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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss verkündet am 23.09.2003
Aktenzeichen: 10 B 11243/03.OVG
Rechtsgebiete: AuslG, AsylVfG


Vorschriften:

AuslG § 56 Abs. 3 S. 2
AuslG § 56 Abs. 3
AuslG § 56
AuslG § 71 Abs. 3
AuslG § 71
AsylVfG § 15 Abs. 2 Nr. 6
AsylVfG § 15 Abs. 2
AsylVfG § 15
Zur Rechtmäßigkeit der einem seine Identität seit Jahren verschleiernden Ausländer erteilten Auflage, in der Landesunterkunft für Ausreisepflichtige zu wohnen (§ 56 Abs. 3 Satz 2 AuslG in Verbindung mit den hierzu ergangenen rheinland-pfälzischen Verfahrensregelungen vom 25. Mai 2000/16. Juni 2003).
OBERVERWALTUNGSGERICHT RHEINLAND-PFALZ BESCHLUSS

10 B 11243/03.OVG

In dem Verwaltungsrechtsstreit

wegen Duldung (Liberia)

hier: aufschiebende Wirkung

hat der 10. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der Beratung vom 23. September 2003, an der teilgenommen haben

Vizepräsident des Oberverwaltungsgerichts Steppling Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Falkenstett Richter am Oberverwaltungsgericht Möller

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 16. Juli 2003 wird zurückgewiesen. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 1.500,-- € festgesetzt.

