Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 11.09.2003
Aktenzeichen: 12 A 10856/03.OVG
Rechtsgebiete: VwGO, VwZG, MuSchG, SGB VII, Berufskrankheiten-Verordnung


Vorschriften:

VwGO § 56
VwGO § 56 Abs. 2
VwGO § 74
VwGO § 74 Abs. 1
VwZG § 3
VwZG § 3 Abs. 3
MuSchG § 4
MuSchG § 4 Abs. 2
MuSchG § 4 Abs. 2 Nr. 6
SGB VII § 9
SGB VII § 9 Abs.1
SGB VII § 9 Abs. 1 S. 1
Berufskrankheiten-Verordnung § 1
Die Krankheit Mumps stellt bei Erzieherinnen, die in Kindergärten arbeiten, eine Berufskrankheit dar, die bei Fehlen hinreichender Antikörper zu einem mutterschutzrechtlichen Beschäftigungsverbot führt.
OBERVERWALTUNGSGERICHT RHEINLAND-PFALZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

12 A 10856/03.OVG

In dem Verwaltungsrechtsstreit

wegen Mutterschutzrechts

hat der 12. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 11. September 2003, an der teilgenommen haben

Vorsitzende Richterin am Oberverwaltungsgericht Wünsch Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Gansen Richter am Oberverwaltungsgericht Geis ehrenamtlicher Richter Architekt Jahner ehrenamtlicher Richter Kaufmann Hoffmann

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 9. April 2003 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin, die Trägerin des katholischen Kindergartens "St. I." in B. ist, wendet sich gegen ein im Hinblick auf die Beigeladene ausgesprochenes Beschäftigungsverbot.

Mit Bescheid vom 14. März 2002 stellte der Beklagte fest, dass die seinerzeit schwangere Beigeladene, die als Erzieherin den Kindergarten "St. I." leitete und aufgrund ärztlicher Feststellung keine Mumps-Antikörper besaß, unter das Beschäftigungsverbot des § 4 Abs. 2 Nr. 6 des Mutterschutzgesetzes - MuSchG - falle und aus diesem Grund ihre Weiterbeschäftigung im Bereich des Kindergartens während der Zeit der Schwangerschaft nicht zulässig sei. Angesichts dessen könne die bei dem ständigen Umgang mit Kindern im Kindergarten gegebene hohe Ansteckungsgefahr während der Schwangerschaft zu einer Gefahr sowohl für die werdende Mutter als auch für das ungeborene Leben führen.

Die Klägerin legte gegen diesen für sofort vollziehbar erklärten Bescheid Widerspruch ein und beantragte außerdem die gerichtliche Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung. Diesen Antrag lehnte das Verwaltungsgericht durch Beschluss vom 30. April 2002 - 5 L 789/02.KO - ab, weil jedenfalls für die Beigeladene selbst ein erhöhtes Gesundheitsrisiko bestehe und aus diesem Grund der Ausspruch des Beschäftigungsverbots offensichtlich zu Recht erfolgt sei. Den Widerspruch der Klägerin wies der Beklagte mit Bescheid vom 28. Mai 2002 zurück. Die Zustellung des Widerspruchsbescheides wurde am 29. Mai 2002 an den Verfahrensbevollmächtigten der Klägerin unter der von diesem angegebenen Dienstanschrift beim Bischöflichen Generalvikariat in T. im Wege der Niederlegung unternommen, wobei der Verfahrensbevollmächtigte bestreitet, eine Benachrichtigung über die Niederlegung erhalten zu haben. Die Zustellung wurde anschließend wiederholt, wobei der Briefbogen einen Kenntnisnahmevermerk des Verfahrensbevollmächtigten der Klägerin vom 10. Juni 2002 trägt.

Die vorliegende Klage hat die Klägerin am 2. Juli 2002 erhoben. Zu deren Begründung hat sie vorgetragen, die Krankheit Mumps stelle keine Berufskrankheit dar, weshalb das Beschäftigungsverbot zu Unrecht ausgesprochen worden sei. Anders als etwa in Einrichtungen des Gesundheitsdienstes oder der Wohlfahrtspflege würden in Kindergärten ausschließlich gesunde Kinder betreut, weshalb das Risiko einer Ansteckung mit Mumps dort nicht höher sei als etwa bei einem Theater- oder Kinobesuch.

