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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 01.04.2003
Aktenzeichen: 6 A 10098/03.OVG
Rechtsgebiete: BauGB, AO


Vorschriften:

BauGB § 131
BauGB § 131 Abs. 1
BauGB § 133
BauGB § 133 Abs. 1
AO § 42
BGB § 311b
Aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls kann die durch ein Unterlassen bewirkte Vermeidung des Entstehens der Beitragspflicht einen Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten im Sinne des § 42 AO darstellen.
OBERVERWALTUNGSGERICHT RHEINLAND-PFALZ URTEIL IM NAMEN DES VOLKES

In dem Verwaltungsrechtsstreit

wegen Vorausleistung auf einen Erschließungsbeitrag

hat der 6. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 1. April 2003, an der teilgenommen haben

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 2. September 2002 - 8 K 55/02.KO - wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen ihre Heranziehung zu einer Erschließungsbeitragsvorausleistung für ihre Grundstücke Flur 10, Parzellen Nrn. 135, 133/3 und 133/6 in der Gemarkung H...., auf denen ihr Ehemann eine Werkstatt für Zinnbildnerei und Kunstgießerei betreibt. Die insgesamt 1.251 m² großen Grundstücke wurden in der Vergangenheit ausschließlich durch die B....straße aufgrund eines im Grundbuch gesicherten Geh- und Fahrrechts über die benachbarte Parzelle Nr. 133 erschlossen.

Wegen Problemen hinsichtlich der bisherigen Erschließung bat der Ehemann der Klägerin die Beklagte mit Schreiben vom 21. Januar 1999, im Rahmen der Planung des neuen Baugebietes "M...." eine eigene Zufahrt zu ihren Gewerbegrundstücken auszuweisen. Zugleich erklärte sich der Ehemann der Klägerin ausdrücklich bereit, die anteiligen Anliegerkosten zu tragen. Daraufhin kam am 14. Januar 2000 eine Vereinbarung zwischen der Beklagten und der "Z...." zustande, in der u. a. die Beklagte die Ausweisung der gewünschten privaten Zufahrt zusagte, die die "Firma B...." durch notariellen Vertrag erwerben und auf eigene Kosten herstellen sollte. In einer weiteren Vereinbarung vom 29. März 2000 erklärte sich die Klägerin gegenüber der Beklagten unwiderruflich bereit, an einer freiwilligen Baulandumlegung mit dem Ziel mitzuwirken, ihr die Wegeparzelle (vorläufige Nummer 198) zuzuteilen, die ihre o.g. Grundstücke in Zukunft erschließen soll. Die Klägerin verpflichtete sich ausdrücklich, auch bei den zur Abwicklung des vereinbarten Verfahrens notwendigen notariellen Beurkundungen mitzuwirken.

