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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 08.12.2005
Aktenzeichen: 12 A 10951/04.OVG
Rechtsgebiete: POG, GG


Vorschriften:

POG § 2
POG § 2 Abs. 2
POG § 7
POG § 7 Abs. 1
POG § 7 Abs. 2
POG § 8
GG Art. 2
GG Art. 2 Abs. 1
GG Art. 11
GG Art. 14
GG Art. 20
GG Art. 20 Abs. 3
Zur Verhältnismäßigkeit von polizeilichen Personen- und Objektschutzmaßnahmen gegenüber Nichtveranwortlichen (hier: Schutz eines mit dem Tode bedrohten Staatsanwalts).
OBERVERWALTUNGSGERICHT RHEINLAND-PFALZ URTEIL IM NAMEN DES VOLKES

In dem Verwaltungsrechtsstreit

12 A 10951/04.OVG

wegen Personen- und Objektschutzmaßnahmen

hat der 12. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 8. Dezember 2005, an der teilgenommen haben

Vorsitzende Richterin am Oberverwaltungsgericht Wünsch Richter am Oberverwaltungsgericht Wolff Richter am Oberverwaltungsgericht Geis ehrenamtliche Richterin Sekretärin Schüler ehrenamtlicher Richter Abteilungsleiter Schneider

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 29. März 2004 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils vollstreckungsfähigen Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Rechtsmäßigkeit von Personen- und Objektschutzmaßnahmen zu Gunsten des Beigeladenen.

Die Klägerin bewohnt in dem Acht-Familien-Haus T. Straße in K. eine ihr gehörende Eigentumswohnung. Im selben Gebäude haben der Beigeladene und seine Ehefrau eine Wohnung gemietet. Der Beigeladene steht als Oberstaatsanwalt im Dienst des beklagten Landes. Er leitet Ermittlungen im Bereich der organisierten Kriminalität. Nach Informationen der Polizei soll er aus Rache getötet werden. Deshalb ist der Beigeladene seit April 1999 als gefährdete Person eingestuft; das Schutzkonzept sieht u.a. die ständige Bewachung des Anwesens, Personenkontrollen sowie die Präsenz eines Polizeibusses auf dem Nachbargrundstück vor. Darüber hinaus sind Videokameras vorhanden, deren Installation und Betrieb das Amtsgericht K. (erneut) mit Beschluss vom 18. Oktober 2002 angeordnet hat. Rechtsmittel hiergegen blieben erfolglos (Beschluss des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken vom 20. Mai 2003 - 3 W 126/03 -). Die Überwachungskameras stehen deshalb hier außer Streit.

Im Februar 2000 wurden zwei Personen verhaftet und in der Folgezeit angeklagt, die von der Staatsanwaltschaft unter anderem der Verabredung des Mordes an dem Beigeladenen verdächtigt wurden. Das Strafverfahren ist inzwischen durch Urteil des Landgerichts K. vom 1. September 2004 abgeschlossen. Die beiden Angeklagten wurden wegen Betäubungsmittel-Delikten und der Verabredung zur Tötung einer anderen Person als des Beigeladenen zu langjährigen Haftstrafen verurteilt, hinsichtlich des Vorwurfs der Verabredung zum Mord an dem Beigeladenen jedoch freigesprochen.

Mit ihrer bereits am 4. August 2003 erhobenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, sie sei für die Gefährdung des Beigeladenen nicht verantwortlich. Ein Eingriff in ihre Grundrechte dürfe ihr deshalb nicht unbegrenzt zugemutet werden. Außerdem sei das Schutzkonzept des Beklagten zur Abwehr der Gefahr für den Beigeladenen ungeeignet. Schon aufgrund der Lage des Anwesens sei ein Anschlag, von dem auch sie betroffen werden könne, kaum abzuwehren.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, zum Schutz des Rechtsguts Leben müssten grundsätzlich auch Unbeteiligte erhebliche Eingriffe in ihre Rechte hinnehmen. Trotz der nachvollziehbaren Darstellung der geltend gemachten Rechtsbeeinträchtigungen und einer nicht völlig auszuschließenden Gefährdung auch für die Klägerin seien die mit dem Schutzkonzept verbundenen Maßnahmen selbst angesichts ihrer Dauer derzeit noch nicht unverhältnismäßig.

Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie stellt die Gefahrenlage für den Beigeladenen in Frage. Insofern verweist sie auf den entsprechend erfolgten Freispruch im Urteil des Landgerichts K. vom 1. September 2004. Auch nach der Gefährdungsrelevanzprüfung des Landeskriminalamtes Rheinland-Pfalz vom 22. November 2005 sei davon auszugehen, dass eine gegenwärtige erhebliche Gefahr für den Beigeladenen nicht (mehr) bestehe. Zudem sei es nach den nunmehr 6 1/2 Jahren dauernden Personen- und Objektschutzmaßnahmen sowie den damit verbundenen Beeinträchtigungen gerechtfertigt, den Beigeladenen an anderer, geeigneterer Stelle zu schützen. Insofern müsse der Beigeladene zu einem Wohnungswechsel veranlasst werden. Die gegenwärtige Situation stelle für sie eine außerordentliche Belastung dar, die sie nicht länger hinzunehmen bereit sei.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 29. März 2004 festzustellen, dass sie nicht verpflichtet ist, weiterhin die auf der Grundlage des Personen- und Objektschutzkonzepts auf dem Anwesen T. Straße, K. vorgenommenen, sie betreffenden Maßnahmen (mit Ausnahme der angeordneten Videoüberwachung) hinzunehmen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er führt aus, dass der Beigeladene nach wie vor gefährdet sei. Dieser könne in dem jetzigen Anwesen wirkungsvoll geschützt werden. Im Übrigen sei auch der Wunsch des Beigeladenen, in seiner Wohnung bleiben zu können, rechtlich beachtlich. Der Beigeladene bekämpfe an exponierter Stelle die organisierte Kriminalität und schütze damit den Staat und die Allgemeinheit. Zu einem Wohnungswechsel könne er nicht gezwungen werden.

Der Beigeladene beantragt ebenfalls,

die Berufung zurückzuweisen.

Er macht sich das Vorbringen des Beklagten zu Eigen und verweist darauf, dass mit seinem Auszug die Gefahr nicht abgewehrt, sondern nur örtlich verlagert werde.

Die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes ergeben sich aus den Verwaltungsakten des Beklagten sowie den Gerichtsakten der Verfahren 2 L 337/00.KO, 2 K 1261/00.KO, 2 K 1524/00.KO, 2 K 2462/02.KO (nebst dort beigezogenen Verwaltungsakten), 2 K 2463/02.KO, 2467/02.KO, 2 L 3398/02.KO und den Akten der Staatsanwaltschaft K. 9 Qs 189/02 / 9 Qs 190/02. Sämtliche Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist unbegründet.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Zwar ist diese zulässig. Mit dem gemäß § 43 Abs. 1 VwGO statthaften Feststellungsantrag wird die zwischen den Beteiligten im Streit stehende Frage einer umfassenden und endgültigen Klärung zugeführt. Eine Vielzahl von Leistungs- und Unterlassungsklagen erübrigt sich damit. Vor diesem Hintergrund genügt der Antrag auch dem Bestimmtheitserfordernis des § 82 Abs. 1 Satz 2 VwGO.

Die Klage ist aber unbegründet. Die Klägerin muss die auf der Grundlage des Personen- und Objektschutzkonzepts des Beklagten beruhenden Maßnahmen weiter hinnehmen. Insbesondere besteht für das Leben des Beigeladenen nach wie vor eine gegenwärtige erhebliche Gefahr. Darüber hinaus sind die Anforderungen an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gegenüber der Klägerin gewahrt. Ein Umzug des Beigeladenen sowie dessen Ehefrau und damit eine örtliche Verlagerung der Schutzmaßnahmen ist auch angesichts der rund 6 1/2 Jahre dauernden Bewachungssituation rechtlich nicht geboten.

Die zwischen den Beteiligten im Streit stehende Frage der Fortdauer der zu Gunsten des Beigeladenen ergriffenen Schutzmaßnahmen beantwortet sich insgesamt danach, ob die Klägerin als nicht verantwortliche Person gemäß § 7 des Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes (POG) in der Fassung vom 10. November 1993 (GVBl. S. 595), zuletzt geändert durch Gesetz vom 2. März 2004 (GVBl. S. 202), in Anspruch genommen werden darf. Das ist der Fall; die Voraussetzungen des § 7 POG sind erfüllt.

