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Gericht: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss verkündet am 07.07.2003
Aktenzeichen: 11 B 10864/03.OVG
Rechtsgebiete: BDG, PostPersRG, BPersVG, BBG, VwVfG


Vorschriften:

BDG § 3
BDG § 13
BDG § 13 Abs. 2
BDG § 17
BDG § 17 Abs. 1
BDG § 34
BDG § 34 Abs. 2
BDG § 38
BDG § 38 Abs. 1
BDG § 38 Abs. 2
BDG § 63
BDG § 63 Abs. 2
PostPersRG § 1
PostPersRG § 1 Abs. 2
PostPersRG § 1 Abs. 5
PostPersRG § 29
PostPersRG § 29 Abs. 5
BPersVG § 78
BPersVG § 78 Abs. 1
BPersVG § 78 Abs. 1 Nr. 3
BBG § 54
BBG § 54 Satz 1
VwVfG § 28
VwVfG § 46
1. Der Dienstherr besitzt eine weite organisatorische Gestaltungsfreiheit, wenn er einzelne Dienstposten bestimmten (Status-)Ämtern wertend zuordnet. Für die amtsangemessene Beschäftigung von Beamten im Bereich der Deutschen Post AG und der Deutschen Bahn AG gilt dies in besonderem Maße (im Anschluss an OVG Rh-Pf, NVwZ 1998, 538).

2. Zur vorläufigen Dienstenthebung eines Postdirektors, der sich über ein Jahr lang beharrlich weigerte, einen ihm zugewiesenen, vermeintlich unterwertigen Projektauftrag durchzuführen.


OBERVERWALTUNGSGERICHT RHEINLAND-PFALZ BESCHLUSS

11 B 10864/03.OVG

In der Disziplinarsache

wegen Antrags auf Aussetzung der vorläufigen Dienstenthebung und der Einbehaltung von Bezügen

hat der 11. Senat - Senat für Bundesdisziplinarsachen - des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der Beratung vom 7. Juli 2003, an der teilgenommen haben

Präsident des Oberverwaltungsgerichts Prof. Dr. Meyer Vorsitzender Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Bier Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Frey

beschlossen:

Tenor:

Unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Trier vom 29. April 2003 wird der Antrag, die vorläufige Dienstenthebung des Antragstellers und die Einbehaltung von Dienstbezügen auszusetzen, abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge.

Gründe:

Die Beschwerde des Antragsgegners ist begründet. Das Verwaltungsgericht hätte die vorläufige Dienstenthebung und die Einbehaltung von Bezügen nicht aussetzen dürfen, denn an ihrer Rechtmäßigkeit bestehen keine ernstlichen Zweifel (§ 63 Abs. 2 Bundesdisziplinargesetz - BDG -).

Derartige Bedenken sind zunächst nicht in formeller Hinsicht vorhanden. Der Leiter der Service-Niederlassung Einkauf der Deutschen Post AG in K. ist nach der Anordnung der Antragsgegnerin zur Übertragung dienstrechtlicher Zuständigkeiten vom 24. Juni 1999 Dienstvorgesetzter des Antragstellers und war in dieser Eigenschaft gemäß § 17 Abs. 1 BDG für die Einleitung des Disziplinarverfahrens zuständig. Demgegenüber wurde die hier umstrittene vorläufige Dienstenthebung vom 10. Februar 2003 zu Recht vom Vorstand der Deutschen Post AG erlassen, dem die Befugnisse der obersten Dienstbehörde übertragen sind (§§ 34 Abs. 2 Satz 1, 38 Abs. 1 und 2 BDG i.V.m. § 1 Abs. 2 Postpersonalrechtsgesetz - PostPersRG -). Zwar hat der Vorstand die betreffende Zuständigkeit gemäß § 34 Abs. 2 Satz 2 BDG auf die Dienstvorgesetzten delegiert (Anordnung vom 13. November 2001, BGBl. I S. 3355), aber nur für Beamte bis zur Besoldungsgruppe A 13. Für die höher eingestuften Beamten, zu denen auch der Antragsteller als Postdirektor (Besoldungsgruppe A 15) zählt, ist die Zuständigkeit beim Vorstand verblieben.

