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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 22.04.2004
Aktenzeichen: 12 A 11902/03.OVG
Rechtsgebiete: LStrG, KAG, BauGB


Vorschriften:

LStrG § 17
LStrG § 17 Abs. 3
LStrG § 17 Abs. 3 S. 1
LStrG § 17 Abs. 3 S. 2
LStrG § 17 Abs. 3 S. 3
KAG § 7 F:1996
KAG § 7 Abs. 1 F:1996
KAG § 10 F:1996
KAG § 10 Abs. 2 F:1996
KAG § 10 Abs. 2 S. 2 F:1996
BauGB § 130
BauGB § 130 Abs. 2
BauGB § 130 Abs. 2 S. 3
1. Im Straßenreinigungsgebührenrecht ist ein Gebührenmaßstab, der für Abrechnungsgebiete mit Hinterliegergrundstücken eine Kombination aus Frontmeterlängen- und Grundstücksflächenmaßstab vorsieht, vorteilsgerecht und zulässig.

2. Hingegen ist die Bildung einer Abrechnungseinheit aus mehreren Straßen mangels gesetzlicher Ermächtigungsgrundlage unzulässig.


OBERVERWALTUNGSGERICHT RHEINLAND-PFALZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

12 A 11902/03.OVG

In dem Verwaltungsrechtsstreit

wegen Straßenreinigungsgebühren

hat der 12. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 22. April 2004, an der teilgenommen haben

Vorsitzende Richterin am Oberverwaltungsgericht Wünsch Richter am Oberverwaltungsgericht Geis Richter am Verwaltungsgericht Müller-Rentschler ehrenamtliche Richterin Hausfrau Emmert ehrenamtlicher Richter Organist Höhmann

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das auf die mündlichen Verhandlung vom 14. Oktober 2003 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Trier - 2 K 855/03.TR - wird zurückgewiesen.

Hinsichtlich der Anschlussberufung wird das Verfahren eingestellt.

Die Kosten des Berufungsverfahrens haben die Kläger und die Beklagte je zur Hälfte zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Höhe von Straßenreinigungsgebühren.

Der Kläger zu 1.) ist Eigentümer des Grundstücks Gemarkung St., Flur ..., Flurstücknummer .... Das 717 qm große bebaute Grundstück grenzt mit einer Frontlänge von 21,4 m an die L.-Straße. Die L.-Straße verläuft im Baugebiet "A.". Mit bestandskräftigem Bescheid vom 29. Juli 1998 hatte die Beklagte eine Straßenreinigungsgebühr für die Parzelle ... festgesetzt, und zwar eine Vierteljahresgebühr i. H. v. 33,60 DM, die ab dem 15. August 1998 "bis auf weiteres" zu zahlen war; dies entsprach einer Jahresgebühr i. H. v. 134,40 DM.

Beide Kläger sind gemeinschaftliche Eigentümer des Grundstücks Gemarkung St., Flur ..., Flurstücknummer .... Dieses 762 qm große Grundstück ist unbebaut und grenzt mit einer Frontlänge von 25,4 m an einen von der G.-Straße abzweigenden, ca. 75 m langen Stichweg. Die G.-Straße verläuft im Baugebiet "A.".

Die Beklagte erhebt Straßenreinigungsgebühren aufgrund ihrer "Satzung über die Reinigung der öffentlichen Straßen und Plätze in der Stadt T." vom 16. Dezember 1993, zuletzt in der Fassung einer Änderungssatzung vom 28. Oktober 1999 - im Folgenden: SRS -. Gemäß § 9 Abs. 1 SRS sind für die durch die im Straßenverzeichnis aufgeführten Straßen erschlossenen und die an diesen Straßen anliegenden Grundstücke Benutzungsgebühren für die Inanspruchnahme der städtischen Straßenreinigung zu zahlen. In dem der Satzung als Anlage beigefügten Straßenverzeichnis werden sowohl die G.-Straße als auch die L.-Straße der "Reinigungsklasse 1 (einmal wöchentliche Reinigung)" zugeordnet. § 9 SRS enthält in den Absätzen 5 und 6 sodann folgende Maßstabsregelungen:

"5. In den Fällen, in denen alle durch die Straße erschlossenen Grundstücke an die Straße angrenzen, wird die Gebühr auf die einzelnen Grundstücke nach ihrer Straßenfrontlänge umgelegt. (...)