1. Die Maßnahmen des Beklagten im Rahmen des Schutzkonzepts, von denen auch die Klägerin teilweise betroffen ist, dienen der Abwehr einer gegenwärtigen erheblichen Gefahr i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 POG. Eine solche liegt vor, wenn die Einwirkung eines schädigenden Ereignisses bereits begonnen hat oder wenn eine Einwirkung unmittelbar oder in allernächster Zeit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bevorsteht. Dabei sind die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit des Schadeneintritts umso geringer, je größer der zu erwartende Schaden und je ranghöher das Schutzgut sind (vgl. Beschluss des Senats vom 22. März 2002 - 12 B 10331/02.OVG -, NVwZ 2002, 1528). Nach diesen Maßstäben besteht hier eine gegenwärtige erhebliche Gefahr.

Die Lebensgefahr für den Beigeladenen dauert an. Nach den Erkenntnissen des Beklagten besteht der Mordauftrag aus hochkriminellen Kreisen fort. Eine erhebliche Änderung der Erkenntnis- und Gefährdungslage, wie sie zu Beginn der Personen- und Objektschutzmaßnahmen für den Beigeladenen Mitte des Jahres 1999 bestand, ist nicht eingetreten. Zwar hat das Landgericht K. in seinem Urteil vom 1. September 2004 zwei Personen aus dem Bereich der organisierten Kriminalität, die unter anderem angeklagt waren, an der geplanten Tötung des Beigeladenen mitgewirkt zu haben, hinsichtlich dieses Tatvorwurfs aus Rechtsgründen freigesprochen. Diese Tat konnte den Angeklagten nicht mit der erforderlichen Sicherheit nachgewiesen werden. Gleichwohl ergeben sich aus den Gründen des Urteils hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte, die immer noch eine gegenwärtige Gefahr für das Leben des Beigeladenen begründen. Danach war dessen Tötung Gesprächsthema zwischen den beiden Hauptangeklagten, die wegen eines gleichartigen Delikts zu langjährigen Haftstrafen verurteilt worden sind, einer weiteren Angeklagten sowie eines ebenfalls im hochkriminellen Milieu verkehrenden Zeugen. Bei verschiedenen Gelegenheiten wurden Möglichkeiten einer Tatbegehung erörtert. Diese bezogen sich sowohl auf denkbare unmittelbare Täter als auch auf in Betracht kommende Tatorte. Für den Auftragsmord wurde eine konkrete Summe genannt, die bereits an einen der Hauptangeklagten ausbezahlt und angesichts des Personenschutzes für den Beigeladenen beträchtlich erhöht worden sein soll. Vor diesem Hintergrund ist auch das Ergebnis der Relevanzprüfung des Landeskriminalamtes Rheinland-Pfalz vom 22. November 2005 zu sehen. Allerdings ist darin ausgeführt, dass die Auswertung der schriftlichen Urteilsbegründung des Landgerichts K. keine weiteren konkretisierenden Gefährdungserkenntnisse ergeben hat. Damit wird aber die ursprüngliche Einschätzung nicht in Frage gestellt. Vielmehr wird deutlich, dass die Gefährdungslage - wenn auch mit zunehmendem Abstand zum Zeitpunkt der anzunehmenden Auftragserteilung abgeschwächt - nach wie vor besteht. Mit Blick auf die möglicherweise kurzfristige Haftentlassung eines der Hauptangeklagten, dem die geplante Ermordung des Beigeladenen vorgeworfen wurde, hält das Landeskriminalamt ausdrücklich an der Gefährdungseinstufung für den Beigeladenen fest. Bestätigt wird diese Einschätzung durch die Angaben der Vertreter der Staatsanwaltschaft K. in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 8. Dezember 2005. Diese haben ausgeführt, es gebe greifbare Anhaltspunkte, nach denen der Auftrag aus hochkriminellen Kreisen, den Beigeladenen zu töten, Bestand habe. Hieran zu zweifeln, besteht kein Anlass.

Vor diesem tatsächlichen Hintergrund kann sich die Gefahr einer Tötung des Beigeladenen jederzeit verwirklichen. Es liegt eine aktuelle Gefahr vor, die angesichts der Schwere der zu erwartenden Rechtsgutverletzung, nämlich des Todes des Beigeladenen, auch mit dem notwendigen Grad der Wahrscheinlichkeit droht.

