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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 28.04.2009
Aktenzeichen: 6 A 10050/08.OVG
Rechtsgebiete: VwGO, HPrG, HeilprDV 1, LVwVfG


Vorschriften:

VwGO § 75
HPrG § 1 Abs. 1
HPrG § 1 Abs. 2
HPrG § 1 Abs. 3
HeilprDV 1 § 2 Abs. 1 Lit. i
LVwVfG § 36 Abs. 2 Nr. 4
Allein aus der Weigerung einer kraft Übergangsrechtes approbierten Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin sich auf dem Teilgebiet der Psychotherapie Erwachsener einer Teilbereichsüberprüfung durch das Gesundheitsamt zu unterziehen, erwächst der Genehmigungsbehörde bei verhältnismäßiger Handhabung der Mittel zur Gefahrenerforschung grundsätzlich noch nicht das Recht, die Erlaubnis zur nicht ärztlichen Ausübung der Heilkunde auf dem fraglichen Teilgebiet zu versagen.
OBERVERWALTUNGSGERICHT RHEINLAND-PFALZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

6 A 10050/08.OVG

In dem Verwaltungsrechtsstreit

wegen Rechts der Heilberufe

hat der 6. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 28. April 2009, an der teilgenommen haben

Vorsitzender Richter am Oberverwaltungsgericht Zimmer Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Frey Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Beuscher ehrenamtliche Richterin Hausfrau Büchler ehrenamtlicher Richter Landwirt Gerdon

für Recht erkannt:

Tenor:

Das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 9. August 2007 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Neustadt/Wstr. - 4 K 452/07.NW -wird abgeändert und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 4. August 1998 verpflichtet, der Klägerin ohne Überprüfung ihrer Kenntnisse und Fähigkeiten durch das Gesundheitsamt die Heilpraktikererlaubnis beschränkt auf das Gebiet der Psychotherapie unter der Auflage zu erteilen, dass die Klägerin vor jeder psychotherapeutischen Behandlung eines Erwachsenen einen ärztlichen Konsiliarbericht einholt. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge haben die Beklagte 4/5 und die Klägerin 1/5 zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Erteilung einer Erlaubnis zur berufsmäßigen Ausübung der Heilkunde nach dem Heilpraktikergesetz beschränkt auf das Gebiet der Psychotherapie ohne Ablegung einer sog. Teilbereichsüberprüfung.

Sie war als Lehrerin an Grund- und Hauptschulen auf Lebenszeit verbeamtet, macht von dieser beruflichen Befähigung aber seit mehr als 10 Jahren keinen Gebrauch, um im Anschluss an eine psychotherapeutische Weiterbildung auf dem Gebiet der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie zunächst im Delegationsverfahren tätig werden zu können. Mit Wirkung vom 4. Januar 1999 wurde die Klägerin dann auf der Grundlage der Übergangsbestimmungen des Psychotherapeutengesetzes zur Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin approbiert und damit insoweit zur selbständigen Berufsausübung befähigt.

Den geraume Zeit zuvor, am 1. September 1997 gestellten Antrag, ihr nach Aktenlage die selbständige Ausübung der Heilkunde nach dem Heilpraktikergesetz auf dem Gebiet der Psychotherapie zu erlauben, lehnte die Beklagte nach Einholung einer fachbehördlichen Stellungnahme des Gesundheitsamtes der Kreisverwaltung Mainz-Bingen mit Bescheid vom 4. August 1998 wegen der von der Klägerin verweigerten Teilbereichsüberprüfung ab. Das sich anschließende Widerspruchsverfahren wurde im Hinblick darauf, dass die Klägerin im April 1999 ihre psychotherapeutische Praxis für Kinder, Jugendliche und Familien eröffnet hatte, nicht zu Ende geführt.