Der Beklagte hat geltend gemacht, angesichts des oftmals unerkannt bleibenden Krankheitsverlaufs von Mumps habe für die Beigeladene eine hohe Gefahr der Ansteckung bestanden. Wegen der damit verbundenen gesundheitlichen Risiken sei ein Beschäftigungsverbot erst nach dem Auftreten der Krankheit keineswegs ausreichend gewesen.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil vom 9. April 2003 abgewiesen. Dabei hat es die Frage, ob die Klage wegen einer möglichen Nichteinhaltung der nach § 74 Abs. 1 Satz 1 VwGO bestehenden Klagefrist von einem Monat verfristet und dadurch unzulässig sei, dahin gestellt sein lassen, weil die im Übrigen als Fortsetzungsfeststellungsklage zulässige Klage in der Sache unbegründet sei. Unter Auswertung verschiedener Gutachten des Robert-Koch-Instituts und des Landesamtes für Umweltschutz und Gewerbeaufsicht, dessen Stellungnahme außerdem in der mündlichen Verhandlung vom 26. März 2003 durch den Staatlichen Gewerbearzt Dr. S. zusätzlich erläutert wurde, kam die Kammer zu dem Ergebnis, dass Mumps eine Berufskrankheit von Kindergärtnerinnen darstelle, bei deren Auftreten eine erhöhte Gefährdung sowohl für die Schwangere selbst als auch für die Leibesfrucht bestehe. Da Kinder die Hauptüberträger der Krankheit Mumps seien und Erzieherinnen in Kindergärten ständig mit ihnen umgingen, sei hier eine nicht minder starke gesundheitliche Gefährdung gegeben wie bei Tätigkeiten im Bereich des Gesundheitsdienstes oder der Wohlfahrtspflege. Die Annahme der Klägerin, in einem "normalen" Kindergarten würden nur gesunde Kinder betreut, gehe deshalb fehl, weil gerade Mumps-Erkrankungen von Kindern oftmals als Erkältungen angesehen würden und insofern ein Risikobewusstsein nicht entstehe. Alternative Kausalverläufe wie die Klägerin sie anführe, seien schon deshalb unbeachtlich, weil sich die maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen erkennbar nicht mit Freizeitverhalten, sondern mit berufsbedingten gesundheitlichen Risiken beschäftigten. Diese aber seien, wie wissenschaftlich erwiesen, im Falle der Krankheit Mumps sowohl für die Schwangere selbst als auch für die Leibesfrucht im hohen Maße gegeben.

Gegen das ihr am 6. Mai 2003 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 19. Mai 2003 die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt. Über ihr erstinstanzliches Vorbringen hinaus trägt sie vor, die für die Beigeladene entstandenen Gefahren seien mit denen im Gesundheitsdienst oder in der Wohlfahrtspflege nicht vergleichbar, da dort Infektionserreger permanent vorhanden seien. Zudem bestehe in einem Kindergarten keineswegs ein höheres Risiko der Erkrankung an Mumps als etwa in Schulen oder sonst außerhalb des Kindergartens. Da damit aber das Vorhandensein einer Berufskrankheit zu verneinen sei, komme es auf die weitere Frage, ob eine Gefahr für das ungeborene Kind bestehe, nicht an.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 9. April 2003 festzustellen, dass der Bescheid des Beklagten vom 14. April 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Beklagten vom 28. Mai 2002 rechtswidrig gewesen ist.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil und unterstreicht dies durch Vorlage einer weiteren gutachterlichen Stellungnahme der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin vom 4. August 2003.

Die anwaltlich nicht vertretene Beigeladene stellt keinen Antrag.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte des vorliegenden Verfahrens und des Verfahren 5 L 789/02.KO sowie auf die Verwaltungsakten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung führt nicht zum Erfolg.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Sie ist zwar zulässig, in der Sache jedoch unbegründet.

