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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss verkündet am 07.06.2004
Aktenzeichen: 6 A 10430/04.OVG
Rechtsgebiete: KAG, AO


Vorschriften:

KAG § 3
KAG § 3 Abs. 1
KAG § 3 Abs. 1 Nr. 4
KAG § 7
KAG § 7 Abs. 5
KAG § 10
KAG § 10 Abs. 7
KAG § 10 Abs. 7 S. 3
AO § 130
AO § 131
AO § 172
AO § 173
Der Senat hält daran fest, dass der Verweis in § 3 Abs. 1 Nr. 4 KAG (auch) auf §§ 172 bis 177 AO eine Nacherhebung von Beiträgen nur unter den engen Voraussetzungen dieser Bestimmungen zulässt (im Anschluss an das Urteil vom 24. Februar 1982 - 6 A 286/80 -, AS 17, 223 <227 f.>).
OBERVERWALTUNGSGERICHT RHEINLAND-PFALZ BESCHLUSS

6 A 10430/04.OVG

In dem Verwaltungsrechtsstreit

wegen Ausbaubeitrags

hier: Zulassung der Berufung

hat der 6. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der Beratung vom 7. Juni 2004, an der teilgenommen haben

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 17. Dezember 2003 - 1 K 926/03.NW - wird abgelehnt.

Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Zulassungsverfahren auf 2.555,70 € festgesetzt.

Gründe:

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg. Keiner der geltend gemachten Zulassungsgründe liegt vor.

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - bestehen nicht. Wie vom Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt wurde, hat der Senat wiederholt entschieden, dass der Verweis in § 3 Abs. 1 Nr. 4 Kommunalabgabengesetz - KAG - (auch) auf §§ 172 bis 177 Abgabenordnung - AO - eine Nacherhebung von Beiträgen nur unter den engen Voraussetzungen dieser Bestimmungen zulässt. Dies hat der Senat bereits in seinem grundlegenden Urteil vom 24. Februar 1982 - 6 A 286/80 - (AS 17, 223 <227 f.>) ausgesprochen. An dieser Rechtsprechung, die er im Beschluss vom 6. August 1991 - 6 B 10837/91.OVG - (KStZ 1992, 177, auch veröffentlicht in ESOVGRP) und im Beschluss vom 13. Dezember 2002 - 6 C 11693/02.OVG - fortgeführt hat, hält der Senat fest. Denn der Landesgesetzgeber hat diese Rechtsprechung nicht zum Anlass genommen, die Verweisung in § 3 Abs. 1 Nr. 4 KAG auf die §§ 172 bis 177 AO bei den Novellierungen des Kommunalabgabengesetzes in den Jahren 1986 und 1995 zu streichen, wie dies beispielsweise in Niedersachsen der Fall war, weil "die Nacherhebung von Beiträgen und Gebühren bei zunächst zu niedriger Veranlagung bis zum Eintritt der Festsetzungsverjährung rechtlich umstritten geblieben war" (vgl. Hillmann, KStZ 1985, 201 <205>). Die hiervon abweichende Auffassung von Driehaus (Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 6. Aufl. 2003, § 28 Rz. 23) vermag nicht zu überzeugen. Sie betrachtet den Erlass eines Nacherhebungsbescheids nicht als Änderung des Ausgangsbescheids i.S.d. § 172 ff. AO, weil dessen Regelungsgehalt unberührt bleibe; der Ausgangsbescheid bestimme nicht abschließend, dass ein höherer als der mit ihm festgesetzte Beitragsanspruch nicht entstanden sei. Deshalb gelte - so Driehaus (a.a.O.) weiter - für das Verhältnis zwischen einem Ausgangs- und einem Nachveranlagungsbescheid nichts anderes als für das Verhältnis zwischen einem Vorausleistungs- und einem Beitragsbescheid. Diese Gleichsetzung kann schon wegen der Unterschiede der Regelungsgehalte eines (endgültigen) Beitragsbescheids einerseits und eines Vorausleistungsbescheids andererseits nicht vorgenommen werden. Ein Vorausleistungsbescheid macht deutlich, dass keine endgültige Beitragsveranlagung, sondern nur eine solche auf vorläufiger Berechnungsgrundlage erfolgt. Der Beitragspflichtige, der zu einer Vorausleistung herangezogen wird, muss davon ausgehen, dass eine endgültige Veranlagung zu einem höheren Beitrag als dem Vorausleistungsbetrag führen kann. Demgegenüber ist einem (endgültigen) Beitragsbescheid ohne weiteres nicht zu entnehmen, dass gewissermaßen nur eine Rate des endgültigen Beitragsanspruchs festgesetzt werden soll. Ein solcher Bescheid darf auch deshalb nicht mit einem Vorausleistungsbescheid gleich gesetzt werden, weil die Vorausleistungserhebung eines ausdrücklichen diesbezüglichen Ratsbeschlusses bedarf. Gegen die Möglichkeit, gleichsam verdeckt Teilbeiträge in Gestalt endgültiger Heranziehungsbescheide festzusetzen, spricht im Übrigen, dass das Kommunalabgabenrecht eine abschließende Normierung der vom Gesetzgeber zugelassenen Möglichkeiten, die Kosten einer Ausbaumaßnahme aufzuteilen, enthält: Außer den bereits erwähnten Vorausleistungen (§ 10 Abs. 10 i.V.m. § 7 Abs. 5 Satz 1 KAG) sieht § 10 Abs. 7 Satz 3 KAG vor, für Teile einer Verkehrsanlage sowie für die Kosten des Erwerbs und der Freilegung der Flächen einen Teilbeitrag zu erheben. Ein auf diese Vorschrift gestützter Bescheid muss aber den abgerechneten Teil der Verkehrsanlage bzw. die abgespaltenen Grunderwerbs- oder Freilegungskosten bezeichnen. Die Erhebung des Gesamtbeitrags in (verdeckten) Teilbeträgen wird damit nicht zugelassen. Stellt eine Nacherhebung mithin eine Änderung eines Beitragsbescheids dar, darf sie nur unter den Voraussetzungen der §§ 172 ff. AO erfolgen, die die Möglichkeit, einen Bescheid gemäß § 130 AO zurückzunehmen oder gemäß § 131 AO zu widerrufen, ausschließen (vgl. § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 d) AO).