Mit Antrag vom 15. Februar 2006 suchte die Klägerin unter Hinweis auf ihre Approbation, ihre berufliche Erfahrung und ihre zahlreichen Fort- und Weiterbildungsnachweise abermals um die Erteilung der in Rede stehenden eingeschränkten Heilpraktikererlaubnis nach. Dieses Anliegen unterbreitete sie unmittelbar dem Gesundheitsamt der Kreisverwaltung Mainz-Bingen, das seinerseits den Antrag der Beklagten nachrichtlich übermittelte. Nachdem das Gesundheitsamt sich mit Schreiben vom 9. Oktober 2006 noch immer außer Stande sah, das Begehren ohne Ablegung einer Teilbereichsüberprüfung zu befürworten, erhob die Klägerin mit Schreiben vom 6. Dezember 2006 abermals Widerspruch, über den noch nicht entschieden worden ist.

Mit ihrer am 11. April 2007 erhobenen Untätigkeitsklage hat die Klägerin geltend gemacht, dass ihre Unbedenklichkeit zur berufsmäßigen Ausübung der nicht ärztlichen Heilkunde beschränkt auf das Gebiet der Psychotherapie schon nach Aktenlage erwiesen sei. Seit Jahren therapiere sie mit Erfolg zahlreiche Kinder und Jugendliche nach anerkannten wissenschaftlichen Methoden. Zudem umschließe ihre Approbation die Befugnis, auch Patienten, die während der Behandlung das 21. Lebensjahr vollendet hätten, sowie erwachsene Bezugspersonen der behandelten Kinder und Jugendlichen zu therapieren. Auf diese Weise machten Erwachsene etwa ein Viertel ihres Patientenstammes aus. Die im Land RheinlandPfalz geübte Praxis, bei der Erteilung der auf das Gebiet der Psychotherapie beschränkten Heilpraktikererlaubnis strikt an einer Teilbereichsüberprüfung festzuhalten und eine Entscheidung nach Aktenlage nur bei Dipl.-Psychologen zuzulassen, laufe dem Verhältnismäßigkeitsgebot zuwider. Bei Angehörigen der akademischen Berufe dürfe nach dem Stand der Rechtsprechung die im Recht der Heilpraktiker vorgesehene Eignungsfeststellung in Gestalt der Teilbereichsüberprüfung nur gefordert werden, wenn Gefahren für die Volksgesundheit nicht sonstwie auszuschließen seien. Ein solcher Ausnahmetatbestand sei hier aber nicht ersichtlich.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 4. August 1998 zu verpflichten, ihr die Heilpraktikererlaubnis - beschränkt auf das Gebiet der Psychotherapie - zu erteilen,

hilfsweise,

die Beklagte zu verpflichten, ihren Antrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat schon die Zulässigkeit der Verpflichtungsklage in Frage gestellt. Diese sei jedenfalls unbegründet, weil in der Regel prüfungsartig formalisierte Feststellungen erforderlich seien, um entscheiden zu können, ob die Erteilung der eingeschränkten Heilpraktikererlaubnis im Hinblick auf das Rechtsgut der Volksgesundheit zu verantworten sei.