Die vorläufige Dienstenthebung ist auch nicht mangels ordnungsgemäßer Anhörung (§ 3 BDG i.V.m. § 28 VwVfG) des Beamten rechtswidrig. Ihm wurde durch Schreiben des Niederlassungsleiters vom 2. Dezember 2002 sowohl zur vorläufigen Dienstenthebung als auch zu der beabsichtigten Einbehaltung eines Teils der Dienstbezüge Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben, von der er allerdings innerhalb der Frist nur durch ein sehr knapp gehaltenes Anwaltsschreiben vom 7. Januar 2003 Gebrauch machte. Wollte man einen Fehler des Anhörschreibens vom 2. Dezember 2002 darin erblicken, dass der Niederlassungsleiter sich darin eine ihm in Wirklichkeit nicht zustehende eigene Entscheidungszuständigkeit beimaß, hätte sich dieser offensichtlich nicht ausgewirkt und wäre daher gemäß § 3 BDG i.V.m. § 46 VwVfG unerheblich. Denn der Antragsteller hat sich in seinem ersten Aussetzungsantrag an das Verwaltungsgericht, der sich gegen die inzwischen aufgehobene Dienstenthebung vom 8. Januar 2003 richtete, ausführlich zur Sache eingelassen, ohne die Zuständigkeitsfrage überhaupt anzusprechen. Insofern deutet nichts darauf hin, dass er eine ausführlichere Stellungnahme gerade deshalb unterließ, weil er die Unzuständigkeit des Niederlassungsleiters erkannte.

Schließlich war vor Erlass der vorläufigen Dienstenthebung weder der Betriebsrat noch die Bundesanstalt für Post und Telekommunikation zu beteiligen. Der Betriebsrat wirkt nach § 78 Abs. 1 Nr. 3 BPersVG i.V.m. § 29 Abs. 5 PostPersRG bei der Erhebung der Disziplinarklage gegen einen Beamten mit. In § 1 Abs. 5 PostPersRG ist zudem vorgeschrieben, dass der Vorstand, bevor er eine Disziplinarmaßnahme verhängt oder Disziplinarklage erhebt, der Bundesanstalt Gelegenheit zu einer Rechtmäßigkeits- und Ermessensprüfung gibt. Die Anordnungen nach § 38 BDG stehen aber weder der Erhebung einer Disziplinarklage gleich noch sind sie Disziplinarmaßnahmen im Sinne des 2. Teils des Bundesdisziplinargesetzes; einer Mitwirkung nach jenen Bestimmungen bedurfte es deshalb nicht.

Auch in der Sache selbst bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der umstrittenen Verfügung vom 10. Februar 2003. Ein Beamter kann unter anderem dann vorläufig des Dienstes enthoben werden, wenn im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt werden wird (§ 38 Abs. 1 Satz 1 BDG). Bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage, wie sie ein gerichtliches Eilverfahren kennzeichnet, ist im vorliegenden Fall hiervon auszugehen.

Nach Aktenlage spricht alles dafür, dass der Antragsteller ein schweres Dienstvergehen begangen hat, indem er über einen Zeitraum von über einem Jahr die ihm übertragene Arbeitsleistung hartnäckig und unbelehrbar verweigerte. Nach § 54 Satz 1 Bundesbeamtengesetz - BBG - hat sich der Beamte mit voller Hingabe seinem Beruf zu widmen. Der Dienstherr und die Allgemeinheit können - selbstverständlich - erwarten, dass der Beamte nicht nur körperlich am Dienstort anwesend ist, sondern auch die ihm übertragenen Aufgaben erfüllt. Dies hat der Antragsteller konsequent verweigert, seit er mit Schreiben des Niederlassungsleiters vom 10. Oktober 2001 gebeten worden war, sich zwecks Übertragung eines neuen Projektauftrages mit dem Abteilungsleiter ... bei der Zentrale, Herrn D., persönlich in Verbindung zu setzen. Wie sich aus der Ermittlungsakte im Einzelnen erschließt, war die Antragsgegnerin mehr als ein Jahr lang, bis November 2002, immer wieder bemüht, den Antragsteller zu der Bearbeitung des Projektauftrages "Strukturelle Fortentwicklung der unpersönlichen Auslieferung von Briefsendungen und Pressepost" und der dafür erforderlichen Kontaktaufnahme mit Herrn D. als dem fachlichen Leiter des Projektes zu veranlassen. Wenn sich der Antragsteller demgegenüber darauf beruft, er habe den neuen Projektauftrag nie "offiziell" erhalten, verkennt er, dass er ebendies verhinderte, indem er ihm übergebene Schreiben mehrfach eigenhändig in das Sekretariat des Niederlassungsleiters zurückbrachte. Dass der Projektauftrag schließlich über den damaligen Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers übermittelt wurde, ist gewiss ungewöhnlich, entsprach aber dessen ausdrücklichem Verlangen (s. etwa Schreiben vom 25. April 2002, Bl. 203/206 der Ermittlungsakte).

