soldat gewesen, hatte etwa auch die Grundausbildung absolviert, war längere Zeit Truppenarzt und vorübergehend im Auslandseinsatz. Unter diesen Umständen muss er eingehend erlebt haben, dass Soldaten auch Waffen tragen und dass man mit diesen auch Menschen verletzen, ja töten kann. Zu dieser Erkenntnis bedurfte es nicht der Bemerkung seines Sohnes.

Gegen eine Gewissensnot des Klägers spricht auch, dass er sich mit der Problematik des Kriegsdienstes, aus der er seine Zwangslage ableitet, nicht entsprechend seinen geistigen Fähigkeiten auseinandergesetzt hat. Dass Soldaten im Krieg andere Soldaten töten, ist eine Realität, die man fast jeden Tag beispielsweise in den Fernsehnachrichten wahrnehmen kann. Dieses Wissen als solches, das auch den Soldaten, die keinen Kriegsdienst mit der Waffe verweigern, eigen ist, rechtfertigt nicht die Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer. Hinzukommen muss vielmehr die geistige Auseinandersetzung, die Abwägung und die persönliche Entscheidung jedes Einzelnen, ob er selbst - etwa auch zur Erreichung hochwertiger, ethischer Ziele oder aus anderen Motiven heraus - die geistige und psychische Fähigkeit hat, im Krieg mit der Waffe einen anderen Menschen zu töten. Eine solche Auseinandersetzung vermisst der Senat beim Kläger ebenso wie schon das Verwaltungsgericht. Dies wiegt umso schwerer, als der Kläger Akademiker ist und ihm in den dienstlichen Beurteilungen eine hohe geistige Befähigung zugesprochen wird. Dazu heißt es beispielsweise in der dienstlichen Beurteilung zum 30. September 1999: "Oberstabsarzt S.... hat eine sehr gute Allgemeinbildung. Er steht geistig auf hohem Niveau und hat die Fähigkeit, systematisch und schöpferisch zu denken. Er urteilt umsichtig und sachgerecht."

Es kann auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Kläger - wie es jetzt § 2 Abs. 3 für Kriegsdienstverweigerer -KDVNeuRG- sogar ausdrücklich empfiehlt - weder im KDV-Antrag noch in seinem Entlassungsverfahren schriftliche Stellungnahmen und Beurteilungen Dritter zu seiner Person und zu seiner Zwangslage beigefügt oder vorgelegt und auch nicht Personen benannt hat, die zu Auskünften über ihn bereit sind. So hätte sich beispielsweise angeboten, seine Ehefrau, mit der er seit Jahren in Lebensgemeinschaft lebt, oder den Kollegen, dessen Rat er im Juli 2003 eingeholt hat, zu benennen und/oder eine Stellungnahme von ihnen vorzulegen. Angaben solcher dritten Personen können zwar nicht die Darlegung einer Gewissensnot ersetzen, doch können sie für die Feststellung eines möglichen Widerhalls und der Tiefe einer etwaigen Gewissensentscheidung schon aussagekräftig sein.

Fehlt es danach an einem "Schlüsselerlebnis", so kann der Senat gerade anhand dieser Vorfälle auch keinen längeren Wandlungsprozess erkennen, als deren Ergebnis eine "Umkehr" der gewissensmäßigen Einstellung zum Kriegsdienst mit der Waffe festzustellen wäre. Noch weniger sieht der Senat im beruflichen oder privaten Bereich des Klägers eine Entwicklung im Sinne einer Wandlung zu einer Persönlichkeit hin, die für sich jede Unterstützung des Tötens im Krieg ablehnt. Dagegen spricht schon der Umstand, dass der Kläger nach 17 Jahren als Soldat auf Zeit den KDV-Antrag stellt, als er seinen weiteren zivilen Berufsweg konkret plant und etwa von einer "ungewöhnlichen Härte" spricht, wenn er im Hinblick darauf nicht im Raum K....-B.... eingesetzt würde (vgl. die Stellungnahme des Klägers in der dienstlichen Beurteilung zum 30. September 2001).

Auch vermag der Kläger den Senat nicht mit seiner Darstellung im KDV-Antrag zu überzeugen, er sei sehr konservativ zu einer stark angepassten Persönlichkeit mit fast preußischem Pflichtbewusstsein erzogen worden, die den Militärdienst zunächst ohne Hinterfragen akzeptiert und sich erst im Laufe der Zeit von dieser Sicht befreit habe. Denn der Kläger ist nicht als uninformierter Wehrpflichtiger unbedacht in den Wehrdienst gleichsam hineingeraten. Vielmehr hat er sich ganz bewusst und gezielt um seine Einstellung als Soldat und auch um eine - aus seiner damaligen Sicht - Karriere in der Bundeswehr bemüht. So hat er sich als Abiturient freiwillig zur Bundeswehr gemeldet, von vornherein als Soldat auf Zeit mit dem Berufswunsch "Sanitätsoffizier" Dienst verrichtet und sich um die Ausbildung als Offizier bemüht. Nachdem dies erfolglos blieb, weil - wie es in der Beurteilungseignung von Februar 1986 hieß - "das Medizinstudium (beim Kläger) deutlich im Vordergrund (stand)" und ihm "fehlende soldatische Motivation" bescheinigt wurde, hat er durch die Teilnahme an zwei Wehrübungen doch seine Einstellung als Soldat auf Zeit und als Sanitätsoffizier-Anwärter erreicht. - An diesem Ende seines militärischen Berufsweges steht als letzter Beleg für all dies der von seinem Vorgesetzten am 9. September 2003 noch offensichtlich in Unkenntnis des vom Kläger gestellten KDV-Antrages gegebene Verwendungsvorschlag für eine Beförderung und eine Übernahme des Klägers in das Dienstverhältnis eines Berufssoldaten.

Dass unter diesen Umständen die vom Kläger behaupteten finanziellen Einbußen durch den Wegfall oder die Kürzung der Übergangsgebührnisse sowie durch die Schwierigkeit, im Zivilberuf schnell Fuß zu fassen, an der Einschätzung, bei dem Kläger lasse sich keine Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst mit der Waffe feststellen, nichts zu ändern vermögen, liegt auf der Hand.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Der Ausspruch hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten ergibt sich aus § 167 VwGO.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil Gründe der in § 132 Abs. 2 VwGO bezeichneten Art nicht vorliegen. Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren auf 27.972,82 € festgesetzt (§ 13 Abs. 4 Satz 1 b GKG).

Ende der Entscheidung

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