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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 28.03.2008
Aktenzeichen: 2 A 11359/07.OVG
Rechtsgebiete: GG


Vorschriften:

GG Art. 33
GG Art. 33 Abs. 2
1. Für die Besetzung von Beförderungsämtern einer Laufbahn gilt ausschließlich der Leistungsgrundsatz gemäß Art. 33 Abs. 2 GG (im Anschluss an BVerwGE 122, 147). Dem widerspricht es, wenn der Dienstherr bei der Vergabe von Beförderungsämtern vorrangig nicht die Leistung, sondern das Dienstalter der Bewerber zum Auswahlkriterium erhebt.

2. Der Dienstherr trägt die materielle Darlegungs- und Beweislast für die in seinem Verantwortungsbereich liegenden Vorgänge, deren Kenntnis für die Beurteilung erforderlich ist, ob der unterlegene Bewerber um ein Beförderungsamt ohne den schuldhaften Verstoß gegen Art. 33 Abs. 2 GG voraussichtlich befördert worden wäre (im Anschluss an BVerwGE 124, 99).


OBERVERWALTUNGSGERICHT RHEINLAND-PFALZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

2 A 11359/07.OVG

In dem Verwaltungsrechtsstreit

wegen Beamtenrechts (Beförderung und Schadensersatz)

hat der 2. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 28. März 2008, an der teilgenommen haben

Präsident des Oberverwaltungsgerichts Prof. Dr. Meyer Richter am Oberverwaltungsgericht Bonikowski Richter am Oberverwaltungsgericht Steinkühler ehrenamtlicher Richter Landwirtschaftsmeister Perscheid ehrenamtlicher Richter Kaufmann Schäfer

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 27. November 2007 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Trier abgeändert und der Beklagte verpflichtet, den Kläger dienst-, besoldungs- und versorgungsrechtlich so zu stellen, als wäre er am 18. Mai 2006 zum Polizeioberkommissar (Besoldungsgruppe A 10 BBesO) befördert worden.

Die Berufung des Beklagten gegen das vorgenannte Urteil wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckungsfähigen Betrags abwenden, wenn der Kläger nicht zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klage ist auf Beförderung sowie auf Gewährung von Schadenersatz wegen unterbliebener Beförderung gerichtet.

Der im Jahre 1956 geborene Kläger trat am 2. Januar 1973 als Polizeiwachtmeister in den mittleren Polizeidienst des beklagten Landes ein. Im Jahre 2001 wurde er im Rahmen des Bewährungsaufstiegs in den gehobenen Polizeidienst übernommen und zum Polizeikommissar befördert. Zur Beilegung eines seinerzeit geführten Verwaltungsrechtsstreits setzte der Beklagte den Beginn der Wartezeit des Klägers für das nächste Beförderungsamt auf das Jahr 2000 fest.

Mit Schreiben vom 27. Oktober 2005 legte das Ministerium des Innern und für Sport die von den nachgeordneten Organisationseinheiten der Polizei zu beachtenden Vorgaben für die Beförderungen zum 18. Mai 2006 fest. Bei den in diesem Zusammenhang bevorstehenden Beförderungen von Polizei- und Kriminalkommissaren wurde - wie in den Jahren zuvor - zunächst zwischen Beamten des gehobenen Dienstes mit Fachhochschulausbildung und solchen Bewerbern unterschieden, die im Rahmen des Bewährungsaufstieges zu Polizei- bzw. Kriminalkommissaren ernannt worden waren. In einer weiteren Abgrenzung wurden diese Beamtengruppen je nach Dauer ihrer Zugehörigkeit im jeweiligen Statusamt in zwei weitere Bewerbergruppen aufgeteilt (sog. Säulenmodell).

Bei den im Wege des Bewährungsaufstieges aus dem mittleren Polizeidienst übernommenen Polizei- und Kriminalkommissaren wurden bei festgestellter Beförderungseignung alle Beamten in ein Amt der Besoldungsgruppe A 10 BBesO befördert, die am Stichtag ein Dienstalter von mindestens acht Jahren aufwiesen (sog. 1. Säule). In diese Beförderungsgruppe wurden die Beamten von Amts wegen und ohne Erstellung eines aktuellen Eignungs- und Leistungsvergleichs auf der Grundlage einer dienstlichen Beurteilung aufgenommen. In der zweiten "Säule" konnten diejenigen Beamten, die sich um ein Beförderungsamt beworben und sich am Stichtag mindestens sechs Jahre in der Besoldungsgruppe A 9 BBesO bewährt hatten, zu Oberkommissaren ernannt werden. Zur Feststellung der Bewährung und ihrer Eignung für das Beförderungsamt wurden diese Polizeibeamten dienstlich beurteilt.