Den Antragsteller kann auch nicht entlasten, dass er vom Dienstherrn keine Kommunikationsmittel wie PC, Diktier- und Faxgerät sowie Inter- und Intranetzugang erhalten haben will. Wer sich von vornherein weigert, mit der ihm zugewiesenen Arbeit zu beginnen, ja den Auftrag zu ihr auch nur entgegenzunehmen, kann nicht erwarten, dass der Dienstherr ihn mit den sonst erforderlichen Hilfsmitteln versorgt.

Zur Arbeitsverweigerung war der Antragsteller auch nicht deshalb berechtigt, weil er den ihm zugewiesenen Projektauftrag für nicht amtsangemessen hielt. Bei überschlägiger Prüfung spricht vieles dafür, dass er insoweit irrt und der umstrittene Auftrag dem Statusamt als Postdirektor durchaus entsprach. Hierzu hat das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - bezogen auf einen vorangegangenen, vom Antragsteller gleichfalls abgelehnten Projektauftrag - in seinem den Beteiligten bekannten Beschluss vom 15. Mai 2003 - 1 B 2243/02 - folgendes ausgeführt:

"Es fehlt auch ein hinreichender Anhalt, dass der dem Antragsteller mit der Versetzung übertragene funktionelle Aufgabenbereich trotz der haushalts- und organisationsrechtlichen Ausweisung des ihm zugleich übertragenen konkreten Dienstpostens mit der Besoldungsgruppe A 15 unterwertig war. Dabei gilt es zu beachten, dass auch in diesem Zusammenhang die Antragsgegnerin bzw. die für sie handelnde Stelle eine weite organisatorische Gestaltungsfreiheit besitzt, die einzelnen Dienstposten den jeweiligen Ämtern wertend zuzuordnen, in die die gerichtliche Überprüfung grundsätzlich nicht eingreifen darf, es sei denn, der Gestaltungsspielraum ist erkennbar überschritten. Selbständige Projektarbeiten im streitigen Sinne eröffnen die im Bereich eines Amtes der Besoldungsgruppe A 15 zu erwartenden Arbeitsinhalte und Arbeitszusammenhänge. Mit dem Amt eines Postdirektors im statusrechtlichen wie auch abstrakt-funktionellen Sinne ist nicht zwangsläufig die Erfüllung von Leitungsaufgaben verbunden. Die dem Antragsteller im Übrigen im Einzelnen übertragenen Aufgabenstellungen erfordern auch amtsangemessene Arbeiten. Sie stellten besondere Anforderungen an das Fachwissen des Antragstellers und erforderten ein selbständiges, eigenverantwortliches und koordinierendes Arbeiten, das im Bereich des höheren Dienstes von einem mit A 15 besoldeten Beamten erwartet werden darf."

Der beschließende Senat teilt diese Erwägungen, die auch auf das hier umstrittene Projekt "Strukturelle Fortentwicklung der unpersönlichen Auslieferung von Briefsendungen und Pressepost" anwendbar sind. Dabei berücksichtigt er auch, dass gerade den privatisierten ehemaligen Staatsunternehmen Deutsche Post AG und Deutsche Bahn AG eine besonders weitgehende organisatorische Gestaltungsfreiheit bei der amtsangemessenen Beschäftigung ihrer Beamten zugebilligt werden muss, da andernfalls die unternehmerisch-wirtschaftlichen Ziele der Post- bzw. Bahnreform nur schwerlich erreicht werden könnten (s. auch OVG Rh-Pf, Beschluss vom 14. März 1997, NVwZ 1998, 538).