Mit Bescheid vom 16. Juli 2001 zog die Beklagte die Klägerin für ihre genannten Grundstücke zu einer Erschließungsbeitragsvorausleistung in Höhe von insgesamt 40.319,73 DM heran. Auf Anraten seines Anwalts erwarb sodann der Ehemann der Klägerin die in Rede stehende Wegeparzelle. Die notarielle Beurkundung fand am 24. August 2001 in Anwesenheit der Klägerin, ihres Ehemannes und des Ortsbürgermeisters der Beklagten statt. Die Grundbuchumschreibung erfolgte am 21. November 2001.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird gemäß § 130 b Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen, dessen Feststellungen sich der Senat in vollem Umfang zu eigen macht.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage gegen den Vorausleistungsbescheid mit Urteil vom 2. September 2002 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Entgegen der Ansicht der Klägerin seien ihre Grundstücke, die eine wirtschaftliche Einheit bildeten, als Hinterliegergrundstücke über die Wegeparzelle Nr. 182 durch die Straße "F...." im Sinne der §§ 131 Abs. 1, 133 Abs. 1 BauGB erschlossen. Der Klägerin sei es verwehrt, sich hinsichtlich ihrer Grundstücke und der genannte Wegeparzelle auf die fehlende Eigentümeridentität zu berufen. Sie müsse sich vielmehr so behandeln lassen, als habe sie selbst und nicht ihr Ehemann die Parzelle Nr. 182 erworben. Dies ergebe sich aus § 42 AO, wonach das Steuergesetz durch den Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts nicht umgangen werden könne. Dass der Erwerb der Parzelle Nr. 182 durch den Ehemann der Klägerin statt durch diese selbst einen Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten darstelle, ergebe sich aus dem Verhalten der Klägerin und ihres Ehemannes im Vorfeld des notariellen Beurkundungstermins vom 24. August 2001. So habe sich die Klägerin in der Vereinbarung vom 29. März 2000 bereit erklärt, an der freiwilligen Umlegung mit dem Ziel des Erwerbs der auf ihr und ihres Ehemannes Betreiben gebildeten Wegeparzelle Nr. 182 mitzuwirken. Erst nach Erlass des angefochtenen Vorausleistungsbescheides sei aufgrund anwaltlicher Beratung durch die Klägerin und ihren Ehemann veranlasst worden, den Ehemann anstelle der Klägerin als Erwerber der Wegeparzelle in den Vertragsentwurf aufzunehmen. Hierdurch habe allein verhindert werden sollen, dass das gewerblich genutzte Grundstück der Klägerin der Erschließungsbeitragspflicht unterfalle. Sonst sei kein vernünftiger wirtschaftlicher Grund erkennbar, weshalb nicht die Klägerin als Eigentümerin der durch die Schaffung der Zufahrt allein begünstigten Grundstücke, sondern ihr Ehemann die mangels hinreichender Größe nicht selbständig bebaubare Wegeparzelle erworben habe. Das Verhalten der Klägerin und ihres Ehemannes gegenüber der Beklagten erscheine vor allem deshalb rechtsmissbräuchlich, weil die Beklagte ausschließlich auf Drängen des Ehemanns ihre Bauleitplanung geändert, das freiwillige Baulandumlegungsverfahren eingeleitet und die Zufahrtsparzelle geschaffen habe, um dem Betrieb aus einer unbefriedigenden Erschließungssituation herauszuhelfen. Darüber hinaus sei davon auszugehen, dass die Parzelle Nr. 182 vom Betrieb des Ehemanns der Klägerin inzwischen auch intensiv genutzt werde. Dabei spiele es keine Rolle, ob der Betrieb auch weiterhin in gewissem Umfang die Zufahrt über die Parzelle Nr. 133 nutze. Es könne offen bleiben, ob der Ortsbürgermeister der Beklagten im Vorfeld des Notartermins von der Klägerin telefonisch über den gewünschten Erwerberwechsel informiert worden sei. Es sei davon auszugehen, dass der beitragsrechtlich offenbar nicht bewanderte Ortsbürgermeister die beitragsrechtlichen Konsequenzen des Erwerberwechsels nicht durchschaut habe.

Die vom Senat zugelassene Berufung begründet die Klägerin im Wesentlichen wie folgt: Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts würden die Grundstücke Flur 10, Flurstücke Nrn. 135, 133/3 und 133/6 auch nicht als Hinterliegergrundstücke durch die Erschließungsstraße "F...." erschlossen. Insoweit könne sich die Klägerin sehr wohl darauf berufen, dass hinsichtlich ihrer Grundstücke und des Grundstücks Nr. 182 keine Eigentümeridentität bestünde. Im Erwerb der Wegeparzelle Nr. 182 durch den Ehemann der Klägerin sei kein Umgehungsgeschäft im Sinne des § 42 AO zu sehen. Bereits die Ausdehnung der Beitragspflicht über das Buchgrundstück hinaus auf die vom Verwaltungsgericht angenommene wirtschaftlichen Einheit sei im Hinblick auf das allgemeine Analogieverbot des Steuerrechts bedenklich. Durch die Anwendung des § 42 AO werde die Beitragspflicht nochmals unzulässig erweitert. Im übrigen greife § 42 AO nur dann ein, wenn durch ein aktives Handeln des Abgabenpflichtigen eine Umgehung der Steuerpflicht herbeigeführt werde. In den vom Verwaltungsgericht zur Stützung seiner Rechtsansicht angeführten Urteilen sei es darum gegangen, dass durch den Verpflichteten Vorderliegergrundstücke erst geschaffen bzw. verschenkt worden seien. Im vorliegenden Fall habe das Grundstück, durch das die Beitragspflicht vermittelt werden solle, zu keinem Zeitpunkt im Eigentum der Klägerin gestanden. Es habe auch keine irgendwie geartete Verbindung zu den Grundstücken der Klägerin aufgewiesen, sondern sich im Eigentum der Gemeinde befunden. Es wäre Angelegenheit der Gemeinde gewesen, das Grundstück nur an die Klägerin zu verkaufen oder anders gestaltend einzugreifen. Die Beklagte sei weder gezwungen noch durch Vorspiegelung falscher Tatsachen veranlasst worden, die Wegeparzelle an den Ehemann der Klägerin und nicht an diese selbst zu verkaufen. Die Schaffung der Zufahrtsparzelle sei die Gegenleistung der Beklagten für den Verzicht des Ehemannes der Klägerin gewesen, die Bauleitplanung unter Hinweis auf den Gewerbebetrieb anzugreifen. Hierzu sei es unter anderem notwendig gewesen, die Immissionen des Betriebes zu drosseln. Festzuhalten sei, dass die Klägerin keinerlei Eigentumsrechte an dem Betrieb ihres Ehemannes habe. Außerdem werde der Betrieb nach wie vor über die Parzelle Nr. 133 angefahren, nachdem die Klage der Grundstückseigentümerin auf Löschung der Grunddienstbarkeit wegen Funktionslosigkeit abgewiesen worden sei. Dem Ortsbürgermeister müsse vorgehalten werden, dass er sich über die beitragsrechtlichen Konsequenzen der Änderung des Erwerbers im Kaufvertrag hätte informieren müssen. Außerdem sei die Abänderung des Entwurfs in Abstimmung mit der Verbandsgemeinde erfolgt, die nicht für sich in Anspruch nehmen könne, im Beitragsrecht unerfahren zu sein. Schließlich sei § 42 AO so unbestimmt, dass er aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht anwendbar sei.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils nach ihrem erstinstanzlichen Klageantrag zu entscheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor: Im vorliegenden Fall werde anders als in den vom Verwaltungsgericht angeführten Urteilen der Tatbestand des § 42 AO nicht dadurch verwirklicht, dass durch Übertragung auf Dritte Grundeigentum aufgegeben werde. Vielmehr werde durch gezielte Steuerung Eigentum gar nicht erst erworben. Hierbei handele es sich um eine weitere Fallgestaltung des § 42 AO. Fakt sei, dass der Betrieb des Ehemannes der Klägerin ohne die Zufahrt über die Parzelle Nr. 182 nicht arbeitsfähig sei. Die Zufahrt werde auch genutzt. Das Vorbringen, der Lieferverkehr laufe auch über die Parzelle Nr. 133, sei nicht überzeugend. Vorgelegte Fotos zeigten Bewuchs auf den Pflastersteinen, der bei Fahrverkehr nicht vorhanden wäre.