Auf der Grundlage dieses Beförderungskonzeptes wurden dem Polizeipräsidium Trier für die vorgesehenen Beförderungen nach Besoldungsgruppe A 10 BBesO insgesamt 49 Beförderungsstellen für Polizeikommissare zugewiesen. Dabei entfielen 15 Planstellen auf die erste und 34 Beförderungsämter auf die zweite "Säule". Auf die letztgenannten Beförderungsstellen bewarben sich insgesamt 50 Polizeikommissare, von denen 34 nach dem Ergebnis der über sie erstellten dienstlichen Beurteilungen einen Beförderungsrang erreichten. Der Kläger wurde unter dem 26. Januar/30. März 2006 dienstlich mit dem Gesamtergebnis "C" (Entspricht den Anforderungen) beurteilt. Aufgrund dieses Beurteilungsergebnisses belegte er in der Beförderungsreihung den Rang 41 und verfehlte einen Beförderungsrang um sieben Plätze.

Nachdem der Beklagte dem Kläger unter dem 2. Mai 2006 mitgeteilt hatte, dass er für ein Beförderungsamt nicht ausgewählt worden sei, erhob er hiergegen Widerspruch und beantragte beim Verwaltungsgericht Trier die vorläufige Freihaltung einer Beförderungsstelle. Dieses Verfahren wurde nicht weiter betrieben, da der Beklagte dem Kläger für den Fall des Obsiegens im Hauptsacheverfahren die Freihaltung einer Planstelle zusagte.

Im Hinblick auf das Ergebnis seiner dienstlichen Beurteilung stellte der Kläger einen Antrag auf Abänderung, der durch Bescheid des Polizeipräsidiums Trier vom 16. Mai 2006 abgelehnt wurde. Mit seinem hiergegen eingelegten Widerspruch beantragte der Kläger zugleich die Übertragung einer Beförderungsstelle zum nächstmöglichen Zeitpunkt sowie die Gewährung von Schadenersatz wegen unterbliebener Beförderung.

Nach erfolgloser Durchführung des Widerspruchsverfahrens erhob der Kläger die vorliegende Klage, mit der er sowohl eine Neubeurteilung als auch seine Beförderung sowie die Gewährung von Schadenersatz wegen unterbliebener Beförderung begehrte.

Im Verlauf des Klageverfahrens legte das Ministerium des Innern und für Sport durch Schreiben vom 2. Oktober 2006 und 13. Februar 2007 das Verfahren für die zum Beförderungstermin 18. Mai 2007 die zu vergebenden Beförderungsstellen fest. Dabei ging das Ministerium ebenso vor wie beim vorangegangenen Beförderungstermin. Lediglich die Stehzeit für Bewerber auf die Stellen in der zweiten Säule wurde nach Ergehen einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung von sechs auf vier Jahren herabgesenkt.

Mit Schreiben vom 20. Oktober 2006 bewarb sich der Kläger zusammen mit 48 weiteren Beamten um eine der zur Verfügung stehenden Beförderungsstellen nach Besoldungsgruppe A 10 BBesO. Dem Polizeipräsidium Trier waren in dieser sog. zweiten Säule zehn Beförderungsstellen zugeteilt worden. In der Folge wurde der Kläger mit dem Prädikat "B" (übertrifft die Anforderungen) beurteilt. Mit diesem Beurteilungsergebnis belegte er in der Beförderungsreihung den Rang 18 und verfehlte somit einen Beförderungsrang um 8 Plätze. Die Nichtberücksichtigung bei der anstehenden Beförderungsrunde wurde ihm durch Bescheid des Polizeipräsidiums Trier vom 27. April 2007 mitgeteilt.

Nach Abtrennung der verfolgten Ansprüche wies das Verwaltungsgericht Trier die auf Neubeurteilung gerichtete Klage durch Urteil vom 9. Mai 2007 ab. Das Urteil wurde am 17. Juli 2007 rechtskräftig.

