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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss verkündet am 05.08.2004
Aktenzeichen: 2 A 11235/04.OVG
Rechtsgebiete: SchulG, VwGO


Vorschriften:

SchulG § 56
SchulG § 56 Abs. 2
SchulG § 56 Abs. 2 Satz 1
VwGO § 124
VwGO § 124 Abs. 2
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 4
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 5
VwGO § 86
VwGO § 86 Abs. 1
VwGO § 86 Abs. 1 Satz 1
Zur Frage der Zumutbarkeit des Schulwegs für einen Grundschüler.
OBERVERWALTUNGSGERICHT RHEINLAND-PFALZ BESCHLUSS

In dem Verwaltungsrechtsstreit

wegen Schülerbeförderung (Kosten)

hier: Zulassung der Berufung

hat der 2. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der Beratung vom 5. August 2004, an der teilgenommen haben

Präsident des Oberverwaltungsgerichts Prof. Dr. Meyer Vorsitzender Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Held Richterin am Oberverwaltungsgericht Stengelhofen

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 22. April 2004 wird abgelehnt.

Die Kläger haben die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes für das Zulassungsverfahren wird auf 500,-- € festgesetzt.

Gründe:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg, denn die geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 Nrn. 1 - 5 VwGO liegen nicht vor.

Zunächst bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Das Verwaltungsgericht hat zutreffend und überzeugend darlegt, dass den Klägern kein Anspruch auf Übernahme der Fahrtkosten für den Besuch der Grundschule in D. durch ihren Sohn zusteht. Nach § 56 Abs. 1 SchulG obliegt es den Landkreisen und kreisfreien Städten, für die Beförderung der Schüler zu den in ihrem Gebiet gelegenen Grundschulen zu sorgen, wenn die Schüler ihren Wohnsitz in Rheinland-Pfalz haben und ihnen der Schulweg ohne Benutzung eines Verkehrsmittels nicht zumutbar ist. Diese Aufgabe wird vorrangig durch Übernahme der notwendigen Fahrtkosten für öffentliche Verkehrsmittel erfüllt (§ 56 Abs. 4 Satz 1 SchulG). Hinsichtlich der Frage der Zumutbarkeit trifft § 56 Abs. 2 Satz 1 SchulG eine eindeutige Regelung. Danach ist der Schulweg ohne Benutzung eines Verkehrsmittels dann nicht zumutbar, wenn der kürzeste Fußweg zwischen Wohnung und Schule für Schüler der Grundschulen länger als 2 km oder besonders gefährlich ist. Durch das Anknüpfen an die Länge des kürzesten Fußwegs und an das Merkmal der "besonderen Gefährlichkeit" hat der Gesetzgeber einerseits objektivierbare und andererseits pauschalierende Voraussetzungen für die Verpflichtung der Kommunen zur Beförderung der Schüler aufgestellt. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, bezieht sich die Entfernungsangabe nach dem Wortlaut der Vorschrift eindeutig auf den kürzestmöglichen Fußweg zwischen Wohnung und Schule. Dabei bleibt es den Schülern oder ihren Eltern unbenommen, einen anderen Weg zu wählen, sei es, um einen Klassenkameraden abzuholen, oder um auch nur leichte Gefährdungen auf dem kürzesten Weg zu vermeiden. Für die Regelung der öffentlichen Beförderungssorge kommt es indessen nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift nicht darauf an, ob ein anderer als der kürzeste Fußweg der Übliche ist. Das vage Kriterium der "ÜbIichkeit" eines bestimmten Fußwegs wäre auch nur schwer objektivierbar. Gerade wegen der mit einem solchen Merkmal verbundenen Unklarheiten ist auch die von den Klägern zitierte Verwaltungsvorschrift nicht dahin zu verstehen, dass der Beklagte sich von der gesetzlich klaren Regelung lösen und die Beförderungssorge nach eigenen Kriterien regeln wollte. Die Bezugnahme auf die gesetzliche Regelung und die nahezu wörtliche Übernahme der Zumutbarkeitsregelung nach § 56 Abs. 2 Satz 1 SchulG in Ziffer 3 der Richtlinien des Beklagten belegen vielmehr, dass die Beförderungssorge im Kreisgebiet nach den im Gesetz festgelegten Grundsätzen erfolgen soll. Auf die zwischen den Beteiligten bestehenden Meinungsverschiedenheiten darüber, welcher Weg in R. der Übliche ist, kommt es deshalb nicht an.