§ 42 AO sei verfassungsmäßig. Die Verwendung unbestimmter Begriffe in Steuertatbeständen sei zulässig, wenn sie - wie hier - ausfüllbar seien. Auch das Analogieverbot stehe der Anwendung des § 42 AO nicht entgegen.

Auch die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 42 AO lägen vor. Das Grundstück der Klägerin sei ohne eine in ihrem Eigentum stehende Zufahrt zur abzurechnenden Erschließungsanlage oder bei Fremdeigentum ohne Baulastabsicherung wirtschaftlich nicht verwertbar. Dass der Ehemann der Klägerin trotz nicht gesicherter Zufahrt den Betrieb führen könne, zeige, dass es sich doch um einen gemeinsamen Betrieb handele. Entsprechend seien die Klägerin und ihr Ehemann gegenüber der Beklagten aufgetreten. Unter diesen Voraussetzungen liege ein Missbrauch auch dann vor, wenn die Erlangung einer Eigentumsposition verhindert werde und dies missbräuchlich oder unangemessen sei. Die Klägerin habe auch aktiv und in Umgehungsabsicht gehandelt. Zunächst habe sie sich durch unwiderrufliche und verbindliche Vereinbarung mit der Beklagten zur Mitwirkung an einer freiwilligen Baulandumlegung unter anderem mit dem Ziel der Zuteilung der Wegeparzelle verpflichtet. Sie sei danach persönlich beim Notar erschienen und habe erklärt, Zweifel hinsichtlich des Grundstückserwerbs wegen der Erschließungskosten zu haben. Auf jeden Fall aber sei der Klägerin das Verhalten ihres Ehemannes zuzurechnen. Denn ohne ihr Einverständnis und Zusammenwirken wäre die Eigentumsübertragung auf ihn nicht möglich gewesen.

Die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes ergeben sich aus den zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätzen der Beteiligten und den Verwaltungs- und Widerspruchsakten, die Gegenstand der Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung hat keinen Erfolg.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage gegen den Vorausleistungsbescheid der Beklagten auf Erschließungsbeiträge vom 16. Juli 2001 und den Widerspruchsbescheid vom 7. Dezember 2001 zu Recht abgewiesen, da die Grundstücke der Klägerin Parzellen Nrn. 135, 133/3 und 133/6, die eine wirtschaftliche Einheit bilden, als von der in der erstmaligen Herstellung begriffenen Verkehrsanlage "F...." erschlossen gelten.