Der auf Beförderung zum nächstmöglichen Zeitpunkt gerichteten Klage gab das Verwaltungsgericht Trier durch Urteil vom 27. November 2007 statt und führte hierzu aus: Die Beförderung der Beamten der ersten "Säule" verstoße gegen den Leistungsgrundsatz, da diese ausschließlich wegen ihres erreichten Dienstalters befördert worden seien. Diese Handhabung beeinträchtige das Recht der Beamten in der zweiten "Säule" auf angemessenes berufliches Fortkommen, da deren Chancen auf eine Beförderung mehr oder weniger stark gesunken seien. Dies gelte insbesondere deshalb, weil in der sog. ersten Säule erfahrungsgemäß leistungsschwächere Beamte aufgenommen würden, die bei den vorangegangenen Beförderungsterminen nicht berücksichtigt worden seien. Sachliche Gründe für das Abweichen vom Leistungsgrundsatz seien nicht ersichtlich, insbesondere könne sich der Beklagte nicht auf einen Nachteilsausgleich zugunsten der Polizeibeamten im Bewährungsaufstieg berufen, da die Bildung von zwei "Säulen" auch bei den Beamten mit Fachhochschulausbildung durchgeführt worden sei.

Im Hinblick auf den vom Kläger zugleich geltend gemachten Schadenersatzanspruch scheitere sein Begehren dagegen am Vorliegen eines Verschuldens auf Seiten des Beklagten, da diesem keine Fahrlässigkeit vorgeworfen werden könne. Aufgrund der Besonderheiten des Bewährungsaufstieges erscheine es nämlich noch vertretbar, wenn das Ministerium die Auffassung vertreten habe, Beförderungen allein aufgrund des Dienstalters seien zulässig.

Gegen dieses Urteil haben sowohl der Kläger als auch der Beklagte die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt.

Der Kläger ist der Auffassung, den Beklagten treffe ein Verschulden an der rechtswidrigen Unterlassung seiner Beförderung zum 18. Mai 2006. Die Beförderung von Beamten in der sog. ersten Säule allein nach deren Dienstalter sei nicht noch vertretbar gewesen, da sie der jahrzehntelangen höchstrichterlichen Rechtsprechung widerspräche. Das Fehlverhalten der Amtswalter sei ursächlich für die in seinem Fall unterbliebene Beförderung. Zwar sei nicht mehr aufklärbar, ob er bei einer ordnungsgemäßen Durchführung des Auswahlvorgangs befördert worden wäre. Die Nichterweislichkeit dieser Tatsache müsse jedoch zu Lasten des Beklagten gehen, da diesen insoweit die Darlegungs- und Beweislast treffe.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Trier vom 27. November 2007 abzuändern, ihm Schadenersatz wegen unterbliebener Beförderung ab dem Jahre 2006 zuzuerkennen sowie die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Trier vom 27. November 2007 abzuändern und die Klage auf Beförderung zum Polizeioberkommissar abzuweisen sowie die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Der Klage fehle schon das Rechtsschutzbedürfnis, da dem Anspruch des Klägers auf ermessens- und beurteilungsfehlerfreie Einbeziehung in die Bewerberauswahl entsprochen worden sei. Die Beförderungskonzeption verletze auch deshalb keine subjektiven Rechte des Klägers, da sie im Organisationsermessen des Dienstherrn stehe. Die getroffene Organisationsentscheidung sei von der Grundsatzentscheidung des Gesetzgebers vorgeprägt, alle Funktionen des Polizeidienstes entweder dem gehobenen oder dem höheren Dienst zuzuordnen. Dementsprechend habe der Bewährungsaufstieg als wesentliches Ziel, grundsätzlich allen Beamten das Erreichen eines Amtes der Besoldungsgruppe A 10 BBesO zu ermöglichen. Dies sei aber nur durch eine verbindliche Beförderungsvorgabe im Sinne einer Regelbeförderung umzusetzen. Für jüngere und leistungsstärkere Beamte verblieben in der 2. "Säule" genügend Anreize, eine solche Beförderung vor der Regelzeit zu erreichen. Die Beförderungskonzeption habe im Übrigen das Verwaltungsgericht Koblenz ausdrücklich gebilligt.