Die nach den zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts als Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO) statthafte Klage ist zunächst fristgerecht, d.h. innerhalb eines Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheids (§ 74 Abs. 1 VwGO) erhoben worden. Dies folgt daraus, dass der Klägerin der Widerspruchsbescheid vom 28. Mai 2002 am 29. Mai 2002 nicht, wie vom Verwaltungsgericht für möglich gehalten, wirksam zugestellt worden ist, so dass an diesem Tag der Lauf der Frist nicht beginnen und die Frist somit am Montag, dem 1. Juli 2002, nicht ablaufen konnte.

Gemäß § 56 Abs. 2 VwGO in der bis zum 1. Juli 2002, dem Tag des In-Kraft-Tretens des Zustellungsreformgesetzes - ZustRG - vom 25. Juni 2001 (BGBl. I S. 1206), geltenden Fassung sind für die Zustellung von Amts wegen (vgl. § 73 Abs. 3 Satz 1 VwGO) die Bestimmungen des Verwaltungszustellungsgesetzes anwendbar gewesen, welches in § 3 Abs. 3 auch auf einzelne Regelungen der Zivilprozessordnung verweist, und zwar für den vorliegenden Fall ebenfalls in der vor dem In-Kraft-Treten des ZustRG geltenden Fassung.

Unter Beachtung der hiernach maßgeblichen Bestimmungen ist die Zustellung des Widerspruchsbescheides an den Verfahrensbevollmächtigten der Klägerin deshalb am 29. Mai 2002 nicht wirksam erfolgt, weil eine Ersatzzustellung durch Niederlegung in der hier gewählten Form nach § 3 Abs. 3 VwZG in Verbindung mit § 182 ZPO a.F. nicht zulässig war. Das folgt aus einer wörtlichen, vor allem aber systematischen Auslegung des § 182 ZPO a.F. Danach war eine Ersatzzustellung nur dann möglich, wenn die Zustellung "nach diesen Vorschriften" nicht ausführbar war. Die Regelung bezog sich damit eindeutig auf eine Unausführbarkeit nach Maßgabe der vorausgegangenen §§ 180 und 181 ZPO a.F. und damit auf einen erfolglosen Zustellversuch in der Wohnung des Adressaten. Nicht erfasst war damit eine Zustellung in Büro- und Geschäftsräumen; auf sie fand das Instrumentarium des § 182 ZPO a.F. deshalb keine Anwendung (vgl. Engelhardt, VwVG - VwZG, 5. Aufl., § 3 VwZG Rn. 21 m.w.N.). Eine derartige unzulässige Ersatzzustellung in den Büro- und Geschäftsräumen ist hier aber durchgeführt worden, denn die in der Postzustellungsurkunde benannte Anschrift des Verfahrensbevollmächtigten beim Bischöflichen Generalvikariat in T. war eindeutig nicht dessen private Wohnanschrift, sondern seine Dienstanschrift.

Anders als das Verwaltungsgericht meint, ist dieser Zustellungsmangel auch nicht dadurch heilbar geworden, dass der Verfahrensbevollmächtigte dem Beklagten ausdrücklich seine Dienstanschrift als Adresse angegeben hatte. Als Formvorschriften sind die Bestimmungen des Zustellungsrechts regelmäßig eng auszulegen und allenfalls in besonderen Ausnahmesituationen einer erweiternden Auslegung zugänglich. Eine solche ließe sich allenfalls dann annehmen, wenn ein Postzusteller angenommen hätte und annehmen durfte, bei der angegebenen Adresse handele es sich tatsächlich um die Wohnungsanschrift des Adressaten, und dieser die Anschrift selbst als solche angegeben hatte (ebenso Engelhardt, a.a.O., m.w.N.). Hier aber durfte der Zusteller keineswegs annehmen, der Adressat des Schreibens sei an der angegebenen Adresse wohnhaft, denn dass eine Privatperson, selbst ein dort Beschäftigter, in einer Einrichtung wie dem Bischöflichen Generalvikariat "wohnt", ist in jeder Hinsicht fern liegend und durfte damit auch nicht zur Grundlage eines Zustellversuchs nach § 3 Abs. 3 VwZG in Verbindung mit § 182 ZPO a.F. gemacht werden.

