Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 12.06.2007
Aktenzeichen: 6 A 10323/07.OVG
Rechtsgebiete: KAG


Vorschriften:

KAG § 10
KAG § 10 Abs. 6
KAG § 10 Abs. 6 S. 2
KAG § 10 Abs. 8
Hat sich eine Gemeinde zu einer satzungsrechtlichen Verschonungsregelung i.S.d. § 10 Abs. 8 Satz 1 KAG entschieden, wonach Grundstücke, für die in den vergangenen Jahren Ansprüche auf Erschließungsbeiträge nach dem Baugesetzbuch oder einmalige Ausbaubeiträge entstanden sind, für einen bestimmten Zeitraum bei der Ermittlung des wiederkehrenden Beitrags nicht berücksichtigt werden, darf sie nach der erstmaligen Herstellung und der Widmung einer weiteren Verkehrsanlage auf eine Verschonung auch der dort liegenden Grundstücke nur verzichten, wenn besondere Umstände eine solche Ungleichbehandlung rechtfertigen. Sind solche Umstände nicht gegeben, müssen die übrigen Beitragspflichtigen mit einer auch rückwirkenden Satzungsänderung rechnen, die diese Grundstücke in den Kreis der zeitweilig vom wiederkehrenden Beitrag verschonten einbezieht.
OBERVERWALTUNGSGERICHT RHEINLAND-PFALZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

6 A 10323/07.OVG

In dem Verwaltungsrechtsstreit

wegen wiederkehrenden Beitrags für Verkehrsanlagen (Vorausleistung)

hat der 6. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 12. Juni 2007, an der teilgenommen haben

Vorsitzender Richter am Oberverwaltungsgericht Hehner Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Frey Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Beuscher ehrenamtlicher Richter Beamter a. D. Adams ehrenamtlicher Richter Rentner Elz

für Recht erkannt:

Tenor:

Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 4. September 2006 wird die Klage abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger, Miteigentümer eines mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks, wendet sich gegen die Heranziehung zu Vorausleistungen auf den wiederkehrenden Ausbaubeitrag für das Jahr 2003. Das Grundstück, das eine Zufahrt zur H...straße hat, wird von dieser durch mehrere Splitterparzellen getrennt, die mit einer am 30. Oktober 2003 öffentlich bekannt gemachten Verfügung als "Bürgersteige" der H...straße gewidmet wurden. Der Bebauungsplan "I..." der Beklagten setzt auf dem Grundstück des Klägers parallel zur Ortsdurchfahrt eine ca. 5 m breite, nur an einer Stelle unterbrochene "flächenhafte Anpflanzung von Bäumen und Sträuchern" sowie ein Zufahrtsverbot fest.

Die Straße "R..." wurde zusammen mit der "V... N...straße" im Jahre 2000 hergestellt. Die Widmungsverfügung der Straße "R..." datiert vom 21. August 2000. Die Widmung der N...straße einschließlich ihrer Verlängerung wurde am 30. Oktober 2003 öffentlich bekannt gemacht. Im Jahre 2003 wurden die Straßen "R..." und die "V... N..." als Erschließungseinheit beitragsrechtlich abgerechnet.

Die Ausbaubeitragssatzung - ABS - der Beklagten vom 5. Juli 2000 fasst die Verkehrsanlagen der beplanten und unbeplanten Baugebiete zu einer Abrechnungseinheit zusammen (§ 3 Abs. 2 ABS). Nach der Regelung des § 13 ABS bleiben die Grundstücke, die zu den Straßen "U... S..." und "R... d... A..." Zugang oder Zufahrt nehmen können, bis zu den Jahren 2016 bzw. 2017 bei der Erhebung wiederkehrender Beiträge unberücksichtigt. Die Satzung wurde rückwirkend zum 1. Januar 2000 in Kraft gesetzt. Die 1. Änderungssatzung vom 5. November 2001 ergänzte das Straßenverzeichnis durch die Straße "R...". Mit der 3. Änderungsatzung vom 12. September 2003 wurde die Verschonungsregelung des § 13 ABS um die Straße "R...", für die eine Übergangsfrist bis zum Jahre 2020 gesetzt wurde, erweitert. Diese Satzung misst sich Rückwirkung zum 1. Januar 2000 zu. Die 4. Änderungssatzung vom 5. Januar 2004 ergänzte die Verschonungsregelung durch die "V... N...straße" (ab Beginn der Parzelle 63/7 bis zum Ende der Einmündung der Straße "R..."), für die ebenfalls eine Verschonungsfrist bis 2020 festgesetzt wurde. Auch diese Satzung wurde mit Rückwirkung zum 1. Januar 2000 versehen.

