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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 17.12.2004
Aktenzeichen: 12 A 11539/04.OVG
Rechtsgebiete: AGBSHG, BSHG, SGB X


Vorschriften:

AGBSHG § 4
AGBSHG § 6
AGBSHG § 6 Abs. 2
AGBSHG § 7
AGBSHG § 7 Abs. 1
AGBSHG § 7 Abs. 3
AGBSHG § 8
AGBSHG § 8 Abs. 1
AGBSHG § 8 Abs. 1 Satz 1
AGBSHG § 8 Abs. 2
AGBSHG § 8 Abs. 2 Satz 1
AGBSHG § 8 Abs. 2 Satz 2
BSHG § 103
BSHG § 103 Abs. 2
BSHG § 103 Abs. 3
BSHG § 107
BSHG § 109
BSHG § 113
SGB X § 111
SGB X § 113
1. Der Begriff der Aufwendungen in § 8 AGBSHG umfasst auch die von dem örtlichen Träger nicht unmittelbar an den Hilfeempfänger, sondern im Wege der Kostenerstattung geleisteten Ausgaben für die Hilfe zum Lebensunterhalt.

2. Die Rechtmäßigkeit der Leistungsgewährung bzw. Kostenerstattung durch den örtlichen Träger der Sozialhilfe ist bei der Kostenbeteiligung der Gemeinde nach § 8 AGBSHG nicht zu prüfen (im Anschluss an das Urteil des Senats vom 11. September 2000 - 12 A 10225/00.OVG -, AS 28, 361).


OBERVERWALTUNGSGERICHT RHEINLAND-PFALZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

12 A 11539/04.OVG

In dem Verwaltungsrechtsstreit

wegen Sozialhilfe (Kostenerstattung)

hat der 12. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 17. Dezember 2004, an der teilgenommen haben

Vorsitzende Richterin am Oberverwaltungsgericht Wünsch Richter am Oberverwaltungsgericht Wolff Richter am Verwaltungsgericht Porz ehrenamtliche Richterin Hausfrau Emmert ehrenamtlicher Richter Organist Höhmann

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 30. Juni 2004 - 5 K 3518/03.KO - abgeändert und die Beklagte verurteilt, an den Kläger 9.950,88 € nebst Prozesszinsen seit dem 14. November 2003 in Höhe von 4 v.H. aus 3.200,23 € und in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 6.750,65 € zu zahlen.

Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der vollstreckbaren Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten die anteilige Erstattung von Sozialhilfeaufwendungen nach § 8 des Landesgesetzes zur Ausführung des Bundessozialhilfegesetzes - AGBSHG -.

Die Hilfeempfängerin, Frau E. H., die zuvor ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der beklagten Ortsgemeinde hatte, war seit 1954 stationär in der R.-Fachklinik in A. untergebracht. Seit dem 6. Januar 1988 lebt sie in einer Außenwohnung der R.-Fachklinik in der Stadt A. und wird "teilstationär" betreut. Die Betreuung durch Mitarbeiter der Klinik erfolgte zunächst täglich. Seit dem Jahr 1996 besucht die Hilfeempfängerin eine Tagestätte für psychisch Kranke; zusätzlich wurde sie seit 1999 durch die Psychiatrische Institutsambulanz der Klinik wöchentlich sowie bei Bedarf auch öfter psychiatrisch betreut. Der Landkreis A. bzw. die Stadt A. gewähren der Hilfeempfängerin Hilfe zum Lebensunterhalt, die der Kläger erstattet. Das von der Kreisverwaltung A. eingeschaltete Ministerium für Arbeit, Sozialordnung und Gesundheit kam im Schreiben vom 26. August 1988 zu dem Ergebnis, dass die Hilfeleistung an die Hilfeempfängerin nicht als Leistung nach § 103 Abs. 3 des Bundessozialhilfegesetzes - BSHG - anzusehen sei, sondern die Unterbringung in der Wohnung durch die R.-Fachklinik nach § 103 Abs. 2 BSHG einem stationären Aufenthalt gleichkomme. Es liege keine Wohngemeinschaft von Behinderten entsprechend den Förderrichtlinien des Landes vor.