Der Kläger tritt der Berufung des Beklagten unter Hinweis auf die von ihm insoweit als zutreffend erachteten Ausführungen der Vorinstanz entgegen und beantragt

die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

Die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes ergeben sich aus den Schriftsätzen der Beteiligten, den vorgelegten Verwaltungsvorgängen des Beklagten (6 Hefter) und den beigezogenen Gerichtsakten (5 Bände), die sämtlich zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Beklagten ist zulässig, aber nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat diesen zu Recht verpflichtet, den Kläger zum nächstmöglichen Zeitpunkt zum Polizeioberkommissar zu befördern (1). Auf die Berufung des Klägers ist dieser auch im Wege des Schadensersatzes so zu stellen, als wäre er am 18. Mai 2006 in ein Amt der Besoldungsgruppe A 10 BBesO befördert worden (2).

1. Die Berufung des Beklagten bleibt ohne Erfolg, weil der Kläger einen Anspruch darauf hat, zum nächstmöglichen Zeitpunkt zum Polizeioberkommissar ernannt zu werden. Denn er ist durch das in den Beförderungskampagnen der Jahre 2006 und 2007 vom Beklagten angewandte Auswahlverfahren in seinem Recht auf angemessenes berufliches Fortkommen verletzt worden. Der mit seiner Klage geltend gemachte Erfüllungsanspruch besteht auch zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, da der Beklagte für den Kläger eine Stelle freigehalten hat.

Gemäß Art. 33 Abs. 2 Grundgesetz - GG - hat jeder Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt. Der Geltungsanspruch dieses Leistungsgrundsatzes wird durch die Verfassung unbeschränkt und vorbehaltlos gewährleistet. Belange, die nicht im Leistungsgrundsatz verankert sind, können bei der Besetzung öffentlicher Ämter nur dann Berücksichtigung finden, wenn ihnen ebenfalls Verfassungsrang eingeräumt ist. In diesem Fall bedarf es zudem einer gesetzlichen Grundlage, die ihrerseits dem Zweck des Art. 33 Abs. 2 GG Rechnung tragen muss, soweit es nicht um die Abwendung einer unmittelbar drohenden Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung geht. Art. 33 Abs. 2 GG vermittelt damit ein grundrechtsgleiches Recht auf leistungsgerechte Einbeziehung in die Bewerberauswahl. Ein Bewerber um ein öffentliches Amt kann dementsprechend verlangen, dass der Dienstherr seine Bewerbung nur aus Gründen zurückweist, die durch den Leistungsgrundsatz gedeckt sind (vgl. BVerfG, Beschluss vom 2. April 1996, NVwZ 1997, 54).

Für die Auswahl der Bewerber um ein öffentliches Amt dürfen danach nur Kriterien zugrunde gelegt werden, die unmittelbar Eignung, Befähigung und fachliche Leistung betreffen und so darüber Aufschluss geben, in welchem Maße der Beamte den Anforderungen seines Amtes genügt und sich in einem höheren Amt voraussichtlich bewähren wird. Anderen Kriterien darf nur Bedeutung beigemessen werden, wenn sich aus einem Vergleich anhand leistungsbezogener Kriterien kein Vorsprung von Bewerbern ergibt. Der für diese Auswahlentscheidung maßgebliche Leistungsvergleich der Bewerber muss auf aussagekräftige, d.h. hinreichend differenzierte und auf gleichen Bewertungsmaßstäben beruhende aktuelle dienstliche Beurteilungen gestützt werden (vgl. BVerwGE 101, 112 [114]; 122, 147 [150]).

Diesen Anforderungen wird das vom Beklagten für den Beförderungstermin zum 18. Mai 2006 angewandte Auswahlverfahren nicht gerecht. Denn denjenigen Bewerbern, die - wie der Kläger - lediglich eine Dienstzeit von sechs Dienstjahren als Polizeikommissar aufzuweisen hatten, wurde der Zugang zu einem erheblichen Teil von Beförderungsstellen verweigert. Hierdurch wurden diese Beamten in ihrem Recht auf angemessenes berufliches Fortkommen verletzt. Da im Rahmen der sog. ersten Säule sämtliche Polizeibeamte mit einer Stehzeit von acht Jahren allein aufgrund ihres erreichten Dienstalters und ohne vorherige Durchführung eines aktuellen Leistungsvergleichs durch dienstliche Beurteilungen befördert wurden, verringerten sich für die in der zweiten "Säule" verbliebenen Bewerber in entsprechendem Umfang ihre Beförderungschancen. Die mit diesem Vergabeverfahren einhergehende Verletzung des Leistungsgrundsatzes ist auch nicht ausnahmsweise durch Belange mit entsprechendem Verfassungsrang gerechtfertigt.

