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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 26.08.2004
Aktenzeichen: 12 A 10757/04.OVG
Rechtsgebiete: EWGRL 85/73, EGRL 96/43, FlHG, AGFlHG, GebVO-FlHG, GG, VwGO


Vorschriften:

EWGRL 85/73
EGRL 96/43
FlHG § 24
FlHG § 24 Abs. 2
AGFlHG § 2
AGFlHG § 2 Abs. 5
AGFlHG § 2 Abs. 5 Satz 1
GebVO-FlHG § 1
GebVO-FlHG § 1 Abs. 1
GebVO-FlHG § 1 Abs. 2
GG Art. 20
GG Art. 20 Abs. 2
GG Art. 20 Abs. 2 Satz 2
VwGO § 113
VwGO § 113 Abs. 1
VwGO § 113 Abs. 1 Satz 1
1. Die Vorschriften über die allgemeinen Untersuchungsgebühren nach der Landesverordnung über die Gebühren und Auslagen für Untersuchungen und Hygienekontrollen nach fleisch- und geflügelfleischhygienerechtlichen Vorschriften vom 17. Februar 1999 (GVBl. S. 32) sind europarechtswidrig und nichtig (Fortführung des Urteils des EuGH vom 30. Mai 2002 - C-284/00 - "Stratmann" - und - C 288/00 - "Fleischversorgung Neuss").

2. Hierauf beruhende Gebührenbescheide sind (mangels Rechtsgrundlage) rechtswidrig und wegen ihrer den Kläger belastenden Wirkung aufzuheben.


OBERVERWALTUNGSGERICHT RHEINLAND-PFALZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

12 A 10757/04.OVG

In dem Verwaltungsrechtsstreit

wegen Fleischbeschaugebühren

hat der 12. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 26. August 2004, an der teilgenommen haben

Vorsitzende Richterin am Oberverwaltungsgericht Wünsch Richter am Oberverwaltungsgericht Geis Richter am Verwaltungsgericht Müller-Rentschler ehrenamtliche Richterin Hotel-Betriebswirtin Bocklet ehrenamtlicher Richter Tierzuchttechniker Dörrenberg

für Recht erkannt:

Tenor:

Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Trier vom 2. Dezember 2003 - 2 K 1191/03.TR - wird der Gebührenbescheid des Beklagten vom 7. Dezember 2000 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 24. Februar 2003 und des Widerspruchsbescheides des Kreisrechtsausschusses des Beklagten vom 15. Juli 2003 insoweit aufgehoben, als mehr als die EG-Pauschalgebühren festgesetzt wurden.

Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen ihre (erneute) Heranziehung zu Fleischbeschaugebühren durch den Beklagten.

Die Klägerin, die ein Fleischerfachgeschäft mit Metzgerei betreibt und Rinder, Schweine sowie Schafe schlachtet, wurde zunächst für den Zeitraum von Mai 1997 bis Februar 1999 mit "vorläufigen Gebührenbescheiden" zu Gebühren in Höhe von insgesamt 2.320,41 DM herangezogen. Dieser Betrag entsprach den EG-Pauschalgebühren. Auf der Grundlage der Landesverordnung über die Gebühren und Auslagen für Untersuchungen und Hygienekontrollen nach fleisch- und geflügelfleischhygienerechtlichen Vorschriften vom 17. Februar 1999 (GVBl. S. 32) - GebVO-FlHG - setzte der Beklagte die Gebühren mit Bescheid vom 7. Dezember 2000 rückwirkend erneut fest, was zu einer Nachforderung führte. Auf den Widerspruch der Klägerin wurde die Gebührenforderung wegen der Unzulässigkeit besonderer Gebühren für die Trichinenuntersuchung mit Änderungsbescheid vom 24. Februar 2003 auf 4.735,64 DM (= 2.421,29 €) ermäßigt. Den gegen diese Neuberechnung erhobenen Widerspruch wies der Kreisrechtsausschuss bei dem Beklagten durch Widerspruchsbescheid vom 15. Juli 2003 zurück.