Mit Bescheid vom 10. Dezember 2003 zog die Beklagte den Kläger zu Vorausleistungen auf den wiederkehrenden Ausbaubeitrag für das Jahr 2003 in Höhe von 411,26 € heran. Der hiergegen am 18. Dezember 2004 eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 25. August 2005 zurückgewiesen.

Seine Klage stützt der Kläger auf das Vorbringen, sein Grundstück sei zu Unrecht nicht in die Verschonungsregelung des § 13 ABS aufgenommen worden; denn er habe beim Grundstückskauf bereits Erschließungsbeiträge für die Straße "R..." bezahlt.

Hinsichtlich des seinem Urteil zugrunde liegenden Sachverhalts im Übrigen nimmt der Senat gemäß § 130 b Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug, dessen tatsächliche Feststellungen er sich in vollem Umfang zu Eigen macht.

Das Verwaltungsgericht hat den Vorausleistungsbescheid im Wesentlichen mit der Begründung aufgehoben, die Rückwirkung der 4. Änderungssatzung hinsichtlich der Verschonungsregelung für die "V... N...straße" sei unzulässig. Denn die 3. Änderungssatzung könne im Hinblick auf ihren § 13 nicht beanstandet werden. Die "V... N...straße" sei zu Recht nicht in die Verschonungsregelung der 3. Änderungssatzung vom 12. September 2003 aufgenommen worden, da ihre Widmung erst am 30. Oktober 2003 erfolgt sei. Die Nichtberücksichtigung der Grundstücke entlang der "V... N...straße" im streitgegenständlichen Vorausleistungsbescheid führe deshalb zur Rechtswidrigkeit des Beitragssatzes. Unabhängig davon sei der Vorausleistungsbescheid bereits dem Grunde nach rechtswidrig, weil es dem Grundstück des Klägers an der erforderlichen Zugänglichkeit fehle. Die tatsächlich vorhandene Zufahrt verstoße gegen das ausdrückliche Zufahrtsverbot des Bebauungsplans an dieser Stelle. Ein Zugang in Höhe der im Bebauungsplan vorgesehenen Unterbrechung des Grünstreifens sei ebenfalls nicht möglich, weil wegen des Zuschnitts der Parzelle des Klägers tatsächlich kein bauordnungsrechtlich ausreichender Zugang von mindestens 1,25 m angelegt werden könne.

Mit ihrer vom Senat zugelassenen Berufung trägt die Beklagte vor, die 3. Änderungssatzung habe in ihrem § 13 durch die 4. Änderungssatzung ergänzt werden müssen, nachdem die "V... N...straße" am 30. Oktober 2003 gewidmet worden sei. Denn durch die Aufnahme einer Verschonungsregelung in die Satzung habe sie sich gebunden, auf vergleichbare Sachverhalte, nämlich die erstmalige Herstellung einer Erschließungsanlage mit der Erhebung von Erschließungsbeiträgen, in gleicher Weise zu reagieren, also ebenfalls eine Verschonung zu normieren. Dies könne jedoch für das Grundstück des Klägers nicht gelten, das aus einem größeren Grundstück hervorgegangen sei, welches im Jahre 1994 zusammen mit anderen an die Straße "R..." angrenzenden Parzellen veräußert worden sei. Für diese Straße seien zwar Erschließungsbeiträge erhoben worden; die Parzelle des Klägers sei jedoch nicht veranlagt worden. Da es sich bei der H...straße um keine neue Erschließungsanlage handele, seien keine Erschließungsbeiträge angefallen; die letzte Erhebung von Ausbaubeiträgen liege mehr als 30 Jahre zurück. Eine Einbeziehung der H...straße in die Verschonungsregelung sei mithin nicht gerechtfertigt.