2. Da der Beklagte weder die Auftraggeber noch die möglichen Täter eines Mordes an dem Beigeladenen kennt, ist eine Gefahrenabwehr durch Inanspruchnahme der Verantwortlichen oder durch die Polizei allein nicht möglich (§ 7 Abs. 1 Nrn. 2 und 3 POG). Die Klägerin kann zudem nicht mit Erfolg einwenden, sie werde mit einer erheblichen eigenen Gefährdung und unter Verletzung höherwertiger Pflichten in Anspruch genommen (§ 7 Abs. 1 Nr. 4 POG). Abzustellen ist insoweit nicht auf eine mögliche Gefährdung durch Dritte. Vielmehr ist die polizeiliche Maßnahme als solche in den Blick zu nehmen. Von dieser geht aber keine Gefährdung der Klägerin oder die Verletzung höherwertiger Pflichten aus. Das hat das Verwaltungsgericht bereits zutreffend ausgeführt; hierauf wird verwiesen.

3. Die Maßnahmen im Rahmen des Schutzkonzepts begegnen gegenüber der Klägerin auch mit Rücksicht auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (§ 7 Abs. 2 sowie § 2 POG) keinen rechtlichen Bedenken. Insbesondere wird die Klägerin nicht über die Grenzen des Zumutbaren hinaus belastet.

Das Schutzkonzept ist grundsätzlich geeignet, die dem Beigeladenen drohende Gefahr abzuwehren. Das ist auch in dem unter anderem von der Klägerin und dem Beigeladenen bewohnten Haus der Fall. Für die Annahme des Gegenteils fehlt es an jeglichen tatsächlichen Anhaltspunkten. Dass auf den Beigeladenen ein Mordanschlag mit gemeingefährlichen Mitteln (z.B. ein Sprengstoffanschlag auf das gesamte Anwesen) verübt werden könnte, lässt sich den polizeilichen Erkenntnissen nicht entnehmen. Auch in dem Urteil des Landgerichts K. vom 1. September 2004 ist von gezielten Tötungshandlungen gegen den Beigeladenen die Rede.

Die polizeilichen Maßnahmen sind auch erforderlich. Ein die Klägerin weniger belastendes, zum Schutz des Beigeladenen aber gleichermaßen geeignetes Mittel steht der Polizei nicht zur Verfügung. Insbesondere kann der Beklagte den Beigeladenen unter den gegebenen Umständen nicht zu einem Auszug aus seiner jetzt von ihm und seiner Ehefrau bewohnten Mietwohnung veranlassen. Ungeachtet der Tatsache, dass mit einem Wohnungswechsel die Problematik lediglich räumlich verlagert würde, stehen rechtliche Mittel hierfür nicht zur Verfügung.

Das Landesbeamtengesetz für Rheinland-Pfalz trifft in § 82 zwar Regelungen zur Wohnsitznahme durch Beamte. Diese sind im vorliegenden Fall jedoch nicht einschlägig. Der Beigeladene nimmt seine Dienstgeschäfte ordnungsgemäß wahr (§ 82 Abs. 1 LBG). Die dienstlichen Verhältnisse erfordern es nicht, dass der Beigeladene seine Wohnung innerhalb einer bestimmten Entfernung von seiner Dienststelle nimmt oder eine Dienstwohnung bezieht (§ 82 Abs. 2 LBG).

Der Dienstherr des Beigeladenen kann diesen auch nicht auf der Grundlage seiner beamtenrechtlichen Direktionsbefugnis zum Umzug verpflichten. Zwar hat der Beigeladene als Beamter seinem Dienstherrn gegenüber eine besondere Treuepflicht, die aus den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums folgt (Art. 33 Abs. 5 Grundgesetz). Diese gesteigerte Pflichtenbindung kann im Einzelfall dazu führen, dass ein Beamter Anordnungen Folge leisten muss, um seinen Dienstherrn von Maßnahmen gegenüber unbeteiligten Dritten freizustellen. Ob dies auch zu der Verpflichtung führen kann, einem Umzugsverlangen nachzukommen, bedarf hier keiner abschließenden Entscheidung. Denn eine solche Verpflichtung besteht jedenfalls nicht grenzenlos. Sie setzt eine Abwägung der im Einzelfall widerstreitenden Interessen voraus und muss verhältnismäßig sein. Dabei ist zu berücksichtigen, dass auch der Beamte Grundrechtsschutz genießt. Dies gilt im hier in Rede stehenden Zusammenhang besonders im Hinblick auf die Entfaltungsfreiheit im persönlichen und gesellschaftlichen Bereich, die Freizügigkeit sowie die eigentumsrechtlichen Positionen, auf die sich auch Mieter einer Wohnung berufen können (vgl. BVerfG, Urteil vom 26. Mai 1993 - 1 BvR 208/93 -, BVerfGE 89, 1 <6>). Danach kann gegenüber dem Beigeladenen (und dessen Ehefrau) kein Umzug angeordnet werden. Eine solche dienstliche Weisung wäre unverhältnismäßig.