Von 1988 bis 1997 erstattete die Beklagte dem Kläger 25 v.H. der Kosten der Hilfe zum Lebensunterhalt. Für 1997 überwies der Kläger den Betrag versehentlich zurück. Mit Schreiben vom 26. Oktober 2000 machte der Kläger bei der Beklagten die Kosten für die Jahre 1997 bis 1999 geltend. Nachdem die Beklagte eine Kostenbeteiligung verweigerte, forderte sie der Kläger mit Bescheid vom 19. Juni 2001 auf, ihm insgesamt 14.345,89 DM als Anteil von 25 v.H. der in der Zeit vom 1. Januar 1997 bis 31. Dezember 2000 angefallenen Nettoaufwendungen zu erstatten. Der von der Beklagten nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobenen Klage gab das Verwaltungsgericht Koblenz mit Urteil vom 13. November 2002 - 5 K 751/02.KO - statt. Zur Begründung führte es aus: § 8 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 i.V.m. § 7 Abs. 3 AGBSHG sehe eine Kostenbeteiligung der kreisangehörigen Gemeinden an unmittelbar vom Landkreis nach Abschnitt 2 des Bundessozialhilfegesetzes geleisteter Hilfe zum Lebensunterhalt vor, während sich hieraus kein Anspruch auf eine Kostenbeteiligung an Erstattungsaufwendungen des Landkreises nach Abschnitt 9 ergebe. Zudem sei nicht § 103 Abs. 2 BSHG einschlägig, sondern es handele sich bei dem Aufenthalt in der Wohngemeinschaft um einen Fall des § 103 Abs. 3 BSHG, für den die Beklagte nicht erstattungspflichtig sei. Im anschließenden Berufungsverfahren - 12 A 10127/03.OVG - hob der Kläger den Leistungsbescheid wegen des Fehlens einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage auf.

Am 14. November 2003 hat der Kläger nunmehr Leistungsklage erhoben und die von der Beklagten geforderte Kostenbeteiligung für die Zeit vom 1. Januar 1997 bis zum 31. Dezember 2002 auf 9.950,88 € beziffert. Mit Urteil vom 30. Juni 2004 - 5 K 3518/03.KO - hat das Verwaltungsgericht die Klage unter Bezugnahme auf das Urteil vom 13. November 2002 - 5 K 751/02.KO - abgewiesen.

Der Kläger verfolgt mit seiner vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung sein Begehren unter Wiederholung und Vertiefung seines Vorbringens weiter. Er meint, es gebe Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz nur in der Form der Hilfe zum Lebensunterhalt nach Abschnitt 2 und der Hilfe in besonderen Lebenslagen nach Abschnitt 3, jedoch nicht Leistungen nach Abschnitt 9. Die Änderung des § 8 Abs. 2 Satz 2 AGBSHG mit der Regelung des Kostenerstattungsfalles des § 107 BSHG bestätige die Beteiligung der Gemeinden auch im Fall der Kostenerstattungspflicht des örtlichen Trägers.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 30. Juni 2004 - 5 K 3518/03.KO - die Beklagte zu verurteilen, an ihn 9.950,88 € nebst Zinsen ab dem 14. November 2003 in Höhe von 4 % aus 3200,23 € und in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 6.750,65 € zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie bezieht sich auf die angefochtene Entscheidung sowie ihr bisheriges Vorbringen und ist der Auffassung, einer Kostenbeteiligung stehe bereits die fehlende rechtliche Verpflichtung des Klägers zur Kostenerstattung und der Ablauf der Ausschlussfrist des § 111 SGB X entgegen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätze der Beteiligten und die beigezogenen Verwaltungsakten sowie auf die Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts Koblenz - 5 751/02.KO (12 A 11125/03.OVG) - verwiesen; sämtliche Unterlagen sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist begründet.