Gründe: Die zulässige Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat es zu Recht abgelehnt, unter Abänderung seines Beschlusses vom 22. April 2003 - 3 L 447/03.KO - dem vorläufigen Rechtsschutzbegehren des Antragstellers dahingehend zu entsprechen, dass er bis auf weiteres von der ihm im Zusammenhang mit seiner Duldung unter dem 7. Februar 2003 gemäß § 56 Abs. 3 Satz 2 AuslG erteilten Auflage zur ausschließlichen Wohnsitznahme in der Landesunterkunft für Ausreisepflichtige in Trier verschont bleibe. Dabei kann dahinstehen, ob der Antragsteller zur Verfolgung seines diesbezüglichen Begehrens entsprechend seiner in der Hauptsache erhobenen Anfechtungsklage und seines damit nach § 80 Abs. 5 VwGO verbundenen Aussetzungsantrages nicht zunächst erst gegen die genannte Verfügung der Antragsgegnerin hätte Widerspruch einlegen müssen, weil es sich bei der in Rede stehenden Auflage um eine selbständige Auflage handelt, die gegebenenfalls nicht der Regelung des § 71 Abs. 3 AuslG unterfällt, oder ob es eines solchen Widerspruches nach Maßgabe dieser Regelung nicht bedurfte, weil es sich insoweit lediglich um eine unselbständige Auflage handelt mit der Folge, dass alsdann in der Hauptsache gegebenenfalls eine Verpflichtungsklage zu seiner Duldung ohne diese Auflage zu erheben und damit verbunden ein Antrag nach § 123 VwGO zu stellen gewesen wäre (vgl. dazu GK-AuslG, § 71 Rdnr. 15 sowie Hailbronner, AuslR, § 71 Rdnr. 16 jeweils m.w.N.). Denn ungeachtet dessen bestand für eine Abänderung des erstinstanzlichen Beschlusses vom 22. April 2003 sei es nach Maßgabe des § 80 Abs. 7 VwGO, sei es in Analogie zu dieser Bestimmung in der vom Antragsteller begehrten Weise keine Veranlassung, weil sich die ihm zur Auflage gemachte Verpflichtung zur ausschließlichen Wohnsitznahme in der genannten Landesunterkunft als offensichtlich rechtmäßig erweist. Nach § 56 Abs. 3 Satz 2 können Duldungen unter anderem mit weiteren Auflagen versehen werden. Bezüglich des den Ausländerbehörden hiernach eingeräumten Ermessens ist schon seit jeher auf der Grundlage der zu dieser Bestimmung ergangenen Verwaltungsvorschriften (vgl. AuslG-VwV Tz. 56.3.2) anerkannt, dass es bei Vorliegen entsprechenden öffentlichen Interesses beispielweise auch geboten sein kann, einen Ausländer durch eine derartige Auflage zur Wohnsitznahme in einer bestimmten Gemeinde oder darüber hinaus sogar in einer bestimmten Unterkunft zu verpflichten. Dieses Ermessen hat für die Ausländerbehörden des Landes Rheinland-Pfalz eine zusätzliche Konkretisierung dahin erfahren, dass auch Erfordernisse im Zusammenhang mit der Durchsetzung der Ausreisepflicht die Unterbringung von Ausländern in einer zentralen Gemeinschaftsunterkunft rechtfertigen können, um dort durch eine Kombination von psychosozialer Betreuung und ausländerrechtlicher Beratung die Bereitschaft zu fördern, bei der Passbeschaffung mitzuwirken und letztlich freiwillig auszureisen, sofern eine realistische Chance zur Beschaffung von Rückreisepapieren besteht (vgl. Verfahrensregelungen für die Landesunterkunft für Ausreisepflichtige im Rahmen eines Modellprojekts des rheinland-pfälzischen Ministeriums des Innern und für Sport vom 25. Mai 2000), bzw. um dort hinsichtlich solcher Ausreisepflichtiger, die ihre Identität verschleiern, in einer offenen Einrichtung deren ständige behördliche und gerichtliche Erreichbarkeit sicherzustellen, eine gezielte Bündelung von für die Identitätsklärung und Reisepassbeschaffung nötigen Spezialkenntnissen zu erreichen und durch eine Kombination von psychosozialer Betreuung und ausländerrechtlicher Beratung die Bereitschaft zur Mitwirkung an der Passbeschaffung und letztlich freiwilligen Ausreise zu fördern (vgl. Verfahrensregelungen für die Landesunterkunft für Ausreisepflichtige des rheinland-pfälzischen Ministeriums des Innern und für Sport vom 16. Juni 2003). Dabei ist allerdings zu beachten, dass sowohl die Verpflichtung zur Wohnsitznahme in einer derartigen zentralen Unterkunft als auch die ins Auge gefassten weiteren Maßnahmen dort ihre Grenzen finden, wo diese keinen sinnvollen Bezug mehr zu dem aufgezeigten Verfahrenszweck aufweisen, in Schikane mit strafähnlichem Charakter ausarten, auf eine unzulässige Beugung des Willens hinauslaufen oder den Betreffenden im Einzelfall unverhältnismäßig treffen (vgl. für die Verfahrensregelungen vom 25. Mai 2000 die Beschlüsse bzw. das Urteil des 11. und des 7. Senates des beschließenden Gerichts vom 19. Januar 2001 - 11 B 12129/00.OVG - und vom 17. Oktober 2001 - 7 B 11319/01.OVG bzw. vom 19. November 2002 - 7 A 10768/02.OVG). Hiernach begegnet die in der Verfügung vom 7. Februar 2003 dem Antragsteller zur Auflage gemachte Verpflichtung zur Wohnsitznahme in der Landesunterkunft für Ausreisepflichtige in Trier wie auch die dort derzeit ins Auge gefasste Sprachanalyse keinen rechtlichen Bedenken. Der Antragsteller ist nach dem erfolglosen Abschluss zweier Asylverfahren bereits des längeren ausreisepflichtig und hat sich dieser Ausreisepflicht bislang dadurch entzogen, dass er von Anfang an falsche Angaben zu seiner Identität und gegebenenfalls auch zu seiner Staatangehörigkeit gemacht hat bzw. es seitdem an der Mitwirkung zu deren Aufklärung sowie zur Passbeschaffung hat fehlen lassen. So hat der Antragsteller nach seiner Einreise ins Bundesgebiet in