6. In den Fällen, in denen Grundstücke durch die Straße erschlossen sind, ohne an die Straße anzugrenzen oder die nur mit einer Zufahrt oder einem Zugang an die Straße angrenzen, wird die Gebühr nach der Frontmeterlänge der gesamten Straßenseite berechnet und auf die einzelnen Grundstücke nach ihrer Quadratmeterfläche umgelegt.

Bilden mehrere Straßen für die Erschließung der Grundstücke eine Einheit, wird die Gebühr nach den gesamten Frontmeterlängen dieser Straßen berechnet und auf die einzelnen durch diese Straße erschlossenen Grundstücke nach ihrer Quadratmeterfläche umgelegt."

Am 1. November 1999 wurde mit der Reinigung der Straßen im Baugebiet "A." begonnen.

Mit an den Kläger zu 1.) gerichtetem Bescheid vom 25. September 2001 setze die Beklagte die Straßenreinigungsgebühr für die Parzelle ... für die Zeit vom 1. November 1999 bis zum 31. Dezember 2001 auf insgesamt 540,80 DM neu fest. In einer Anlage zum Bescheid wurde ausgeführt, das bisherige Abrechnungsgebiet "A." sei ab November 1999 mit dem Bereich "A." zu einem Abrechnungsgebiet zusammengefasst worden. Da in dem Abrechnungsgebiet Grundstücke vorhanden seien, die durch die dortigen Straßen erschlossen würden, ohne an sie anzugrenzen, werde die Gebühr nach fiktiven Frontmetern berechnet.

Mit an beide Kläger gerichtetem Bescheid vom 25. September 2001 setzte die Beklagte erstmals eine Straßenreinigungsgebühr für die Parzelle ... fest, und zwar für die Zeit vom 1. November 1999 bis zum 31. Dezember 2001 in einer Gesamthöhe von 582,40 DM. Der Berechnung wurde eine fiktive Frontmeterlänge von 28 m zu Grunde gelegt, deren Berechnung in einer Anlage zu dem Bescheid in gleicher Weise wie bei dem anderen Bescheid erläutert wurde.

Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren haben die Kläger gemeinsam Klage zum Verwaltungsgericht Trier erhoben, mit der der Kläger zu 1.) den die Parzelle ... betreffenden Bescheid teilweise und beide Kläger den die Parzelle ... betreffenden Bescheid insgesamt angefochten haben. Zur Begründung haben sie im Wesentlichen geltend gemacht, die Gebührenerhebung sei überhöht, die unbebaute Parzelle ... dürfe überhaupt nicht zu Straßenreinigungsgebühren herangezogen werden.

Mit auf die mündliche Verhandlung vom 14. Oktober 2003 ergangenem Urteil - 2 K 855/03.TR - hat das Verwaltungsgericht Trier der Klage des Klägers zu 1.) in vollem Umfang stattgegeben und den die Parzelle ... betreffenden Bescheid im beantragten Umfang aufgehoben; auf die Klage beider Kläger hat es den die Parzelle ... betreffenden Bescheid insoweit aufgehoben, als mit ihm für den Zeitraum von November 1999 bis September 2001 Straßenreinigungsgebühren von mehr als 460,00 DM (entspricht 235,19 €) und der ab dem 15. November 2001 vierteljährlich fällige Betrag auf mehr als 60,00 DM (entspricht 30,68 €) festgesetzt werden, und die Klage im Übrigen abgewiesen. In den Gründen hat es ausgeführt: Die Bescheide könnten sich zwar auf eine wirksame Satzung stützen. Insbesondere sei die in § 9 Abs. 6 S. 1 SRS normierte Kombination von Frontmeterlängen- und Grundstücksflächenmaßstab nicht zu beanstanden. Zwar erscheine § 9 Abs. 6 S. 2 SRS nicht unbedenklich, dies könne jedoch dahingestellt bleiben, weil die Beklagte die Gebührenerhebung zu Unrecht auf diese Bestimmung gestützt habe. Es sei nahe liegend, die Frage, ob Straßen für die Erschließung der Grundstücke eine Einheit bilden, nach den zu § 130 Abs. 2 S. 3 BauGB entwickelten Kriterien zu beurteilen. Die Straßen der Abrechnungseinheit "A." stünden indessen untereinander nicht in dem danach für die Bildung einer Erschließungseinheit erforderlichen funktionalen Abhängigkeitsverhältnis, so dass die Gebührenermittlung im Falle der Parzelle ... auf der Grundlage von § 9 Abs. 5 S. 1 SRS, im Falle der Parzelle ... - wegen des Vorhandenseins von Hinterliegergrundstücken - auf der Grundlage von § 9 Abs. 6 S. 1 SRS zu erfolgen habe.