Dabei übersieht der Senat nicht, dass die durch das Schutzkonzept zugunsten des Beigeladenen durchgeführten Maßnahmen für die Klägerin durchaus belastend sind. Diese Belastung liegt allerdings weniger in den konkreten polizeilichen Handlungen begründet. So bilden die Identitätskontrollen, von denen die Klägerin selbst betroffen ist, mittlerweile die Ausnahme. Die Klägerin wird nur noch etwa alle zwei Monate - und dann auch nur nachts - beim Betreten des Grundstücks überprüft. Lichtbilder der Klägerin und der anderen Bewohner sowie eine sorgfältige Vorbereitung und Einarbeitung der zum Objektschutz eingesetzten Polizeibeamten können zu einem reibungslosen Ablauf der Überprüfungsmaßnahmen beitragen. Zwar wird der Beklagte nicht völlig von Kontrollen absehen können. Das gilt besonders auch für Besucher der Klägerin und eine damit einhergehende gewisse Einschränkung ihrer Außenkontakte. Jedoch lassen sich auch diese Kontrollmaßnahmen auf ein vertretbares Mindestmaß beschränken. Insofern besteht die Möglichkeit, Besucher vorher bei den Dienst habenden Polizeibeamten anzumelden, um so die eigentliche Überprüfung erheblich zu verkürzen. Was die Klägerin aber vornehmlich belastet, ist die Gesamtsituation, in der sie nunmehr über eine Dauer von mehr als 6 1/2 Jahren lebt und mit der sie täglich erneut befasst wird. Die ständige Anwesenheit von Polizeibeamten auf dem Hausgrundstück zur Bewachung ist eine Situation, die durchaus als außergewöhnlich bezeichnet werden kann. Dies umso mehr, als sie dem Schutz vor schweren Straftaten hochkrimineller Kreise dienen soll, die dem Beigeladenen noch immer nach dem Leben trachten. Die Klägerin wird somit täglich mit der Existenz eines kriminellen Milieus konfrontiert.

Die Beeinträchtigung durch diese Gesamtlage, die Auswirkungen auf den Alltag der Klägerin und aller Bewohner des Anwesens hat, ist für den Senat nachvollziehbar. Es ist verständlich, dass sie gerade in der Zusammenschau aller Maßnahmen und ihres Grundes als hochgradig belastend empfunden werden kann. Das rechtfertigt es aber nicht, gegenüber dem Beigeladenen den Auszug aus der Wohnung im Haus T. Straße in K. anzuordnen. Eine solche Anordnung wäre unverhältnismäßig und ist damit rechtlich nicht zulässig. Der Beigeladene genießt das aus Art. 11 Grundgesetz folgende Grundrecht auf Freizügigkeit. Er kann zusammen mit seiner Ehefrau den Ort wählen, an dem er sich aufhalten möchte. Der Beigeladene und seine Ehefrau haben sich dafür entschieden, die Wohnung im oben genannten Anwesen als ihren Lebensmittelpunkt beizubehalten. Der Dienstvorgesetzte des Beigeladenen hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat eindrucksvoll geschildert, dass der Beigeladene und seine Ehefrau ihre jetzige Wohnung als gleichsam letzten Raum ihrer Privatsphäre ansehen. Eine - zudem zwangsweise - Aufgabe dieser Wohnung habe mit hoher Wahrscheinlichkeit Folgewirkungen im psychischen Bereich für das Ehepaar. Insoweit muss besonders berücksichtigt werden, dass die Ermittlungstätigkeit des Beigeladene im Bereich der organisierten Kriminalität dem Staat und der Allgemeinheit zu Gute kommt. Seine Tätigkeit dient letztlich auch dem Schutz des Einzelnen vor schweren Straftaten. Sein Beruf hat für den Beigeladenen bereits zu einer erheblich reduzierten privaten Lebensweise geführt. Ein Wohnungswechsel würde zudem zu einer noch weitergehenden sozialen Isolation führen, als sie der Beigeladenen und seine Ehefrau ohnehin hinnehmen müssen. Es ist ihnen deshalb nicht zumutbar, auch noch ihre Wohnung aufzugeben. Dies gilt erst Recht vor dem Hintergrund, dass der Beklagte sich zum Schutz des Beigeladenen auch ohne eine Ortsveränderung in der Lage sieht. Die Einschränkungen für den Beigeladenen und seine Ehefrau gehen insgesamt weit über das hinaus, was die Klägerin und die anderen Mitbewohner an Belastungen hinzunehmen haben. Das rechtfertigt die der Klägerin und allen anderen Mitbewohnern des Beigeladenen auferlegte "Sonderlast".