kurzen Abständen unter verschiedenen Namen insgesamt fünf Asylverfahren eingeleitet, wobei er teilweise zum Beleg für seine jeweilige Identität unzutreffende Nachweise vorgelegt hat. Er hat sich in der Folgezeit wiederholt gefälschte Dokumente bis hin zur Geburtsurkunde, zum Personalausweis und zum Reisepass beschafft wie er alsdann mit derartigen Dokumenten auch die Behörden getäuscht hat. Entsprechend seinen jeweiligen Bedürfnissen hat er sich darauf berufen, entweder Liberianer oder aber kein Liberianer zu sein. Ferner hat er wiederholt den ihm zugewiesenen Aufenthaltsbereich verlassen, wobei er sich auch im Ausland aufgehalten hat. Schließlich war er sogar nach seiner vorliegend streitbefangenen Zuweisung zur Landesunterkunft für Ausreisepflichtige in Trier ungeachtet seiner hiergegen erhobenen Klage und des damit verbundenen Verfahrens auf Gewährung von vorläufigem Rechtsschutz für mehrere Wochen gänzlich untergetaucht, wodurch er sich gleichzeitig einer für ihn dort vorgesehenen Sprachanalyse entzogen hatte. Vor diesem Hintergrund besteht ein dringendes Interesse, die den Antragsteller treffende Ausreisepflicht gerade auch unter Nutzbarmachung der in der Landesunterkunft für Ausreisepflichtige Trier vorhandenen Förderungsmöglichkeiten durchzusetzen; dies gilt um so mehr, als gegen den Antragsteller auf grund verschiedener von ihm während seines Aufenthaltes im Bundesgebiet sei es im Zusammenhang mit seinem soeben aufgezeigten Fehlverhalten sei es anderweitig begangener Straftaten auch Ausweisungsgründe vorliegen. Dieses Interesse wird zweifelsohne auch von der Antragsgegnerin mit der streitbefangenen Auflage verfolgt. Soweit demgegenüber der Antragsteller einwendet, die auf diese Weise angestrebte Förderung seiner Ausreise sei schon deshalb in Frage gestellt, weil in der Vergangenheit weder die bei der liberianischen noch bei der nigerianischen Botschaft bereits erfolgten Vorführungen seiner Person zur Klärung seiner Identität bzw. Staatsangehörigkeit geführt hätten und ebenso bereits zwei nach Liberia in die Wege geleitete Abschiebungen gescheitert wären, vermag er damit nicht gehört zu werden, verkennt er doch insoweit, dass er selbst maßgeblich zu diesen Misserfolgen beigetragen hatte und dass gerade wegen dieses bisherigen Fehlverhaltens um so nachhaltiger versucht werden muss, durch das Ausschöpfen weiterer Möglichkeiten die Durchsetzung seiner Ausreisepflicht zu erreichen. Ebenso wenig lässt sich feststellen, dass mit den im Rahmen dieser Unterbringung derzeit ins Auge gefassten weiteren Maßnahmen kein sinnvoller Bezug zu dem aufgezeigten Verfahrenszweck mehr bestünde. Diesbezüglich ist nach wie vor beabsichtigt, den Antragsteller der soeben erwähnten bereits Anfang März 2003 angesetzt gewesenen Sprachanalyse zu unterziehen, der er sich seinerzeit durch sein Untertauchen entzogen hatte. Diese Maßnahme kann auch nicht von vornherein als unbehelflich abgetan werden, nachdem schon des längeren unterschiedliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Antragsteller tatsächlich aus Nigeria stammen könnte, sodass sich bei deren Bestätigung als Folge dieser Analyse Raum für weitere Ermittlungen gerade in dieser Richtung ergeben könnte. Hinzu kommt, dass sogar der Konsul der nigerianischen Botschaft die Einschätzung teilte, dass es sich bei dem Antragsteller auch aufgrund der Stammesnarben um einen Landsmann handele, indes diesbezüglich die Vorlage weiterer Beweise gefordert hatte, so dass auch von daher der Sprachanalyse nicht von vornherein jeglicher Nutzen abgesprochen werden kann. Soweit der Antragsteller damit im Zusammenhang einwendet, seine nunmehrige Unterbringung in der Landesunterkunft für Ausreisepflichtige in Trier stelle gleichwohl einen unverhältnismäßigen Eingriff dar, nachdem ihr bereits eine entsprechende Wohnsitznahmeverpflichtung in der früheren Landesunterkunft in Ingelheim in der Zeit ab Ende April 2002 vorangegangen sei, die Sprachanalyse auch unabhängig von einer solchen Unterbringung denkbar sei, diese im Übrigen aber auch als eher fernliegende Möglichkeit zur weiteren Aufklärung seiner Identität und zur angestrebten Passbeschaffung anzusehen sei, vermag er damit gleichfalls nicht gehört zu werden. Vielmehr muss sich der Antragsteller auch insoweit vorhalten lassen, dass er selbst seit nunmehr über zehn Jahren nicht nur den ihm von Gesetzes wegen gemäß § 15 Abs. 2 Nr. 6 AsylVfG obliegenden Mitwirkungspflichten an der Beschaffung seiner Identitätspapiere nicht genügt, sondern die entsprechenden behördlichen Bemühungen zusätzlich erschwert hat, weswegen das öffentliche Interesse an einer möglichst reibungslosen Durchführung der in Rede stehenden Analyse, wie sie indes nur durch seine Unterbringung in der Landesunterkunft in Trier hinreichend gewährleistet erscheint, selbst dann überwiegt, wenn sich ihre Eignung zur abschließenden Feststellung seiner Person und Herkunft sowie zur daran anknüpfenden Erlangung entsprechende Rückreisedokumente nicht verlässlich absehen lässt bzw. auf deren Grundlage alsdann noch weitere Maßnahmen angezeigt sein sollten. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes für das Beschwerdeverfahren folgt aus den §§ 14, 20 Abs. 3 und 13 Abs. 1 GKG. Der Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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