Angesichts dessen hat im vorliegenden Fall die Klagefrist erst am 10. Juni 2002 zu laufen begonnen, als der Zustellvorgang wiederholt wurde und der in Streit stehende Bescheid den Verfahrensbevollmächtigten der Klägerin, wie eine entsprechende Bestätigung auf dem Briefbogen erweist, tatsächlich auch erreichte. Unter Beachtung des mit dem 10. Juni 2002 begonnenen Fristenlaufs aber ist die Klage am 2. Juli 2002 fristgerecht erhoben worden.

In der Sache hat das Verwaltungsgericht die Klage zu Recht abgewiesen, denn der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 14. März 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Mai 2002 erweist sich als rechtmäßig und verletzt die Klägerin deshalb auch nicht in ihren Rechten.

Die Verfügung findet ihre Rechtsgrundlage in der Regelung des § 4 Abs. 2 Nr. 6 des Mutterschutzgesetzes - MuSchG -, wonach werdende Mütter nicht mit Arbeiten beschäftigt werden dürfen, bei denen sie infolge ihrer Schwangerschaft in besonderem Maße der Gefahr, an einer Berufskrankheit zu erkranken, ausgesetzt sind oder bei denen durch das Risiko der Entstehung einer Berufskrankheit eine erhöhte Gefährdung für die werdende Mutter oder eine Gefahr für die Leibesfrucht besteht. Die Voraussetzungen dieser Norm, die in einem rechtlichen Alternativverhältnis zueinander stehen und die, wie das Verwaltungsgericht zutreffend erkannt hat, durch Verwaltungsakt festgestellt werden können, sind hier in Bezug auf die Beigeladene in der zweiten Alternative erfüllt gewesen. Auch der Senat sieht die Krankheit Mumps als eine Berufskrankheit von Erzieherinnen in einem Kindergarten an und ist darüber hinaus der Überzeugung, dass im konkreten, hier aufgrund fehlender Mumps-Antikörper zu bejahenden Fall durch das Risiko, hieran zu erkranken, eine erhöhte Gefährdung für eine Schwangere eintreten kann.

Zur Bestimmung des gesetzlichen Begriffs der Berufskrankheit ist auf die Legaldefinition des § 9 Abs. 1 Satz 1 des Siebten Buchs Sozialgesetzbuch - SGB VII - abzustellen. Zwar gilt das SGB VII und damit auch die genannte Bestimmung an sich nur für die - im vorliegenden Fall nicht betroffene - gesetzliche Unfallversicherung. Da § 4 Abs. 2 Nr. 6 MuSchG jedoch mit dem Wort "Berufskrankheit" denselben Rechtsbegriff verwendet, der in § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII gesetzlich festgelegt wird und dieser auch in anderem gesetzlichem Zusammenhang nicht abweichend definiert wird, liegt es ohne weiteres nahe, von diesem sozialrechtlichen Begriff der Berufskrankheit auch bei § 4 Abs. 2 Nr. 6 MuSchG auszugehen.

Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Berufskrankheiten diejenigen Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats als Berufskrankheiten bezeichnet. Die auf dieser Grundlage erlassene Berufskrankheiten-Verordnung vom 30. Oktober 1997 (BGBl. I S. 2623), zuletzt geändert durch Verordnung vom 5. September 2002 (BGBl. I S. 3541) legt hierzu in § 1 fest, dass Berufskrankheiten die in der Anlage bezeichneten Krankheiten sind. Von ihnen kommt im vorliegenden Fall die in dem streitigen Bescheid bereits benannte Ziffer 3101 in Betracht. Hiernach sind Berufskrankheiten Infektionskrankheiten, wenn der Betroffene im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium tätig oder durch eine andere Tätigkeit der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt ist. Um eine andere Tätigkeit in dem genannten Sinne handelt es sich bei der Tätigkeit der Erzieherin in einem Kindergarten.