Zur Begründung ihrer vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung macht die Beklagte geltend, § 9 Abs. 6 S.2 SRS sei wirksam. Aufgrund des ihr als Satzungsgeberin zustehenden Gestaltungsspielraums sei es zulässig, größere Gebiete zu einer Abrechnungseinheit zusammenzufassen. Die Situation bei Straßenreinigungsgebühren sei nicht mit derjenigen bei Vorliegen einer Erschließungseinheit i. S. v. § 130 Abs. 2 S. 3 BauGB vergleichbar: Anders als im Erschließungsbeitragsrecht sei hier über die Frage der Erreichbarkeit des Grundstücks hinaus der Umstand von Bedeutung, dass die Anlieger eines in sich geschlossenen Baugebiets ein Interesse daran hätten, dass dieses auch in seiner Gesamtheit einen zufrieden stellenden Reinigungszustand aufweise. Bereits aus einem Ratsbeschluss vom 5. Februar 1986, mit dem der Stadtrat beschlossen habe, die in bestimmten anderen Baugebieten gelegenen Straßen zu Abrechnungseinheiten i. S. des § 9 Abs. 6 der damaligen Straßenreinigungssatzung zusammenzufassen, ergebe sich, dass die Grundsätze des Erschließungsbeitragsrechts nach dem erkennbaren Willen des Stadtrates keine Anwendung finden sollten. Denn die damals gebildeten Abrechnungseinheiten hätten die Anforderungen an eine Erschließungseinheit auch nicht erfüllt. Die nunmehr vorgenommene Festlegung einer Abrechnungseinheit habe keines gesonderten Ratsbeschlusses mehr bedurft. Vielmehr sei bereits der Ratsbeschluss vom 5. Februar 1986 als Ermächtigung an die Verwaltung zu sehen, in eigener Regie neue Abrechnungsgebiete nach den Vorgaben der Satzung zu bilden.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Trier - 2 K 855/03.TR - die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Die Kläger haben die am 29. Dezember 2003 eingelegte Anschlussberufung in der mündlichen Verhandlung vom 22. April 2004 zurückgenommen und beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung verteidigen sie das angefochtene Urteil.

Die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes ergeben sich aus dem Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

I.

Die zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet.

Die Bescheide der Beklagten vom 25. September 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Stadtrechtsausschusses der Beklagten vom 14. März 2003 sind in dem Umfang, in dem das Verwaltungsgericht sie aufgehoben hat, rechtswidrig und verletzen die Kläger in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die in diesen Bescheiden festgesetzten Straßenreinigungsgebühren beruhen, soweit sie die aus dem Tenor der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung ersichtlichen Beträge übersteigen, auf der Anwendung einer unwirksamen Satzungsbestimmung der Beklagten.

Dem Grunde nach finden die Straßenreinigungsgebührenbescheide der Beklagten ihre Rechtsgrundlage in § 17 Abs. 3 Satz 2 und 3 des Landesstraßengesetzes vom 1. August 1977 (GVBl. S. 273) - LStrG - in Verbindung mit § 7 Abs. 1 und Abs. 7 des Kommunalabgabengesetzes vom 20. Juni 1995 (GVBl. S. 175) - KAG - sowie der Satzung über die Reinigung der öffentlichen Straßen und Plätze in der Stadt T. vom 16. Dezember 1993 in der Fassung der Änderungssatzung vom 28. Oktober 1999 - SRS -.