Mit ihrer daraufhin erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt und im Wesentlichen geltend gemacht, die rückwirkende Gebührenerhebung sei europarechtlich unzulässig. Die vom Europäischen Gerichtshof festgestellte Europarechtswidrigkeit besonderer Gebühren für die Untersuchung auf Trichinen habe Auswirkungen auf das Gebührengefüge der GebVO-FlHG und führe zur Nichtigkeit der allgemeinen Gebührentatbestände. Schließlich sei die der Landesverordnung zugrunde liegende Gebührenkalkulation fehlerhaft, weil sie zu einer Kostenüberdeckung führe. Insbesondere seien zu Unrecht Verwaltungskosten der Bezirksregierungen in die Kalkulation eingestellt worden.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die der Gebührenerhebung zugrunde liegenden landesrechtlichen Bestimmungen entsprächen, soweit sie entscheidungserheblich seien, den bundes- und europarechtlichen Vorgaben. Insbesondere sei das Land Rheinland-Pfalz berechtigt gewesen, die Gemeinschaftsgebühren rückwirkend anzuheben. Im Hinblick auf die Kalkulation ergäben sich im Ergebnis keine Anhaltspunkte, die zur Aufhebung der angefochtenen Bescheide führen müssten. So seien nicht etwa die gesamten Verwaltungskosten des Veterinärwesens der Kreisverwaltungen und Bezirksregierungen in die Kalkulation eingestellt worden. Die Zeitzuschläge ließen keine Schlussfolgerung dahin gehend zu, dass die Gebührenkalkulation zum Nachteil der Klägerin rechtswidrig oder insgesamt fehlerhaft sei. Zeitzuschläge seien nicht erhoben und diesbezügliche Kosten auch nicht in die Kalkulation eingerechnet worden. Eine möglicherweise objektiv rechtswidrige Nichtberücksichtigung der Kosten für Trichinenuntersuchungen in der Kalkulation verhelfe der Klage nicht zum Erfolg. Gegenstand des Verfahrens sei keine objektive Rechtmäßigkeitskontrolle der Gebührenkalkulation und der Gebührensätze der GebVO-FlHG. Zu klären sei ausschließlich die Frage, ob die Klägerin durch die Gebührenerhebung in eigenen Rechten verletzt werde. Da die Berücksichtigung weiterer Kosten in der Gebührenkalkulation zu höheren Gebührensätzen führe, sei eine Verletzung der Klägerin in eigenen Rechten nicht möglich.

Mit der vom Senat zugelassenen Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren unter Wiederholung und Vertiefung ihres bisherigen Vortrags insbesondere zu den Fragen der Zulässigkeit der rückwirkenden Gebührenerhebung und einer ordnungsgemäßen Kalkulation weiter.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Trier vom 2. Dezember 2003 - 2 K 1191/03.TR - den Gebührenbescheid des Beklagten vom 7. Dezember 2000 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 24. Februar 2003 und des Widerspruchsbescheides des Kreisrechtsausschusses des Beklagten vom 15. Juli 2003 insoweit aufzuheben, als mehr als die EG-Pauschalgebühren festgesetzt wurden.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er tritt dem Berufungsvorbringen ausführlich und unter Hinweis auf das verwaltungsgerichtliche Urteil entgegen. Ferner führt er aus, dass die allgemeinen Gebührentatbestände der GebVO-FlHG nicht nichtig seien. Es fehle europarechtlich gesehen lediglich an einer vollständigen Umsetzung, weshalb sie ergänzt werden könnten.

Die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes ergeben sich aus den Schriftsätzen der Beteiligten, den Verwaltungsvorgängen des Beklagten sowie der Gebührenkalkulation der Mittelrheinischen Treuhand GmbH vom 15. Januar 1999 und den Kalkulationsgrundlagen. Diese Unterlagen sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist zulässig und begründet.