Die Vergabe der Beförderungsämter nach leistungsbezogenen Kriterien hätte die Funktionsfähigkeit der Polizei nicht gefährdet. Eine solche Gefahrenlage hätte vorausgesetzt, dass die Wahrnehmung der polizeilichen Aufgaben nicht mehr sichergestellt gewesen wäre. Dafür ergeben sich jedoch keinerlei Anhaltspunkte. Insbesondere ist der Einwand des Beklagten, ohne die Bildung von zwei "Säulen" hätten sämtliche der für eine Beförderung in Betracht kommenden Polizeikommissare beurteilt werden müssen, nicht nachvollziehbar. Wie der Beklagte auf Anfrage des Senats mitgeteilt hat, werden im Beförderungsverfahren zum 18. Mai 2008 sämtliche Bewerber für ein Beförderungsamt dienstlich beurteilt. Hinderungsgründe für die Durchführung einer solchen, dem Leistungsgrundsatz des Art. 33 Abs. 2 GG entsprechenden, Verfahrensweise in der Beförderungskampagne des Jahres 2006 sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

Personalpolitische Erwägungen, wozu die Gewährleistung einer ausgewogenen Altersstruktur innerhalb der Laufbahn des gehobenen Polizeidienstes sowie die Besonderheiten des sog. Bewährungsaufstiegs gehören, führen insoweit zu keinem anderen Ergebnis. Im vorliegenden Fall wurden alle Polizeikommissare, die nicht ein Dienstalter von acht Jahren aufwiesen, ungeachtet ihres Leistungsstandes von einem erheblichen Teil der zur Verfügung stehenden Beförderungsämter ausgeschlossen. Werden jedoch Beförderungen vom Erreichen eines bestimmten Dienstalters abhängig gemacht, so erlangt dieses Merkmal einen Stellenwert, der weit über den ihm von der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung zugewiesenen Rang eines ergänzenden Hilfskriteriums hinausgeht. Denn hierdurch wird eine Auswahl der für eine Beförderung laufbahnrechtlich in Betracht kommenden Beamten allein nach dem sog. Anciennitätsgrundsatz getroffen. Die Beschränkung des Leistungswettbewerbs auf einen nur nach Dienstalter zusammengestellten Bewerberkreis trägt dem von Art. 33 Abs. 2 GG geforderten unbeschränkten und vorbehaltlosen Geltungsanspruch des Leistungsgrundsatzes ersichtlich nicht Rechnung.

Das personalpolitische Interesse an ausgewogenen Altersstrukturen und der Beibehaltung der Unterschiedlichkeit des sog. Bewährungsaufstiegs im Vergleich zu den Beamten des gehobenen Dienstes mit Fachhochschulausbildung hat in aller Regel auch keinen verfassungsrechtlichen Stellenwert, der eine Einschränkung des Leistungsgrundsatzes bei der Besetzung von Beförderungsämter einer Laufbahn rechtfertigen könnte. Ein ausgewogener Altersaufbau in den einzelnen Laufbahnen wird zwar in aller Regel personalpolitisch wünschenswert sein; er gehört jedoch nicht zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums, die durch Art. 33 Abs. 5 GG geschützt werden (vgl. BVerwGE 122, 147 [153]).