Zwar verfügt die Satzung in den Bestimmungen des § 9 Abs. 5 und Abs. 6 Satz 1 SRS über eine gültige Maßstabsregelung (1.). Die Regelung der Erschließungseinheit in § 9 Abs. 6 Satz 2 SRS ist jedoch mangels gesetzlicher Ermächtigungsgrundlage unwirksam (2.). Erst recht ist es unzulässig, im Straßenreinigungsgebührenrecht die Straßen eines ganzen Baugebiets zu einer Abrechnungseinheit zusammenzufassen (3.).

1. Gemäß § 17 Abs. 3 Satz 2 LStrG kann die Gemeinde die Eigentümer oder Besitzer der an die Straße angrenzenden sowie der durch die Straße erschlossenen Grundstücke ganz oder teilweise zu den ihr durch die Straßenreinigung entstehenden Kosten nach den Bestimmungen des Kommunalabgabengesetzes durch Satzung heranziehen. Hierbei handelt es sich um eine Rechtsgrundverweisung auf das Kommunalabgabengesetz, so dass die dort normierten Voraussetzungen für die Erhebung von Gebühren vorliegen müssen. Dabei fingiert § 17 Abs. 3 Satz 3 LStrG eine Inanspruchnahme der Straßenreinigung durch die in Satz 2 genannten Personen, denn grundsätzlich wird die Straßenreinigung gemäß § 17 Abs. 3 Satz 1 LStrG durch die Gemeinde als ihr obliegende eigene Pflicht durchgeführt (vgl. zum Ganzen OVG Rh-Pf, Urteil vom 13. Dezember 2001 - 12 A 11167/01.OVG -, AS 29, 245, 246 f.). Den danach zu erfüllenden Voraussetzungen des KAG werden die Maßstabsregelungen in § 9 Abs. 5 und Abs. 6 Satz 1 SRS gerecht.

a) Der in § 9 Abs. 5 SRS für Abrechnungsgebiete ohne Hinterliegergrundstücke vorgesehene Gebührenmaßstab der Frontmeterlänge in Verbindung mit der Reinigungsklasse der Straße, aus der sich zugleich die Reinigungshäufigkeit der Straße ergibt (vgl. § 9 Abs. 4 SRS), ist nach ständiger Rechtsprechung des OVG Rheinland-Pfalz nicht zu beanstanden (vgl. insbesondere Urteil vom 12. Juni 1996 - 12 A 13362/95.OVG - und Urteil vom 2. Dezember 1997 - 1 C 10416/97.OVG -; s. dazu auch Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 6 Rn. 473 m.w.N.). Wie das Verwaltungsgericht zutreffend entschieden hat, bedurfte es weder der Anknüpfung an das Maß der baulichen Nutzung anliegender oder erschlossener Grundstücke (vgl. dazu OVG Rh-Pf, Urteil vom 13. Dezember 2001, a.a.O., 249), noch des Ausschlusses unbebauter Grundstücke von der sachlichen Gebührenpflicht. Denn die Straßenreinigungsgebühr ist keine Gegenleistung für die Beseitigung einer durch den Anlieger im Zusammenhang mit einer baulichen Nutzung seines Grundstücks verursachten Verschmutzung der Straße.