Das Verwaltungsgericht hätte die angefochtenen Bescheide in dem beantragten Umfang aufheben müssen. Diese sind, soweit sie die EG-Pauschalgebühren überschreiten, rechtswidrig und verletzen die Klägerin auch in eigenen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Bescheide beruhen nämlich auf einer unwirksamen Rechtsgrundlage. Die Landesverordnung über die Gebühren und Auslagen für Untersuchungen und Hygienekontrollen nach fleisch- und geflügelfleischhygienerechtlichen Vorschriften vom 17. Februar 1999 (GVBl. S. 32) - GebVO-FlHG - ist - soweit hier erheblich - mit höherrangigem Recht nicht vereinbar und damit nichtig. Dies gilt sowohl hinsichtlich der besonderen Gebühren für die Trichinenuntersuchung (1.) als auch in Bezug auf die vorgesehenen Gebührenaufschläge wegen der so genannten Zeitzuschläge (2.). Diese Mängel führen zur Unanwendbarkeit der Gebührentatbestände für die allgemeinen Untersuchungen sowie Kontrollen und zur Aufhebung der Verwaltungsakte im angefochtenen Umfang (3.). Schließlich sind die Gebührenregelungen mit Blick auf die Verwaltungskosten der ehemaligen Bezirksregierungen Koblenz, Rheinhessen-Pfalz und Trier rechtlich zu beanstanden (4.).

1. Die in den Teilen 2 und 3 laufende Nummern 4 des Gebührenverzeichnisses für Untersuchungen und Hygienekontrollen nach fleisch- und geflügelfleischhygienerechtlichen Vorschriften - Gebührenverzeichnis - vorgesehenen Gebühren für die Untersuchung auf Trichinen (bei Schweinen) sind mit dem nach § 24 Abs. 2 FlHG zu beachtenden Gemeinschaftsrecht nicht vereinbar. Das führt wegen der Auswirkungen auf das Kalkulationsgefüge zur Nichtigkeit der allgemeinen Untersuchungsgebühr für Schweine.

Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaft (EuGH) hat durch Urteil vom 30. Mai 2002 in den Rechtssachen C-284/00 - "Stratmann" - und C-288/00 - "Fleischversorgung Neuss" - entschieden, dass das Gemeinschaftsrecht die Erhebung zusätzlicher Gebühren u.a. für die Trichinenschau nicht zulässt. Insofern hat der EuGH festgestellt, dass jede von einem Mitgliedsstaat beschlossene Erhöhung den Pauschalbetrag der Gemeinschaftsgebühr selbst betreffen und als dessen Anhebung erfolgen muss. Eine spezifische über die Gemeinschaftsgebühren hinausgehende Gebühr hat sämtliche tatsächlich entstandenen Kosten abzudecken (a.a.O., Teilziffer 56). Insbesondere gestatten die Bestimmungen der Finanzierungsrichtlinie 85/73/EWG, die nach der dynamischen Verweisung des § 24 Abs. 2 des Fleischhygienegesetzes in der hier maßgeblichen Fassung der Bekanntmachung vom 8. Juli 1993 (BGBl. I S. 1189) zu beachten sind, nicht die Erhebung einer spezifischen Gebühr zusätzlich zu der Gemeinschaftsgebühr, um bestimmte Kosten für Untersuchungen und Kontrollen abzudecken, die nicht in allen Fällen stattfinden. Hieraus folgt, dass der Verordnungsgeber der GebVO-FlHG keine spezifischen Gebührentatbestände für die Untersuchung auf Trichinen festsetzen durfte (vgl. hierzu auch Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 14. Oktober 2002 - BVerwG 3 C 16.02 -, NVwZ 2003, 345 sowie Urteil des Senats vom 29. August 2002 - 12 C 11165/02.OVG, in ESOVGRP veröffentlicht). Das ist jedoch in den laufenden Nummern 4 der hier zur Anwendung kommenden Teile 2 und 3 des Gebührenverzeichnisses (Anlage zu § 1 Abs. 1 GebVO-FlHG) der Fall.