Das Verwaltungsgericht hat mit dem aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 9. August 2007 ergangenen Urteil die Klage abgewiesen. Diese sei zwar als Untätigkeitsklage gemäß § 75 VwGO zulässig, doch bleibe sie in der Sache ohne Erfolg. Der mit dem Hauptantrag verfolgte Anspruch auf Erteilung einer eingeschränkten Heilpraktikererlaubnis sei nicht gerechtfertigt, denn das Vorliegen des Versagungsgrundes nach § 2 Abs. 1 Buchstabe i HeilprDV 1 sei ohne Teilbereichsüberprüfung nicht auszuschließen. Eine solche Überprüfung lehne die Klägerin jedoch ab. Allein aufgrund der Aktenlage lasse sich der vorgegebene Unbedenklichkeitsnachweis nicht führen. Die Klägerin habe nämlich keine staatliche oder vergleichbare Prüfung abgelegt, aus deren Ergebnis auf ihre Befähigung zur gefahrlosen Ausübung der Psychotherapie bei Erwachsenen geschlossen werden könne. Auch mithilfe der Vielzahl der vorgelegten Fort- und Weiterbildungsbescheinigungen sei der Nachweis nicht zu führen, denn diese Urkunden seien ohne Erfolgskontrolle allein aufgrund der Teilnahme ausgestellt worden. Entgegen der Auffassung der Klägerin lasse sich nicht aus einer kraft Übergangsrechts erteilten Approbation als Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin die Folgerung ableiten, dass der Approbationsinhaber gefahrlos Erwachsene therapieren könne. Darauf deute schon der Umstand hin, dass das Psychotherapeutengesetz bei der Approbation klar unterscheide, ob Kinder und Jugendliche oder Erwachsene zu behandeln seien. Eine andere Beurteilung werde auch nicht durch den Umstand nahe gelegt, dass die Klägerin gleichsam annexartig mit der psychotherapeutischen Betreuung von Erwachsenen befasst sein dürfe. Denn hierbei handele es sich erkennbar um eine durch den Gegenstand ihrer Approbation begrenzte Ausnahmebefugnis. Nichts anderes habe im Ergebnis für ihren Hinweis auf die approbationsrechtliche Ausbildungsberechtigung für psychologische Psychotherapeuten zu gelten, denn die Ausbildungskompetenz dürfe nicht über die berufliche Befähigung hinausgehen. Ohne Erfolg müsse auch der Hilfsantrag bleiben, denn für die damit nachgesuchte Neubescheidung sei in Anbetracht der bestehenden Spruchreife kein Raum.

Gegen diese Entscheidung hat die Klägerin die vom Senat zugelassene Berufung eingelegt. Damit verfolgt sie ihr Klagebegehren weiter. Sie habe einen Anspruch auf Erteilung der Heilkundeerlaubnis auf dem Fachgebiet der Psychotherapie ohne weitere Eignungsfeststellung, weil die Erteilungsvoraussetzungen des verfassungskonform restriktiv auszulegenden § 1 Abs. 1 bis 3 HPrG erfüllt seien. Als praktizierende und approbierte Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin biete sie die Gewähr dafür, auch bei der Behandlung erwachsener Patienten keinen Schaden zu stiften. Insoweit ermögliche ihre vertragsärztliche Tätigkeit eine hinreichend verlässliche Prognose, denn die ständige Kontrolle durch die Kassenärztliche Vereinigung belege, dass ihre Behandlungen zu keinerlei Beanstandungen Anlass gegeben hätten. An diesem Zustand werde sich bei einer Behandlung Erwachsener nichts ändern, zumal sie, die Klägerin, sich ständig auch altersübergreifend weitergebildet habe.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils nach ihren erstinstanzlichen Anträgen zu erkennen.

Die Beklagte beantragt unter Bezugnahme auf ihr bisheriges Vorbringen, die Berufung zurückzuweisen.

Durch Beweisbeschluss vom 2. Juni 2008 hat der Senat die Einholung eines Sachverständigengutachtens über die Fragen in Auftrag gegeben, ob

a) eine nach Maßgabe von § 12 Abs. 5 PsychThG approbierte Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin, die eine bestandene Abschlussprüfung im Studiengang Pädagogik vorweisen kann und über vielfältige Weiterbildungsnachweise auf dem Gebiet der Psychotherapie verfügt, ohne weitere Überprüfung ihrer Kenntnisse und Fähigkeiten gemäß § 2 Abs. 1 Lit. i HeilprDV 1 dazu befähigt ist, auf dem Gebiet der Psychotherapie für Erwachsene ab dem 22. Lebensjahr selbständig Heilkunde zu betreiben, ohne dass damit eine Gefahr für die Gesundheit der Patienten verbunden ist oder ob

b) ein zuverlässiger Schluss auf die Ungefährlichkeit der von der Klägerin beabsichtigten Heilkunde weitere Eignungs- und Befähigungsfeststellungen erfordert und in welcher Form (schriftliche oder mündliche Überprüfung) diese ggf. zu erheben sind.

Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Gutachten vom 28. Januar 2009 des Dipl.-Psychologen Dr. N... vom Medizinischen Dienst Rheinland-Pfalz (Bl. 193 bis 208 GA), auf dessen ergänzende Stellungnahme vom 24. Februar 2009 (Bl. 223 bis 233 GA) sowie auf seine erläuternden Ausführungen dazu in der mündlichen Verhandlung verwiesen.

Die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes ergeben sich aus den Schriftsätzen der Beteiligten in den Gerichtsakten. Ein Ordner Verwaltungs- und Widerspruchsakten der Beklagten lag dem Senat vor und wurde zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht. Auf diese Unterlagen wird gleichfalls Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig und überwiegend begründet.

Sie bezieht sich auf ein Urteil, dem, wie das Verwaltungsgericht zutreffend erkannt hat, eine nach § 75 VwGO zulässige Verpflichtungsklage zugrunde liegt. Zwar mag zweifelhaft sein, ob sie noch an dem im Jahre 1997 eingeleiteten Verwaltungsverfahren anknüpfen konnte, in dem die Beklagte den durch Widerspruch angegriffenen Ablehnungsbescheid vom 4. August 1998 erlassen hat, über dessen Rechtmäßigkeit der Stadtrechtsausschuss der Beklagten nicht mehr entschieden hat, nachdem die früheren Verfahrensbevollmächtigten der Klägerin mit Schreiben vom 10. August 1999 mitgeteilt hatten, dass ihre Mandantin an der Heilpraktikererlaubnis kein Interesse mehr habe. Aber selbst wenn im Hinblick darauf für eine Untätigkeitsklage kein Raum bliebe, stellt dies die Zulässigkeit der am 11. April 2007 erhobenen Klage als Vornahmeklage nicht in Frage, weil bis dahin über den Antrag der Klägerin vom 15. Februar 2006, mit dem sie erneut um die Erteilung einer auf das Gebiet der Psychotherapie beschränkten Heilpraktikererlaubnis ohne Teilbereichsüberprüfung nachgesucht hat, sachlich nicht entschieden worden ist. Diesen Antrag hat die Klägerin zwar nicht bei der Beklagten, sondern bei dem als Überprüfungsbehörde im Sinn von § 2 Abs. 1 Lit. i HeilprDV 1 vom 18. Februar 1939 (RGBl. I, S. 259) eingeschalteten Gesundheitsamt bei der Kreisverwaltung Mainz-Bingen eingereicht. Von dort wurde indessen der Antrag mit Schreiben vom 26. Mai 2006 zuständigkeitshalber an die Beklagte weitergeleitet mit dem eindeutigen Hinweis, dass nach der "Festlegung des zuständigen Ministeriums" in Rheinland-Pfalz eine antragsgemäße Verbescheidung nur bei Vorlage eines Diploms im Studiengang Psychologie in Betracht komme. Unter diesen auf die Klägerin offenkundig nicht zutreffenden Voraussetzungen, die die Beklagte nach den Bekundungen ihres Vertreters in der mündlichen Verhandlung des Senats nach wie vor als für sie verbindlich betrachtet, kam als Sachentscheidung nur die umgehende Ablehnung des Antrages in Betracht. Der im Zeitpunkt der Klageerhebung bestehende entscheidungslose Zustand entspricht mithin weder dem Angemessenheitsgebot des § 75 Satz 1 VwGO, noch wird er durch einen "hinreichenden Grund" im Sinne der Vorschrift gedeckt. Mithin ist die Verpflichtungsklage entweder in Gestalt der Vornahme- oder der Untätigkeitsklage zulässig.