Im Übrigen war dem Bescheid vom 27. Januar 1994 nicht zu entnehmen, dass nur eine Rate des endgültigen Beitragsanspruchs festgesetzt werden sollte. Der Ortsgemeinderat der Klägerin hat vielmehr - dem Bescheid vom 27. Januar 1994 zufolge - in seiner Sitzung vom 26. Januar 1994 die endgültige Beitragserhebung beschlossen. Wie das Verwaltungsgericht bereits zutreffend ausgeführt hat, kommt auch eine Umdeutung des Bescheids vom 27. Januar 1994 nicht in Betracht, weil es bereits an dem vor einer Erhebung von Vorausleistungen erforderlichen Ratsbeschluss fehlt.

Aus denselben Gründen liegen auch die insoweit von der Klägerin geltend gemachten besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache nicht vor. Solche ergeben sich auch nicht im Zusammenhang mit der Frage, ob bereits im Jahre 1994 die Beitragspflicht für die hier in Rede stehende Ausbaumaßnahme entstanden ist. Sollte dies gemäß § 14 Abs. 6 Satz 1 KAG 1986 mit dem Abschluss der Bauarbeiten der Fall gewesen sein, durften die in den Folgejahren angefallenen Grunderwerbskosten nach dem Rechtsgrundsatz, dass eine abstrakte Beitragspflicht für ein Grundstück bezogen auf eine bestimmte Ausbaumaßnahme nur einmal, also zu einem bestimmten Zeitpunkt und in einer bestimmten Höhe entstehen kann, mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 19. November 2001 nicht angefordert werden (vgl. hierzu auch OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 11. August 1998 -12 A 11364/98.OVG -, NVwZ-RR 2000, 113; Urteil vom 10. Juni 1998 - 12 A 10314/98.OVG -, DVBl 1998, 1237, beide auch veröffentlicht in ESOVGRP). Sollte die Klägerin seinerzeit eine Satzungsregelung gemäß § 42 Abs. 11 KAG 1986 in Kraft gesetzt haben, wonach die Beitragspflicht erst mit dem rechnungsmäßigen "Anfall" der tatsächlichen Investitionsaufwendungen entstehen konnte (vgl. hierzu Beschluss des Senats vom 6. August 1991 - 6 B 10837/91 -, KStZ 1992, 177), wäre der Bescheid vom 27. Januar 1994 zwar rechtswidrig, seine Änderung aber nur nach Maßgabe der §§ 172 ff. AO möglich. Da die Voraussetzungen hierfür nach den Gründen des angefochtenen Urteils nicht vorliegen, muss der Bescheid vom 19. November 2001 als rechtswidrig betrachtet werden.

Ebenso wenig kommt der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zu. Zunächst besteht kein Klärungsbedarf, was die Anwendbarkeit der §§ 172 ff. AO betrifft. Die hiermit im Zusammenhang stehenden Rechtsfragen hat der Senat - wie den vorstehenden Ausführungen entnommen werden kann - bereits beantwortet. Auch das Verhältnis der Beitragserhebungspflicht des § 94 Abs. 2 Gemeindeordnung - GemO - zu den §§ 3 Abs. 1 Nr. 4 KAG, 172 ff. AO bedarf keiner grundsätzlichen Klärung. Es ergibt sich bereits aus den erwähnten Bestimmungen selbst. § 94 Abs. 2 Satz 1 GemO normiert keine Beitragserhebungspflicht schlechthin. Vielmehr bestimmt § 94 Abs. 2 Satz 1 GemO, dass die Gemeinde die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Einnahmen soweit vertretbar und geboten aus Entgelten für ihre Leistungen, im Übrigen aus Steuern zu beschaffen hat, soweit die sonstigen Einnahmen nicht ausreichen. Dies bedeutet, dass die Beitragserhebung im Rahmen der Vorschriften des Kommunalabgabenrechts erfolgt und dabei gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 4 KAG auch die §§ 172 ff. AO anzuwenden sind.

Nach alledem war der Zulassungsantrag mit der sich aus §§ 154 Abs. 2 und 3, 162 Abs. 3 VwGO ergebenden Kostenfolge abzulehnen. Da der Beigeladene einen eigenen Antrag gestellt und sich somit einem Kostenrisiko ausgesetzt hat, entspricht es der maßgebenden Billigkeit, dass dessen außergerichtliche Kosten der Klägerin auferlegt werden.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 13 Abs. 2, 14 Abs. 1 und 3 GKG.

Ende der Entscheidung

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