Im Übrigen hätte sich der Antragsteller aber selbst dann eines schweren Dienstvergehens schuldig gemacht, wenn die ihm übertragene Aufgabe seinem Statusamt nicht entsprochen haben sollte. Auch in einem solchen Fall ist ein Beamter zu andauernder Arbeitsverweigerung keineswegs berechtigt. Vielmehr ist er dann gehalten, notfalls durch Inanspruchnahme verwaltungsgerichtlichen (Eil-)Rechtsschutzes unverzüglich klären zu lassen, ob die betreffenden Aufgaben amtsangemessen sind oder nicht. Ein Arbeitsverweigerungsrecht kann, wenn überhaupt, allenfalls ganz kurzfristig in Betracht kommen (s. auch BVerwG, Urteil vom 8. Juli 1987 - 1 D 140.86 - [JURIS]; Zängl, in: GKÖD, § 54 BBG Rn. 44). Um eine derartige gerichtliche Klärung hat sich der Antragsteller während der gesamten Dauer seiner Arbeitsverweigerung ersichtlich nicht bemüht. Er hat es vielmehr dabei bewenden lassen, Widerspruch gegen den vermeintlich unterwertigen Projektauftrag einzulegen, seine Vorgesetzten auf seine "ungeklärte Arbeitssituation" hinzuweisen und eine seiner Meinung nach adäquate Beschäftigung zu verlangen; ein solches Verhalten ist mit den Beamtenpflichten schlechterdings nicht zu vereinbaren.

Das Dienstvergehen wiegt so schwer, dass aus heutiger Sicht - vorbehaltlich einer abschließenden Prüfung der Sach- und Rechtslage im Disziplinarverfahren - mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auf die Entfernung des Antragstellers aus dem Beamtenverhältnis zu erkennen sein wird. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 8. Juli 1987, a.a.O.) ist für das Disziplinarmaß bei Arbeitsverweigerung zu berücksichtigen, dass ein Beamter, der die Ausführung der ihm obliegenden Dienstpflichten verweigert, sich im Ergebnis nicht anders verhält, als wenn er dem Dienst unentschuldigt fernbleibt. Deshalb ist je nach den Umständen des Einzelfalles auf Kürzung der Dienstbezüge, Zurückstufung oder Entfernung aus dem Beamtenverhältnis zu erkennen.

Unter den hier gegebenen Umständen spricht vieles dafür, dass der Antragsteller das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit endgültig verloren hat und deshalb aus dem Beamtenverhältnis entfernt werden muss (§ 13 Abs. 2 Satz 1 BDG). So hat er - anders als der Beamte in dem vom Bundesverwaltungsgericht seinerzeit entschiedenen Fall - die ihm übertragene Arbeitsleistung nicht nur teilweise, sondern vollständig und über den außerordentlich langen Zeitraum von weit über einem Jahr verweigert und sich dabei gegenüber den vielfältigen Bemühungen des Dienstherrn, ihn doch noch umzustimmen, vollkommen uneinsichtig gezeigt.

Bei alledem übersieht der Senat nicht die Argumente des Antragstellers, der sich von seinem Dienstherrn seit geraumer Zeit benachteiligt, übergangen, isoliert und "gemobbt" fühlt. Auch wenn, wie das Verwaltungsgericht meint, hier im weiteren Disziplinarverfahren noch Klärungsbedarf besteht, spricht keine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür, dass diese Erkenntnisse den Antragsteller in einen Ausmaß entlasten können, welches das Absehen von der Höchstmaßnahme rechtfertigt. Nach gegenwärtiger Aktenlage ergibt sich vielmehr das Bild eines Beamten, der sich jedenfalls im hier maßgeblichen Zeitraum auch und vor allen Dingen in eine mit seinen Dienstpflichten gänzlich unvereinbare Selbstisolation begeben und aus ihr nicht mehr herausgefunden hat: Wer sich so lange weigert, einen ihm zugedachten Arbeitsauftrag auch nur entgegenzunehmen, wer gar dem Dienstherrn gegenüber darauf beharrt, dass nur über Rechtsanwälte mit ihm verkehrt wird, der läuft ersichtlich Gefahr, dem Beamtenverhältnis die notwendige Vertrauensgrundlage endgültig zu entziehen.

Ernstlichen Zweifeln begegnet die angegriffene Verfügung schließlich auch insoweit nicht, als gemäß § 38 Abs. 2 BDG die Einbehaltung von 40 v.H. der Dienstbezüge angeordnet worden ist. Nachdem der Antragsteller zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen im Rahmen der Anhörung keine Angaben gemacht hatte, waren in diesem Punkt weitere Ermessenserwägungen der Antragsgegnerin nicht veranlasst, zumal sie zugesagt hat, die diesbezügliche Entscheidung zu überprüfen, sobald Anlass dazu besteht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 77 Abs. 4 BDG i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO.

Ende der Entscheidung

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