Die Klage ist auch zum weitaus überwiegenden Teil begründet. Zwar steht der Klägerin kein Rechtsanspruch auf die mit der Klage verfolgte Leistung zu (1.), doch kann sie verlangen, dass ihr die auf das Gebiet der Psychotherapie beschränkte Erlaubnis nach dem Heilpraktikergesetz unter Beifügung der im Entscheidungstenor bezeichneten Nebenbestimmung erteilt wird (2.).

1.

a) Die Zuerkennung eines Rechtsanspruches auf Erlaubniserteilung scheitert allerdings nicht schon daran, dass die Klägerin die von der Beklagten im Anschluss an die Vorgaben des zuständigen Ministeriums in ständiger Verwaltungspraxis verlangte Teilbereichsüberprüfung verweigert hat. Aus der Ablehnung dieser Mitwirkungshandlung durften Schlüsse zum Nachteil der Klägerin nur gezogen werden, wenn und soweit eine Verpflichtung bestand, dem fraglichen Ansinnen zu entsprechen. Eine solche Verpflichtung bestand hier indessen nicht, denn die in Bezug genommene Regelung des § 2 Abs. 1 Lit. i HeilprDV 1 gibt diese Rechtsfolge nicht her. Zwar scheint der Wortlaut der Bestimmung bei der Gefahrenerforschung eine Bindung der Erlaubnisbehörde an die dort gekennzeichnete Methode der "Überprüfung durch das Gesundheitsamt" nahe zu legen. Nachdem jedoch das Heilpraktikergesetz im Zuge seiner verfassungskonformen Handhabung durch die Rechtsprechung (vgl. BVerwGE 4, 250 [254 ff.]; 35, 308 [310]; 66, 367 [371]; BVerfGE 78, 179 [192]) einen grundlegenden Verständniswandel erfahren und sich von einer Verbotsnorm mit Erlaubnisvorbehalt zu einem Erlaubnistatbestand mit Verbotsvorbehalt fortentwickelt hat, ergeben sich aufgrund dieses veränderten beruflichen Freiheitsstatus vielfältige Weiterungen auf die Regelungen des nachgeordneten Verordnungsrechtes, insbesondere auf die Mittel und Methoden der Gefahrenerforschung gemäß § 2 Abs. 1 Lit. i HeilprDV 1. Dementsprechend kommt der dort vorgesehenen "Überprüfung der Kenntnisse und Fähigkeiten des Antragstellers" nicht der Charakter einer berufseröffnenden Prüfung zu, an deren Ende ein positives Befähigungsurteil zu stehen hat, sondern vielmehr die Bedeutung eines gefahrenabwehrrechtlichen Negativattestes des Inhaltes, dass der Überprüfte bei seiner Berufsausübung keine Gefahr für die Volksgesundheit darstellt (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 21. Dezember 1995 - 3 C 24.95 -, BVerwGE 100, 221 ff.). Mit dem Charakter der Überprüfung ändert sich zugleich deren gegenständliche Reichweite, denn eine Gefahrenerforschung ist nur insoweit geboten, als berufsspezifische Risiken durch die Art der angestrebten Betätigung bedingt sein können.

Auf diese veränderte Rechtslage ist die von der Beklagten befolgte Überprüfungspraxis im Land Rheinland-Pfalz aber nicht hinreichend abgestimmt. Zwar hält sie nicht mehr ausnahmslos am Grundsatz der Regel- und Vollüberprüfung fest, nachdem Heilpraktikererlaubnisse mittlerweile auch für heilkundliche Teilbereiche und ausnahmsweise sogar ohne weitere Überprüfung erteilt werden können. Doch entspricht das strikte Beharren zumindest auf Teilbereichsüberprüfungen, es sei denn, dass der Antragsteller auf dem fraglichen Teilgebiet eine berufseröffnende Prüfung bestanden hat (vgl. dazu OVG Rh-Pf, Urteil vom 21. November 2006 - 6 A 10271/06.OVG - MedR 2007, 496 ff.), nicht dem rechtsstaatlichen Verhältnismäßigkeitsgebot. Hiernach reicht nämlich jedes den Antragsteller weniger schwer belastende Verfahren aus, das im Einzelfall zur Gefahrenerforschung geeignet ist.