Das Verwaltungsgericht hätte der Klage stattgeben müssen. Der Kläger hat gemäß §§ 8 i.V.m. 7 Abs. 3 des Landesgesetzes zur Ausführung des Bundessozialhilfegesetzes - AGBSHG - einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung der eingeforderten Kostenbeteiligung von 9.950,88 € nebst den zuletzt geltend gemachten Prozesszinsen.

Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 AGBSHG erstatten die Gemeinden dem Landkreis 25 v.H. der Aufwendungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach Abschnitt 2 BSHG. Die Erstattungspflicht trifft nach § 8 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 7 Abs. 3 AGBSHG die Gemeinde, in deren Bereich die Hilfeempfängerin oder der Hilfeempfänger den gewöhnlichen Aufenthalt hat oder bei einer Aufnahme in eine Anstalt, ein Heim oder eine gleichartige Einrichtung oder in eine Wohngemeinschaft in den beiden Monaten vor der Aufnahme zuletzt gehabt hat.

Die für die Jahre 1997 bis 2002 geltend gemachten Aufwendungen sind sämtlich solche im Sinne des § 8 Abs. 1 AGBSHG. Der Wortlaut der Vorschrift enthält keine Beschränkung auf unmittelbar von dem Kläger an den Hilfeempfänger ausgezahlte Beträge, vielmehr umfasst der weite Begriff der Aufwendungen sämtliche Sozialhilfekosten (Oster in: Praxis der Kommunalverwaltung, H 1 RhPf, Kommentar zum AGBSHG, § 7 Erl. 1 zu den Aufwendungen des überörtlichen Trägers). Es handelt sich dabei um die kassenwirksamen Ausgaben, welche um entsprechende Einnahmen zu saldieren sind (vgl. Begründung zur Regierungsvorlage zum Entwurf eines Landesgesetzes zur Ausführung des Bundessozialhilfegesetzes, LT-Drs. IV. Wahlperiode, Abt II, Nr. 447, S. 3363 zu § 7). Der Wortlaut des § 8 Abs. 1 Satz 1 AGBSHG "Aufwendungen für die Hilfe zum Lebensunterhalt nach Abschnitt 2 BSHG" stellt lediglich klar, dass Grundlage der Kostenbeteiligung nur Leistungen im Rahmen der Hilfe zum Lebensunterhalt sind. Nach der Systematik des Bundessozialhilfegesetzes gibt es eine Leistungsgewährung ohnehin nur als Hilfe zum Lebensunterhalt nach Abschnitt 2 oder als Hilfe in besonderen Lebenslagen nach Abschnitt 3, während der Abschnitt 9, wie aus der Überschrift ersichtlich, die Kostenerstattung zwischen den Trägern der Sozialhilfe regelt. Damit dient der Hinweis auf die "Hilfe zum Lebensunterhalt nach Abschnitt 2 BSHG" der Abgrenzung zu den auf der Grundlage der Hilfe in besonderen Lebenslagen nach Abschnitt 3 entstandenen Aufwendungen. Weiterhin zeigt die Regelung des § 8 Abs. 2 Satz 2 AGBSHG (eingefügt durch das Zweite Landesgesetz zur Änderung des Landesgesetzes zur Ausführung des Bundessozialhilfegesetzes vom 30. November 2000, GVBl. S. 526, im Hinblick auf die fehlende Bestimmbarkeit der erstattungspflichtigen Gemeinde nach § 7 Abs. 3 AGBSHG), die im Falle des § 107 BSHG die Gemeinde des früheren gewöhnlichen Aufenthalts zur Erstattung verpflichtet, dass der Gesetzgeber ohne Weiteres von einer Einbeziehung auch der indirekten Aufwendung des Landkreises in die Kostenbeteiligung nach § 8 AGBSHG ausgeht (vgl. die Rede des Ministers für Arbeit, Soziales und Gesundheit in der ersten Beratung, Plenarprotokoll 13/8048, sowie die Begründung zum Regierungsentwurf, LT-Drs. 13/5476 S. 7 und 9).