Gleiches gilt für den Einwand des Beklagten, die Vorauswahl der Bewerber im Rahmen des sog. Säulenmodells stünde in seinem Organisationsermessen. Die Organisationsgewalt ermächtigt den Dienstherrn, die im Haushaltsplan ausgewiesenen Stellen nach organisations- und verwaltungspolitischen Bedürfnissen zu bewirtschaften. Diese Gestaltungsfreiheit umfasst zwar das Wahlrecht, Stellen entweder durch Umsetzung und Versetzung oder aber im Wege eines Auswahlverfahrens zu besetzen. Auch kann der Dienstherr Auswahlentscheidungen dadurch vorprägen, dass er das Anforderungsprofil von zu besetzenden Dienstposten festlegt. Will der Dienstherr jedoch in Wahrnehmung seiner Organisationsgewalt verfügbare Stellen im Wege der Bewerberauswahl besetzen, so ist er an die sich aus Art. 33 Abs. 2 GG ergebenden Anforderungen gebunden.

Aus diesen Gründen durfte der Beklagte den Kläger nicht ausschließlich für einen Vergleich mit anderen Beamten in der sog. zweiten "Säule" heranziehen. Da die Beförderung von insgesamt 15 Polizeikommissaren im Rahmen der sog. ersten Säule dem Leistungsgrundsatz widerspricht, hat der Kläger einen Anspruch darauf, zum nächstmöglichen Zeitpunkt in ein Amt der Besoldungsgruppe A 10 BBesO befördert zu werden. Zwar kann einem derartigen Begehren grundsätzlich nur durch ein Bescheidungsurteil entsprochen werden, mit dem der Dienstherr zur erneuten Betätigung seines Auswahlermessens verpflicht wird (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO-). Hier liegt jedoch der Ausnahmefall einer Ermessensreduzierung auf Null vor, weil jede andere Entscheidung als die Beförderung des Klägers rechtswidrig wäre. Da die Beamten der ersten Säule nämlich bereits befördert und für diese auch keine dienstlichen Beurteilungen gefertigt worden sind, lässt sich nicht mehr aufklären, wie diese Polizeibeamten im Vergleich zum Kläger leistungsmäßig einzustufen waren. Die Nichterweislichkeit dieser Tatsache geht zu Lasten des Beklagten. Denn er hat im Rahmen der von ihm praktizierten Beförderungskonzeption bewusst darauf verzichtet, diese Polizeikommissare dienstlich zu beurteilen. Da der Kläger einen Beförderungsrang lediglich um acht Plätze verfehlt hat, ist im Übrigen nach allgemeiner Lebenserfahrung davon auszugehen, dass er bei einer leistungsbezogenen Auswahl zum Zuge gekommen wäre.

2. Die Berufung des Klägers hat Erfolg. Er hat über den Beförderungsanspruch hinaus einen Anspruch darauf, im Wege des Schadensersatzes so gestellt zu werden, als wäre er bereits am 18. Mai 2006 zum Polizeioberkommissar (Besoldungsgruppe A 10 BBesO) befördert worden.

Ein Beamter kann von seinem Dienstherrn aus dem Rechtsgrund des bestehenden Beamtenverhältnisses Ersatz des ihm durch eine Nichtbeförderung entstandenen Schadens verlangen, wenn der Dienstherr bei der Vergabe des höher bewerteten Amtes den aus Art. 33 Abs. 2 GG folgenden Anspruch des Beamten auf leistungsgerechte Einbeziehung in die Bewerberauswahl schuldhaft verletzt hat, dem Beamten das Amt ohne diesen Rechtsverstoß voraussichtlich übertragen worden wäre und dieser es nicht schuldhaft unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden (vgl. BVerwGE 80, 123 [125]; 124, 99 [101]). Sämtliche dieser Anspruchsvoraussetzungen sind hinsichtlich der Nichtberücksichtigung des Klägers bei der zum 18. Mai 2006 abgeschlossenen Beförderungskampagne gegeben. Denn nach den vorstehend getroffenen Darlegungen hat der Beklagte hierbei den sich aus Art. 33 Abs. 2 GG ergebenden Anspruch des Klägers auf leistungsgerechte Einbeziehung in die Bewerberauswahl verletzt.

An dem Verstoß gegen Art. 33 Abs. 2 GG trifft den Beklagten auch ein Verschulden; insbesondere entlastet ihn die Kollegialgerichtsregel nicht.