Die allgemeinen Voraussetzungen für eine Vorausleistungserhebung im Sinne des § 133 Abs. 3 des Baugesetzbuches - BauGB - in der Fassung der Bekanntmachung vom 27. August 1997 (BGBl I S. 2141) liegen vor. Zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen verweist der Senat gemäß § 130 b Satz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - insoweit auf die zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts.

Was die Beitragspflicht dem Grunde nach angeht, hat das Verwaltungsgericht weiterhin zutreffend ausgeführt, dass es sich bei den Grundstücken der Klägerin im Blick auf die Erschließungsanlage "F...." nicht um Anliegergrundstücke handelt. Darüber hinaus trifft es zu, dass die in Rede stehenden Grundstücke auch nicht als Hinterliegergrundstücke im Sinne der §§ 131 Abs. 1, 133 Abs. 1 BauGB erschlossen sind. Dies beruht darauf, dass die im Verhältnis zu der Erschließungsanlage "F...." als Anliegergrundstücke zu betrachtende Wegeparzelle Nr. 182 nicht im Eigentum der Klägerin steht und insoweit zu den Grundstücken der Klägerin mangels Baulast keine rechtlich gesicherte Zufahrt vorhanden ist. Allerdings sind die Grundstücke der Klägerin erschließungsbeitragsrechtlich so zu behandeln, als hätte die Klägerin selbst die Zufahrtsparzelle Nr. 182 erworben, da der Erwerb durch ihren Ehemann als Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten im Sinne des § 42 der Abgabenordnung - AO - vom 16. März 1976 (BGBl I S. 613) zu werten ist, der auch der Klägerin wegen ihres Verhaltens im Vorfeld der notariellen Beurkundung anzulasten ist.

Entgegen der Auffassung der Klägerin bestehen gegen § 42 AO keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Insbesondere ist die Vorschrift wegen der Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe nicht als zu unbestimmt anzusehen. Vielmehr lassen sich die Voraussetzungen des § 42 AO durch die Rechtsprechung im Wege der Auslegung anhand des Kriteriums der Gleichmäßigkeit der Besteuerung (Art. 3 Abs. 1 GG) und damit im Blick auf die materielle Steuergerechtigkeit ermitteln (vgl. Tippke/Kruse, AO, Rdnr. 15 - 17 zu § 42 m.w.N.).

Auch die Voraussetzungen des § 42 AO liegen vor. Danach kann durch den Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts das Steuergesetz - hier die Vorschriften des Erschließungsbeitragsrechts - nicht umgangen werden. Liegt ein Missbrauch vor, so entsteht der Beitragsanspruch so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entsteht.

Zwar ist der vorliegende Fall anders gelagert als die Fälle, die nach der bisherigen Rechtsprechung zum Beitragsrecht dem Anwendungsfall des § 42 AO unterfielen. In diesen Fällen wurde im zeitlichen Zusammenhang mit der bevorstehenden Entstehung sachlicher Beitragspflichten ein im hinteren Teil bebautes Grundstück geteilt und das dann an die demnächst abzurechnende Anbaustraße angrenzende nicht bebaubare Anliegergrundstück unentgeltlich auf ein Familienmitglied übertragen (vgl. Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 6. Auflage, RdNr. 84 zu § 17 m.w.N.). Charakteristisch für diese Fälle ist ein aktives rechtserhebliches Handeln des ansonsten zukünftig Beitragspflichtigen. Ein solches positives Tun im Sinne der Teilung eines in der Zukunft beitragspflichtigen Grundstücks und der Übertragung des so entstandenen Anliegergrundstücks an einen Dritten hat im vorliegenden Fall nicht stattgefunden. Vielmehr wären die Grundstücke der Klägerin bei Beibehaltung der bisherigen Grundstücksverhältnisse nicht beitragspflichtig geworden. Folglich konnte die Klägerin auch nicht durch den Abschluss von Rechtsgeschäften die drohende Entstehung einer Beitragspflicht aktiv verhindern. Allerdings hat die Klägerin es unterlassen, durch den Erwerb der Wegeparzelle Nr. 182 das Entstehen der Beitragspflicht zu ermöglichen. Ein solches Unterlassen ist der Vermeidung einer Beitragspflicht durch aktives Tun im o. g. Sinne gleichzustellen, wenn eine Pflicht zum Handeln bestand.