Auch der Entstehungsgeschichte der Vorschrift des § 8 Abs. 1 Satz 1 AGBSHG lässt sich eine Beschränkung auf unmittelbare Ausgaben des Sozialhilfeträgers nicht entnehmen. Vor dem Inkrafttreten des Bundessozialhilfegesetzes konnten die Bezirksfürsorgeverbände die Gemeinden zur Erstattung eines Teils der Kosten sowohl der Hilfe zum Lebensunterhalt als auch der Anstaltsfürsorge (heute im Wesentlichen Hilfe in besonderen Lebenslagen nach Abschnitt 3 des BSHG) heranziehen. Das Landesgesetz zur Ausführung des Bundessozialhilfegesetz sollte die übliche Beteiligung der Gemeinden an der "Anstaltsfürsorge" beseitigen (vgl. Begründung zur Regierungsvorlage, a.a.O., S. 3363 zu § 8).

Nach dem sich aus der Begründung ergebenden Sinn und Zweck des § 8 Abs. 1 Satz 1 AGBSHG wurde als eine besonderen Form des Finanzausgleichs (vgl. Urteil des Senats vom 25. April 2002 - 12 C 10060/02.OVG - AS 30, 16, 18 f.) die fortgesetzte Beteiligung der Ortsgemeinden als Wohnsitzgemeinden von Sozialhilfeempfängern an den Lasten des örtlichen Trägers aus der Hilfe zum Lebensunterhalt im Sinne des Abschnitts 2 des Bundessozialhilfegesetzes mit nunmehr 25 v.H vorgesehen (vgl. das zu § 7 Abs. 1 AGBSHG ergangene Urteil des Senats vom 11. September 2000 - 12 A 10225/00.OVG -, AS 28, 361, 362 ff.; bestätigt durch Beschluss des BVerwG vom 16. Januar 2001 - 5 B 134/00 - juris). Die Beteiligung mit der "Interessenquote" sollte im Hinblick auf die Delegation von Aufgaben nicht von der unmittelbaren Leistungsgewährung durch den Landkreis abhängig gemacht werden. Bereits vor Erlass des Bundessozialhilfegesetzes bestand ein großer Teil der Aufwendungen der Sozialhilfeträger aus Erstattungen insbesondere an Delegationsnehmer. Von der nach § 4 AGBSHG eingeräumten Möglichkeit zur Heranziehung von Delegationsnehmern für die Durchführung der Aufgaben des örtlichen Trägers der Sozialhilfe haben die Landkreise weitgehend Gebrauch gemacht. Sie werden im Wesentlichen nicht als gewährende Sozialhilfeträger tätig, sondern tragen die Kosten der Sozialhilfe im Wege der Erstattung an die Delegationsnehmer nach § 6 Abs. 2 AGBSHG. Bei einer vollständigen Delegation gibt es keine unmittelbaren Ausgaben des Kreises für die Hilfe zum Lebensunterhalt. Bei einer einschränkenden Auslegung des Aufwendungsbegriffs liefe die Kostenbeteiligung weitgehend oder gänzlich leer. Der Landesgesetzgeber hat die Heranziehung nach § 8 AGBSHG bewusst nicht mit der Erstattung nach § 6 AGBSHG verbunden, sondern die Kostenbeteiligung der Wohnsitzgemeinden der Erstattung an die Delegationsnehmer nachgeschaltet (§ 6 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 AGBSHG). Die nach § 6 AGBSHG den Delegationsnehmern erstatteten Sozialhilfeaufwendungen sind in den Aufwand nach § 8 AGBSHG einzubeziehen (vgl. Urteil des Senats vom 25. April 2002 - 12 C 10060/02.OVG -, AS 30, 16, 18 f., unter Bezugnahme auf die Begründung zur Regierungsvorlage, a.a.O., S. 3363 zu § 6).