Für die Haftung des Dienstherrn auf Schadensersatz wegen Verletzung von Pflichten aus dem Beamtenverhältnis gilt der allgemeine Verschuldensmaßstab des bürgerlichen Rechts. Danach handelt fahrlässig, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt auch Acht lässt (vgl. § 276 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch). Nach diesem objektiv-abstrakten Sorgfaltsmaßstab ist auf die Anforderungen abzustellen, deren Beachtung von dem verantwortlichen Beamten generell erwartet werden kann. Dies bedeutet, dass jeder Inhaber eines öffentlichen Amtes die Sach- und Sachlage unter Zuhilfenahme der ihm zur Verfügung stehenden Hilfsmittel gewissenhaft prüfen und sich aufgrund vernünftiger Überlegungen eine Rechtsauffassung bilden muss. Wird eine behördliche Maßnahme gerichtlich missbilligt, so kann daraus ein Verstoß des verantwortlichen Amtsinhabers gegen Sorgfaltspflichten dann nicht hergeleitet werden, wenn er die zugrunde liegende Rechtsauffassung aufgrund sorgfältiger rechtlicher und tatsächlicher Prüfung gewonnen hat und sie im Ergebnis als vertretbar angesehen werden kann. Eine letztlich als unzutreffend erkannte Rechtsauffassung stellt sich als vertretbar dar, wenn die Rechtsfrage nicht einfach zu beurteilen und weder durch die Rechtsprechung geklärt noch im Schrifttum abschließend behandelt ist (vgl.: BVerwGE 124, 99 [105]).

Nach diesem Maßstab haben die verantwortlichen Amtsinhaber des Beklagten durch die ohne Durchführung eines aktuellen Leistungsvergleichs erfolgten Beförderungen der Polizeibeamten innerhalb der ersten "Säule" fahrlässig gehandelt. Als oberste Dienstbehörde war der Beklagte gehalten, das Beförderungskonzept zum Beförderungstermin 18. Mai 2006 aufgrund einer gründlichen und vertieften rechtlichen Prüfung zu erarbeiten. Dazu gehörten die Sichtung und Auswertung der einschlägigen obergerichtlichen Rechtsprechung zu Inhalt und Reichweite des Leistungsgrundsatzes. Den verantwortlichen Amtsinhabern hätte sich so aufgrund der seit Jahren bestehenden und veröffentlichten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwGE 80, 123; 101, 112; 122, 147) aufdrängen müssen, dass eine Beförderung allein aufgrund des Dienstalters im Hinblick auf Art. 33 Abs. 2 GG rechtlich unter keinem Gesichtspunkt vertretbar war.

Der Beklagte wird auch nicht durch die Kollegialgerichtsregel entlastet. Danach kann ein Verschulden entfallen, wenn ein mit mehreren Rechtskundigen besetztes Kollegialgericht die Amtstätigkeit als objektiv rechtmäßig gebilligt hat. Ihr liegt die Erwägung zugrunde, dass von einem Beamten eine bessere Rechtsansicht als von einem Kollegialgericht nicht erwartet und verlangt werden kann. Entgegen der Auffassung des Beklagten kann hierfür jedoch weder die Entscheidung des erkennenden Senats vom 14. Juni 2002 (AS 30, 74) noch die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 30. Januar 2007 (Az.: 6 K 1198/06.KO) herangezogen werden. Im der genannten Senatsentscheidung wurde lediglich eine Aussage zur Zulässigkeit der spartenbezogenen Beförderungen von Polizeibeamten des gehobenen Dienstes im Rahmen des sog. Bewährungsaufstiegs einerseits und den Bewerbern mit abgeschlossener Fachhochschulausbildung andererseits getroffen. Zur Frage der Zulässigkeit der Bildung von zwei "Säulen" enthält diese Entscheidung keine Aussagen. Gleiches gilt im Hinblick auf das Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz. Dieses hat in der vorgenannten Entscheidung die Frage, ob eine Beförderung im Rahmen des sog. Säulenmodells mit dem Leistungsgrundsatz vereinbar ist, ausdrücklich offen gelassen.

