Judicialis Rechtsprechung
Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:
Gericht: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss verkündet am 17.09.2004
Aktenzeichen: 2 B 11470/04.OVG
Rechtsgebiete: LBG, BBG
Vorschriften:
LBG § 54 Abs. 1 | |
LBG § 55 Abs. 1 | |
LBG § 55 Abs. 2 Satz 1 | |
BBG § 41 Abs. 2 Satz 1 |
OBERVERWALTUNGSGERICHT RHEINLAND-PFALZ BESCHLUSS
2 B 11470/04.OVG
In dem Verwaltungsrechtsstreit
wegen Recht der Landesbeamten
hier: einstweilige Anordnung
hat der 2. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der Beratung vom 17. September 2004, an der teilgenommen haben
Präsident des Oberverwaltungsgerichts Prof. Dr. Meyer Richter am Oberverwaltungsgericht Bonikowski Richterin am Oberverwaltungsgericht Stengelhofen
beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Trier vom 3. August 2004 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Der Wert des Streitgegenstandes für das Beschwerdeverfahren wird auf 15.971,70 € festgesetzt.
Gründe:
Die Beschwerde, mit der der Antragsteller sein erstinstanzliches Begehren weiterverfolgt, hat keinen Erfolg, da das Verwaltungsgericht den Antrag auf Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - im Ergebnis zu Recht abgelehnt hat.
Der Antrag scheitert allerdings nicht schon an mangelnder Zulässigkeit. Insbesondere fehlt es nicht an der Antragsbefugnis entsprechend § 42 Abs. 2 VwGO. Die Antragsbefugnis ist zu verneinen, wenn o f f e n s i c h t l i c h und e i n d e u t i g nach keiner Betrachtungsweise subjektive Rechte des Antragstellers verletzt sein können. Davon kann hier schwerlich die Rede sein. Während nämlich bislang lediglich ein Obergericht festgestellt hat, dass die mit § 55 Abs. 2 Satz 1 Landesbeamtengesetz - LBG - inhaltsgleiche und damit vergleichbare Vorschrift des § 41 Abs. 2 Satz 1 Bundesbeamtengesetz - BBG - allein dem Schutz öffentlicher Interessen diene (vgl. VGH München, Beschlüsse vom 26. Januar 1993 - 3 CE 93.79 - NVwZ-RR 1994, 33 sowie vom 8. Februar 1993 - 3 CE 93.204 - Jurisdokument), wird in der Kommentarliteratur der subjektiv-rechtliche Charakter jener Vorschrift überwiegend bejaht (vgl. GKÖD, Stand: September 2004, K § 41 BBG Rdnrn. 10, 15; Plog u.a., BBG, Stand: August 2004, § 41 Rdnr. 4 c; Battis, BBG, 3. Aufl., 2004, § 41 Rdnr. 4).
Der Antrag ist allerdings nicht begründet. Es fehlt an einem glaubhaft gemachten Anordnungsanspruch (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Zivilprozessordnung - ZPO -). Nach der im Verfahren des Eilrechtsschutzes allein möglichen summarischen Prüfung zeichnet sich nicht mit der notwendigen Deutlichkeit ab, dass das Begehren des Antragstellers, ihn über die durch § 54 Abs. 1 LBG gesetzte Altersgrenze hinaus bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren in seiner bisherigen Funktion als Justiziar und Abteilungsleiter, gegebenenfalls ausschließlich als Justiziar, in der Hochschulverwaltung weiterzubeschäftigen, sachlich gerechtfertigt ist. Zwar spricht - entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts - vieles dafür, dass § 55 Abs. 2 Satz 1 LBG dem Beamten ein subjektiv-öffentliches Recht auf ermessensfehlerfreie Entscheidung einräumt (1). Allerdings deutet - in Übereinstimmung mit dem Verwaltungsgericht - alles darauf hin, dass im konkreten Fall kein dienstliches Interesse besteht, die Versetzung des Antragstellers in den Ruhestand um ein Jahr zu verschieben, sodass mangels Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen von vornherein kein Raum für eine derartige Ermessensentscheidung des Antragsgegners gegeben ist (2).
(1) Nach dem Wortlaut des Gesetzes kann die oberste Dienstbehörde auf Antrag des Beamten den Eintritt in den Ruhestand über das vollendete 65. Lebensjahr hinaus um eine bestimmte Frist, die jeweils ein Jahr nicht übersteigen darf, jedoch nicht länger als bis zum vollendeten 68. Lebensjahr hinausschieben, wenn es im dienstlichen Interesse liegt. Dieser Wortlaut gibt für die vorliegend zu beantwortende Frage nach dem subjektiv-rechtlichen Charakter des § 55 Abs. 2 Satz 1 LBG aber nichts her. Die grammatikalische Auslegung des Gesetzeswortlauts erweist sich vielmehr insgesamt als indifferent. Die Antragsabhängigkeit könnte darauf hindeuten, dass dem Beamten eine einklagbare Rechtsposition eingeräumt werden sollte. Die tatbestandliche Voraussetzung des dienstlichen Interesses könnte demgegenüber die Annahme nahe legen, dass der Vorschrift ein rein objektiv-rechtlicher Charakter beizumessen ist.