Vor diesem Hintergrund hätte in Anbetracht des bei Erlass des AGBSHG noch weit umfangreichen Katalog der Erstattungsregelungen nach §§ 103 ff. BSHG für den historischen Landesgesetzgeber bei entsprechendem Regelungswillen Veranlassung bestanden, einen Ausschluss von sonstigen Erstattungsleistungen, insbesondere nach dem Abschnitt 9 des Bundessozialhilfegesetzes, aus dem Sonderfinanzausgleich ausdrücklich zu regeln. Gegen einen Ausschluss der Leistungen nach dem Abschnitt 9 aus den Aufwendungen sprechen die bereits im Regierungsentwurf (a.a.O., S. 3357) für die Frage des Kostenverpflichteten vorgesehene Anknüpfung an den Wortlaut des § 103 BSHG und die ausdrückliche Erwähnung der Kostenerstattungsvorschriften der §§ 103 ff. BSHG in der Begründung (a.a.O., S. 3364 zu § 8). Dieser Regelungsansatz ist zunächst nicht weiterverfolgt worden, sondern der Landesgesetzgeber fingierte für die Kostenbeteiligung die sachlichen Zuständigkeit der Ortsgemeinde für die Sozialhilfe (§ 8 Abs. 2 i.V.m. 7 Abs. 3 AGBSHG i.d.F. vom 8. März 1963, GVBl. S. 79) und bezog so ohne weiteres sämtliche Erstattungen nach den §§ 103 ff. BSHG in die Heranziehung ein. Mit dem Ersten Landesgesetz zur Änderung des Landesgesetzes zur Ausführung des Bundessozialhilfegesetzes vom 22. Juli 1988 (GVBl. S. 140) wurde die hier anzuwendende Fassung des § 7 Abs. 3 AGBSHG mit der Anknüpfung an § 103 BSHG in das Gesetz eingefügt. Eine Differenzierung danach, ob der Aufwand innerhalb des Landkreises entstanden ist und damit nach Auffassung der Beklagten in die Kostenbeteiligung einzubeziehen wäre, oder ob die Anstalt außerhalb des Landkreises liegt und nach der 1988 gültigen Fassung des § 103 BSHG nur eine Erstattung der Leistungen an den örtlich zuständigen Träger in Frage kam, hat der Gesetzgeber weder vorgesehen noch gewollt. Auch die Änderung der §§ 97 und 103 BSHG im Jahr 1994 und die Einführung der Zuständigkeit des örtlichen Trägers des vorherigen gewöhnlichen Aufenthalts für die Fälle der Anstaltsunterbringung (§ 97 Abs. 2 BSHG n.F.) wurde vom Landesgesetzgeber nicht zum Anlass genommen, die Kostenerstattungsfälle des § 103 BSHG aus der Anwendung des § 8 Abs. 2 i.V.m. § 7 Abs. 3 AGBSHG herauszunehmen.