Die Nichtigkeit der Gebührenregelung für die Untersuchung auf Trichinen zieht jedenfalls die Unwirksamkeit der allgemeinen Gebührenregelung für die Untersuchung und Kontrolle von Schweinen nach sich (lfd. Nr. 1.3 in den Teilen 2 und 3 des Gebührenverzeichnisses). Die Kalkulationsgrundlagen dieser allgemeinen Gebühr werden von dem Fehler der besonderen Gebührenerhebungen für Trichinenuntersuchungen wesentlich beeinflusst. Denn der EuGH hat seinem Urteil vom 30. Mai 2002 strikt den Begriff der (einheitlichen) Pauschalgebühr zugrunde gelegt. Dies macht Teilziffer 52 der Entscheidungsgründe deutlich. Zum Wesen der Pauschalgebühr gehört es danach gerade, dass sie in bestimmten Fällen die tatsächlichen Kosten für die Maßnahmen, die mit ihr finanziert werden sollen, übersteigt und in anderen Fällen niedriger ist. Daher müssen die Kosten sämtlicher anfallender Untersuchungen durch eine einheitliche Gebühr abgedeckt werden (vgl. hierzu auch BVerwG, Urteil vom 14. Oktober 2002, aaO, am Ende). Diesen Anforderungen wird - was auch das zuständige Ministerium für Umwelt und Forsten als Verordnungsgeber einräumt - die allgemeine Untersuchungsgebühr für Schweine nicht gerecht. Vor dem Hintergrund der europarechtlich zwingend gebotenen Pauschalgebühr darf dieser Gebührentatbestand nicht lediglich hinter einer vollständigen Regelung zurück bleiben und kann nicht ohne weiteres ergänzt werden. Dies würde zudem dem mit der Richtlinie 85/73/EWG verfolgten Ziel der Abgabentransparenz widersprechen. Der Gebührentatbestand ist deshalb insgesamt nichtig. Für die Annahme einer bloßen Teilnichtigkeit ist unter diesen Umständen kein Raum. Ebenso wenig stellt sich danach die Frage nach dem Verbot einer Unterdeckung der Kalkulation. Abgesehen davon entspricht eine Unterdeckung auch nicht dem Willen des Verordnungsgebers, der - wie sich aus § 1 GebVO-FlHG ergibt - kostendeckende Gebühren erheben wollte. Mit Blick hierauf kann nicht etwa davon ausgegangen werden, dass der Verordnungsgeber die Untersuchungsgebühr in gleicher Höhe auch in Kenntnis der Nichtigkeit der Regelung über die Erhebung von Gebühren für die Untersuchung auf Trichinen vorgesehen hätte. Auch kann ihm nicht der Wille unterstellt werden, die Gebühren gleichwohl in unveränderter Höhe zu beschließen (im Ergebnis ebenso: BayVGH, Beschluss vom 16. April 2003 - 4 ZB 03.198 -, NVwZ 2004, 304; Sächsisches OVG, Beschluss vom 26. März 2004 - 3 B 608/01 -, JURIS). Vielmehr bleibt dem Verordnungsgeber grundsätzlich die Möglichkeit, den tatsächlichen Kostenaufwand durch eine neue, den gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften entsprechende Kalkulation zu berücksichtigen, welche die Kosten der Untersuchung auf Trichinen einschließt. Die Annahme einer bloßen Teilnichtigkeit wäre hingegen mit einem Eingriff in die kalkulatorische Gestaltungsfreiheit des Verordnungsgebers verbunden und mit dem Prinzip der Gewaltenteilung aus Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG unvereinbar. Damit unterscheidet sich der vorliegende Fall von anderen Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz (vgl. Urteil des Senats vom 30. Oktober 1997 - 12 A 11984/96.OVG -, AS 26, 383 sowie Beschluss des 8. Senats vom 4. Februar 2004 - 8 A 11993/03.OVG -, in ESOVGRP veröffentlicht), denen ein - wie hier - europarechtlich gebotener einheitlicher Abgabenbegriff nicht zugrunde lag.