Ein solcher Sachverhalt ist hier gegeben. Denn zur Feststellung der gesundheitlichen Unbedenklichkeit einer psychotherapeutischen Behandlung Erwachsener durch die Klägerin ist nach den Bekundungen des vom Senat beauftragten Sachverständigen Dr. N... die insoweit vom Gesundheitsamt bei der Kreisverwaltung Mainz-Bingen angebotene zentrale Teilbereichsüberprüfung nicht einmal uneingeschränkt geeignet. Wie der Sachverständige in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 24. Februar 2009 (Bl. 129 GA) überzeugend ausgeführt hat, zielt sie nach ihrer inhaltlichen Ausgestaltung "in großem Umfang darauf ab", Feststellungen über die berufliche Befähigung zu treffen, so dass der verfassungskonform korrigierte Gesetzeszweck dadurch sogar partiell verfehlt wird. Im Übrigen stehen zur Gefahrenerforschung andere Erkenntnismittel als die Teilbereichsüberprüfung (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 24. Oktober 1994 - 1 BvR 1016/98 - S. 7 ff.) zur Verfügung, die die Klägerin weniger belasten. Dafür reicht hier zwar die sog. Aktenlage, auf deren Eindruck die Klägerin als approbierte und praktizierende Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin mit vielfältigen Weiterbildungsnachweisen entscheidend abgestellt haben möchte, für sich allein nicht aus. Denn zum richtigen Verständnis der erbrachten Befähigungsnachweise und zur Interpretation der Vielzahl der von der Klägerin vorgelegten Fort- und Weiterbildungsbescheinigungen bedarf es zusätzlich sachverständiger Hilfe. Durch das Zusammenspiel beider Erkenntnismöglichkeiten wird die Beklagte indessen zu einer dem Verhältnismäßigkeitsgebot entsprechenden Gefahreneinschätzung befähigt, deren Verlässlichkeit nach der vom Senat geteilten Einschätzung des Sachverständigen nicht hinter der einer fehlerfrei strukturierten Teilbereichsüberprüfung zurückbleibt. Allein aus der Weigerung der Klägerin, sich der vom Gesundheitsamt bei der Kreisverwaltung Mainz-Bingen angebotenen Teilbereichsprüfung zu unterziehen, erwächst der Beklagten mithin kein Recht, die nachgesuchte Heilkundeerlaubnis abzulehnen.

b) Andererseits steht der Klägerin nach dem Stand der so gewonnenen Erkenntnis auch kein unbedingtes subjektiv-öffentliches Recht auf Erteilung der eingeschränkten Heilpraktikererlaubnis zu. Die Klägerin erfüllt nämlich nach dem Ergebnis der vom Senat durchgeführten Beweisaufnahme die gesetzlichen Erteilungsvoraussetzungen nicht ohne weiteres. Nach Auswertung aller von der Klägerin nachgewiesenen heilkundlichen Befähigungen hat die Überprüfung ihrer Kenntnisse und Fähigkeiten durch den vom Gericht eingeschalteten Sachverständigen, den beim Medizinischen Dienst des Landes Rheinland-Pfalz tätigen Dipl.-Psychologen und Psychologischen Psychotherapeuten Dr. N..., zu der Erkenntnis geführt, dass die von der Klägerin beabsichtigte psychotherapeutische Behandlung Erwachsener unter bestimmten Umständen zu einer Gefahr für die Volksgesundheit werden kann. Letzteres ist bei verfassungskonformer Auslegung der dem Heilpraktikerrecht zugrunde liegenden begrifflichen Maßstäbe (vgl. BVerwGE 35, 308) dann anzunehmen, wenn bei generalisierender und typisierender Betrachtungsweise durch die in Rede stehende nichtärztliche heilkundliche Behandlung nennenswerte gesundheitliche Schädigungen bei dem Betroffenen verursacht werden können (so BVerwG, Urteil vom 11. November 1993 - 3 C 45.91 -, NJW 1994, 3024 ff. [3026]).