Die Beklagte ist als Gemeinde des gewöhnlichen Aufenthalts der Hilfeempfängerin vor der Aufnahme in die Anstalt nach § 8 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 7 Abs. 3 AGBSHG zur Erstattung der anteiligen Aufwendungen verpflichtet. In Anlehnung an die Kostenerstattungsvorschriften des Bundessozialhilfegesetzes hat der Landesgesetzgeber in § 7 Abs. 3 AGBSHG eine Formulierung gewählt, die den Schutz der Anstaltsorte sicherstellen soll (vgl. zu der gleichen Intention im neuen Recht: Begründung zum Gesetzentwurf der Landesregierung zu einem Landesgesetz zur Ausführung des Zwölften Buches des Sozialgesetzbuchs, LT-Drs. 14/3424, S. 16 zu § 7). Danach ist im Falle der Unterbringung in einer Anstalt oder einer Wohngemeinschaft nicht die Gemeinde heranzuziehen, in der die Anstalt bzw. die Wohngemeinschaft liegt, sondern diejenige, in deren Bereich der Hilfeempfänger vor der Aufnahme seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Bei der einer Anstaltsunterbringung nach § 103 Abs. 2 BSHG gleichstehenden Unterbringung der Hilfeempfängerin in einer Außenwohnung der R.-Fachklinik, von der der Kläger zutreffend ausgeht, ist die Beklagte erstattungspflichtig, da die Hilfeempfängerin in den beiden Monaten vor der Aufnahme in die Anstalt dort ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Selbst wenn die Annahme der Beklagten und des Verwaltungsgerichts zutreffend wäre, die Hilfeempfängerin sei in einer Wohngemeinschaft untergebracht und daher sei § 103 Abs. 3 BSHG anzuwenden, würde dies den Anspruch des Klägers nicht berühren. Der Landesgesetzgeber setzt in § 7 Abs. 3 AGBSHG die Aufnahme in eine Wohngemeinschaft einem Anstaltsaufenthalt gleich, so dass die Beklagte auch als Gemeinde des gewöhnlichen Aufenthalts der Hilfeempfängerin vor der Aufnahme in die Wohngemeinschaft erstattungspflichtig wäre.

Auf die Rechtmäßigkeit der Kostenerstattung an den Landkreis A. bzw. die Stadt A. kommt es für den hier geltend gemachten Anspruch nicht an. Nach dem Urteil des Senats vom 11. September 2000 - 12 A 10225/00.OVG - (AS 28, 361, 362 ff.; bestätigt durch Beschluss des BVerwG vom 16. Januar 2001 - 5 B 134/00 - juris), welches zu der entsprechenden Erstattung von Aufwendungen des überörtlichen Trägers durch die Landkreise nach § 7 AGBSHG ergangen ist, enthält das Landesgesetz zur Ausführung des Bundessozialhilfegesetz in seinem Abschnitt II keinen Anhaltspunkt für die Annahme, dass die Rechtmäßigkeit der Leistung durch den Träger der Sozialhilfe Voraussetzung für die Erstattung ist. Eine dem § 111 BSHG oder dem § 91 SGB X vergleichbare Beschränkung findet sich nicht. Die Beteiligung der Beklagten an den Aufwendungen des örtlichen Trägers soll gerade den Teil der Aufwendungen betreffen, der sich tatsächlich kassenwirksam auswirkt. An diese kassenwirksamen Aufwendungen knüpft auch der Soziallastenansatz in § 11 Abs. 4 Nr. 3 des Finanzausgleichsgesetzes an (vgl. Nell/Beucher, Der Kommunale Finanzausgleich in Rheinland-Pfalz, in: Praxis der Kommunalverwaltung, E 1 RhPf, S. 92f.). Eine ausufernde Bewilligungs- und Erstattungspraxis des Klägers ist durch seine Eigenbeteiligung in Höhe von 75 v.H. und des damit verbundenen hohen Eigeninteresses an einer rechtmäßigen Leistung bzw. Erstattung nicht zu befürchten.

Die Heranziehung nach § 8 i.V.m. § 7 Abs. 3 AGBSHG verstößt nicht gegen höherrangiges Recht. Mit den §§ 103 ff. BSHG hat der Bundesgesetzgeber lediglich die Kostenerstattung zwischen Sozialhilfeträgern (länderübergreifend) geregelt. Wie aus § 113 BSHG ersichtlich ist, können die Länder darüber hinaus Näheres und damit auch Abweichendes für die Kostenerstattung der Träger ihres eigenen Bereichs regeln. Die Gesetzgebungskompetenz für die Regelung eines Sonderfinanzausgleiches zwischen den Trägern der Sozialhilfe und den Gemeinden innerhalb eines Landes ist nach Art. 30 i.V.m. Art. 70 GG den Ländern vorbehalten.