Indessen sprechen die hiernach in die Auslegung einzubeziehende Gesetzessystematik sowie die Entstehungsgeschichte und der Zweck der Vorschrift eher für eine Norm, die auch subjektiv-rechtlich wirkt. Noch die mit Artikel 1 Nr. 16 des Zweiten Landesgesetzes zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften vom 21. Dezember 1993 (GVBl. S. 647) eingeführte Vorschrift des § 55 Abs. 1 LBG zur Hinausschiebung des Eintritts in den Ruhestand auf Initiative des Dienstherrn wurde ausschließlich im öffentlichen Interesse erlassen: Die dem Dienstherrn eröffnete Möglichkeit, die Versetzung in den Ruhestand über die gesetzliche Altersgrenze hinaus zu verschieben, wenn dringende dienstliche Belange im Einzelfall die Fortführung der Dienstgeschäfte durch einen bestimmten Beamten erfordern, ist dem Interesse der Allgemeinheit an einer effektiven Personalwirtschaft zu dienen bestimmt. Denn wie die Gesetzesbegründung erhellt, ging der seinerzeitige Gesetzgeber davon aus, dass die demographische Entwicklung zu einem Rückgang der Erwerbstätigenquote führt. Dem dadurch zu erwartenden Bewerbermangel sollte durch die Schaffung flexibler Altersgrenzen entgegen gewirkt werden (vgl. Amtl. Begr. des Gesetzesentwurfs der Landesregierung, LT-Drucks. 12/3616, S. 21 und 27). Darüber hinaus bezweckt die Flexibilisierung der (Lebens)Arbeitszeit auch eine Entlastung der öffentlich-rechtlichen Versorgungshaushalte. In Abgrenzung und Ergänzung dazu erfolgt die Einführung des § 55 Abs. 2 Satz 1 LBG durch Artikel 1 Nr. 7 des Sechsten Landesgesetzes zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften vom 27. Juni 2002 (GVBl. S. 301) a u c h mit Blick auf die Individualinteressen der Beamten. Zwar gelten nach den Gesetzesmaterialien die vorstehend dargelegten objektiv-rechtlichen Gründe für die Schaffung flexibler Altersgrenzen unverändert fort. Der Gesetzgeber erkennt jedoch darüber hinaus an, dass sich die gesellschaftliche Einstellung gegenüber einer festen Altersgrenze verändert hat und ein steigendes Bedürfnis nach individueller Bestimmung der persönlichen (Lebens)Arbeitszeit besteht. Private Gründe, wie beispielsweise die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, nehmen danach in zunehmendem Maße Einfluss auf bestehende Beschäftigungsverhältnisse. Diesem Bedürfnis soll nach dem erklärten Willen des Gesetzgebers auch im Bereich des öffentlichen Dienstes Rechnung getragen werden, und zwar über ein den Beamten eingeräumtes Antragsrecht. Daneben wird auch die materiell-rechtliche Voraussetzung für die Verschiebung der Versetzung in den Ruhestand (im Unterschied zur Verlängerung der Lebensarbeitszeit auf Initiative des Dienstherrn nach § 55 Abs. 1 LBG, die das Vorliegen dringender, also über das Normalmaß hinausgehender dienstlicher Belange verlangt) darauf beschränkt, dass die Maßnahme im dienstlichen Interesse liegt (vgl. Amtl. Begr. des Gesetzesentwurfs der Landesregierung, LT-Drucks. 14/953, S. 10 und 12). Anders als das Hinausschieben des Ruhestandsbeginns auf Initiative des Dienstherrn scheint § 55 Abs. 2 Satz 1 LBG damit nicht allein die Erhaltung einer funktions- und leistungsfähigen Verwaltung zu bezwecken, sondern zumindest auch dem Recht der Beamten auf individuelle berufliche Gestaltung des Lebenszuschnitts Rechnung tragen zu wollen.
Die abschließende Klärung eines subjektiv-rechtlichen Einschlags von § 55 Abs. 2 Satz 1 LBG kann der Senat aber einem Hauptsacheverfahren vorbehalten. Denn vorliegend fehlt es bereits an der, einen etwaigen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung erst begründenden, tatbestandlichen Voraussetzung des dienstlichen Interesses.
