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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss verkündet am 29.07.2003
Aktenzeichen: 2 A 11099/03.OVG
Rechtsgebiete: LBG, ArbZVO, VwGO, LGG


Vorschriften:

LBG § 87
LBG § 87 a
ArbZVO § 6
ArbZVO § 6 Abs. 2
ArbZVO § 7
ArbZVO § 7 Abs. 1
ArbZVO § 7 Abs. 1 Satz 2
ArbZVO § 7 Abs. 6
ArbZVO § 7 Abs. 6 Satz 2
ArbZVO § 7 Abs. 8
ArbZVO § 7 Abs. 8 Satz 1
VwGO § 124
VwGO § 124 Abs. 2
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 2
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 3
LGG § 11
LGG § 11 Abs. 4
Über die Bewilligung von Heimarbeit für Beamte entscheidet in Ermangelung spezialgesetzlicher Regelungen der Leiter der jeweiligen Dienststelle aufgrund des ihm zukommenden Organisationsermessens.

Die Ausübung der Organisationsgewalt hat sich an dem Auftrag der Behörde zu orientieren. Dabei kommt den dienstlichen Interessen vorrangige Bedeutung zu.


OBERVERWALTUNGSGERICHT RHEINLAND-PFALZ BESCHLUSS

2 A 11099/03.OVG

In dem Verwaltungsrechtsstreit

wegen Bewilligung von Heimarbeit

hier: Zulassung der Berufung

hat der 2. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der Beratung vom 29. Juli 2003, an der teilgenommen haben

Vorsitzender Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Held Richter am Oberverwaltungsgericht Utsch Richter am Oberverwaltungsgericht Stamm

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 11. März 2003 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz wird abgelehnt.

Die Klägerin hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes für das Zulassungsverfahren wird auf 4.000,-- € festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Klägerin, eine Justizoberinspektorin, ist bei dem Amtsgericht M. seit 1992 als Rechtspflegerin mit dem derzeitigen Aufgabenbereich Familien- und Hinterlegungssachen tätig. Sie ist verheiratet und Mutter zweier 1997 und 1999 geborener Söhne. Seit 1997 ist sie mit der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit teilzeitbeschäftigt. Im Februar 2001 beantragte sie die Bewilligung von Heimarbeit an zwei Wochentagen und begründete dies im Wesentlichen damit, durch die Heimarbeitsregelung ihre familiären Verpflichtungen, insbesondere die Betreuung ihrer beiden in dauernder ärztlicher Behandlung stehender Söhne, besser bewältigen zu können. Diesen Antrag lehnte der Direktor des Amtsgerichts aus dienstlichen und organisatorischen Gründen ab. Der hiergegen erhobene Widerspruch hatte ebenso wenig Erfolg wie die Klage zum Verwaltungsgericht.

II.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat in der Sache keinen Erfolg, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 Nrn. 1 - 3 VwGO nicht vorliegen.

An der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts bestehen keine ernstlichen Zweifel (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Die Rechtssache weist auch nicht die geltend gemachten besonderen rechtlichen Schwierigkeiten auf, weil bereits aufgrund des bisherigen Sach- und Streitstandes ohne Durchführung eines Berufungsverfahrens hinreichend sicher beurteilt werden kann, dass die Berufung ohne Erfolg bleiben müsste. Auch nach Auffassung des Senats ist die Weigerung des Direktors des Amtsgerichts M., der Klägerin zwei Heimarbeitstage zu bewilligen, rechtlich nicht zu beanstanden. Das Ergebnis der rechtlichen Überprüfung des erstinstanzlichen Urteils erweist sich damit nicht als offen, so dass eine Zulassung gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO nicht in Betracht kommt (vgl. OVG Rh-Pf, Beschluss vom 20. November 2000, NVwZ 2001, 933 [934]; Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, § 124 Rn. 154; Happ, in: Eyermann, VwGO, 11. Aufl. 2000, § 124 Rn. 67). Da die von der Klägerin als klärungsbedürftig bezeichnete Frage, ob ihr zwecks besserer Vereinbarkeit von Familie und Beruf ein Anspruch auf Gewährung von Heimarbeit zusteht, aufgrund der Gesetzeslage ohne weiteres beantwortet, nämlich verneint werden kann, fehlt der Rechtssache auch die grundsätzliche Bedeutung für die Durchführung eines Berufungsverfahrens nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO (vgl. Seibert, a.a.O., Rn. 189; Happ, a.a.O., Rn. 78).