Das Grundstück des Klägers habe auch die Zugangsmöglichkeit zu einer Verkehrsanlage der Abrechnungseinheit. Die Auslegung der bauplanerischen Festsetzungen ergebe, dass die Beklagte mit der Unterbrechung der "flächenhaften Anpflanzung von Bäumen und Sträuchern" den Zugang von der H...straße zum wohnbaulich nutzbaren Grundstück des Klägers ermöglicht habe. Andernfalls wäre der Bebauungsplan "I..." der Beklagten insoweit abwägungsfehlerhaft und teilnichtig.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen. Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt die Entscheidung des Verwaltungsgerichts und legt den Kaufvertrag vom 20. Dezember 1994 vor, mit welchem auch die Fläche des veranlagten Grundstücks des Klägers von der Beklagten an die Schwiegereltern des Klägers verkauft wurde, und zwar zu einem Kaufpreis von 21,94 DM/m², von dem 10,44 DM/m² auf "die Vorausleistung auf den Erschließungsbeitrag" entfielen. Er weist darauf hin, dass die Widmung der Splitterparzellen, die zwischen seinem Grundstück und der Straßenparzelle lägen, ohne die erforderliche Zustimmung seiner Schwiegereltern als Eigentümer erfolgt sei.

Die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes ergeben sich aus der Gerichtsakte und den von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgängen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet.

Anders als das Verwaltungsgericht kommt der Senat zu dem Ergebnis, dass der Vorausleistungsbescheid der Beklagten vom 10. Dezember 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. August 2005 den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Das angefochtene Urteil ist dementsprechend abzuändern.

Nach § 10 Abs. 1 und 3 des Kommunalabgabengesetzes vom 20. Juni 1995 in der hier noch anwendbaren Fassung vom 6. Februar 2001 - KAG - können die Gemeinden anstelle einmaliger Beiträge für den Ausbau öffentlicher Verkehrsanlagen die jährlichen Investitionsaufwendungen für die Verkehrsanlagen des gesamten Gemeindegebiets oder einzelner Abrechnungseinheiten als wiederkehrende Beiträge auf alle in dem Gebiet der Abrechnungseinheit gelegenen baulich oder in ähnlicher Weise nutzbaren Grundstücke verteilen. Mit dieser gesetzlichen Vorgabe ist die von der Beklagten erlassene Ausbaubeitragssatzung vom 5. Juli 2000 in der Fassung der 4. Änderungssatzung vom 5. Januar 2004 - ABS - vereinbar.

Da diese 4. Änderungssatzung rückwirkend zum 1. Januar 2000 in Kraft gesetzt wurde, muss sie den besonderen Anforderungen genügen, die das Bundesverfassungsgericht (2 BvR 2029/01, BVerfGE 109, 133 = NJW 2004, 739) für Rechtsnormen aufgestellt hat, die den Beginn ihrer zeitlichen Anwendung auf einen Zeitpunkt festgelegen, der vor dem Zeitpunkt liegt, zu dem die Norm rechtlich existent, das heißt gültig geworden ist. Von einer solchen "echten" Rückwirkung spricht man im Abgabenrecht, wenn eine bereits entstandene Abgabenpflicht nachträglich geändert wird. Nach §§ 10 Abs. 7 Satz 2, 7 Abs. 4 KAG entsteht die Beitragspflicht im Falle der Erhebung wiederkehrender Beiträge am 31. Dezember für die Investitionsaufwendungen des jeweiligen Jahres. Im Zeitpunkt des Erlasses der 4. Änderungssatzung am 5. Januar 2004 waren die beitragsfähigen Aufwendungen für die Jahre 2000, 2001, 2002 und 2003 bereits entstanden. Dennoch ist schutzwürdiges Vertrauen der Beitragsschuldner durch die Rückwirkung der 4. Änderungssatzung zum 1. Januar 2000 nicht verletzt worden.

So sind durch die rückwirkende Aufnahme der "V... N...straße" in die Verschonungsregelung die Eigentümer von dort gelegenen Grundstücken für die Jahre 2000, 2001 und 2002 bereits nicht nachträglich und zu Lasten der übrigen Beitragsschuldner von der Beitragspflicht befreit worden. Vielmehr waren die Grundstücke in der "V... N...straße" seinerzeit schon deswegen nicht beitragspflichtig, weil diese Straße damals noch nicht gewidmet war. Dass noch nicht erstmals hergestellte bzw. noch nicht gewidmete Straßen selbst nicht Teil einer ausbaubeitragsrechtlichen Abrechnungseinheit sein können und die Grundstückseigentümer auch nicht als so genannte Hinterlieger der nächsterreichbaren öffentlichen Straße beitragspflichtig sind, hat der Senat bereits entschieden (6 A 12155/04.OVG, KStZ 2006, 58, ESOVGRP).