Ist der kürzeste Fußweg - wie hier - nicht länger als 2 km, sollen Landkreise und kreisfreie Städte nach § 56 Abs. 2 Satz 1 SchulG nur dann für die Beförderung der Schüler Sorge tragen, wenn dieser Weg besonders gefährlich ist. Wie das Verwaltungsgericht ebenfalls bereits zutreffend dargelegt hat, sind an das Merkmal der "besonderen Gefährlichkeit" strenge Anforderungen zu stellen. Gewisse Gefahrenmomente, wie etwa das Überqueren von Straßen, die bei einem 2 km langen Schulweg nahezu zwangsläufig vorhanden sind, genügen für die Inpflichtnahme der Kommunen noch nicht. Das qualifizierende Merkmal der "besonderen Gefährlichkeit" verlangt vielmehr eine gesteigerte Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16. November 1999 - 19 A 4220/96 -, Juris). Sollte sich der kürzeste Fußweg als besonders gefährlich erweisen, entfällt die öffentliche Beförderungssorge nur dann, wenn der Schüler auf einen anderen zumutbaren Fußweg verwiesen werden kann, was voraussetzt, dass dieser Schulersatzweg die Entfernungsgrenze nicht überschreitet und nicht seinerseits besonders gefährlich ist. Nur unter diesem Gesichtspunkt hat im Übrigen das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen in der von den Klägern zitierten Entscheidung den Gesichtspunkt eines Ersatzweges anstelle des kürzesten Fußweges angesprochen. Das Urteil des Verwaltungsgerichts steht deshalb mit seiner Interpretation des § 56 Abs. 2 Satz 1 SchulG auch nicht im Widerspruch zu der zitierten Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen, abgesehen davon, dass eine Abweichung von dem Obergericht eines anderen Landes nicht die Voraussetzungen für die - ebenfalls erhobene - Divergenzrüge gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO erfüllt.

Die Rechtssache weist ferner keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) auf. Ihr kommt auch die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) nicht zu. Auf die Frage der Üblichkeit des Schulwegs kommt es nach dem Vorstehenden nicht an. In tatsächlicher Hinsicht teilt der Senat anhand der vorgelegten Karten und Fotografien, des Protokolls über die Begehung durch die Kommission "Sicherer Schulweg" sowie aus eigener Kenntnis alter Ortslagen in Pfälzer Dörfern die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass der kürzeste Fußweg zwischen der Wohnung der Kläger und der Grundschule ihres Sohnes die in § 56 Abs. 2 Satz 1 SchulG verlangte besondere Gefährlichkeit nicht aufweist. Zur Vermeidung von Wiederholungen kann auf die eingehende Begründung im Urteil des Verwaltungsgerichts verwiesen werden (§ 130 b Satz 2 VwGO entsprechend).

Das Urteil des Verwaltungsgerichts beruht schließlich auch nicht auf einem Verfahrensmangel. Die sinngemäß erhobene Rüge, das Verwaltungsgericht habe deswegen seine Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO) verletzt, weil es eine Ortsbesichtigung unterlassen und den Ortsbürgermeister nicht als Zeugen vernommen habe, greift schon deswegen nicht durch, weil die anwaltlich vertretenen Kläger ausweislich der Sitzungsniederschrift in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht keinen entsprechenden Beweisantrag gestellt haben und im Zulassungsantrag auch nicht dargelegt haben, warum sich dem Verwaltungsgericht eine Beweisaufnahme hätte aufdrängen müssen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. Mai 2000 - 11 B 31.00 -, Juris). Der Umstand der Üblichkeit des Schulwegs, zu dem der Ortsbürgermeister vernommen werden sollte, war aus den oben dargelegten Gründen nicht beweiserheblich. Die Durchführung einer Ortsbesichtigung drängte sich deshalb nicht auf, weil ein in den einschlägigen Rechtsstreitigkeiten erfahrenes Tatsachengericht grundsätzlich in der Lage ist, die örtlichen Gegebenheiten allein mit Hilfe von Karten- und Bildmaterial zu beurteilen (vgl. BVerwG, a.a.O.). Umstände, die eine andere Beurteilung gebieten, sind weder dargetan noch ersichtlich.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 52 Abs. 1 i.V.m. § 47 Abs. 3 GKG in der Fassung des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes vom 5. Mai 2004 (BGBl. I S. 718).



Ende der Entscheidung

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