Kommt danach eine Verpflichtung des Beigeladenen (und seiner Ehefrau) zum Wohnungswechsel auf beamtenrechtlicher Grundlage aus Gründen der Verhältnismäßigkeit nicht in Betracht, scheidet auch eine Anwendung des § 7 POG in Bezug auf den Beigeladenen aus.

Schließlich ist die Inanspruchnahme der Klägerin als nicht verantwortliche Person verhältnismäßig im engeren Sinn. Sie steht zu dem angestrebten Erfolg nicht erkennbar außer Verhältnis (§ 2 Abs. 2 POG). Insoweit ist zu beachten, dass auch Unbeteiligte erhebliche Eingriffe in ihre Rechte hinnehmen müssen, wenn dies zum Schutz des Lebens anderer unvermeidbar ist. Das von der Klägerin beschriebene Gefühl des Unbehagens bei einem direkten, aber ansonsten ungewohnten Kontakt mit Polizeibeamten wird bei häufigeren gleichartigen Begegnungen zur Routine und verliert sich nach und nach. Auch sonst ist nach objektiven Maßstäben von einem weitgehenden Gewöhnungseffekt auszugehen.

4. Der damit rechtlich beanstandungsfreien Inanspruchnahme der Klägerin als Nichtverantwortliche gemäß § 7 POG steht auch die Dauer der polizeilichen Maßnahmen von nunmehr rund 6 1/2 Jahren nicht entgegen. Insoweit bestimmt § 7 Abs. 2 POG als spezialgesetzliche Regelung und in Konkretisierung des allgemeinen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, dass eine Maßnahme so lange aufrechterhalten werden darf, wie die Abwehr der Gefahr nicht auf andere Weise möglich ist. Da nach wie vor eine gegenwärtige erhebliche Gefahr für das Leben des Beigeladenen besteht, die auf eine andere (rechtlich mögliche) Weise nicht abgewehrt werden kann, dürfen die Personen- und Objektschutzmaßnahmen, die die Klägerin beendet wissen will, fortgesetzt werden (vgl. hierzu bereits Pfälzischen Oberlandesgericht Zweibrücken, Beschluss vom 20. Mai 2003 - 3 W 126/03 -). Dabei ist es allerdings selbstverständlich, dass der Beklagte Art und Umfang dieser Maßnahmen ständig auf ihre (weitere) Notwendigkeit überprüft. Hierzu gehört es auch, dass sich alle Beteiligten unter Berücksichtigung des stets im Vordergrund stehenden Schutzbedarfs für den Beigeladenen um eine einvernehmliche und möglichst schonende Gestaltung der Gesamtsituation bemühen, die gerade in Kleinigkeiten als besonders belastend empfunden wird. Regelmäßige Gespräche können hierzu ebenso beitragen wie ein vertrauens- und verständnisvoller Umgang miteinander. Dabei kommt einer entsprechenden Unterweisung der zum Objektschutz eingesetzten Polizeibeamten besondere Bedeutung zu.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO. Da der Beigeladene auch im Berufungsverfahren einen eigenen Antrag gestellt und damit ein Kostenrisiko übernommen hat, entspricht es der Billigkeit, seine außergerichtlichen Kosten der Klägerin aufzuerlegen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten ergeht gemäß § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Revisionsgründe i.S.d. § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren auf 4.000,00 € festgesetzt (§ 72 Nr. 1 GKG i.d.F. des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes i.V.m. §§ 13, 14 GKG a.F.).



Ende der Entscheidung

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