b) Auch die in § 9 Abs. 6 Satz 1 SRS geregelte Kombination aus Frontmeterlängen- und Grundstücksflächenmaßstab für Abrechnungsgebiete mit Hinterliegergrundstücken begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Nach ständiger Rechtsprechung ist es grundsätzlich mit dem Gleichheitssatz vereinbar, anliegende Grundstücke und erschlossene Hinterliegergrundstücke nach Maßgabe des jeweiligen Gebührenmaßstabs auch hinsichtlich der Gebührenhöhe gleich zu behandeln (vgl. BVerwG, Beschluss vom 8. Dezember 1986, NVwZ 1987 S. 503; OVG Rh-Pf, Urteil vom 13. Dezember 2001, a.a.O., 248). Denn Hinterlieger haben grundsätzlich keinen geringeren Vorteil von der Straßenreinigung als Anlieger (vgl. Driehaus, a.a.O., Rn. 475). Für die Heranziehung von Hinterliegergrundstücken bedarf es jedoch eines fiktiven Maßstabs. Neben der Berücksichtigung fiktiver Frontlängen unter Anwendung des so genannten Projektionsverfahrens (vgl. dazu OVG Rh-Pf, Urteil vom 13. Dezember 2001, a.a.O., 248 f.) werden auch andere Maßstäbe für zulässig erachtet, sofern sie grundstücksbezogen sind und sich z.B. an der Grundstücksfläche orientieren (vgl. Driehaus, a.a.O., Rn. 486, m.w.N.). Die hier gewählte Kombination aus Frontmeterlänge und Grundstücksfläche erscheint vorteilsgerecht, weil sie sowohl den aus der Frontlänge ableitbaren Reinigungsumfang als auch das mit der Größe des Grundstücks zusammenhängende Maß des individuellen Vorteils zu berücksichtigen geeignet ist. Sie vermeidet es darüber hinaus, dass sich aus der Lage des Grundstücks zur Straße hin oder aus seinem Zuschnitt ergebende Zufälligkeiten auf die Höhe der Gebühr auswirken (zur Vorzugswürdigkeit eines flächenbezogenen Maßstabs gegenüber dem Frontmetermaßstab bei Hinterliegergrundstücken vgl. auch HessVGH, Urteil vom 3. Juli 1996, NVwZ-RR 1998, 133).

2. Hingegen ist § 9 Abs. 6 Satz 2 SRS, wonach in Fällen, in denen mehrere Straßen für die Erschließung der Grundstücke eine Einheit bilden, die Gebühr durch Division der Summe der Frontmeterlängen der beteiligten Straßen durch die Summe der Flächen aller durch diese Straßen erschlossenen Grundstücke ermittelt wird, mit höherrangigem Recht unvereinbar und daher nichtig. Dies gilt auch dann, wenn man § 9 Abs. 6 Satz 2 SRS - entgegen dem erklärten Willen der Beklagten - dahin auslegt, dass die Bestimmung lediglich auf Erschließungseinheiten im Sinne des § 130 Abs. 2 Satz 3 BauGB Anwendung findet. Denn es fehlt im Straßenreinigungsgebührenrecht an einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage für die Zusammenfassung mehrerer Straßen zu Abrechnungseinheiten.

Nach dem Wortlaut des § 17 Abs. 3 Satz 2 LStrG kann die Gemeinde (nur) die Eigentümer oder Besitzer der an die Straße angrenzenden sowie der durch die Straße erschlossenen Grundstücke zu Straßenreinigungsgebühren heranziehen. Dass die Vorschrift auf die einzelne Straße und die an sie angrenzenden bzw. durch sie erschlossenen Grundstücke abstellt, beruht auf der sachlichen Rechtfertigung der Straßenreinigungsgebühr als Gegenleistung für eine den Eigentümern und Besitzern dieser Grundstücke gebotenen Leistung, an der gerade sie ein besonderes Interesse haben.

Die spezifische Beziehung, die die Eigentümer und Besitzer der an die Straße angrenzenden sowie durch sie erschlossenen Grundstücke zur Straßenreinigung haben, besteht darin, dass sie ein besonderes Interesse an der Reinigung der (gesamten) Straße, durch die ihr Grundstück erschlossen ist, haben. Denn die wirtschaftliche und verkehrsmäßige Nutzung eines Grundstücks hängt auch von dem Zustand der Straße, durch die es erschlossen ist, ab. Unter Berücksichtigung dieses Anknüpfungspunktes ist die Fiktion des § 17 Abs. 3 Satz 3 LStrG verfassungsgemäß, und zwar mit dem Inhalt, dass die in Satz 2 bezeichneten Grundstückseigentümer als Benutzer einer öffentlichen Einrichtung gelten, soweit durch die Straßenreinigung das besondere Interesse an der Reinigung der ihr Grundstück erschließenden Straße befriedigt wird (vgl. zum Ganzen: OVG Rh-Pf, Urteil vom 14. April 1981 - 6 A 44/80 -, AS 18, 359, 361 ff., m.w.N.). Wird danach durch die städtische Straßenreinigung gerade den Anliegern ein (besonderer) Vorteil verschafft, der deren näher bezeichnetem besonderem Interesse entspricht, so begründet dies die sachliche Rechtfertigung sowohl für die Erhebung einer Vorzugslast als auch für die Erhebung dieser Vorzugslast allein von den Anliegern: Die Heranziehung allein der Eigentümer der angrenzenden Grundstücke wird durch die objektive Beziehung des Grundstücks zur Straße sachlich gerechtfertigt, weil die Möglichkeit der wirtschaftlichen oder verkehrlichen Nutzung des Grundstücks in Bezug auf die Straßenreinigung sich für den Eigentümer des angrenzenden Grundstücks in aller Regel vorteilhaft auswirkt und demgemäß ein objektives Interesse des Angrenzers an der Reinhaltung der Straße begründet (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Mai 1984, BVerwGE 69, 242, 244, m.w.N.).