Grundsätzlich ist eine solche Pflicht zur Schaffung abgabenbegründeter Umstände zu verneinen. Jedoch kann sich eine entsprechende Handlungspflicht aus vorangegangenem Tun ergeben. So liegen die Dinge bei wertender Betrachtung der Gesamtumstände im vorliegenden Fall. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass der Ehemann der Klägerin als Inhaber des sich auf deren Grundstücken befindlichen Betriebes ausweislich der bei den Gerichtsakten befindlichen Unterlagen seit Anfang 1999 von der Beklagten die Anlegung einer Zuwegung von den Grundstücken der Klägerin aus zur Erschließungsanlage "F...." begehrt hat. Dieses Begehren, das in keinem rechtserheblichen Zusammenhang mit den angesprochenen Immissionsschutzproblemen steht, hat sich die Klägerin als Eigentümerin der bevorteilten Grundstücke spätestens durch die Vereinbarung mit der Beklagten vom 29. März 2000 zu Eigen gemacht. Darin hat sie sich unwiderruflich dazu bereit erklärt, an der freiwilligen Baulandumlegung mit dem Ziel teilzunehmen, die Wegeparzelle Nr. 182 zugeteilt zu bekommen und auf der Grundlage der in der genannten Vereinbarung getroffenen Festlegung an den zur Abwicklung des Verfahrens notwendigen notariellen Beurkundungen mitzuwirken. Dass diese Vereinbarung im Hinblick auf die Verpflichtung, die Parzelle Nr. 182 zu erwerben, aufgrund der gemäß § 311 b BGB notwendigen, aber fehlenden notariellen Beurkundung nichtig ist, hindert zwar das Entstehens eines Anspruchs auf Eigentumsübertragung, ist jedoch im Hinblick auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 42 AO ohne Belang. Insoweit ist maßgeblich zu berücksichtigen, dass letztlich gerade auch die Klägerin die Beklagte durch die Vereinbarung vom 29. März 2000 veranlasst hat, die Wegeparzelle zu schaffen, um die unbefriedigende Erschließungssituation ihrer Grundstücke zu beseitigen. Zudem hat die Klägerin kurz vor der Beurkundung im Notariat vorgesprochen und sodann selbst oder, was ausweislich des Schreibens des Notars vom 24. Januar 2002 nicht mehr aufklärbar ist, ihr Ehemann - bei lebensnaher Betrachtungsweise jedenfalls in Absprache mit ihr - die Abänderung des Vertragsentwurfs veranlasst. Dass der Ortsbürgermeister dies akzeptiert hat, ist unerheblich, da von einem ehrenamtlichen Bürgermeister im allgemeinen und wegen der Umstände bei einem Sammelbeurkundungstermin auch im hier zu entscheidenden Fall nicht zu verlangen ist, schwierigere erschließungsbeitragsrechtliche Fragen beurteilen zu können. Zugunsten der Klägerin hätte es sich allenfalls auswirken können, wenn die Eigentumsübertragung mit Kenntnis oder gar in Absprache mit der Verbandsgemeindeverwaltung vorgenommen worden wäre. Dies ist indessen trotz der diesbezüglichen unsubstantiierten Behauptung der Klägerin nicht ersichtlich, denn der beurkundende Notar hat ausweislich seines Schreibens vom 24. Januar 2002 an die Verbandsgemeindeverwaltung lediglich mit dem Katasteramt und nicht mit jener Rücksprache genommen. Deshalb ist das Unterlassen des Erwerbs der Wegeparzelle durch die Klägerin dem aktiven Vermeiden einer Beitragspflicht gleichzustellen.

Dem somit rechtserheblichen Unterlassen der Klägerin, die Wegeparzelle Nr. 182 zu erwerben, lag auch eine Beitragsvermeidungsabsicht zugrunde. Indizien hierfür sind zum einen der zeitliche Zusammenhang mit der Vorausleistungserhebung und zum anderen der Umstand, dass kein anderer wirtschaftlich sinnvoller oder sonst einleuchtender Grund für die Weigerung der Klägerin ersichtlich ist, die in Rede stehende Wegeparzelle zur erwerben. Das Grundstück ist baulich nicht nutzbar und außer für die Klägerin für jeden anderen Erwerber wirtschaftlich wertlos.

Da die Voraussetzungen des § 42 AO erfüllt sind, ist die Klägerin so zu behandeln, als habe sie die Wegeparzelle Nr. 182 erworben. Dementsprechend sind ihre Grundstücke als erschlossen anzusehen, so dass der angefochtene Vorausleistungsbescheid dem Grunde nach rechtmäßig ist. Da Bedenken gegen die Höhe des Vorausleistungsbetrages weder ersichtlich noch vorgetragen worden sind, war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten findet ihre Rechtsgrundlage in § 167 Abs. 2 VwGO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Art nicht vorliegen.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren auf 20.615,15 € festgesetzt (§§ 13 Abs. 2, 14 GKG).



Ende der Entscheidung

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