2. Sind danach die allgemeinen Gebührenvorschriften für die Fleischuntersuchung und Kontrollen bei Schweinen insgesamt ungültig, kann allerdings offen bleiben, ob sich dies auch auf die im Gebührenverzeichnis vorgesehenen Gebühren für die Untersuchung und Kontrolle anderer Tierarten erstreckt. Jedenfalls leiden die insoweit einschlägigen Gebührenvorschriften an einem weiteren Mangel, der zu deren Nichtigkeit führt. Die GebVO-FlHG sieht eine erhöhte Gebühr bei so genannten Zeitzuschlägen vor (vgl. Nr. 4 der Anmerkungen zu lfd. Nr. 1 bis 11 in Teil 2 und Nr. 6 der Anmerkungen zu lfd. Nr. 1 bis 13 in Teil 3 des Gebührenverzeichnisses). Diese Zeitzuschläge werden neben der allgemeinen Fleischuntersuchungsgebühr in Gestalt eines Gebührenaufschlags gesondert berechnet, falls eine Untersuchung (auch eine solche auf Trichinen) oder eine Hygienekontrolle auf Antrag außerhalb der normalen Öffnungszeiten erfolgt. Der Gebührenaufschlag ergibt sich dabei aus dem Zeitzuschlag, der dem im Einzelfall befassten Untersuchungspersonal tarifvertraglich auf die jeweilige Vergütung zu gewähren ist. Diese Zeitzuschläge entsprechen nicht den Anforderungen der nach § 24 Abs. 2 FlHG für die Gebührenbemessung in den Bundesländern maßgebenden europäischen Rechtsakte. Die Gebührenaufschläge in Gestalt der Zeitzuschläge stellen sich - vergleichbar den gesonderten Gebühren für die Untersuchungen auf Trichinen und bakteriologische Untersuchungen - als eine besondere Gebühr dar, die nach der Rechtsprechung des EuGH gemeinschaftsrechtlich unzulässig ist. Auch die Zeitzuschläge hätten als Erhöhung der Gebühr für die Untersuchung von frischem Fleisch den Pauschalbetrag der Gemeinschaftsgebühr selbst betreffen und als dessen Anhebung erfolgen müssen.

Dieser Fehler führt gleichfalls zur Unwirksamkeit der Gebührensätze für die allgemeinen Untersuchungsgebühren. Er hat Auswirkungen auf das Gebührengefüge. Damit kommt es nicht darauf an, ob im Fall der Klägerin Zeitzuschläge überhaupt erhoben bzw. diesbezügliche Kosten sogar noch einmal zusätzlich in die Kalkulation eingerechnet worden sind. Der Sache nach ändert dies nichts daran, dass nach dem Urteil des EuGH vom 30. Mai 2002 die Kosten für sämtliche anfallenden Untersuchungen und Kontrollen durch eine einheitliche pauschale Gebühr abgedeckt werden müssen. Das ist hinsichtlich der Zeitzuschläge aber gerade nicht der Fall. Auch hier kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Verordnungsgeber angesichts der erheblichen Auswirkungen der mangelhaften Regelung auf das allgemeine Gebührengefüge und seinem Willen, kostendeckende Gebühren zu erheben, die in der Landesverordnung enthaltenen Gebührensätze in unveränderter Höhe aufrechterhalten will.

3. Die Unwirksamkeit der allgemeinen Gebührenregelungen führt zu deren Unanwendbarkeit. Die auf ihnen beruhenden Verwaltungsakte sind - mangels Rechtsgrundlage - rechtswidrig und aufzuheben. Sie verletzen die Klägerin schon deshalb in ihren Rechten, weil sie diese mit einer Gebührenforderung belasten und damit zumindest in das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG eingreifen (sog. Adressatentheorie). Dies ist im Rahmen des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO ausreichend (ähnlich BayVGH, Beschluss vom 16. April 2003, aaO). Eine ergebnisorientierte Folgenberechnung, die letztlich auf eine rein wirtschaftliche Betrachtungsweise abstellt, verbietet sich insoweit, zumal eine solche in die Gestaltungsfreiheit des Verordnungsgebers eingreifen würde.