Davon ist nach den Darlegungen des Sachverständigen, denen der Senat folgt, hier wegen der unzureichenden Kompetenz der Klägerin im Fach Psychopathologie zu einem gewissen Grade auszugehen. Aufgrund ihres bisherigen beruflichen Werdeganges und der von ihr absolvierten Fortbildung ist es nach der Beurteilung des Sachverständigen als ausgeschlossen zu betrachten, dass sie im Bereich der psychopathologischen Differenzialdiagnostik den Stand erreichen kann, den eine Ausbildung in klinischer Psychologie vermittelt und der notwendig sei, um psychiatrische Erkrankungen von psychischen Störungen verlässlich abzugrenzen. Ohne diese psychopathologische Kompetenz bestehe die ernsthafte Gefahr, dass der Behandler bei psychiatrisch erkrankten Menschen deren Grunderkrankung (Hirntumore, hormonelle Funktionsstörungen, Selbst- und/oder Fremdgefährdung bei Psychosen) übersehe, die von daher gebotene Einschaltung eines Arztes unterbleibe und infolgedessen Gesundheits- ja sogar Lebensgefahren hervorgerufen würden. Dieses strukturelle Defizit mit seinem hohen Risikopotenzial könne die Klägerin auch nicht durch weitere Ausbildung kompensieren. Um organmedizinische, psychosomatische oder psychiatrische Kontraindikationen gegen eine Psychotherapie ausschließen zu können, werde fachärztliche Kompetenz benötigt. Dass diese Kompetenz auch von solchen Heilpraktikern nicht vorzuweisen sei, die sich mit Erfolg der im Land Rheinland-Pfalz geforderten Überprüfung unterzogen hätten, ändert nach Auffassung des Sachverständigen nichts daran, dass insoweit im Hinblick auf § 2 Abs. 1 Lit. i HeilprDV 1 eine effektive Gefahrenvorsorge zu treffen sei. Dieser den Schutzzweck des Heilpraktikerrechtes zutreffend erfassenden Beurteilung des Sachverständigen schließt der Senat sich an.

Für ihn gibt es auch keinen Grund, den weiteren Feststellungen des Sachverständigen nicht zu folgen, wonach das Krankheitswissen der Klägerin in Bezug auf die Störungen und Probleme von erwachsenen Patienten ebenso wie ihr Wissen um die verfügbaren Behandlungsmöglichkeiten optimierungsbedüftig sei. Von daher mag es durchaus wünschenswert sein, dass die Klägerin ihre Befähigung auf den vom Sachverständigen Dr. N... bezeichneten Gebieten - monopolare affektive Störungen, neurotische Störungen, Belastungsreaktionen, somatoforme Störungen und Persönlichkeitsstörungen - durch geeignete Weiterbildungen vervollkommnet, selbst wenn sie insoweit nach Einschätzung des Sachverständigen kein höheres Gesundheitsrisiko verkörpert als die durch eine psychotherapeutische Teilbereichsüberprüfung ausgewiesenen Bewerber.