(2) Das dienstliche Interesse im Sinne des § 55 Abs. 2 Satz 1 LBG richtet sich - entgegen der Auffassung des Antragstellers - ausschließlich nach dem gesetzlichen Auftrag der Behörde und den dort vorhandenen personalwirtschaftlichen und organisatorischen Möglichkeiten. Es bezeichnet das Interesse des Dienstherrn an einer sachgemäßen und reibungslosen Aufgabenerfüllung. Über das Vorliegen des dienstlichen Interesses befindet der Dienstherr ohne Beurteilungsspielraum, sodass seine diesbezügliche Entscheidung grundsätzlich der vollen gerichtlichen Überprüfung unterliegt. Dabei ist allerdings zu beachten, dass das dienstliche Interesse maßgebend durch verwaltungspolitische Entscheidungen des Dienstherrn (vor-) geprägt wird, die ihrerseits gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar sind. Es ist in erster Linie Sache des Dienstherrn in Ausübung der ihm zugewiesenen Personal- und Organisationsgewalt, zur Umsetzung gesetzlicher und politischer Ziele die Aufgaben der Verwaltung festzulegen, ihre Prioritäten zu bestimmen, sie auf die einzelnen Organisationseinheiten zu verteilen und ihre Erfüllung durch bestmöglichen Einsatz von Personal sowie der zur Verfügung stehenden Sachmittel sicherzustellen. Angesichts der ihm insoweit zukommenden Einschätzungsprärogative und Gestaltungsfreiheit ist die gerichtliche Kontrolle dieser Entscheidungen auf die Prüfung beschränkt, ob die gesetzlichen Grenzen des Organisationsermessens überschritten sind oder von diesem in unsachlicher Weise Gebrauch gemacht worden ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. April 2004 - BVerwG 2 C 21.03 - Jurisdokument; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 24. Mai 2004 - 2 B 10467/04.OVG - veröffentlicht in ESOVGRP).
Gemessen an diesen rechtlichen Vorgaben ist die Verneinung des dienstlichen Interesses bei der im Eilverfahren allein möglichen summarischen Prüfung rechtlich nicht zu beanstanden. Die zum 1. Oktober 2004 beabsichtigte Neuorganisation der Universitätsverwaltung, auf die der Antragsgegner seine ablehnende Entscheidung im Wesentlichen stützt, stellt eine ohne weiteres nachvollziehbare Begründung dar. Anlass für die Umstrukturierungsmaßnahmen sind die angespannte Personallage und der stetige Zuwachs an Aufgaben. Die Gewährleistung einer effektiven und funktionsfähigen Verwaltung mache, so die Universität, eine Umverteilung der Aufgaben und personellen Ressourcen erforderlich. Dementsprechend soll namentlich die derzeit vom Antragsteller besetzte Stelle als Justiziar und Leiter der Abteilung II ('Rechts-, akademische und studentische Angelegenheiten') eine neuen Zuschnitt erhalten. Die Universität plant, den Justiziar in Zukunft unter Wegfall der Abteilungsleiterfunktion unmittelbar als Stabsstelle beim Präsidenten der Universität anzusiedeln. Abgesehen von den Rechtsangelegenheiten soll außerdem das bislang zur Abteilung II gehörende Sachgebiet 2 ('Akademische Angelegenheiten, Wahlen, Gremien') künftig von der Präsidialabteilung betreut werden (vgl. Stellungnahme des stellvertretenden Kanzlers der Universität vom 29. August 2003, Bl. 73 ff. der Verwaltungsakte; Vorschlag zur Verwaltungsneugliederung des Kanzlers der Universität vom 28. Juni 2004, Bl. 50 ff. der Gerichtsakte; derzeitiger Organisationsplan der Universitätsverwaltung, Bl. 48 f. der Gerichtsakte). Im Hinblick darauf ist es ein legitimes personalpolitisches Anliegen, wenn der Antragsgegner die in Rede stehende Stelle zeitnah zur geplanten organisatorischen Umgestaltung neu besetzen will, um den Nachfolger des Antragstellers von Anfang an in den Umstrukturierungsprozess mit einzubeziehen. Wie die Universität auf Nachfrage seitens des Gerichts mitteilte, ist das entsprechende Stellenbesetzungsverfahren zwischenzeitlich abgeschlossen, sodass eine kontinuierliche Erfüllung der gegenwärtig vom Antragsteller wahrgenommenen Aufgaben auch in tatsächlicher Hinsicht bereits sichergestellt ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Entscheidung über die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes für das Beschwerdeverfahren beruht auf §§ 52 Abs. 5 Satz 2, 47 Abs. 1, 72 Nr. 1 Gerichtskostengesetz - GKG - in der Fassung des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes vom 5. Mai 2004 (BGBl. I S. 718) i.V.m. I.7 des Streitwertkataloges in der Fassung vom Januar 1996 und entspricht einem Viertel des dreizehnfachen Betrages des Endgrundgehaltes der Besoldungsgruppe A 15.
Ende der Entscheidung
Bestellung eines bestimmten Dokumentenformates:
Sofern Sie eine Entscheidung in einem bestimmten Format benötigen, können Sie sich auch per E-Mail an info@protecting.net unter Nennung des Gerichtes, des Aktenzeichens, des Entscheidungsdatums und Ihrer Rechnungsanschrift wenden. Wir erstellen Ihnen eine Rechnung über den Bruttobetrag von € 4,- mit ausgewiesener Mehrwertsteuer und übersenden diese zusammen mit der gewünschten Entscheidung im PDF- oder einem anderen Format an Ihre E-Mail Adresse. Die Bearbeitungsdauer beträgt während der üblichen Geschäftszeiten in der Regel nur wenige Stunden.