Wie das Verwaltungsgericht überzeugend dargelegt hat und zwischen den Beteiligten auch unstreitig ist, existiert für die Frage, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen einer Beamtin oder einem Beamten Heimarbeit zu bewilligen ist, im Beamtenrecht von Rheinland-Pfalz keine spezielle gesetzliche oder verordnungsrechtliche Regelung. Dies bedeutet, dass es bei der grundsätzlichen Pflicht der Beamten verbleibt, während der regelmäßigen Dienstzeit in der Dienststelle anwesend zu sein und dort ihren Dienst zu leisten (vgl. zu dieser Grundpflicht der Beamten: BVerwG, Beschluss vom 11. Mai 2000, E 111, 153 [155]; Zängl, in: Fürst u.a., GKÖD, § 54 BBG Rn. 17). Diese Grundpflicht kommt auch in § 7 Abs. 2 der Arbeitszeitverordnung des Landes (ArbZVO) zum Ausdruck, wenn dort die Anwesenheitspflicht für alle Beamten während der Kernzeiten geregelt wird. Über Abweichungen von der Anwesenheitspflicht entscheidet der jeweilige Dienststellenleiter aufgrund des ihm zukommenden Organisationsermessens, wie das Verwaltungsgericht ebenfalls zutreffend ausgeführt hat (vgl. S. 8 des Urteils). Diese Entscheidungszuständigkeit des Dienststellenleiters ergibt sich für die allgemeinen Fragen der Arbeitszeitregelung aus § 7 Abs. 1 Satz 2 1. Halbsatz und Abs. 8 Satz 1 2. Halbsatz ArbZVO. Für die hier streitige Frage der Bewilligung von Heimarbeit im Bereich der Landesjustizverwaltung ist die Entscheidungszuständigkeit des jeweiligen Dienststellenleiters durch das Ministerium der Justiz bekräftigt worden (vgl. das Schreiben des Ministeriums an die Bevollmächtigten der Klägerin vom 14. Februar 2002, S. 2, sowie den Hinweis in der Stellungnahme des Direktors des Amtsgerichts M. im Widerspruchsverfahren vom 19. Juli 2001, S. 5).

Die Ausübung des Organisationsermessens hat sich an dem Auftrag der jeweiligen Dienststelle (Behörde oder - wie hier - Gericht) und deren dienstlichen Interessen zu orientieren. In diesem Rahmen können auch Belange der Beamten Berücksichtigung finden. Dementsprechend hat das Ministerium der Justiz für seinen Geschäftsbereich folgende Grundsätze für die Bewilligung von Heimarbeit formuliert:

"Die Bewilligung von Heimarbeit ist grundsätzlich nur in den Fällen möglich, in denen die Heimarbeit auch im Interesse des Dienstherrn liegt. Zu der persönlichen Eignung einer Mitarbeiterin oder eines Mitarbeiters muss die Eignung des betreffenden Arbeitsplatzes hinzukommen. Heimarbeit ist insbesondere dann ausgeschlossen, wenn sie sich negativ auf die organisatorischen Abläufe bei einer Behörde auswirken und die Organisationsfähigkeit der Behördenleitung wesentlich eingeschränkt würde." (Schreiben des Ministeriums an die Bevollmächtigten der Klägerin vom 14. Februar 2002)

Entsprechend diesen rechtlichen Vorgaben ist die Entscheidung des Direktors des Amtsgerichts M., der Klägerin die begehrte Heimarbeitsregelung zu verweigern, rechtlich nicht zu beanstanden. Dabei ist der Umfang der gerichtlichen Kontrolle solcher aufgrund der Organisationsgewalt getroffener Maßnahmen beschränkt. Die Gerichte prüfen nur, ob bei der Entscheidung die gesetzlichen Grenzen des Organisationsermessens überschritten sind oder von dem Ermessen nicht entsprechend dem Zweck der Ermächtigung Gebrauch gemacht worden ist (§ 114 VwGO; vgl. OVG Berlin, Urteil vom 22. Juni 1999 - 4 B 39.97 - [juris] - Heimarbeit -; auch: Beschluss des Senats vom 15. Oktober 2001, AS 29, 203 [205]). Gemessen an diesem Maßstab hält die Entscheidung des Direktors des Amtsgerichts der rechtlichen Überprüfung stand.

Er hat nachvollziehbar dargelegt, dass innerhalb des Amtsgerichts M. dienstliche und organisatorische Gründe der begehrten Heimarbeitsbewilligung entgegenstehen. Hierbei hat er vor allem auf das Interesse an effizienten gerichtsinternen Arbeitsabläufen sowie an einer großen Bürgernähe abgestellt: Letztere verlange grundsätzlich die Ansprechbarkeit und daher Anwesenheit des zuständigen Sachbearbeiters und nicht eines Vertreters. Auch bestehe angesichts des durchschnittlichen Pensums der am Amtsgericht M. tätigen Rechtspfleger von 140 % ein grundsätzliches Interesse an der Vermeidung zusätzlicher Vertretungsfälle. Schließlich schränke die Einrichtung eines Heimarbeitsplatzes für eine Beamtin deren Verwendbarkeit im Rahmen zukünftiger Geschäftsverteilungen ein und provoziere Berufungsfälle innerhalb des Amtsgerichts, an deren Vermeidung ebenfalls ein grundsätzliches dienstliches Interesse bestehe.