Auf diese Defizite darf ein präventives Verbot der beantragten Erlaubnis indessen aus Rechtsgründen nicht gestützt werden. Bei der Heilpraktikererlaubnis geht es nämlich nicht um eine von einem bestimmten Befähigungsprofil abhängige berufseröffnende Entscheidung, sondern um eine qualitativ andere Maßnahme, um ein Negativattest, das zu erteilen ist, wenn durch die Heilbehandlung keine ins Gewicht fallenden gesundheitlichen Schädigungen verursacht werden können. Diese anspruchsschädlichen Voraussetzungen greifen hier aber nicht ein, denn auf dem Gebiet der Psychotherapie wird durch die hier in Rede stehende mangelnde Behandlungsprofessionalität kein gesundheitliches Schadensereignis ausgelöst. Durch diese defizitäre Art der Heilbehandlung wird, wie der Sachverständige dargelegt hat, lediglich bewirkt, dass sich ein ohnehin vorhandenes psychisches Leiden nicht bessert oder lediglich eine eigendynamische Verschlimmerung erfährt. In der Regel wird der Patient nach der Erfahrung des Sachverständigen die Behandlung unter diesen Gegebenheiten wegen unzureichender Effektivität beenden und sich eine andere Hilfe suchen. Kann mithin die Behandlungstätigkeit des Psychotherapeuten bei der Betrachtung ihrer möglichen gesundheitlichen Weiterungen auf den Patienten hinweg gedacht werden, ohne dass der Zustand sich gravierend verändert, dann ist nach der gesetzlichen Wertung eine Gefahrenvorsorge im Sinne eines präventiven Verbotes aus Gründen des Gemeinwohls nicht veranlasst.

2. Dies gilt, wie oben schon dargelegt wurde, allerdings nicht, soweit der Sachverständige bei der Klägerin unzureichende Kompetenzen auf dem Gebiet der Psychopathologie festgestellt hat, wodurch Behandlungsversäumnisse mit unübersehbaren Folgen ausgelöst werden können. Bei der von daher gebotenen Risikovorsorge ist die Beklagte aber nicht auf das gesetzlich vorgesehen präventive Verbot festgelegt, weil ihr zu diesem Zweck verhältnismäßigere und gleichermaßen geeignete Mittel zur Verfügung stehen.

Das Risiko, dass die Klägerin eine psychotherapeutische Behandlung eines Erwachsenen in Angriff nimmt und dabei aufgrund unzureichender Vorbildung übersieht, dass die psychischen Symptome durch eine schwerwiegende psychiatrische, psychosomatische oder körperliche Erkrankung bedingt sind, lässt sich nämlich dadurch beherrschen, dass der Erlaubniserteilung eine auf den Gefahrentatbestand bezogene Nebenbestimmung hinzugefügt wird. Gegenstand einer solchen Nebenbestimmung könnte, entsprechend dem im Sachverständigengutachten enthaltenen Vorschlag, die Auflage (§ 36 Abs. 2 Nr. 4 LVwVfG) sein, dass die Klägerin jeder Psychotherapie eines Erwachsenen eine konsiliarärztliche Konsultation mit einem entsprechenden Bericht vorausgehen lässt. Diese Verfahrensweise, mit der die Klägerin sich in der mündlichen Verhandlung des Senats ausdrücklich einverstanden erklärt hat, ist wegen der Einbindung des ärztlichen Sachverstandes zur Gefahrenabwehr geeignet und stellt sich im Vergleich zu der anderenfalls in Betracht zu ziehenden Ablehnungsentscheidung als grundrechtsfreundliche und verhältnismäßige Alternative dar.

Nach alledem hat die Klägerin zwar keinen Rechtsanspruch auf die eingeklagte Erlaubnis, doch kann sie nach Maßgabe ihres Hauptantrages immerhin verlangen, dass ihr diese Begünstigung unter der vorbezeichneten Auflage zuteil wird. Unter diesen Umständen verbleibt für eine Entscheidung über den hilfsweise gestellten Verbescheidungsantrag kein Raum.

Die Kostenentscheidung für das Verfahren beider Rechtszüge beruht entsprechend dem überwiegenden Obsiegen der Klägerin auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils stützt sich hinsichtlich der Klägerin auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. den § 708 Nr. 11 ZPO und hinsichtlich der Beklagten auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1 ZPO.

Gründe i.S. von § 132 Abs. 2 VwGO, die Veranlassung geben, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Verfahren des zweiten Rechtszuges auf 15.000,-- € festgesetzt (§§ 45 Abs. 1 Satz 3, 47 Abs. 1 Satz 1, 52 Abs. 1 GKG).

Ende der Entscheidung

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