Der geltend gemachte Schadensersatzanspruch scheitert nicht an dem Erfordernis der Kausalität. Die schuldhafte Verletzung des Anspruchs eines Beamten auf leistungsgerechte Berücksichtigung bei der Besetzung einer Beförderungsstelle löst einen Schadensersatzanspruch nur dann aus, wenn der Rechtsverstoß adäquat kausal für die Nichtbeförderung war. Dies ist der Fall, wenn der Beamte bei Vermeidung des Rechtsverstoßes voraussichtlich ausgewählt und befördert worden wäre. Hierfür muss festgestellt werden, welcher hypothetische Kausalverlauf bei rechtmäßigem Vorgehen des Dienstherrn voraussichtlich an die Stelle des tatsächlichen Verlaufs getreten wäre. Wie oben dargelegt, lässt sich vorliegend indessen nicht mehr aufklären, ob der Kläger ohne den Verstoß des Beklagten gegen den Leistungsgrundsatz des Art. 33 Abs. 2 GG am 18. Mai 2006 befördert worden wäre. Diese Ungewissheit geht zu Lasten des Beklagten.

Zwar obliegt es grundsätzlich dem Beamten, der einen Leistungsanspruch geltend macht, darzulegen und zu beweisen, dass er bei rechtsfehlerfreier Behandlung seiner Bewerbung um ein Beförderungsamt voraussichtlich zum Zuge gekommen wäre. Aus dem Gebot des effektiven Rechtsschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. Art. 33 Abs. 2 GG folgt aber, dass dem Beamten nicht die Beweislast für die zur Beurteilung des hypothetischen Kausalverlaufs erforderlichen Tatsachen auferlegt werden darf, deren Ermittlung ihm aus tatsächlichen Gründen unmöglich ist. Dies gilt jedenfalls für alle Vorgänge aus dem Verantwortungs- und Verfügungsbereich des Dienstherrn, die dem Einblick des Beklagten entzogen sind. Insoweit trifft die Behörde eine Darlegungspflicht (§ 86 VwGO) und findet im Falle der Nichterweislichkeit dieser Tatsache eine Umkehr der materiellen Beweislast zu Lasten des Dienstherrn statt (vgl. BVerwGE 124, 99 [108 f.]).

Hat der Dienstherr wie hier Beförderungsentscheidungen nicht auf dienstliche Beurteilungen gestützt, muss regelmäßig der Prozess der Entscheidungsfindung aufgeklärt werden, um beurteilen zu können, welchen Verlauf die Dinge bei Vermeidung des Verstoßes gegen Art. 33 Abs. 2 GG voraussichtlich genommen hätten. Aus dem Schreiben des Beklagten vom 22. November 2007 ergibt sich allerdings eindeutig, dass eine Aufklärung hierzu nicht mehr möglich ist. Dieser Umstand geht zu Lasten des Beklagten und zieht dessen Haftung gegenüber dem Kläger nach sich, weil dieser bei der Vergabe der 15 Beförderungsämter im Rahmen der ersten Säule reelle Beförderungsaussichten gehabt hätte.

Die Schadensersatzpflicht des Beklagten ist letztlich auch nicht entsprechend § 839 Abs. 3 BGB ausgeschlossen. Dem Kläger standen bis zur der Freihaltungszusage des Beklagten lediglich die Rechtsbehelfe des Widerspruchs und des Antrags auf Erlass einer Sicherungsanordnung (§ 123 Abs. 1 VwGO) zur Verfügung. Diese Rechtsbehelfe hat er in Anspruch genommen.

Die Kostenentscheidung folgt im Hinblick auf die Berufung des Klägers aus § 154 Abs. 1 VwGO und hinsichtlich der Berufung des Beklagten aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO.

Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO für notwendig zu erklären, weil diese aus Sicht einer verständigen Partei nicht überflüssig und willkürlich, sondern zweckmäßig erscheint.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil Gründe der in § 132 Abs. 2 VwGO, § 127 Beamtenrechtsrahmengesetz genannten Art nicht vorliegen.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird, zugleich für das Verfahren erster Instanz, auf insgesamt 38.845,60 € festgesetzt (§§ 47 Abs. 1, § 52 Abs. 5 Satz 2, 63 Abs. 3 Satz 1 Gerichtskostengesetz in Verbindung mit Ziffer 10.2 der Empfehlungen des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung vom Juli 2004 (NVwZ 2004, 1327). Maßgebend ist danach für jedes der mit der Klage geltend gemachten Begehren die Hälfte des Dreizehnfachen des Endgrundgehaltes der Besoldungsgruppe A 10 BBesO zzgl. der ruhegehaltfähigen Amtszulage nach Nr. 27 der Vorbemerkungen zur BBesO).

Ende der Entscheidung

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