Soweit aufgrund der am 30. Oktober 2003 öffentlich bekannt gemachten Widmung der "V... N...straße" für die dort begüterten Grundstückseigentümer am 31. Dezember 2003 die Pflicht entstand, wiederkehrende Beiträge für die im Jahr 2003 angefallenen Aufwendungen zu entrichten, sind sie durch die Rückwirkung der 4. Änderungssatzung zwar von dieser Beitragsleistung entlastet worden. Dass dies unterbleibt, durften die übrigen Beitragsschuldner jedoch nicht schutzwürdig erwarten. Sie mussten vielmehr mit einer solchen Satzungsänderung rechnen, weil mit ihr eine rechtlich zweifelhaft gewordene Norm rückwirkend ersetzt worden ist (vgl. hierzu BVerwG, IV C 45.74, BVerwGE 50, 2 <8>). Die Beklagte hat sich in § 13 ABS für eine Verschonungsregelung i.S.d. § 10 Abs. 8 Satz 1 KAG entschieden, mit der den Gemeinden die Möglichkeit eröffnet wird, Grundstücke, für die in den vergangenen Jahren Ansprüche auf Erschließungsbeiträge nach dem Baugesetzbuch oder einmalige Ausbaubeiträge entstanden sind, für einen bestimmten Zeitraum bei der Ermittlung des wiederkehrenden Beitrags nicht zu berücksichtigen. Dem entsprechend hatte die Beklagte auch die zuvor erstmals hergestellte und gewidmete Straße "R..." durch die 3. Änderungssatzung in die Verschonungsregelung des § 13 ABS einbezogen. Angesichts dessen hätte sie nach der Widmung der "V... N...straße" auf eine entsprechende satzungsrechtliche Reaktion, also eine Verschonung, nur verzichten dürfen, wenn besondere Umstände eine solche Ungleichbehandlung gerechtfertigt hätten. Dafür ist weder etwas vorgetragen noch sonst ersichtlich.

Der Senat folgt der Auffassung des Klägers nicht, auch er habe in den Genuss der Verschonungsregelung des § 13 ABS kommen müssen, da sein Grundstück aus einem größeren Flurstück hervorgegangen sei, das seinerzeit (als Hinterliegergrundstück) an die Straße "R..." angrenzte und für das seine Schwiegereltern einen um "die Vorausleistung auf den Erschließungsbeitrag" erhöhten Kaufpreis an die Beklagte gezahlt hätten. Selbst wenn der Kläger im Kaufvertrag mit seinen Schwiegereltern die auf das nunmehr veranlagte Grundstück entfallenden (Erschließungs-)Kosten übernommen haben sollte, kann er eine Verschonung nicht beanspruchen. Denn seine Parzelle war am 31. Dezember 2003, als die Beitragspflicht entstand, kein Anliegergrundstück der Straße "R...". Es bestand auch keine Veranlassung, das Grundstück des Klägers in eine Verschonungsregelung aufzunehmen. Eine solche setzt nach § 10 Abs. 8 Satz 1 KAG - wie erwähnt - voraus, dass in den vergangenen Jahren Ansprüche auf Erschließungsbeiträge nach dem Baugesetzbuch oder einmalige Ausbaubeiträge hinsichtlich des betreffenden Grundstücks entstanden sind. Daran fehlt es hier nicht nur bezüglich der H...straße, sondern auch im Hinblick auf Erschließungsbeiträge für die erstmalige Herstellung der Straße "R...". Soweit der Kläger dennoch kaufvertraglich (gegenüber seinen Schwiegereltern) entsprechende Kosten übernommen haben sollte, obwohl das Grundstück mangels Erreichbarkeit von der Erschließungsstraße "R..." keinen beitragsrechtlichen Vorteil von dieser Verkehrsanlage hatte, kann er wegen des insoweit erhöhten Kaufpreises keine Verschonung des nunmehr veranlagten Grundstücks verlangen. Schließlich müsste eine Verschonung des Hausgrundstücks des Klägers auch daran scheitern, dass nach der Rechtsprechung des Senats (6 C 10464/02.OVG, AS 30, 106 = NVwZ-RR 2003, 380, ESOVGRP) eine zeitweise Beitragsbefreiung i.S.d. § 10 Abs. 8 KAG, also eine Verschonung, lediglich für solche Grundstücke gilt, die allein zu den in § 10 Abs. 8 KAG genannten Verkehrsanlagen, für die in der Vergangenheit Erschließungsbeiträge oder einmalige Beiträge gezahlt wurden, Zufahrt oder Zugang nehmen können, nicht hingegen für Grundstücke, die zusätzlich von Straßen erschlossen werden, für deren Ausbau die Erhebung wiederkehrender Beiträge angezeigt ist. Denn das veranlagte Grundstück ist von der H...-straße erschlossen und damit von einer anderen oder weiteren Verkehrsanlage neben dem "R...", der allein Anknüpfungspunkt für eine Verschonung sein könnte.