Dies folgt zur Überzeugung des erkennenden Senats aus den der Entscheidung des Verwaltungsgerichts zugrunde gelegten gutachterlichen Stellungnahmen des Landesamts für Umweltschutz und Gewerbeaufsicht und des Robert-Koch-Instituts sowie zusätzlich aus der im Berufungsverfahren vorgelegten Stellungnahme der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin vom 4. August 2003, durch die sämtliche der zur Ausfüllung des Begriffs der Berufskrankheit maßgeblichen Fragen umfassend beantwortet werden.

Unzweifelhaft ist zunächst, dass es sich bei Mumps um eine Infektionskrankheit, konkret um eine Viruserkrankung handelt, die vorwiegend im Kinder- und Jugendalter auftritt und die vor allem durch Tropfeninfektionen oder - was seltener der Fall ist - durch mit Speichel kontaminierte Gegenstände übertragen wird. Im Bereich des Kindergartens ist diese Übertragungsgefahr, wie sich ebenfalls aus den Stellungnahmen der Gutachter ergibt, deshalb besonders groß, weil in einer durchaus beachtlichen Zahl von Fällen - nach den Erkenntnissen der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin sind dies ca. 30 % - Mumps-Infektionen ohne äußere klinische Erscheinungen verlaufen, so dass die betroffenen Kinder äußerlich gesund wirken und dementsprechend auch die Kindergärten besuchen, wo sie unbemerkt sowohl andere Kinder als auch Erzieherinnen, die nicht oder nicht über ausreichende Mumps-Antikörper verfügen, infizieren können. Aber selbst soweit eine Mumps-Erkrankung mit äußerlichen Anzeichen verbunden ist, muss ein hohes Ansteckungsrisiko bejaht werden, weil - so die Gutachter - die Infektiosität bereits eine Woche vor dem Auftreten von Krankheitserscheinungen beginnt. Das ab diesem Zeitraum bereits gegebene Ansteckungsrisiko, dessen konkretes Ausmaß von der jeweils gegebenen Impfrate abhängt, muss insgesamt als durchaus hoch angesehen werden und ist ausweislich der Sachverständigengutachten mit einem Infektionsrisiko, wie es im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium besteht, durchaus vergleichbar.

Dass Mumps-Erreger in einem Kindergarten nicht dauerhaft vorhanden sind, steht diesem Ergebnis nicht entgegen. Abgesehen davon, dass schon der Wortlaut der Definition der Ziffer 3101 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung für eine entsprechende Differenzierung nichts hergibt, liegt eine solche den dortigen Regelbeispielen auch inhaltlich nicht im Ansatz zugrunde. Lässt sich das dauerhafte Vorhandensein von Infektionserregern für den Bereich des Gesundheitsdienstes noch bejahen, ist dies für den Bereich eines Laboratoriums schon zweifelhaft und kann dies jedenfalls für den Bereich der Wohlfahrtspflege nicht bejaht werden. So ist etwa in einem - dem Bereich der Wohlfahrtspflege unzweifelhaft zuzuordnenden - Sonderkindergarten ebenso wenig von einem permanenten Vorhandensein von Erregern auszugehen wie in einem Kindergarten der hier betroffenen Art. Für die rechtliche Bewertung, ob Mumps als Berufskrankheit angesehen werden muss, ist deshalb ausschließlich maßgeblich, ob die Betroffenen in ähnlichem Maße einer Infektionsgefahr ausgesetzt sind wie in den anderen genannten Einrichtungen, was nach den gutachterlichen Stellungnahmen eindeutig bejaht werden muss.