Insoweit stellt sich das Straßenreinigungsgebührenrecht als Ausprägung des alten Grundsatzes "jeder kehrt vor seiner Tür" dar, auch wenn anerkannt ist, dass sich das Interesse der Anlieger auf die Reinigung nicht nur des vor dem Grundstück verlaufenden Teilstücks, sondern der gesamten Straße bezieht.

An dieser Rechtfertigung fehlt es, soweit bei der Gebührenbemessung die Frontmeterlängen von Straßen berücksichtigt werden, deren Reinigung den herangezogenen Grundstückseigentümern keinen greifbaren Sondervorteil mehr bietet. Dies ist schon bei der Zusammenfassung von Straßen unter den (engen) Voraussetzungen einer Erschließungseinheit im Sinne von § 130 Abs. 2 Satz 3 BauGB, die nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Erschließungsbeitragsrecht ein funktionales Abhängigkeitsverhältnis zwischen (maximal) zwei Straßen voraussetzt (vgl. dazu Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 6. Aufl., § 14 Rn. 36 m. Rechtsprechungsnachw.), zumindest zweifelhaft. Auch wenn der gebührenrechtliche Leistungsbegriff bei der Straßenreinigung dem erschließungsbeitragsrechtlichen Vorteilsbegriff angenähert ist (vgl. dazu BVerwGE 69, 242, 246 und OVG Saarl., Urteil vom 30. April 1987, AS 21, 184, 188), bestehen Bedenken, ob allein das Bestehen eines funktionalen Abhängigkeitsverhältnisses zwischen zwei Straßen es rechtfertigen kann, ein besonderes Interesse der Anlieger der einen Straße an der Reinigung auch der anderen Straße zu begründen.

Insoweit fehlt es im rheinland-pfälzischen Straßenreinigungsgebührenrecht aber jedenfalls an der erforderlichen gesetzlichen Ermächtigung für die Bildung von Erschließungseinheiten. Wie dargestellt, knüpft § 17 Abs. 3 Satz 2 LStrG bewusst an die Beziehung der Eigentümer und Besitzer von Grundstücken zu der Straße, an die ihre Grundstücke angrenzen oder durch die sie erschlossen werden, an. Weder das Landesstraßengesetz noch die im Wege der Rechtsgrundverweisung in § 17 Abs. 3 Satz 3 LStrG anzuwendenden gebührenrechtlichen Vorschriften des KAG enthalten eine besondere Ermächtigungsgrundlage für die Zusammenfassung selbstständiger Straßen zu Erschließungseinheiten, wie sie § 130 Abs. 2 Satz 3 BauGB für das Erschließungsbeitragsrecht enthält. Es findet sich auch keine Vorschrift, die auf § 130 Abs. 2 Satz 3 BauGB verweist oder die Grundsätze für die Bildung von Erschließungseinheiten für entsprechend anwendbar erklärt. Mangels gesetzlicher Ermächtigungsgrundlage ist § 9 Abs. 6 Satz 2 SRS daher nichtig. Dies führt jedoch nicht zur Gesamtnichtigkeit der Satzung, denn § 9 Abs. 5 und Abs. 6 Satz 1 SRS enthalten eine - wie dargelegt - rechtmäßige und vollständige Gebührenmaßstabsregelung.