Die Beitragspflicht scheitert - anders als das Verwaltungsgericht meint - nicht am Fehlen der Zugänglichkeit des Grundstücks des Klägers zur H...straße. Der Beitragspflicht unterliegen nach § 10 Abs. 6 S. 2 KAG beim wiederkehrenden Beitrag alle baulich oder in ähnlicher Weise nutzbaren Grundstücke, die die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit einer Zufahrt oder eines Zugangs zu einer in der Abrechnungseinheit gelegenen Verkehrsanlage haben. Diese Zugangsmöglichkeit konkretisiert den in § 7 Abs. 2 S. 1 KAG allgemein als Möglichkeit der Inanspruchnahme einer öffentlichen Einrichtung oder Anlage formulierten Sondervorteil, den die Beitragserhebung voraussetzt (OVG RP, 6 C 10464/02, AS 30, 106 = NVwZ-RR 2003, 380, ESOVGRP). Dabei sind die Nutzbarkeit und die Zugänglichkeit eines Grundstücks nicht voneinander unabhängige tatbestandliche Voraussetzungen. Vielmehr hängt die Frage, welcher Zugang nach Art und Beschaffenheit möglich sein muss, von der Nutzbarkeit - also nicht von der tatsächlichen, sondern von der zulässigen Nutzung - des Grundstücks ab (OVG RP, 6 A 10158/06.OVG, KStZ 2006, 171, ESOVGRP). Bei einem Mischgebiet - wie hier - ist ein Grundstück bereits dann erschlossen, wenn die für eine Wohnnutzung ausreichende Möglichkeit gegeben ist, mit Personen- und kleinen Versorgungsfahrzeugen bis an die Grenze des Grundstücks bzw. bis zu dessen Höhe heranzufahren und es von dort aus zu betreten (BVerwG, 9 C 4/05, NVwZ 2007, 81).

Diese Voraussetzung einer Zugangsmöglichkeit von der H...straße zum Grundstück des Klägers ist trotz der bauplanerischen Festsetzung einer "flächenhaften Anpflanzung von Bäumen und Sträuchern" gegeben. Dies gilt selbst dann, wenn man mit dem Verwaltungsgericht davon ausgeht, diese Festsetzung stehe der Schaffung eines Zugangs von der H...straße zum Grundstück des Klägers entgegen. Denn die im Bereich der nordwestlichen Grundstücksgrenze festgesetzte Unterbrechung der Anpflanzung erlaubt einen Zugang in der bauordnungsrechtlich vorgeschriebenen Mindestbreite, die 1,25 m beträgt, sofern das auf dem Grundstück des Klägers errichtete Gebäude dem Tatbestand des § 7 Abs. 1 der Landesbauordnung unterfällt. Die vom Verwaltungsgericht an Hand der zeichnerischen Darstellung der "flächenhaften Anpflanzung von Bäumen und Sträuchern" und ihrer Unterbrechung vorgenommene Ermittlung der Zugangsbreite von weniger als 1 m im Bereich der nordwestlichen Grenze des Grundstücks des Klägers vermag nicht zu überzeugen. Die zeichnerische Darstellung im Bebauungsplan "I..." der Beklagten im Maßstab 1:1000 lässt eine zentimetergenaue Ermittlung der Zugangsbreite nicht zu, weil 1 mm in der zeichnerischen Darstellung 1 m tatsächlicher Ausdehnung entspricht. Ungeachtet dessen ergibt eine am erkennbaren Zweck dieser bauplanerischen Festsetzung orientierte Auslegung, dass die Unterbrechung gerade einen Zugang von der H...straße zum Grundstück und damit dessen wegemäßige Erschließung ermöglichen sollte. Andernfalls müsste man den Bebauungsplan "I..." der Beklagten insofern als teilnichtig betrachten, als die Festsetzung einer "flächenhaften Anpflanzung von Bäumen und Sträuchern" das gleichzeitig als baulich nutzbar ausgewiesene Grundstück gegenüber der für seine wegemäßige Erschließung vorgesehenen Straße "verschließen" würde. Unterschiedliche Festsetzungen für ein und dieselbe Fläche scheiden nämlich als wirksamer Beitrag zur Ordnung der baulichen oder sonstigen Nutzung aus, wenn sie sich gegenseitig ausschließen (BVerwG, 4 B 55/01, BRS 64 Nr. 29; BVerwG, 4 BN 36/03, NVwZ 2003, 1391). Ein in sich widersprüchlicher Bebauungsplan ist insoweit nichtig (vgl. OVG RP, 10 C 10228/90.OVG, BRS 52 Nr. 16, ESOVGRP).