Der Anspruch des Klägers wurde weder zu spät angemeldet noch ist er verjährt. Die Regelungen der §§ 111 und 113 SGB X über die Anmeldung von Ansprüchen und die Verjährung gelten nur im Verhältnis der dort genannten Sozialleistungsträger. Sie sind nicht auf den erst nach Abwicklung dieser Leistungsbeziehungen erfolgenden Sonderfinanzausgleich übertragbar (vgl. Urteil des Senats vom 9. Juni 2000 - 12 A 12118/99.OVG - für den noch vorgelagerten Erstattungsanspruch der Verbandsgemeinde als Delegationsnehmerin gegen den Landkreis nach § 4 i.V.m. § 6 Abs. 2 Satz 1 AGBSHG). Für die Verjährung sind die allgemeinen Verjährungsregeln der §§ 194 ff. BGB anzuwenden. Auch nach Änderung der Verjährungsvorschriften durch die Schuldrechtsreform vom 1. Januar 2002 war der Anspruch für die Jahre 1997 bis 2001 bei Klageerhebung nicht verjährt. Sollte nunmehr die neue Regelfrist von drei Jahren nach § 195 BGB anzuwenden sein, hat diese nach Art. 229 § 6 Abs. 4 EGBGB mit dem 1. Januar 2002 zu laufen begonnen. Sie läuft frühestens mit dem 31. Dezember 2004 ab und ist durch die am 14. November 2003 erfolgte Klageerhebung gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB gehemmt. Für die Jahre 2001 und 2002 war die Frist des § 195 BGB ebenfalls bei Klageerhebung noch nicht abgelaufen.

Die geltend gemachten Prozesszinsen sind in der zuletzt beantragten Höhe zuzusprechen. Nach Art. 229 § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EGBGB ist mit Wirkung ab dem 1. Januar 2002 der Basiszinssatz des Bürgerlichen Gesetzbuches an die Stelle des Basiszinssatzes nach dem Diskontsatzüberleitungsgesetz vom 9. Juni 1998 (BGBl. I S. 1242) getreten, den § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB in der am 1. Mai 2000 in Kraft getretenen Fassung des Gesetzes zur Beschleunigung fälliger Zahlungen in Bezug genommen hat. § 288 BGB in der seit dem 1. Mai 2000 geltenden Fassung ist jedoch seinerseits gemäß Art. 229 § 1 Abs. 1 Satz 3 EGBGB nur auf Forderungen anzuwenden, die nach diesem Zeitpunkt fällig wurden. Fällig ist ein Anspruch, wenn der Gläubiger die Leistung verlangen kann. Der Anspruch aus § 8 AGBSHG wird mit der Geltendmachung fällig. Die Beträge für die Jahre 1997 und 1998 (zusammen 3.200,23 €) sind vor dem 1. Mai 2000 fällig geworden. Gemäß § 291 Satz 2 BGB i.V.m. der insoweit anzuwendenden alten Fassung des § 288 BGB betrug der Zinssatz für die ab Rechtshängigkeit zu zahlenden Prozesszinsen 4 v.H. Hingegen wurde die Erstattungsleistung für das Jahr 1999 erstmals mit dem Schreiben der Stadt A. vom 5. September 2000 von dem Kläger angefordert und mit Schreiben vom 26. Oktober 2000 der Beklagten mitgeteilt (vgl. Kostenerstattungsakte S. 1). Für den Betrag von (9.950,88 € - 3.200,23 €) = 6.750,65 € beläuft sich der Zinssatz für die von der Beklagten ab Rechtshängigkeit zu zahlenden Prozesszinsen auf 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 Abs. 1 i.V.m. § 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Gründe des § 132 Abs. 2 nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

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