3. Erst recht ist es unzulässig, im Straßenreinigungsgebührenrecht Abrechnungseinheiten zu bilden, die - über das Vorliegen einer Erschließungseinheit im Sinne von § 130 Abs. 2 Satz 3 BauGB hinaus - die Straßen eines gesamten Baugebiets umfassen, wie die Beklagte dies vorliegend getan hat. Insbesondere ist es weder mit § 17 Abs. 3 Satz 2 LStrG noch mit § 7 Abs. 1 KAG vereinbar, in Anlehnung an § 10 Abs. 2 Satz 2 KAG alle in einem räumlichen und funktionalen Zusammenhang stehenden Verkehrsanlagen des gesamten Gebiets oder einzelner Gebietsteile einer Gemeinde für die Erhebung von Straßenreinigungsgebühren zu einer Abrechnungseinheit zusammenzufassen. Wie dargelegt, steht § 17 Abs. 3 Satz 2 LStrG schon der Bildung einer Erschließungseinheit im Sinne des BauGB entgegen. Auch enthalten die gebührenrechtlichen Bestimmungen des § 7 KAG keine Verweisung auf § 10 Abs. 2 Satz 2 KAG. Eine analoge Anwendung von § 10 Abs. 2 Satz 2 KAG zur Ausfüllung einer Gesetzeslücke im Straßenreinigungsgebührenrecht scheidet aus, weil es sich bei den Regelungen des § 10 KAG um "besondere Bestimmungen" (so die amtliche Überschrift) für die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen handelt, die einer analogen Heranziehung im Gebührenrecht nicht zugänglich sind. Im Übrigen würde es auch an einer "Bestimmung" der Abrechnungseinheit in der Satzung, wie § 10 Abs. 2 Satz 2 KAG dies verlangt, oder durch einen die Satzung konkretisierenden Ratsbeschluss fehlen. Selbst wenn § 9 Abs. 6 Satz 2 SRS gültig wäre, würde er seinem Wortlaut nach nur eine Zusammenfassung von Straßen zu einer Erschließungseinheit im Sinne von § 130 Abs. 2 Satz 3 BauGB ermöglichen. Als Grundlage für die Bildung von Abrechnungseinheiten, die - wie vorliegend - sämtliche Straßen eines Baugebiets umfassen, wäre die Regelung - für sich betrachtet - zu unbestimmt. Eine Konkretisierung der Satzungsbestimmung durch Ratsbeschluss ist im Hinblick auf die Abrechnungseinheit "G." nicht erfolgt. Es ist weder von der Beklagten vorgetragen worden noch aus den beigezogenen Verwaltungsakten ersichtlich, dass der Rat der Beklagten zu irgendeinem Zeitpunkt die vorliegend der Gebührenerhebung zu Grunde gelegte Abrechnungseinheit beschlossen hat. Der Ratsbeschluss vom 5. Februar 1986 betraf Straßen in anderen Baugebieten und durfte keineswegs als "Blankoermächtigung" an die Verwaltung, zukünftig nach Ermessen Abrechnungseinheiten zu bilden, verstanden werden.

Fehlt es somit an einer gesetzlichen und satzungsmäßigen Grundlage für die Erhebung von Straßenreinigungsgebühren in einer Abrechnungseinheit "G.", so hat das Verwaltungsgericht die Gebühren zu Recht auf der Grundlage von § 9 Abs. 5 Satz 1 SRS - für die Parzelle ... - bzw. auf der Grundlage von § 9 Abs. 6 Satz 1 SRS - für die Parzelle ..., wegen des Vorhandenseins von Hinterliegergrundstücken im Abrechnungsgebiet - berechnet und die angefochtenen Bescheide hinsichtlich der übersteigenden Gebührenforderungen aufgehoben. Die Berechnungen des Verwaltungsgerichts lassen keine Rechtsfehler erkennen und sind auch von der Beklagten nicht beanstandet worden.

II.

Nachdem die Kläger ihre Anschlussberufung zurückgenommen haben, war das Berufungsverfahren insoweit analog § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen und nur noch über die Kosten zu entscheiden.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 155 Abs. 2 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils folgt aus den §§ 167 VwGO, 708 ff. ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil Gründe hierfür im Sinne von § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Verfahren im zweiten Rechtszug auf 999,-- € bis zur Rücknahme der Anschlussberufung, danach auf 425,-- € festgesetzt (§§ 13 Abs. 2, 14 GKG).

Ende der Entscheidung

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