Inwieweit damit die Situation in Schulen vergleichbar ist, bedarf keiner abschließenden Bewertung, da eine derartige Konstellation dem vorliegenden Verfahren nicht zugrunde liegt und etwaige administrative Defizite in diesem Bereich die Bewertung der Rechtmäßigkeit der in Streit stehenden Verfügung nicht zu beeinflussen vermögen. Ungeachtet dessen aber ist der Senat - auch ohne eine entsprechende statistische Erhebung - der Überzeugung, dass die Gefahr der Infizierung mit Mumps in einem Kindergarten schon deshalb deutlich größer ist, weil dort der körperliche Kontakt mit Kindern weitaus intensiver ist als in einer Schule.

Mögliche alternative Ansteckungsgefahren im privaten Bereich, auf die die Klägerin weiterhin hinweist, stehen der Einschätzung von Mumps als Berufskrankheit ebenfalls nicht entgegen. Wie bereits das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat, will die Regelung des § 4 Abs. 2 Nr. 6 MuSchG Schwangere vor Berufsgefahren schützen, denen sie ohne entsprechende gesetzliche Regelung ansonsten zwangsweise ausgesetzt wären. Das zusätzliche Auftreten privater Risiken, auch solcher, die aus einem freiwilligen Verhalten der Schwangeren erwachsen, kann und will die Regelung demgegenüber nicht verhindern. Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass das Risiko einer Schwangeren, sich in der Privatsphäre an Mumps zu infizieren, bei realistischer Betrachtung deutlich geringer sein dürfte als dies in einem Kindergarten der Fall ist.

Mit dem somit angesichts fehlender Antikörper zu bejahenden Risiko der Beigeladenen, sich an der Berufskrankheit Mumps zu infizieren, ist für sie zugleich, wie von der 2. Alternative des § 4 Abs. 2 Nr. 6 MuSchG weiter vorausgesetzt, eine erhöhte Gefährdung verbunden gewesen. Hinsichtlich des Ausmaßes der anzunehmenden Gefährdung muss dabei beachtet werden, dass die Beschäftigungsverbote des Mutterschutzgesetzes Instrumente der Gefahrenabwehr darstellen. Für die Bewertung der Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts folgt hieraus nach den allgemeinen Grundsätzen des Rechts der Gefahrenabwehr, dass diese umso größer sein muss, je geringer der möglicherweise eintretende Schaden ist, und dass sie umgekehrt umso kleiner sein darf, je schwerer der etwaige Schaden wiegt (vgl. BVerwGE 62, 36 [39]; 88, 348 [351]). Sofern ein besonders großer Schaden für besonders gewichtige Schutzgüter im Raum steht, reicht für die Bejahung einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit bereits die entfernt liegende Möglichkeit eines Schadenseintritts.

Die zuletzt genannte Situation ist bei den mutterschutzrechtlichen Beschäftigungsverboten gegeben, da hier die Schutzgüter des Lebens und der Gesundheit von Mutter und Kind und damit Rechtsgüter von sehr hohem Rang im Raum stehen (ebenso BVerwG, Urteil vom 27. Mai 1993, NJW 1994, 401). Ihre Gefährdung ist vorliegend in jedem Fall in ausreichendem Maße gegeben, wie sich ebenfalls aus den eingeholten gutachterlichen Bewertungen ergibt. In ihnen wird übereinstimmend festgestellt, dass Mumps-Erkrankungen schwerwiegende Sekundärfolgen haben können, wie etwa einen Befall des zentralen Nervensystems oder - nach Einschätzung des Staatlichen Gewerbearztes Dr. S. vom Landesamt für Umweltschutz und Gewerbeaufsicht betrifft dies ca. 10 % der Fälle - Gehirnhautentzündungen, die ihrerseits zu weiteren - auch bleibenden - Schäden führen können. Andere gravierende Folgen wie eine Entzündung der Bauchspeicheldrüse sind ebenfalls nicht ausgeschlossen. Vor allem im Hinblick auf diese Folgewirkungen besteht bei Schwangeren schon deshalb ein erhöhtes Risiko, weil ihnen infolge der Schwangerschaft in nur sehr eingeschränktem Maße Medikamente bzw. Schmerzmittel verabreicht werden können und somit eine adäquate Therapie kaum möglich ist. Ohne das damit verbundene Risiko abschließend quantifizieren zu müssen, muss es im Hinblick auf das aufgezeigte Gewicht der im Raum stehenden Rechtsgüter in jedem Fall als so hoch angesehen werden, dass eine gesteigerte Gefährdung für die werdende Mutter anzunehmen ist und somit die Voraussetzungen des mutterschutzrechtlichen Beschäftigungsverbots erfüllt sind.