4. Unabhängig von den Ausführungen zu 1. bis 3. erweist sich die Kalkulation der Gebührensätze aber auch deshalb als fehlerhaft, weil in ihr allgemeine Verwaltungskosten (Personal- und Sachkosten) der ehemaligen Bezirksregierungen Koblenz, Rheinhessen-Pfalz und Trier Berücksichtigung gefunden haben (vgl. S. 10 der Gebührenkalkulation für die Erhebung von Gebühren nach dem Landesgesetz zur Ausführung fleisch- und geflügelfleischhygienerechtlicher Vorschriften vom 15. Januar 1999). Diese Verwaltungskosten betreffen keine der in der Bekanntmachung der Protokollerklärung des Agrarrates und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften zur Entscheidung des Rates vom 15. Juni 1988 über die Beträge der für die Untersuchung und Hygienekontrollen von frischem Fleisch zu erhebenden Gebühren gemäß der Richtlinie 85/73/EWG (88/408/EWG) vom 24. Januar 1989 (Bundesanzeiger vom 22. Februar 1989, S. 901) für die Berechnung der Gebühren berücksichtigungsfähigen Posten. Insofern spricht auch Art. 5 Abs. 4 der Richtlinie 85/73/EWG in der Fassung der Richtlinie 96/43/EG von den Abgaben und Gebühren, die von den staatlichen, regionalen oder kommunalen Behörden für die Untersuchungen und Kontrollen erhoben werden. Davon geht auch § 2 Abs. 2 Nr. 1 AGFlHG aus (Personalkosten "der für die Untersuchungen und Kontrollen zuständigen Stellen"). Zwar betrifft die Protokollerklärung vom 24. Januar 1989 die Berechnung der durchschnittlichen EG-Pauschalbeträge (vgl. Urteil des Senats vom 20. September 2001 - 12 C 10660/01.OVG -). Damit ist aber keine Aussage zur Entgeltfähigkeit getroffen. Nicht zum gebührenfähigen Aufwand gehören deshalb solche Verwaltungskosten, die bei den lediglich mit Aufsichtsaufgaben betrauten vorgesetzten Behörden entstehen. Das folgt auch aus allgemeinen gebührenrechtlichen Grundsätzen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urteil vom 25. August 1999 - 8 C 12/98 -, BVerwGE 109, 272, m.w.N.) und des Senats (vgl. Urteil vom 15. Januar 2004 - 12 A 11556/03.OVG -, in ESOVGRP veröffentlicht) werden Gebühren allgemein dadurch gekennzeichnet, dass sie aus Anlass individuell zurechenbarer öffentlicher Leistungen dem Gebührenschuldner durch eine öffentlich-rechtliche Norm oder sonstige hoheitliche Maßnahmen auferlegt werden und dazu bestimmt sind, in Anknüpfung an diese Leistung der Verwaltung deren Kosten ganz oder teilweise zu decken. Voraussetzung ist danach, dass zwischen der Kosten verursachenden Leistung der Verwaltung und dem Gebührenschuldner eine besondere Beziehung besteht, die es gestattet, die Amtshandlung dem Gebührenschuldner individuell zuzurechnen. In dieser individuellen Zurechenbarkeit liegt die Rechtfertigung dafür, dass die Amtshandlung nicht aus allgemeinen Steuermitteln, sondern ganz oder teilweise zu Lasten des Gebührenschuldners über Sonderlasten finanziert wird. Diese Voraussetzungen liegen jedoch bei allgemeinen Kosten der Aufsichtsbehörden nicht vor. Es fehlt an einer besonderen Beziehung zwischen der Kosten verursachenden Leistung und dem Gebührenschuldner. Mit der Kosten verursachenden Leistung wurden allein die gesetzlich festgelegten Aufsichtspflichten der ehemaligen Bezirksregierungen gegenüber den ihnen nachgeordneten Behörden erfüllt, die ihrerseits sowohl für die Durchführung als auch für die Erhebung der Gebühren und Auslagen bei Untersuchungen und Hygienekontrollen nach fleischhygienerechtlichen Vorschriften zuständig sind.

Die in die Kalkulation eingestellten Kosten der Bezirksregierungen sind, soweit sie sich den vorgelegten Unterlagen entnehmen lassen, nicht gänzlich unerheblich und haben somit Auswirkungen auf die Höhe der Gebührensätze. Im Übrigen kennt das Landesgebührenrecht im Unterscheid zur Regelung in § 8 Abs. 4 Satz 1 KAG keinen Rechtssatz, nach dem nicht erhebliche Kosten für solche Leistungen, die nicht den Gebührenschuldnern zugute kommen, bei der Ermittlung der entgeltfähigen Kosten in Ansatz gebracht werden dürfen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da Gründe der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Art nicht vorliegen.

Beschluss

1. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren auf 2.421,29 € festgesetzt (§ 72 Nr. 1 GKG i.d.F. des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes i.V.m. §§ 13, 14 GKG a.F.)

2. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren durch die Klägerin wird gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO für notwendig erklärt.

Ende der Entscheidung

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