Die Zugangsmöglichkeit kann auch nicht mit dem Hinweis auf die in fremdem Eigentum stehenden Splitterparzellen bezweifelt werden, die zwischen dem Grundstück des Klägers und der gemeindlichen Straßenparzelle liegen. Denn die Beklagte hat (auch) diese Fremdparzellen als "Bürgersteig" dem öffentlichen Verkehr gewidmet und damit eine öffentlich-rechtliche Sachherrschaft über diese Splitterparzellen begründet, die deren Eigentümer rechtlich auf Dauer hindert, kraft ihres Eigentumsrechts eine Benutzung dieser Parzellen als Zugang zum Grundstück des Klägers zu untersagen. Selbst wenn man davon ausgeht, dass die Widmung dieser Splitterparzellen ohne die Zustimmung der Eigentümer erfolgt und deshalb unbeachtlich ist, folgt die Zugänglichkeit des veranlagten Grundstücks zur H...straße aus einem Notwegerecht an diesen Splitterparzellen, die im Eigentum der Schwiegereltern des Klägers, also der vormaligen Eigentümer auch des nunmehr veranlagten Grundstücks, stehen. Der Senat hat wiederholt entschieden (6 A 10411/00.OVG, AS 28, 435 = KStZ 2001, 115 = NVwZ-RR 2001, 597, ESOVGRP; 6 A 10984/05.OVG, ESOVGRP), dass die bei einer Heranziehung zum wiederkehrenden Ausbaubeitrag erforderliche, dauerhaft gesicherte Zugangs- bzw. Zufahrtsmöglichkeit zu einer öffentlichen Verkehrsanlage bei bebauten Hinterliegergrundstücken auch durch ein zivilrechtliches Notwegerecht an einem Straßenanliegergrundstück vermittelt werden kann, wenn das Grundstück zu seiner bestimmungs- und ordnungsgemäßen Nutzung auf eine Verbindung zu einer öffentlichen Straße dauerhaft angewiesen ist, anders als mit Hilfe des Notwegerechts die notwendige Zugangs- bzw. Zufahrtsmöglichkeit aber nicht hat.

Ob diese Splitterparzellen als Bürgersteig ausgebaut worden sind, ist nicht von Bedeutung, solange ihr tatsächlicher Zustand erlaubt, über sie Zugang zum Grundstück des Klägers zu nehmen.

Soweit in dem angefochtenen Urteil von der Rechtswidrigkeit des Beitragssatzes gesprochen wird, ist zur Vermeidung von Missverständnissen darauf hinzuweisen, dass die rechtssatzförmige Festsetzung eines solchen zwar nach dem Kommunalabgabengesetz vom 5. Mai 1986 Voraussetzung der Beitragserhebung war, nicht hingegen nach dem hier anwendbaren Kommunalabgabengesetz vom 20. Juni 1995 in der Fassung vom 6. Februar 2001 erforderlich ist (vgl. OVG RP, 6 A 13521/96.OVG; OVG RP, 6 A 10419/02.OVG, AS 30, 182 = KStZ 2003, 96 = NVwZ-RR 2003, 523, ESOVGRP).

Da weitere Einwände gegen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Vorausleistungsbescheids weder vorgetragen noch sonst ersichtlich sind, war der Berufung mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10 ZPO.

Gründe im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO, die Revision zuzulassen, bestehen nicht.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Verfahren im zweiten Rechtszug auf 411,26 € festgesetzt (§§ 47, 52 Abs. 3 GKG).

Ende der Entscheidung

Zurück