Ob daneben infolge des Risikos, sich mit der Berufskrankheit Mumps zu infizieren, auch eine erhöhte Gefahr für die Leibesfrucht bejaht werden muss, kann, da bereits die Gefährdung für die werdende Mutter zum Ausspruch eines mutterschutzrechtlichen Beschäftigungsverbots genügt, dahingestellt bleiben. Ungeachtet dessen sieht der Senat sich zu dem Hinweis veranlasst, dass eine derartige Gefahr für die ersten drei Monate der Schwangerschaft im Hinblick auf die von den Sachverständigen übereinstimmend aufgezeigte Möglichkeit eines Aborts als erfüllt anzusehen ist, für die restliche Zeit der Schwangerschaft jedoch angesichts der diesbezüglich nur sehr vage vorliegenden Aussagen der Sachverständigen noch Aufklärungsbedarf besteht, dem hier jedoch nicht nachgegangen werden muss.

Den in der mündlichen Verhandlung gestellten Hilfsbeweisanträgen hat der Senat nicht stattgeben müssen, da die ihnen zugrunde liegenden Tatsachenfragen entweder geklärt oder für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht erheblich sind.

Dies gilt zunächst für die Frage, ob Kinder im Kindergarten häufiger an Mumps erkranken als vor oder nach der Kindergartenzeit. Auf diesen Gesichtspunkt kommt es deshalb nicht an, weil die Auslegung des Merkmals der Berufskrankheit, wie aufgezeigt, nur daran auszurichten ist, ob die betroffene Person in ihrem beruflichen Umfeld in ähnlichem Maße einer Infektionsgefahr ausgesetzt ist wie in den Regelbespielen der Ziffer 3101 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung vorausgesetzt wird, was aufgrund der eingeholten fachlichen Stellungnahmen zu bejahen ist. Dass die Krankheit im beruflichen Umfeld häufiger auftritt als in den allgemeinen Lebensbereichen ist demgegenüber nicht erforderlich.

Eine Beweiserhebung zu der Frage, ob eine Erzieherin infolge der Schwangerschaft im besonderem Maße der Gefahr ausgesetzt ist, an Mumps zu erkranken, ist bereits deshalb nicht angezeigt, weil der in Streit stehende Bescheid auf eine solche Annahme, die nur im Rahmen der 1. Alternative des § 4 Abs. 2 Nr. 6 MuSchG von rechtlicher Bedeutung wäre, nicht gestützt ist.

Dass Mumps zu einer erhöhten Gefährdung für die werdende Mutter führt, ergibt sich bereits eindeutig aus den Stellungnahmen des Landesamts für Umweltschutz und Gewerbeaufsicht und ist im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht und dem Senat durch den Staatlichen Gewerbearzt Dr. S. nochmals überzeugend dargelegt worden. Die Stellungnahme des Robert-Koch-Institus vom 27. Januar 2003, auf die die Klägerin sich beruft, kommt zu keinem gegenteiligen Ergebniss, sondern teilt nur mit, dass hierzu keine "Erhebungen" bekannt sind, was jedoch die Überzeugungskraft der Aussagen des Gewerbearztes Dr. S. nicht in Frage zu stellen vermag. Eine weitere Beweiserhebung hierzu ist deshalb nicht erforderlich.

Schließlich bedarf es auch keiner gutachterlichen Klärung der Frage, ob Mumps eine Gefahr für die Leibesfrucht bedeutet, da dieser Gesichtspunkt aus den bereits aufgezeigten Gründen offen bleiben kann.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 10 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren auf 4.000,-- € festgesetzt (§ 13 Abs. 1 Satz 2 GKG).

Ende der Entscheidung

Zurück