Diese Erwägungen zur Organisation des Dienstbetriebs bei dem Amtsgericht M. lassen Rechtsfehler nicht erkennen. Entgegen der Auffassung der Klägerin schränkt die Bewilligung von Heimarbeit bei anderen Gerichten (konkret die Bewilligung von Heimarbeit bei dem Landgericht K. in zwei Fällen im Jahr 1999, wie von der Klägerin vorgetragen und von dem Beklagten bestätigt) das Organisationsermessen des Direktors des Amtsgerichts M. nicht im Sinne einer behördlichen Selbstbindung ein. Denn bei der Ausübung dieses Ermessens ist auf die jeweils besonderen Verhältnisse bei den einzelnen Dienststellen abzustellen. Der Grundsatz der Selbstbindung gilt nur innerhalb des Zuständigkeitsbereichs der jeweiligen Behörde (vgl. Heun, in: Dreier, GG-Kommentar, 1996, Art. 3 Rn. 49 m.w.N.). Ungeachtet der anderen Struktur und der Größe des Personalbestandes des Landgerichts vermag deshalb die dortige Verwaltungsübung die Maßgeblichkeit der ermessenssteuernden Verlautbarung des Ministeriums der Justiz zur Praxis der Bewilligung von Heimarbeit nicht in Frage zu stellen. Auf die Gründe, die für die Heimarbeitsbewilligung bei dem Landgericht K. maßgeblich waren, kommt es daher für die hier zu beurteilende Entscheidung des Direktors des Amtsgerichts M. aus Rechtsgründen nicht an. Dass die Verpflichtung zur Bewilligung von Teilzeitbeschäftigung zwecks Wahrnehmung von Familienarbeit nach § 11 Abs. 4 des Landesgleichstellungsgesetzes, die ihre Entsprechung in § 87 a des Landesbeamtengesetzes - LBG - findet, als spezielle Regelung eine analoge Anwendung auf den Bereich der Bewilligung von Heimarbeit verbietet, hat das Verwaltungsgericht ebenfalls zutreffend ausgeführt und bedarf hier keiner weiteren Erläuterungen.

Schließlich hat der Direktor des Amtsgerichts durch die Weigerung, der Klägerin die begehrte Heimarbeit zu bewilligen, auch die dem Dienstherrn gegenüber seinen Beamten obliegende Fürsorgepflicht (§ 87 LBG) nicht verletzt, so dass dahingestellt bleiben kann, ob und in welchem Umfang die Klägerin sich hierauf überhaupt gegenüber der angegriffenen Organisationsentscheidung berufen kann. Das Verwaltungsgericht hat die bestehenden dienstrechtlichen Möglichkeiten zur besseren Vereinbarkeit von beruflichen und familiären Verpflichtungen umfassend dargelegt. Hierzu zählt in erster Linie der Anspruch auf Teilzeitbeschäftigung und Beurlaubung aus familiären Gründen nach Maßgabe des § 87 a Abs. 1 LBG. § 87 a Abs. 3 LBG eröffnet darüber hinaus sogar die Möglichkeit, eine Teilzeitbeschäftigung mit weniger als der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit zu bewilligen. Einer Flexibilisierung der Arbeitspflicht und damit ihrer besseren Koordinierung mit familiären Anforderungen dient auch die Möglichkeit der ungleichmäßigen Verteilung der Arbeitszeit von Teilzeitbeschäftigten auf die Arbeitstage einer oder mehrerer Wochen (§ 6 Abs. 2 ArbZVO). Schließlich räumt die Regelung über die gleitende Arbeitszeit (§ 7 ArbZVO) den kinderbetreuenden Beamtinnen und Beamten weitere Möglichkeiten ein, ihre Arbeitspflicht mit familiären Verpflichtungen in Einklang zu bringen, bis hin zu der Detailregelung über die großzügigere Abgeltung von Zeitguthaben auch in den Kernzeiten für kinderbetreuende Beamte gemäß § 7 Abs. 6 Satz 2 ArbZVO. Angesichts dieser gesetzlich eingeräumten Möglichkeiten, eine Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu erreichen, ist es rechtlich nicht zu beanstanden, wenn der Direktor des Amtsgerichts hinsichtlich des Begehrens auf Bewilligung von Heimarbeit den dienstlichen und gerichtsorganisatorischen Interessen den Vorrang eingeräumt hat (vgl. zu diesem Vorrang auch § 7 Abs. 1 Satz 2 2. Halbsatz ArbZVO).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 13 Abs. 1, 14 Abs. 3 GKG.

Ende der Entscheidung

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